Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat | Entscheidungsdatum | 23.02.2023 | |
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Aktenzeichen | OVG 6 B 11/22 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2023:0223.OVG6B11.22.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 80 aF BBG, § 43 Abs 1 aF BBhV, § 48 Abs 1 S 1 aF BBhV, § 27a SGB 5 |
Die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für die aus Anlass einer künstlichen Befruchtung erbrachten extrakorporalen Maßnahmen, die aufgrund des Verweises des Beihilferechts auf § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V auf 50 % der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten beschränkt ist, ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die private Krankenversicherung des Beihilfeberechtigten bereits die Hälfte des Rechnungsbetrages erstattet hat.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 14. November 2018 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten um die beihilferechtliche Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung.
Der im Jahr 1980 geborene, als Bundesbeamter mit einem Bemessungssatz von 50 % beihilfeberechtigte und im Übrigen bei der DKV privat krankenversicherte Kläger leidet unter einer Fertilitätsstörung. Auf seinen Antrag vom 7. Mai 2015 erteilte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Juli 2015 eine Kostenzusage für eine geplante Kinderwunschbehandlung mittels einer Intracytoplasmatischen Spermieninjektion. Diese Behandlung wurde im Zeitraum vom 13. August 2015 bis 2. September 2015 bei ihm und seiner im Jahr 1981 geborenen, freiwillig gesetzlich versicherten Ehefrau durchgeführt. Für in diesem Zusammenhang erbrachte ärztliche Leistungen stellte das Fertility Center Berlin dem Kläger und seiner Ehefrau unter dem 7. September 2015 einen Betrag in Höhe von 7.179,52 Euro in Rechnung. Die private Krankenversicherung des Klägers erstattete am 16. September 2015 den hälftigen Rechnungsbetrag. Bei der gesetzlichen Krankenversicherung der Ehefrau des Klägers wurde die Rechnung vom 7. September 2015 nicht eingereicht.
Mit Schreiben vom 10. September 2015 beantragte der Kläger unter Vorlage der Rechnung vom 7. September 2015 die Gewährung von Beihilfe. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. September 2015 ab. Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, dass in der Rechnung vom 7. September 2015 ärztliche Leistungen für extrakorporale Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in Höhe von insgesamt 6.459,17 € enthalten seien, die dem Grunde nach beihilfefähig seien. Leistungen für extrakorporale Maßnahmen stünden sowohl dem Mann wie auch der Frau zu.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2016 half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab. Sie erkannte die Rechnungspositionen für die Beratung der Eheleute am 13. August 2015 sowie für die Untersuchung und Aufbereitung des Spermas in Höhe von insgesamt 127,33 Euro als dem Grunde nach beihilfefähig an und gewährte auf dieser Grundlage eine Beihilfe in Höhe von 31,84 Euro. Im Übrigen wurde der Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, dass die nicht anerkannten Rechnungspositionen der Ehefrau des Klägers zuzurechnen und daher nicht beihilfefähig seien.
Das Verwaltungsgericht Potsdam hat die Beklagte mit Urteil vom 14. November 2018 verpflichtet, dem Kläger weitere Beihilfeleistungen in Höhe von 1.587,99 Euro zu gewähren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch folge aus § 43 Abs. 1 der Bundesbeihilfeverordnung, wonach Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung einschließlich der Arzneimittel, die im Zusammenhang damit verordnet werden, beihilfefähig seien, soweit deren Inhalt und Ausgestaltung den Grundsätzen nach § 27a SGB V entsprechen. Nach dieser Norm seien 50 vom Hundert der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahme beihilfefähig, die bei dem Beihilfeberechtigten durchgeführt werde. Die Vorschrift enthalte nach Wortlaut, Normzweck und systematischer Stellung eine Zuordnungsregelung, die die Gesamtkosten einer künstlichen Befruchtung auf den Beihilfeberechtigten und seinen Ehepartner aufteile und dabei grundsätzlich danach differenziere, an wessen Körper der jeweilige Teil der Behandlung vorgenommen werde. Die Gesamtkosten einer Behandlung zur künstlichen Befruchtung seien danach regelmäßig auf zwei Personen und die für diese jeweils zuständigen Kostenträger aufzuteilen. Die Aufwendungen für extrakorporale Maßnahmen, d. h. Maßnahmen, die nicht unmittelbar bei dem Versicherten selbst oder bei seinem Ehegatten durchzuführen sind, seien ebenfalls dem Beihilfeberechtigten zuzuordnen. Durch § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V würden nur solche Maßnahmen von der Leistungspflicht der Krankenkasse ausgenommen, die unmittelbar und ausschließlich am Körper des anderen, nicht bei ihr versicherten Ehegatten ausgeführt werden. Übertragen auf das Beihilferecht bedeute dies, dass der Beihilfeberechtigte grundsätzlich Anspruch auf Beihilfe für alle Aufwendungen habe, die in oder an seinem Körper oder extrakorporal durchgeführt worden seien.