Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung
Aufgrund von Wartungsarbeiten konnten seit Januar 2024 keine neuen Entscheidungen veröffentlicht werden. Alle Entscheidungen mit Stand vom 31. Dezember 2023 sind jedoch abrufbar. Zurzeit werden die noch ausstehenden Entscheidungen nachgepflegt.

Entscheidung 13 UF 21/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 27.02.2023
Aktenzeichen 13 UF 21/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0227.13UF21.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 26.01.2022 - 28 F 105/21 - abgeändert und wie folgt neu gefasst.

1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an den Antragsteller einen Betrag in Höhe von 28.789,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 18.552,38 € seit dem 19.03.2021, aus weiteren 5.596,50 € seit dem 26.09.2021 und aus weiteren 4.640,50 € seit dem 03.09.2022 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller von Unterhaltsverpflichtungen bezüglich des Kindes J. R., geboren am

... 2013, ab dem 01.09.2022 freizustellen ist.

II. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen hat die Antragsgegnerin zu tragen.

III. Der Wert des Verfahrensgegenstands wird für beide Rechtszüge auf jeweils 28.789,38 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten sich über die Freistellung des Antragstellers von der Barunterhaltsverpflichtung gegenüber dem im Wege einer Samenspende gezeugten gemeinsamen Sohn.

Der Antragsteller hat im Februar 2012 auf der Internet-Seite „Spermaspender.de“ seine Bereitschaft zu einer Spermaspende mit u. a. folgenden Angaben angeboten: “Ich habe keine finanziellen Interessen, nur sollte eurerseits die Bereitschaft bestehen, Unkosten zu übernehmen. Unterhalt möchte ich nicht zahlen. Ich möchte weder vorher noch nachher Kosten tragen müssen.“ Am 18.02.2012 um 13:29 Uhr wurde er durch den Administrator dieser Internetseite darauf aufmerksam gemacht, dass eine Interessenbekundung für ihn eingegangen sei. Um 14:28 Uhr schrieb er an die ihm von dem Administrator mitgeteilte Email-Anschrift ... @yahoo.de unter anderem: „Hallo ihr beiden, nein, ich verlange keine Gegenleistung. Allerdings möchte ich auch keine Unkosten haben und hätte gern Geld für anfallende Fahrtkosten. Da wir aber alle in B. wohnen, entfallen auch diese.“ Um 21:02 Uhr erhielt er von der o. g. Emailanschrift die Mitteilung: „Hallo C., vielen lieben für die ausführliche Antwort. Wir sind beide im öffentlichen Dienst angestellt und finanziell sehr gut abgesichert. Wie gesagt, wir haben auch schon einen kleinen Jungen über diese Methode bekommen.“ Am 19.02.2012 um 0:35 Uhr erhielt der Antragsteller von derselben Anschrift die Nachricht: „Hallo, nach einigen Überlegungen haben wir uns dazu entschlossen es mit der Bechermethode zu versuchen. Nun würden wir dich gern besser bzw. persönlich kennenlernen. Da wir unser erstes Kind auf dem natürlichen Weg bekommen haben, müssen wir uns erst mit der anderen Methode vertraut machen und auf den Eisprung warten. Was uns jedoch nicht daran hindert uns schon mit dir zu treffen. (...) Liebe Grüße I.- W. & Jo....“ Am selben Tag um 20:44 Uhr erhielt der Antragsteller die Nachricht: „Hallo C., anbei ein paar Bilder von uns. Auf dem ersten Bild ist unser zauberhaftes Wunschkind mit drauf. Wir werden morgen auf Arbeit klären wann wir frei machen können. Liebe Grüße I.- W. & Jo....“ Um 20:56 Uhr schrieb der Antragsteller: „wer von Euch beiden soll denn das Kind bekommen? Ich könnte Euch, wie gesagt, nach Zeit und Ort entgegenkommen. C.“, und um 22:56 Uhr schrieb er: „Hallo, nein, ganz im Gegenteil. Zwei Kinder von einem Frauenpaar entspricht meinen Idealvorstellungen.“

