Gericht | OLG Brandenburg 4. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 22.02.2023 | |
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Aktenzeichen | 4 U 224/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0222.4U224.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 14.10.2021, Az. 2 O 386/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Potsdam ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen einer vermeintlich unzulässigen Abschalteinrichtung in Anspruch.
Die Klägerin erwarb am 20.02.2015 beim Autohaus R. in W. einen Gebrauchtwagen VW Golf Variant 1.6 TDI zu einem Kaufpreis von 20.185,01 €. Das ausweislich der als Anlage K 1 vorgelegten Rechnung erstmals am 28.11.2013 zugelassene Fahrzeug wies zum Zeitpunkt der Übergabe eine Laufleistung von 27.557 km aus. In dem Fahrzeug ist der von der Beklagten hergestellte und entwickelte Motor der Baureihe EA 288 der Schadstoffklasse 5 mit einer Leistung von 110 KW verbaut. Zur Reduktion der Stickstoffemissionen verfügt der Motor über eine Abgasrückführung, nicht jedoch über einen NOx-Speicherkatalysator oder einen SCR-Katalysator.
Am 20.02.2019 hat die Klägerin das Fahrzeug bei einem km-Stand von 89.000 km zu einem Kaufpreis von 8.300 € verkauft.
Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe diverse unzulässige Abschalteinrichtungen in dem streitgegenständlichen Motor verbaut. So verfüge das Fahrzeug über ein Thermofenster, das bei Temperaturen unter 10° und über 32° Celsius greife. Außerdem werde die Abgasreinigung ab einer Höhe von 1.000 Metern ganz ausgeschaltet. Es sei darüber hinaus – ebenso wie der Motor EA 189 - mit einer Software ausgestattet, die Fahrzyklus des NEFZ erkenne; dadurch würden im Prüfstand die NOx-Emissionen reduziert. Bei mit dem Motor EA 288 ausgestatteten Fahrzeugen hätten Messungen, u.a. der DUH, gezeigt, dass im normalen Straßenverkehr die Grenzwerte deutlich überschritten würden. Auch die Felduntersuchungen des KBA hätten belegt, dass die Grenzwerte im Straßenverkehr überschritten würden. Bei Auskünften des KBA zum Nichtvorliegen unzulässiger Abschalteinrichtungen sei völlig offen, wie das KBA zu diesen Erkenntnissen gelangt sei. Messungen der DUH in Bezug auf einen Audi A3 mit dem Motor EA 288 hätten ergeben, dass der NOx-Ausstoß nach einer Fahrzeit von ca. 1.400 sek erheblich ansteige - der NEFZ habe eine Dauer von 1.180 sek -; es sei davon auszugehen, dass dies auch bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug der Fall sei. Ebenso sei das OBD-System, das in jedem Fall ab einem NOx-Ausstoß von 240 mg/km anschlagen müsse, manipuliert. Das KBA habe Rückrufe für Fahrzeuge mit dem Motor EA 288 angeordnet. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte hafte ihm auf Schadensersatz.
Die Beklagte hat gegen ihre Inanspruchnahme im Wesentlichen eingewandt, in dem Fahrzeug komme keine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz. Die Erkennung des Prüfstands sei nur dann unzulässig, wenn sie genutzt werde, um die Funktion eines Teils des Emissionskontrollsystems so zu verändern, dass die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems im normalen Fahrbetrieb verringert werde. Dies sei bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht der Fall, wie intensive Untersuchungen des KBA und dessen Auskünfte gegenüber verschiedenen Gerichten zu EA 288-Motoren Euro 5 und auch Euro 6 ergäben. Insbesondere komme keine Umschaltlogik dergestalt zum Einsatz, dass das Emissionskontrollsystem im Prüfstand in einen abgasoptimierenden Zustand schalte. Das Emissionskontrollsystem arbeite bei voller Funktionsfähigkeit aller Bauteile sowohl im Prüfstand als auch auf der Straße mit identischer Wirksamkeit. Die Fahrkurvenerkennung werde nicht dazu genutzt, Emissionsgrenzwerte einzuhalten.