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung. Sie ist der Auffassung, dass das Verwaltungsgericht der Klage zu Unrecht stattgegeben habe. Das Verwaltungsgericht habe nicht beachtet, dass die private Krankenversicherung des Klägers bereits die Hälfte der streitgegenständlichen Rechnung ohne Abzüge erstattet habe. Hierdurch werde nicht nur die grundsätzlich verpflichtete gesetzliche Krankenversicherung der Ehefrau leistungsfrei, sondern aufgrund der gleichen Systematik ebenso die Beihilfe. Sowohl nach dem System der gesetzlichen Krankenversicherung als auch der insoweit inhaltsgleichen Beihilfe des Bundes würden nur 50 % der Kosten der künstlichen Befruchtung als grundsätzlich erstattungsfähig angesehen. Dieses Ergebnis werde auch durch § 48 Abs. 1 Satz 1 der Bundesbeihilfeverordnung gestützt, wonach die Beihilfe zusammen mit Leistungen, die aus demselben Anlass aus einer Krankenversicherung gewährt werden, die dem Grunde nach beihilfefähigen Leistungen nicht übersteigen dürfe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 14. November 2018 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er macht geltend, dass die von der Beklagten angeführte Rechtsprechung der Sozialgerichte zur Leistungsfreiheit der Krankenkasse im Fall der hälftigen Erstattung durch einen Dritten nicht auf das Beihilferecht übertragbar sei. Nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung seien die dortigen Regelungen des § 27a SGB V keine Krankenbehandlung, sondern eine Anspruchsgrundlage „sui generis“, die nur aus systematischen Gründen im Fünften Buch des Sozialgesetzbuchs verankert worden sei. Die von der Beklagten behauptete Leistungsfreiheit sei mit beihilferechtlichen Grundsätzen unvereinbar. Danach müsse der Beihilfeberechtigte zunächst Eigenvorsorge treffen und er erhalte ergänzend zu dieser Eigenvorsorge Beihilfeleistungen. Dem würde es widersprechen, wenn Teilleistungen aus dem Bereich der vom Beihilfeberechtigten zu treffenden Eigenvorsorge daneben bestehende Beihilfeansprüche erlöschen lassen könnten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Streitakte sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.
Der Kläger hat einen Anspruch auf die Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 1.587,99 €. Deren Ablehnung durch Bescheid vom 18. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2016 ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Das Begehren des Klägers auf Bewilligung weiterer Beihilfe zu den Aufwendungen für die im September 2015 durchgeführten Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in Gestalt der Intracytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) ist nach § 2 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 43 Abs. 1 der Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen vom 13. Februar 2009 (BGBl. I S. 326) – Bundesbeihilfeverordnung –, hier anwendbar in der Fassung der Fünften Verordnung zur Änderung der Bundesbeihilfeverordnung vom 18. Juli 2014 (BGBl. I S. 1154), zu beurteilen. Die Neuregelung für Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung durch § 43 BBhV in der Fassung der Neunten Änderung der Bundesbeihilfeverordnung vom 1. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2713) ist nicht anwendbar. Denn für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (stRspr. vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 29. Juli 2021 – 5 C 18/19 – juris Rn. 9).
Im Berufungsverfahren wird von der Beklagten das Vorliegen der Voraussetzungen eines Beihilfeanspruchs des Klägers für die streitigen extrakorporalen Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nach § 43 Abs. 1 BBhV (a.F.) in Verbindung mit den Grundsätzen nach § 27a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB V -, hier anwendbar in der Fassung des Gesetzes vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190) zu Recht nicht mehr in Zweifel gezogen (hierzu unter 1.). Die Beihilfe ist auch nicht aufgrund der Zahlung des hälftigen Rechnungsbetrages durch die private Krankenversicherung des Klägers „leistungsfrei“ geworden, wie die Beklagte mit der Berufung geltend macht (hierzu unter 2.).
1. Nach § 43 Abs. 1 BBhV (a.F.) sind Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung einschließlich der Arzneimittel, die im Zusammenhang damit verordnet werden, beihilfefähig, soweit deren Inhalt und Ausgestaltung den Grundsätzen nach § 27a SGB V entsprechen. Diese Verordnungsregelung findet die erforderliche gesetzliche Ermächtigung – auch im Hinblick auf den Umfang der Beihilfegewährung bei künstlicher Befruchtung – in § 80 Abs. 4 des Bundesbeamtengesetzes in der Fassung vom 14. November 2011 (BGBl. I S. 2219). Sie genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und ist auch sonst mit höherrangigem Recht vereinbar (eingehend: BVerwG, Urteil vom 29. Juli 2021 – 5 C 18/19 – juris Rn. 16 ff.).