Im Verlauf der sich im Februar und März 2012 daran anschließenden Emails wurde ein persönliches Treffen vereinbart, das im Frühjahr 2012 im Café „F.“ in B. zwischen dem Antragsteller, der Antragsgegnerin, ihrem Sohn sowie den erstinstanzlich als Zeuginnen vernommenen I. S. und M. Wi... stattfand. Bei diesem Treffen erfuhr der Antragsteller, dass die Antragsgegnerin an der Spermaspende interessiert und mit Frau Wi... liiert, Frau I. S. hingegen eine ebenfalls an einer Spermaspende interessierte Bekannte der Antragsgegnerin sei. Zu einem späteren Zeitpunkt hat der Antragsteller dann telefonisch seine Bereitschaft zur Spermaspende gegenüber der Antragsgegnerin erklärt und sein Sperma in einem Becher der Antragsgegnerin in deren Wohnung übergeben. Der Antragsteller hat nach der Geburt des Kindes die Vaterschaft anerkannt.

Erstmals im Mai 2013 forderte die Unterhaltsvorschusskasse des Landkreises ... den Antragsteller zur Zahlung übergegangener Unterhaltsansprüche auf, nachdem die Antragsgegnerin Unterhaltsvorschuss für das Kind geltend gemacht hatte. Die Eltern des Antragstellers haben auf Zahlungsforderungen der Antragsgegnerin im Juni 2018 einen Betrag in Höhe von insgesamt 8.958,92 € (Bl. 23, 24, 32) auf den Unterhalt, den der Antragsteller dem Kind J. bis dahin schuldete, an die Antragsgegnerin gezahlt. Die Unterhaltsvorschusskasse hat im Zeitraum von 01.06.2019 bis einschließlich 31.08.2021 im Wege der Gehaltspfändungen beim Antragsteller einen Betrag in Höhe von insgesamt 12.213,96 € (Bl. 126) und für den Zeitraum von September 2021 bis zum 31.08.2022 weitere 4.640,50 € (Bl. 249R ff.) vereinnahmt. Der Antragsteller hat weiter im Jahr 2021 einen Betrag in Höhe von insgesamt 2.976 € an die Unterhaltsvorschusskasse gezahlt (Bl. 133). Insgesamt hat der Antragsteller unter Einschluss des für ihn von seinen Eltern gezahlten Betrags bis einschließlich August 2022 Unterhalt in Höhe von 28.789,38 € für seinen Sohn J. entrichtet.

Der Antragsteller hat vorgetragen, aufgrund des Inhalts seines Internetauftritts, der daraus hervorgegangenen Emails, von denen er ausging, dass die Antragsgegnerin sie verfasst habe, und dem Gespräch im Café F. sei zwischen ihm und der Antragsgegnerin vereinbart worden, dass diese ihn von Unterhaltsverpflichtungen für ein mit seinem Sperma gezeugtes Kind freistellt. Bei dem Treffen im Café F. hätten die Antragsgegnerin und Frau Wi... ihm gegenüber ihre guten Einkommensverhältnisse bestätigt und erklärt, das anwesende Kind sei aus ihrer Beziehung hervorgegangen. Weder bei der Anerkennung der Vaterschaft, noch bei dem Aufenthalt der Antragsgegnerin mit dem Kind im Haushalt seiner Eltern, noch zu einem späteren Zeitpunkt habe er der Antragsgegnerin mitgeteilt, von dieser Freistellung Abstand zu nehmen. Auf eine schriftliche Fixierung der Freistellungsvereinbarung habe er nicht bestanden, weil er als sogenannter „...-Spender“, als der er sich in seinem Internetauftritt auf der Seite „Spermaspender.de“ angeboten habe, zuvor bereits mehreren durch diese Internetseite mit ihm in Kontakt getretenen Frauen ohne schriftliche Freistellungsvereinbarung seinen Samen gespendet und zu den von ihm gezeugten Kindern und deren Müttern einen freundlichen Kontakt pflege, ohne je mit Unterhaltsforderungen konfrontiert worden zu sein. Gegenüber einer dieser Frauen, Frau K., habe die Antragsgegnerin im Jahr 2014 angegeben, sich an die Freistellungsvereinbarung mit dem Antragsteller nicht mehr gebunden zu fühlen.