Mit Urteil vom 14.10.2021, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Deliktische Ansprüche bestünden nicht. Die Klägerin stütze ihre Ansprüche auf die Grundannahme, die Beklagte habe die Genehmigungsbehörde und damit mittelbar auch sie sittenwidrig über die Genehmigungsfähigkeit getäuscht, weil das Fahrzeug im realen Straßenbetrieb deutlich mehr Stickoxide ausstoße als im NEFZ. Diese Grundannahme verkenne, dass allein die Überschreitung der zulässigen Grenzwerte im realen Straßenbetrieb bei Einhaltung der Grenzwerte im Prüfstand nicht ohne weiteres den Schluss auf eine unzulässige Abschalteinrichtung zulasse. Zwar täusche der Fahrzeughersteller den Erwerber auch dann, wenn er ein Fahrzeug mit einer Technologie ausstatte, die die Prüfstandsituation erkenne und das Emissionsverhalten so reguliere, dass nur im Prüfzyklus die Emissionsgrenzwerte eingehalten seien. So liege der Fall hier jedoch nicht. Es stehe schon nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagte unzutreffende Angaben im Typengenehmigungsverfahren getätigt habe. Dagegen sprächen die von der Beklagten vorgelegten Stellungnahmen des KBA, das für den streitgegenständlichen Motortyp keine unzulässigen Abschalteinrichtungen erkannt habe. Die Typengenehmigung sei bestandskräftig; auch lägen keine belastbaren Anhaltspunkte für einen drohenden Widerruf vor. Die Implementierung der temperaturabhängigen Regulierung der Abgasrückführungsmenge begründe unabhängig davon, ob es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele, keine sittenwidrige Schädigung; weitere Umstände, die das Verhalten der Beklagten als verwerflich erscheinen ließen, habe die Klägerin nicht vorgetragen. In Bezug auf die unstreitig implementierte Prüfstanderkennung habe die Klägerin bereits nicht substantiiert vorgetragen, dass von dieser Auswirkungen auf das Emissionsverhalten des Fahrzeugs ausgingen. Auch der Anstieg der Emissionen im realen Straßenbetrieb nach Ablauf einer Zeitspanne, die geringfügig diejenige des NEFZ überschreite, indiziere nicht das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Soweit die Klägerin sich auf die Messungen der DUH beziehe, trage sie bedenklich selektiv vor, da der sprunghafte Emissionsanstieg nach ca. 1.400 sek auf dem ebenso sprunghaften Anstieg der Fahrgeschwindigkeit von 40 km/h auf 100 km/h beruhe. Die Klägerin habe auch nicht substantiiert vorgetragen, inwieweit das OBD manipuliert worden sei.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren im vollen Umfang weiterverfolgt. Sie rügt, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft davon ausgegangen sei, dass es auf die NOx-Abweichungen im Straßenverkehr nicht ankomme. Im Straßenverkehr würden die Grenzwerte, wie sie hinreichend dargelegt habe, erheblich überschritten. Die Klägerin habe hinreichend greifbare Indizien für die Verwendung illegaler Abschalteinrichtungen vorgetragen, nämlich konkrete Messwerte (der DUH, des KBA, von Dr. M. P.), Dokumente der Beklagten mit eindeutigen Hinweisen auf die Verwendung illegaler Abschalteinrichtungen, Äußerungen des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des Beklagten, Betroffenheit des EA 288 vom Abgasskandal in den USA, den vorangegangenen Einbau illegaler Abschalteinrichtungen, Hintergründe der Unternehmenspolitik der Beklagten, Expertenmeinungen (Dr. M. P., Prof. Dr. K. B., Dr. M. H.), Beweisangebote zu Sachverständigengutachten und ergänzende Medienberichterstattung. Die Beklagte habe auch schuldhaft gehandelt.
Die Klägerin beruft sich für ihre Behauptung, bei dem sog. Thermofenster handle es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung auf das zwischenzeitlich ergangene Urteil des EuGH (vom 14.07.2022 - C-128/20, C-134/20, C-145/20) und für ihre Auffassung, die Kraftfahrzeugrahmenrichtlinie habe drittschützende Wirkung auf die Stellungnahme des Generalanwalts Rantos im Verfahren C-100/21.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 14.10.2021 (Az: 2 O 386/20) wie folgt abzuändern:
1. Die Beklagte wird verurteilt, einen in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Schadensersatz in Höhe von mindestens 25 % des Kaufpreises des Fahrzeugs von 20.155,01 €, mindestens somit 5.038,75 €, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
hilfsweise:
Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Herausgabe des Verkaufserlöses aus dem Verkauf des Fahrzeugs der Marke: Volkswagen, Typ Golf mit der Fahrzeug-Identifikationsnummer: ... in Höhe von 8.300,00 € an die Klagepartei 20.155,01 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, unter Anrechnung einer in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs zu erstatten, die sich aus folgender Formel ergibt: Kaufpreis x (aktueller Kilometerstand – Kilometerstand bei Erwerb) / (geschätzte Gesamtlaufleistung – Kilometerstand bei Erwerb) zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von 1.744,64 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere gemäß §§ 517 ff. ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
In der Sache hat die Berufung indes keinen Erfolg.