Der Antragsteller hat zuletzt - sinngemäß - beantragt (Bl. 183, 139),

die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an den Antragsteller einen Betrag in Höhe von 18.552,38 € sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 5.596,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

festzustellen, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, den Antragsteller von zukünftigen Unterhaltsforderungen in Bezug auf das Kind J. R., geboren am ....2013, ab August 2021 freizustellen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Sie habe mit dem Antragsteller zu keinem Zeitpunkt eine Freistellung von Unterhaltsansprüchen vereinbart. Sie habe den Antragsteller gemeinsam mit I. S. aufgrund seiner Anzeige im Internet angeschrieben. Die Kontaktaufnahme auf die Internetanzeige des Antragstellers sei aber allein durch Frau S. erfolgt. Sie habe Frau S. nur zu dem Treffen mit dem Antragsteller ins Café F. begleitet. Dort habe sie erstmals mit dem Antragsteller über eine Spermaspende gesprochen, nicht aber über Unterhalt oder eine Freistellung davon. Der Antragsteller habe durch die Anerkennung der Vaterschaft und seine Anteilnahme am Lebens seines Sohns zu erkennen gegeben, dass er für dessen Unterhalt einzustehen bereit sei.

Das Amtsgericht hat Beweis erhoben über die Frage, ob die Beteiligten im Café F. eine Abrede über die Freistellung des Antragstellers von Unterhaltsansprüchen getroffen und die Antragsgegnerin im Jahr 2014 erklärt habe, sich an diese Abrede nicht mehr gebunden zu fühlen, durch Vernehmung der Zeuginnen Wi..., S. und K.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 26.01.2021 (Bl. 183) verwiesen.

Durch die angefochtene Entscheidung vom 26.1.2022 (Bl. 204) hat das Amtsgericht die Anträge des Antragstellers abgewiesen. Der Antragsteller sei für das Zustandekommen einer Vereinbarung mit der Antragsgegnerin über eine Freistellung von der Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem gemeinsamen Sohn beweisfällig geblieben. Eine Kenntnis der Antragsgegnerin vom Internetauftritt des Antragstellers sei nicht festzustellen. Das Schweigen der Antragsgegnerin zum Inhalt dieses Internetauftritts könne nicht als Erklärung im Sinne der Freistellung gewertet werden. Auch der vorgelegten Emailkorrespondenz sei keine ausdrückliche Erklärung der Antragsgegnerin zu einer Freistellung von Unterhaltsansprüchen zu entnehmen. Eine im Café F. getroffene Absprache über die Freistellung und eine Aussage der Antragsgegnerin, sich daran nicht mehr gebunden zu fühlen, habe die Beweisaufnahme nicht ergeben. Die Zeuginnen hätten den Inhalt derartiger Gespräche nicht bestätigt.

Mit seiner Beschwerde vom 24.02.2022 (Bl. 227) verfolgt der Antragsteller seine erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche weiter. Zusätzlich macht er mit Schriftsatz vom 31.08.2022 (Bl. 249) einen weiteren Betrag in Höhe von 4.640,50 € geltend, den die Unterhaltsvorschusskasse im Zeitraum vom 01.09.2021 bis 31.08.2022 im Wege der Gehaltspfändung von ihm vereinnahmt habe.

Der Antragsteller beantragt zuletzt (Bl. 240, 249),

die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an den Antragsteller einen Betrag in Höhe von 18.552,38 € sowie weitere Beträge in Höhe von 5.596,50 € und 4.640,50 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit jeweiliger Rechtshängigkeit zu zahlen;

festzustellen, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, den Antragsteller von zukünftigen Unterhaltsforderungen in Bezug auf das Kind J. R., geboren am .2013, ab September 2022 freizustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt (Bl. 238, 258),

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

Der Senat entscheidet, wie angekündigt (Bl. 259), über die Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung, §§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 FamFG. Angesichts des umfangreichen Schriftwechsels der Beteiligten im zweiten Rechtszug und den ausführlichen Protokollen der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme vor dem Amtsgericht ist von einer weiteren mündlichen Verhandlung kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn zu erwarten.

II.

1. Die nach §§ 58ff. FamFG zulässige Beschwerde ist vollumfänglich begründet. Die Beschwerde ist auch zulässig, soweit der Antragsteller mit Schriftsatz vom 31.08.2022 anstelle der erstinstanzlich beantragten Feststellung der Freistellung von Unterhaltsansprüchen ab 01.08.2021 nunmehr für den Zeitraum von 12 Monaten ab dem 01.08.2022 die Zahlung eines Betrags von 4.640 € geltend macht. Angesichts des Vorrangs eines Leistungs- gegenüber einem Feststellungsantrag liegt insoweit eine sachdienliche Antragsänderung vor §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 263 ZPO (vgl. MüKoFamFG/A. Fischer, 3. Aufl. 2018, § 69 FamFG Rn. 17).

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller den von ihm zwischen dem 01.06.2019 und dem 31.08.2022 gezahlten Unterhalt für den gemeinsamen Sohn J. R., dessen Höhe von der Antragsgegnerin nicht beanstandet wird, antragsgemäß zu erstatten, § 670 BGB. Weiter hat der Antragsteller einen Anspruch auf Freistellung von bereits aufgelaufenen, aber noch nicht gegen ihn geltend gemachten, sowie zukünftigen, aus der gesetzlichen Unterhaltspflicht des Antragstellers für seinen Sohn J. resultierenden Unterhaltsforderungen, die er in zulässiger Weise im Wege der Feststellung nach §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 256 Abs. 1 ZPO geltend macht (vgl. MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, § 256 ZPO Rn. 53). Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller weiter den Betrag in Höhe von 8.958,92 € zu erstatten, den die Eltern des Antragstellers ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge ausdrücklich auf die Unterhaltsverpflichtung des Antragstellers im Juni 2018 und damit - entsprechend der Rechtsfolge, die der Antragsteller und seine Eltern mit ihrer „Vereinbarung über eine Abtretung“ vom 16.02.2021 (Bl. 32) herbeiführen wollten - mit Wirkung für und gegen den Antragsteller an die Antragsgegnerin gezahlt haben.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller im Rahmen der Vereinbarung über die Spermaspende im Jahr 2012 dessen gesetzliche Barunterhaltspflicht gegenüber einem durch die Spermaspende gezeugten Kind im Verhältnis der Beteiligten zueinander vertraglich abgenommen, § 329 BGB.

Der Antragsteller hat das Bestehen einer Vereinbarung mit der Antragsgegnerin über die Freistellung von seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem durch die Spermaspende von ihm gezeugten Kind J. R., die als Erfüllungsübernahme (§ 329 BGB) zulässig ist und einen Rückgriffsanspruch nach § 670 BGB begründet, durch die Berufung auf seinen Internetauftritt auf der Seite „Spermaspender.de“ und der daraus entstandenen Emailkorrespondenz, die dem Treffen der Beteiligten im Café F. voranging, erfolgreich bewiesen. Ein Vertrag zwischen einem Unterhaltsverpflichteten und einem Dritten entfaltet wegen des von § 1614 Abs. 1 BGB sanktionierten Unterhaltsverzichts zwar keine rechtlichen Wirkungen für den Unterhaltsberechtigten, kann jedoch - auch im Falle einer Vaterschaft durch Spermaspende - eine zulässige Freistellung des Verpflichteten begründen (vgl. Staudinger/Rieble (2022), BGB § 414 Rn 100; Wellenhofer FamRZ 2013, 825), indem sich der Dritte im Wege einer Erfüllungsübernahme nach § 329 BGB dazu verpflichtet, die von der Vereinbarung umfassten, zukünftigen Unterhaltsforderungen des Unterhaltsberechtigten gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten zu übernehmen und diesen dadurch freizustellen (BGH FamRZ 2009, 768, 770; NJW-RR 1987, 709; Senat FamRZ 2022, 186 Rn. 26; OLG Brandenburg, 1. Senat für Familiensachen, FamRZ 2003, 1965; OLG Braunschweig BeckRS 2010, 15428; OLG Jena NJW-RR 2008, 1678; BeckOGK/Hamberger, 1.2.2023, § 1614 BGB Rn. 91; MüKoBGB/Langeheine, 8. Aufl. 2020, § 1614 BGB Rn. 13).