Der Klägerin stehen gegen die Beklagte die geltend gemachten Schadensersatzansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Mangels eines Vertragsverhältnisses oder einer vertragsähnlichen Beziehung zwischen den Parteien kommen vertragliche Ansprüche von vornherein nicht in Betracht. Doch auch die Voraussetzungen für eine deliktische Haftung der Beklagten gemäß § 826 BGB § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV, §§ 831, 31 BGB sind nicht erfüllt. Infolgedessen ist auch der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten unbegründet.
1.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadenersatz aus § 826 BGB. Nach dieser Vorschrift ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt. Die erforderliche Sittenwidrigkeit liegt vor, wenn die schädigende Handlung nach ihrem Inhalt bzw. ihrem Gesamtcharakter im Widerspruch zum Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden steht und daher mit den grundsätzlichen Wertungen der Rechts- und Sittenordnung unvereinbar ist.
Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., BGH, Beschl v. 29.09.2021 – VII ZR 126/21 – Rn. 10; Urt. v. 16.09.2021 – VII ZR 322/20 – Rn. 13; Urt. v. 13.07.2021 - VI ZR 128/20 - Rn. 11; Urt. v. 30.07.2020 - VI ZR 5/20 - Rn. 29; Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 - Rn. 15, jeweils m.w.N.). Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Urt. v. 16.09.2021 - VII ZR 322/20 - Rn. 13; Beschl. v. 09.03.2021 - VI ZR 889/20 - Rn. 12; Beschl. v. 19.01.2021 - VI ZR 433/19 - Rn. 14; Urt. v. 30.07.2020 - VI ZR 5/20 - Rn. 29).
Dies vorangestellt hat - wie das Landgericht ausgeführt und der Senat im Termin umfassend erörtert hat - die Klägerin weder hinreichend dazu vorgetragen, dass die behauptete Abschalteinrichtung überhaupt in seinem Fahrzeug eingebaut ist (dazu a), noch dazu, dass ihre Installation verwerflich wäre (dazu b), und schließlich auch nicht zu dem erforderlichen Vorsatz einer Schädigung der Klägerin (dazu c).
a) Die Klägerin hat nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer (unzulässigen) Abschalteinrichtung ausgestattet ist. Es kann deshalb offenbleiben, ob der Auffassung zu folgen ist, wonach die Frage der Unzulässigkeit einer Abschalteinrichtung als Voraussetzung einer Haftung der Beklagten gemäß § 826 BGB bereits infolge der Tatbestandswirkung einer bestandskräftig erteilten Typengenehmigung der Prüfung durch Zivilgerichte entzogen sei, es sei denn es lasse sich feststellen, dass die Typengenehmigung erschlichen wurde (insoweit ablehnend: BGH, Urteil vom 08.12.2021 – VIII ZR 190/19 – Rn. 79 ff., juris; Beschluss vom 14.12.2021 – VIII ZR 386/20 – Rn. 34, juris; offengelassen: BGH, Beschluss vom 23.05.2022 – VIa ZR 433/21 – juris).
aa) Eine (moderate) Überschreitung der zulässigen Grenzwerte für Stickoxide im Realbetrieb bei Einhaltung der Grenzwerte im Prüfstandsbetrieb ist als solche grundsätzlich nicht geeignet, den Rückschluss auf eine unzulässige Abschalteinrichtung zu ziehen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 29.06.2021, I- 13 U 434/20). Vielmehr ist die Überschreitung der Prüfstandswerte im Realbetrieb ein normaler Umstand, der deshalb allein nicht als Indiz für das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung dienen kann (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 19.01.2021 - 16a U 196/19 -, Rn. 59 ff., juris). Denn der Realbetrieb ist gegenüber dem Prüfstandsbetrieb - neben anderen Parametern - durch einen deutlich höheren Leistungsabruf gekennzeichnet, so dass der (zwangsläufig) höhere Kraftstoffverbrauch zwingend mit höheren Emissionen einhergeht. Die von Klägerseite vorgelegten Gutachten P. und B. stützen die Annahme der Klägerin, dass erhöhte Emissionen im Realbetrieb auf eine Prüfstandserkennungssoftware hinweisen, gerade nicht.