2. a) Aus der Emailkorrespondenz vom 18.02.2012 um 14:28 Uhr und 21:02 Uhr ergibt sich der verbindliche Abschluss einer Vereinbarung zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin über die Freistellung des Antragstellers in Ansehung des Unterhalts für ein durch seine Spermaspende gezeugtes Kind. Etwaige der Wirksamkeit dieser Vereinbarung entgegen stehende Formvorschriften sind nicht ersichtlich und auch von der Antragsgegnerin nicht substantiiert ins Feld geführt.

Der Antragsteller legt schlüssig dar, dass der Inhalt der Emails bei Zugrundelegung der von ihm auf der Internetseite „Spermaspender.de“ aufgeführten Vertragsbedingungen eine Vereinbarung über die Freistellung von Unterhalt darstellt. Dass, wie die Antragsgegnerin einwendet, unter der in der Email um 14:28 Uhr verwendeten Formulierung „Unkosten“ Fahrt-, Verpflegungs- oder andere Nebenkosten zu verstehen seien, liegt wegen deren Geringfügigkeit im Verhältnis zu einer Unterhaltsverpflichtung als Bedingung für eine Unentgeltlichkeit der Spermaspende fern, zumal der Antragsteller in derselben Email zusätzlich auf die Erstattung von Fahrtkosten hinweist. Der Inhalt der Email um 21:02 Uhr stellt sich wegen des Eingangssatzes naheliegenderweise als eine Erwiderung auf die Email um 14:28 Uhr und im Übrigen - durch die Bezugnahme auf die gute finanzielle Absicherung - als Einverständnis mit der Freistellung von Unterhalt dar. Für eine davon abweichende Auslegung, insbesondere für einen anderen Grund des an der Spermaspende interessierten Vertragspartners, gute Einkommensverhältnisse zuzusichern, ist nichts ersichtlich und von der Antragsgegnerin auch nicht vorgetragen. Auch angesichts des Zusammenhangs der beiden Emails mit der Anzeige des Antragstellers auf der Seite „Spermaspender.de“, auf der der Antragsteller die Freistellung von Unterhalt als Vertragsbedingung hinreichend eindeutig formuliert hat, liegt eine von der des Antragstellers abweichende Auslegung des Inhalts der beiden Emails fern.

Die Antragsgegnerin kann nicht erfolgreich einwenden, die Emails vom 18.02.2012 beinhalteten keine verbindliche Absprache über die Freistellung von Unterhalt. Die Verbindlichkeit der in den beiden Emails getroffenen Absprache legt der Antragsteller nachvollziehbar mit der Folgekorrespondenz am 19.02.2012 dar, in der die an der Spende Interessierten mitteilen, sich für die Bechermethode entschieden zu haben und den Antragsteller nunmehr persönlich kennen lernen zu wollen, und der Antragsteller mit Email um 22:26 Uhr erklärt, mit einem Frauenpaar als Spermaemfängerinnen einverstanden zu sein. Die Wortwahl lässt nicht zu, an der Ernstlichkeit des Bindungswillens beider Seiten zu zweifeln. Dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststand, ob es zu der Spermaspende kommen würde, steht der Verbindlichkeit der Vereinbarung über die Bedingungen, unter denen eine solche durchgeführt werden würde, nicht entgegen. Da zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin - nach ihrem eigenen Vortrag - auch keinerlei weitere Abrede über die Maßgaben erfolgt, unter denen die Spermaspende stattfinden sollte, die Unentgeltlichkeit der Spende aber nicht in Frage stand, kommt das Nichtvorliegen einer Verbindlichkeit der Absprache über die Freistellung von Unterhalt nicht ohne zusätzliche Anhaltspunkte in Betracht, für die vorliegend aber nichts ersichtlich oder von der Antragsgegnerin vorgetragen ist.

b) Die Antragsgegnerin kann sich nicht erfolgreich darauf berufen, vom Inhalt der Anzeige des Antragstellers und der zum Treffen im Café F. führenden Emailkorrespondenz keine Kenntnis gehabt zu haben. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung des Amtsgerichts vom 20.10.2021 (Bl. 139, 140) hat die Antragsgegnerin angegeben, den Kontakt zum Antragsteller gemeinsam mit Frau I. S. aufgrund der Anzeige des Antragstellers hergestellt zu haben. Dies haben auch die Zeuginnen S. und Wi... in ihrer Vernehmung am 26.01.2021 (Bl. 184, 185) bekundet. Da die Antragsgegnerin keine Anhaltspunkte darlegt, auf welche andere Art und Weise, durch welche andere Anzeige und welche Emailkorrespondenz sie und Frau S. den Kontakt zum Antragsteller hergestellt und sich daraufhin im Café F. getroffen haben könnten, ist ihr Bestreiten insoweit nicht hinreichend substantiiert.

Die Antragsgegnerin kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, zwar den Emailaccount, über den die Korrespondenz mit dem Antragsteller erfolgt sei, gemeinsam mit Frau S. eingerichtet, jedoch keine Kenntnis vom Inhalt der Emails vom 18.02.2012 und 19.02.2012 erlangt zu haben. Da sie sich mit dem Antragsteller im Wissen um eine dem Treffen im Café vorausgegangene Emailkorrespondenz, die - was der Antragsgegnerin bewusst war - eine Spermaspende zum Gegenstand hatte, in der Folge auf ebendiese Spermaspende geeinigt hat, ist ihr Bestreiten, zwar den Emailkontakt hergestellt, aber die einzelnen Emails, die bis zu dem Treffen im Café ausgetauscht worden sind, nicht gekannt zu haben, nicht hinreichend substantiiert, zumal die Antragsgegnerin selbst nicht in Abrede stellt, von der Unentgeltlichkeit der Spermaspende ausgegangen zu sein, was ebenfalls Inhalt der Anzeige und der Email vom 18.12.2012 ist.

c) Darüber hinaus muss sich die Antragsgegnerin selbst für den Fall, dass sie keine Kenntnis vom Inhalt der Anzeige des Antragstellers gehabt hätte und an der Abfassung der mit dem Antragsteller bis zum Treffen im Café geführten Emailkorrespondenz nicht beteiligt gewesen wäre, die durch diese Korrespondenz zustande gekommene Freistellungsvereinbarung nach den Grundsätzen der bewusst hingenommenen Anscheinsvollmacht, §§ 164, 167 BGB (BGH NJW 2005, 2965; BeckOGK/Huber, 1.2.2023, § 167 BGB Rn. 99) zurechnen lassen. Der Antragsteller durfte davon ausgehen, dass die im Café erschienene Antragsgegnerin eine der beiden an einer Spermaspende interessierten Frauen ist, mit denen er die Emailkorrespondenz geführt hatte, und dies war der Antragsgegnerin bewusst. Dem steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin und Frau S. abweichend von der Emailkorrespondenz nicht das an einer Spende interessierte Frauenpaar waren und die Email-Korrespondenz unter einem anderen Namen geführt worden war. Da die Zeugin I. S. in ihrer Vernehmung vor dem Amtsgericht nicht in Abrede gestellt hat, das Treffen mit dem Antragsteller im Rahmen des Emailkontakts, den sie mit der Antragsgegnerin gemeinsam zum Antragsteller hergestellt hatte, verabredet zu haben, kommt es auf die unzutreffende Namensbezeichnung in den Emails nicht an.

Auch der Austausch der Person der Frau S. durch Frau Wi... als Lebenspartnerin der Antragsgegnerin musste den Antragsteller nicht an der Identität der Antragsgegnerin als Mitverfasserin der Emails zweifeln lassen. Vielmehr konnte er aufgrund der Erklärung, die ihm hierfür gegeben wurde, deren Inhalt von der Antragsgegnerin auch nicht in Abrede gestellt wird, wonach Frau Wi... ihre Identität im Internet nicht preisgegeben habe, weil sie als Schauspielerin anonym bleiben wolle, und insbesondere aufgrund des ebenfalls im Café anwesenden minderjährigen Sohns der Antragsgegnerin darauf vertrauen, dass diese eine der beiden Frauen ist, die mit ihm per Email unter Versicherung ihrer und ihrer Lebenspartnerin guten finanziellen Verhältnisse die Freistellung von Unterhaltsansprüchen vereinbart hat, was der Antragsgegnerin bewusst war.