Dementsprechend ist, soweit die Klägerin sich erstinstanzlich darauf gestützt hat, dass eine für einen anderen Fahrzeugtyp (Audi A 3 - mit dem Motor EA 288) erfolgte Untersuchung der DUH (Anlage K 13, Anlagenband) ergeben habe, dass ab einer Fahrzeit von 1.400 s eine sprunghafte Abschaltung bzw. Reduzierung der Abgasrückführung erfolge, die Indizwirkung für eine Wirkung der Zykluserkennung auf die Abgasrückführung bereits durch das Landgericht überzeugend mit der Begründung widerlegt worden, dass bei der Untersuchung auch die Fahrgeschwindigkeit sprunghaft angestiegen sei.
Die Untersuchungskommission Volkswagen hat demgegenüber acht Fahrzeuge mit dem Motortyp EA 288 und der Abgasnorm Euro 5 und Euro 6 geprüft; in keinem Fall ergaben sich Hinweise auf unzulässige Abschalteinrichtungen. Insbesondere eine Fahrkurvenerkennung, wie sie die Klägerin behauptet, die sich nur im letzten Drittel des NEFZ auswirkt, hätte sich jedoch – wenn sie Auswirkungen auf die Einhaltung der Grenzwerte hätte - bei dem als „NEFZ back“ bezeichneten Test bemerkbar machen müssen.
bb) Soweit die Klägerin das Vorhandensein einer Fahrkurvenerkennung rügt, ist diese als solche regulatorisch nicht zu beanstanden. Unzulässig ist eine Fahrkurvenerkennung vielmehr - wie die Beklagte zutreffend ausführt - nur dann, wenn sie dazu genutzt wird, eine Funktion eines Teils des Emissionskontrollsystems zu beeinflussen, die bewirkt, dass die NOx-Emissionen im NEFZ eingehalten werden, während die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird. Eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 i.V.m Art. 3 Nr. 10 VO EG 715/2007 liegt nämlich nur dann vor, wenn ein Fahrzeug mit einem Konstruktionsteil ausgerüstet ist, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die beim normalen Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird. Auch aus der Analyse der Motorsteuerung eines VW Golf 2.0 mit dem Motor EA 288 des Sachverständigen Dr. H. vom 11.03.2021 (Anlage E 2, Anlagenband) ergibt sich jedoch nur, dass dieser Kennfelder gefunden habe, die offensichtlich der Erkennung des NEFZ-Fahrzyklus dienten.
Hiervon abgesehen fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten dafür, dass diese Funktion Einfluss auf die Einhaltung des Grenzwertes für die NOx-Emissionen von 180 mg/km hatte. Dagegen spricht nicht nur das ausdrückliche Bestreiten der Beklagten, sondern auch Untersuchungen des KBA, das in zahlreichen von der Beklagten vorgelegten Auskünften bestätigt hat, dass die NOx-Grenzwerte bei Fahrzeugen der Beklagten mit dem Motor EA 288 auch nach Entfernung der Fahrkurvenerkennung eingehalten werden. Unabhängig davon würde es – was unter b) und c) noch näher erläutert wird - jedenfalls an der für die Sittenwidrigkeit erforderlichen Verwerflichkeit des Handelns der Beklagten und an einem Schädigungsvorsatz fehlen.
cc) Die Klägerin hat auch keinen hinreichenden Anhaltspunkt dafür dargetan, dass die Abgasrückführungsrate bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug abhängig von der Außentemperatur außerhalb eines Temperaturfensters von 20° bis 30° Celsius bis hin zur Abschaltung des Abgasrückführungssystems reduziert und ab einer bestimmten Höhe über dem Meeresspiegel abgeschaltet wird.
Die Beklagte hat diese Behauptung substantiiert bestritten, indem sie ihrerseits behauptet, in dem streitgegenständlichen Fahrzeug werde ein Thermofenster lediglich jenseits -24° Celsius und +70° Celsius zum Einsatz gebracht, die Höhe über dem . Allein der Umstand, dass die Beklagte für andere Fahrzeuge geringer dimensionierte Thermofenster sowie ein sog. Abrampen zugestanden hat, lässt keinen Schluss darauf zu, dass dies auch in dem vorliegenden Fahrzeug der Fall war. Einen Rückruf von Fahrzeugen mit dem Motor EA 288 wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters gibt es trotz der dem KBA ohne Zweifel bekannten Entscheidungen des EuGH vom 17.12.2020 (C–693/18) und 14.07.2022 (C- 128/20) nicht.
Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nicht schon jede Steuerung der Abgasbehandlung anhand physikalischer Parameter, die zu einer Veränderung einzelner Emissionswerte (etwa bei NOx) führt, eine Abschalteinrichtung im Sinne der VO (EG) 715/2007 darstellt. Denn gemäß Art. 3 Nr. 10 der VO setzt eine Abschalteinrichtung voraus, dass damit unter Normalbedingungen die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems (insgesamt) verringert wird. Emissionen sind – wie sich aus Art. 3 Nr. 4-6 der VO ergibt – nicht nur Stickoxide, sondern auch Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe und (Ruß)partikel. Unstreitig kann es bei der Motorsteuerung im Hinblick auf die Reduktion der einzelnen Arten der Emissionen zu Zielkonflikten kommen, da keine Bedingungen existieren, für die sämtliche Emissionsarten zeitgleich minimal werden. Es muss daher im Rahmen der Motorsteuerung ein Ausgleich der Reduktionsziele vorgenommen werden, die notwendig nur über physikalische Parameter erfolgen kann. Die VO (EG) 715/2007 geht auch ersichtlich davon aus, etwa in Art. 5 Abs. 1, dass eine derartige Motorsteuerung stets existiert. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass allein die Steuerung des Motors anhand physikalischer Parameter für sich genommen unproblematisch ist und insbesondere kein Indiz für das Vorliegen einer Abschalteinrichtung darstellt.
dd) Auch die weiteren von der Klägerin behaupteten Umstände reichen nicht für die schlüssige Behauptung, in ihrem Fahrzeug sei eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut.
In Bezug auf das OBD-System ist ein Einwirken auf die abgasbeeinflussenden Systeme weder ersichtlich noch dargetan.
Einen Rückrufbescheid des KBA betreffend ein Fahrzeug mit dem Motor EA 288 gibt es – mit Ausnahme eines solchen für bestimmte Fahrzeuge des hier nicht streitgegenständlichen Typs VW T6 - unstreitig nicht; dies schließt, ebenso wenig wie die erteilten Auskünfte des KBA, dass unzulässige Abschalteinrichtungen nicht vorhanden seien, die Möglichkeit des Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung zwar nicht aus, begründet aber auch kein Indiz dafür (BGH, Beschluss vom 15.09.2021 - VII ZR 2/21 - Rn. 30, juris). Die Behauptungen der Klägerin sind daher als ins Blaue hinein zu qualifizieren und damit unbeachtlich; die von ihr beantragte Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ist nicht veranlasst.
b) Es fehlt auch an Vortrag zu den subjektiven Aspekten einer Haftung gemäß § 826 BGB.
Soweit es das vermeintlich vorhandene Thermofenster in den von der Klägerin behaupteten Dimensionierungen betrifft, führte allein die Existenz eines solchen nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung nicht zu der Annahme eines vorsätzlich sittenwidrigen Verhaltens des Motorenherstellers, und zwar selbst dann nicht, wenn das Thermofenster nach dem Maßstab der Auslegung durch den EuGH (Urteil vom 14.07.2022 - C-134/20 -) unzulässig ist. Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Für ein solches Vorstellungsbild hat die Klägerin keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen vorgetragen.
Ein größeres als ein exakt auf die normierten Temperaturbedingungen des NEFZ zugeschnittenes Thermofenster wäre nicht prüfstandsbezogen und könnte deshalb auch kein Indiz dafür begründen, dass die für die Beklagte handelnden Personen die Typengenehmigungsbehörde mit der Installation eines Thermofensters über die Einhaltung Grenzwerte für NOx-Emissionen täuschen wollten. Ein greifbarer Anhaltspunkt dafür, dass – unterstellt, es wäre überhaupt installiert – das Thermofenster tatsächlich genau auf die Temperaturbedingungen des NEFZ zugeschnitten ist, wird von der Klägerin nicht vorgetragen; es handelt sich - wie bereits ausgeführt - vielmehr um eine Behauptung ins Blaue hinein.