Jedenfalls aufgrund der dem Antragsteller im Café gegenüber erfolgten Klarstellung der Beziehung zwischen der Antragsgegnerin und Frau S. war der Antragsgegnerin klar, dass in den Emails der Anschein einer Lebenspartnerschaft erweckt worden war und der Antragsteller gerade aufgrund dessen davon ausging, dass sie eine der Verfasserinnen der Emails war. Durch ihr weiteres Verhalten, insbesondere die Mitteilungen, mit Frau Wi... liiert zu sein, bei der es sich um eine Schauspielerin handelt, hat die Antragsgegnerin das durch die Emailkorrespondenz begründete Vertrauen des Antragstellers, die Spermaspende genau dem finanziell gut abgesicherten Frauenpaar zu erbringen, mit dem er per Email die Freistellung von Unterhaltr vereinbart hat, perpetuiert. Deswegen müsste sie sich den Anschein einer zwischen ihr und dem Antragsteller verabredeten Freistellung von Unterhalt selbst dann zurechnen lassen, wenn sie an der entsprechenden Emailkorrespondenz tatsächlich nicht beteiligt war.

d) Die Antragsgegnerin trägt auch nichts dazu vor, dass oder ob sie zu einem anderen Zeitpunkt vor oder bei Übergabe der Spermaspende Absprachen mit dem Antragsteller über die Vertragsgestaltung getroffen hat. Da sie die Vereinbarung der Unentgeltlichkeit der Spermaspende nicht in Abrede stellt, wären für ihre Behauptung, speziell die Freistellung von Unterhalt sei nicht Vertragsbestandteil geworden, zusätzliche, von der Antragsgegnerin nicht vorgetragene und auch im Übrigen nicht ersichtliche Anhaltspunkte erforderlich. Insbesondere ist ein etwaiger innerer Vorbehalt der Antragsgegnerin, nicht über hinreichende Einkünfte zu verfügen, um auf Unterhaltszahlungen des Vaters des Kindes zu verzichten, unbeachtlich.

3. Es ist auch nicht ersichtlich, und wird von der Antragsgegnerin nicht substantiiert vorgetragen, dass der Antragsteller nach der Geburt seines Sohns auf die vereinbarte Freistellung von Unterhalt verzichtet oder davon zurückgetreten sein könnte. Weder die Anerkennung der Vaterschaft, noch die Gestaltung der Beziehung des Antragstellers und seiner Eltern zur Antragsgegnerin und dem gemeinsamen Sohn, noch von der Antragsgegnerin vorgelegte Korrespondenz zwischen ihr und dem Antragsteller nach Aufnahme der Vollstreckung durch die Unterhaltsvorschusskasse bieten hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, der Antragsteller habe sich von der Freistellungsvereinbarung distanziert.

4. Aus der Freistellungsvereinbarung ergibt sich darüber hinaus die Verpflichtung der Antragsgegnerin, den Antragsteller von zukünftigen Unterhaltsforderungen freizustellen, § 329 BGB. Dies betrifft vorliegend, da die Unterhaltsvorschusskasse bislang Unterhalt bis zum 31.08.2022 gegenüber dem Antragsteller vollstreckt hat, Unterhaltsansprüche ab 01.09.2022.

5. Die Entscheidung über die Zinsen folgt §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288, 187 Abs. 1 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht, da es sich vorliegend um eine Unterhaltssache im Sinne des § 231 Abs. 1 Nr. 1 FamFG handelt (vgl. BeckOK FamFG/Schlünder, 45. Ed. 1.1.2023, § 231 FamFG Rn. 13) jeweils auf §§ 243 Satz 1, Satz 2 Nr. 1, 91 ZPO und entspricht angesichts des Unterliegens der Antragsgegnerin jeweils billigem Ermessen.

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 55 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1, 51 Abs. 1, 2 FamGKG. Der Wert für das erstinstanzliche Verfahren war in Ansehung des Werts des Feststellungsbegehrens, das durch den in Höhe von 4.640 € geltend gemachten Leistungsantrag im Beschwerderechtszug konkretisiert worden ist, zu korrigieren. Die im Beschwerderechtszug erfolgte Verschiebung des Beginns des Feststellungszeitraums auf 01.09.2022 führt gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahrenswert nicht zu einer Werterhöhung, § 40 Abs. 2 S. 2 FamGKG.

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht, § 70 Abs. 2 FamFG.