Auch für die Behauptung, die Beklagte habe im Typengenehmigungsverfahren keine hinreichenden, den Anforderungen des Art. 3 Abs. 9 der VO (EG) Nr. 692/2008 genügenden Angaben gemacht, fehlt jeder konkrete Anhaltspunkt. Letztlich kann dies – wie der BGH inzwischen in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat – jedoch auch dahin stehen, weil die Beklagte bei nicht hinreichenden Angaben hätte erwarten dürfen, dass die Genehmigungsbehörde – insoweit gilt für die für die Prüfung des streitgegenständlichen Motors und dessen Steuerung zuständige irische Genehmigungsbehörde NSAI nichts anderes als für das KBA, da diese ebenfalls von Amts wegen alle Möglichkeiten zur Ermittlung der Umstände auszuschöpfen hat, von denen die Anwendung der gemeinschaftlichen Bestimmungen – hier der VO (EG) 715/2007 - im Einzelfall abhängt (vgl. EuGH, Urteil vom 21.09.1983 – C 205/82 - Rn. 35 „Deutsche Milchkontor“; Schneider in: Schoch/Schneider, VwVfG, Stand: Juli 2020, § 24 VwVfG, Rn. 21; Senat, Urteil vom 22.12.2021 – 4 U 19/21 – Rn. 47; Urteil vom 16.03.2022 – 4 U 82/21 – Rn. 53) – entsprechende Angaben nachforderte.
Das erforderliche Bewusstsein der für die Beklagten handelnden Personen davon, mit einem Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, kann deshalb nicht festgestellt werden, weil die Frage, ob es sich bei dieser Einrichtung um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelte, zum Zeitpunkt der Erteilung der Typengenehmigung für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp, die spätestens November 2013 erfolgt sein muss, unklar und streitig war (vgl. Bericht der Untersuchungskommission „Volkswagen“, S. 123; Führ, NVwZ 2017, 265; OLG Koblenz, Urteil vom 18.01.2021 - 12 U 569/20 - Rn. 32). Nicht umsonst ist im Hinblick auf die Auslegung der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 a VO (EG) 715/2007 der EuGH angerufen worden der erst am 17.12.2020 entschieden hat, und war selbst danach die Zulässigkeit eines Thermofensters bis zur Entscheidung des EuGH vom 14.07.2022 noch weiterhin streitig.
Soweit die vermeintliche Fahrkurvenerkennung in Rede steht, gilt nichts anderes. Unabhängig davon, ob die – unter a) bb) dargestellte - Auffassung des Senats zutrifft, wonach die Fahrkurvenerkennung mangels Grenzwertkausalität bereits keine Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10 VO EG 715/2007 darstellt, wäre eine dementsprechende Auslegung durch die für die Beklagte handelnden Personen jedenfalls nicht unvertretbar. Dies gilt umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass das KBA, obwohl die Beklagte ihm gegenüber jedenfalls Ende 2015 das Vorhandensein einer Fahrkurvenerkennung in den Fahrzeugen mit dem Motor EA 288 einschließlich deren Wirkung unter den Bedingungen des NEFZ offengelegt hat, keine Rückrufe entsprechend ausgestatteter Fahrzeuge ausgesprochen, sondern im Gegenteil in zahlreichen amtlichen Auskünften bescheinigt hat, unzulässige Abschalteinrichtungen seien nicht festzustellen.
Aus den von der Klägerin in Bezug genommenen Applikationsrichtlinien vom 18.11.2015 (Anlagen K 5 und E 1, Anlagenband), insbesondere dem Umstand, dass darin festgelegt wird, die Fahrkurvenerkennung durch Ausbedatung oder Software-Änderung zu entfernen, ergibt sich nichts anderes. Diese in der Folge der Aufdeckung der Umschaltlogik beim EA 189 entwickelten Maßnahmen der Beklagten lassen keinen Schluss darauf zu, dass ihre verantwortlichen Mitarbeiter bewusst gegen das Verbot der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen verstoßen haben, indem sie mittels Fahrkurvenerkennung Vorkehrungen getroffen haben, um den NOx-Ausstoß unabhängig von der Kausalität für die Einhaltung der Grenzwerte unter den (nicht dem normalen Fahrbetrieb entsprechenden) Bedingungen des NEFZ zu optimieren. Dies gilt umso mehr, als eine solche Ausbedatung in Absprache mit dem KBA für vor der KW 22/2016 bereits produzierte und in Vertrieb gebrachte Fahrzeuge mit dem Motor EA 288 - wie das hier streitgegenständliche - nicht als erforderlich erachtet wurde.
An hinreichendem Vortrag zum Bewusstsein der für die Beklagte handelnden Personen von der Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung und der billigenden Inkaufnahme des Gesetzesverstoßes fehlt es auch in Bezug auf die behauptete Abschaltung der Abgasrückführung bei 1.000 m. Für eine Täuschung des KBA im Prüfungsverfahren gibt es keinen Anhaltspunkt. Die Funktionsweise der Abgasrückführung ab einer bestimmten Geländehöhe war kein Kriterium des Prüfungsverfahrens im Jahr 2013; es gab auch keine Verpflichtung, die Funktionsweise der Abgasrückführung in Bezug auf ein solches Kriterium zu beschreiben. Damit bestand aber auch kein Anlass für die bei der Beklagten handelnden Personen, sich Gedanken darüber zu machen, ob es sich bei der Nutzung des Fahrzeugs in einem Bereich über 1.000 m um „übliche Betriebsbedingungen“ im Sinne des Art. 3 VO 715/2007 handelte; jedenfalls könnte die Annahme, dies sei nicht der Fall, allenfalls einen Fahrlässigkeitsvorwurf begründen.
c) Auch ein Vorsatz der Beklagten zur Schädigung der Klägerin kann auf Grundlage seines Sachvortrags nicht festgestellt werden.
Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt beziehungsweise vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen; in einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt (BGH, Urteil vom 28.06.2016 - VI ZR 536/15 Rn. 25). Selbst wenn die Beklagte - sei es in Form eines Thermofensters oder der Fahrkurvenerkennung oder der Abschaltung der Abgasrückführung oberhalb 1000 m - objektiv unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut hätte, folgt allein daraus kein Vorsatz hinsichtlich der Schädigung der Fahrzeugkäufer. Angesichts der – unter a) und b) dargestellten - bestehenden Unsicherheiten in Bezug auf die Auslegung der Regelungen der Art. 3 Nr. 10 und 5 VO EG 715/2007 kann auf der Grundlage des Vortrages der Klägerin nicht festgestellt werden, dass sich den für die Beklagte tätigen Personen die Gefahr einer Schädigung der Klägerin hätte aufdrängen müssen.
2.
Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB scheidet aus den oben dargelegten Erwägungen mangels hinreichender Anknüpfungspunkte für den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung, zumal mit der Absicht, sich (oder einem Dritten) einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, aus. Unabhängig davon fehlt es bei dem hier vorliegenden Gebrauchtwagenkauf der Klägerin an der erforderlichen Bereicherungsabsicht der Beklagten und der in diesem Zusammenhang erforderlichen Stoffgleichheit des erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils mit einem etwaigen Vermögensschaden (siehe nur BGH, Urteil vom 30.07.2020 - VI ZR 5/20 - Rn 18ff, juris).
3.
Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 VO (EG) 715/2007.
Wie der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden hat, liegt das – von der Klägerin auch im vorliegenden Verfahren verfolgte - Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, weder im Aufgabenbereich der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV noch im Aufgabenbereich des Art. 5 VO 715/2007/EG (BGH, Urteil vom 30.07.2020 - VI ZR 5/20 - Rn. 11 ff., juris) – auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Gebots einer möglichst wirksamen Anwendung des Gemeinschaftsrechts (effet utile; BGH a.a.O. Rn. 14). Daran hat der Bundesgerichtshof auch angesichts des Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof (C-100/21) ausdrücklich festgehalten (BGH, Beschluss vom 04.05.2022 - VII ZR 656/21 -).
Die Schlussanträge des Generalanwalts vom 02.06.2022 bieten keine Veranlassung, von der gefestigten Rechtsprechung zum Vorliegen eines „acte clair“ in Bezug auf das Nichtvorliegen eines auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichteten Schadenersatzanspruchs abzuweichen oder nunmehr eine Vorlage an den EuGH bzw. eine Aussetzung gemäß § 148 ZPO in Erwägung zu ziehen. Der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, die unmittelbar anwendbar ist, misst der Generalanwalt selbst keine Schutzwirkung zugunsten von Vermögensinteressen von Fahrzeugerwerbern zu (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 28.06.2022 - 24 U 115/22 -, BeckRS 2022, 16112, Rn. 78). Lediglich die – nicht unmittelbar anwendbare – Richtlinie 2007/46/EG schützt nach Ansicht des Generalanwalts (auch) das Interesse des individuellen Erwerbers eines Kraftfahrzeugs, kein Fahrzeug zu erwerben, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist. Dies gilt jedoch nicht bezogen auf die §§ 6, 27 EG-FGV (vgl. OLG Stuttgart a.a.O. Rn. 80 ff). Einer Einordnung der §§ 6, 27 EG-FGV als Schutzgesetze des § 823 Abs. 2 BGB bedarf es im Hinblick auf das Gebot des effet utile nicht, weil bereits das bestehende nationale Recht zahlreiche - abgestufte und z.T. verschuldensunabhängige - Instrumente bereit hält, die das Interesse des Erwerbers schützen, z.B. das Gewährleistungsrecht mit der Möglichkeit des Rückgriffs auf den Hersteller gemäß § 445a BGB, deliktische Ansprüche aus § 826 BGB sowie die Schutz- und Bußgeldvorschriften in §§ 25, 37 EG-FGV (vgl. OLG Stuttgart a.a.O, Rn. 86 ff.); soweit in den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 02.06.2022 (dort Rn. 58 und 59) zum Ausdruck kommt, die dem Erwerber eines Fahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung derzeit nach deutschem Recht zustehenden Ansprüche seien unzureichend, handelt es sich nicht um eine eigene Bewertung des Generalanwalts, sondern um eine Wiedergabe der "Auffassung des vorlegenden Gerichts", die ihrerseits - aus den dargestellten Gründen - auf falschen Annahmen beruht.
Selbst nach den Schlussanträgen des Generalanwalts ist, abgesehen von einem Entschädigungsanspruch, der unmittelbar im Unionsrecht begründet ist, im Rahmen des nationalen Haftungsrechts zu bestimmen, wie der entstandene Schaden zu ersetzen ist, und es stünde den Mitgliedsstaaten weiterhin frei, einen - wie hier (allerdings nur) mit dem Hilfsantrag geltend gemachten - Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages wegen der Verletzung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts zu verneinen (vgl. OLG München, Beschluss vom 01.07.2022 - 8 U 1671/22 - Rn 31; zum Ganzen ebenso: OLG Hamm, Urteil vom 15.11.2022 - 34 U 172/21 - Rn 52 ff; OLG Frankfurt, Urteil vom 10.11.2022 - 16 U 53/21 - Rn 93ff; OLG Koblenz, Urteil vom 03.11.2022 - 6 U 568/22 - Rn 24ff; zit. nach juris).
Hiervon abgesehen ist nicht ersichtlich, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut sein könnte. Wie bereits dargelegt, gibt es keine konkreten Anhaltspunkte dafür. Die verschiedenen Behauptungen der Klägerin sind als ins Blaue hinein zu qualifizieren und daher unbeachtlich.
Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB aus einer - unterstellt - (mindestens fahrlässigen) Verletzung von Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 bzw. §§ 6, 27 EG-FGV wegen einer (erst) mit dem - so der Klägervortrag (Klageschrift S. 19, Bl. 20 d.A., S. 28, Bl. 29 d.A., vgl. auch Schriftsatz vom 30.03.2021 S. 29, Bl. 144 d.A.) - Software-Update installierten unzulässigen Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters scheidet überdies deshalb aus, weil der geltend gemachte Schaden, der in dem Abschluss des zuvor bereits geschlossenen Kaufvertrages liegt, hierauf nicht beruhen kann.
4.
Liegen danach die Voraussetzungen für keinen der vorgenannten deliktischen Ansprüche vor, lässt sich eine Haftung der Beklagten auch nicht aus § 831 BGB herleiten.
5.
Der geltend gemachte Nebenanspruch auf Erstattung von ihr entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten teilt das Schicksal der Hauptforderung.
6.
Der - nicht nachgelassene - Schriftsatz der Klägerin vom 02.02.2023 gibt keine Veranlassung, die zuvor verfahrensfehlerfrei geschlossene mündliche Verhandlung gemäß § 156 ZPO wiederzueröffnen.
III.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Eine Revisionszulassung ist nicht veranlasst, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch die Revision zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen ist (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Entscheidung orientiert sich an den gefestigten Grundsätzen der obergerichtlichen Rechtsprechung.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 45 Abs. 1 Satz 2 und 3, 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG auf 15.602,76 € festgesetzt. Der Wert für den Hilfsantrag übersteigt denjenigen des Hauptantrages (5.038,75 €) und ist nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG allein maßgeblich. Dieser bemisst sich nach dem begehrten Zahlbetrag (20.155,01 €) unter Anrechnung der - ins Ermessen des Gerichts gestellten - Nutzungsentschädigung, die hier unter Ansatz einer Gesamtfahrleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs von 300.000 km und seit Fahrzeugerwerb (bis zum Verkauf des Fahrzeugs gefahrenen 61.443 Kilometern (89.000 km – 27.557 km) auf 4.552,25 € geschätzt wird (§ 287 ZPO). Der Kaufpreis bei Weiterveräußerung bleibt wie stets eine Zug-um-Zug-Leistung bei der Streitwertbemessung außer Betracht. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind als Nebenforderung nicht anzusetzen(§ 43 Abs. 1 GKG).