§ 43 Abs. 1 BBhV (a.F.) überträgt mit der Bezugnahme auf die Grundsätze nach § 27a SGB V auch das in § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V normierte so genannte anwendungsbezogene Körperprinzip in das Beihilferecht. Nach dieser Vorschrift übernimmt die Krankenkasse 50 v.H. der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden. Die Vorschrift enthält nach Wortlaut, Normzweck und systematischer Stellung eine Zuordnungsregelung, die die Gesamtkosten einer künstlichen Befruchtung im vorliegenden Zusammenhang auf den Beihilfeberechtigten und seinen Ehegatten aufteilt und dabei grundsätzlich danach differenziert, an wessen Körper der jeweilige Teil der Behandlung vorgenommen wird. Dementsprechend erstreckt sich der Anspruch des Beihilfeberechtigten im Fall der künstlichen Befruchtung auf alle zur Herbeiführung einer Schwangerschaft notwendigen Maßnahmen, d.h. auf die unmittelbar an oder in seinem Körper (bzw. dem seines Ehegatten, wenn dieser beihilferechtlich berücksichtigungsfähig ist) vorzunehmenden Maßnahmen und sämtliche extrakorporalen Maßnahmen. Durch § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V werden im Ergebnis nur solche Maßnahmen von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse ausgenommen, die unmittelbar und ausschließlich am oder im Körper des nicht bei ihr versicherten Ehegatten ihres Versicherten ausgeführt werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Juli 2021 – 5 C 18/19 – juris Rn. 20).
Des Weiteren übernimmt § 43 Abs. 1 BBhV (a.F.) die in § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V geregelte Begrenzung des Leistungsumfangs bei künstlicher Befruchtung. Die Vorschrift des § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V sieht lediglich eine Übernahme von 50 v.H. der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten vor. Demzufolge ist auch der Anspruch des Beihilfeberechtigten nach § 43 Abs. 1 BBhV (a.F.) auf die Hälfte der Aufwendungen beschränkt, die im Falle einer künstlichen Befruchtung für die bei ihm (oder seinem berücksichtigungsfähigen Ehegatten) durchgeführten Maßnahmen sowie die extrakorporalen Maßnahmen entstehen (BVerwG, a.a.O. Rn. 21).
Von diesen Vorgaben ausgehend hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass die vom Kläger geltend gemachten Rechnungspositionen in Höhe von insgesamt 6.351,94 Euro extrakorporale Maßnahmen der künstlichen Befruchtung betreffen und in entsprechender Anwendung von § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V mit einem Anteil von 50 vom Hundert beihilfefähige Aufwendungen darstellen, woraus sich bei dem für den Kläger geltenden Bemessungssatz von 50 % ein Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe des streitgegenständlichen Betrages ergibt.
2. Der dem Grunde nach gegebene Beihilfeanspruch des Klägers ist nicht dadurch erloschen, dass die private Krankenversicherung des Klägers die Hälfte der Gesamtkosten der Aufwendungen für die streitigen extrakorporalen Maßnahmen der künstlichen Befruchtung erstattet hat. Die Beklagte weist zwar im Ausgangspunkt zutreffend darauf hin, dass § 43 Abs. 1 BBhV (a.F.) auch die in § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V geregelte Begrenzung des Leistungsumfangs bei künstlicher Befruchtung in das Beihilferecht übernimmt. Die mit der Klage geltend gemachte Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 1.587,99 Euro geht jedoch über diese Begrenzung des Leistungsumfangs nicht hinaus, wie bereits oben unter Ziffer 1. ausgeführt wurde.
Soweit die Beklagte meint, die Beihilfe sei aufgrund der Zahlungen des hälftigen Rechnungsbetrages durch die private Krankenkasse des Klägers „leistungsfrei“ geworden, ist dem nicht zu folgen. Die von der Beklagten angeführte sozialgerichtliche Rechtsprechung führt hier nicht weiter. Danach soll es für einen Anspruch der Ehefrau gegen ihre gesetzliche Krankenversicherung auf Erstattung von Kosten für extrakorporale Maßnahmen der künstlichen Befruchtung keine Grundlage geben, wenn die private Krankenversicherung des (an einer Fertilitätsstörung leidenden) Ehemanns entsprechend der tariflichen Regelung nach dem insoweit geltenden „Verursachungsprinzip“ (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2004 – IV ZR 25/03 – juris Rn. 19) bereits 50 % der gesamten Kosten einer künstlichen Befruchtung übernommen hat (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. April 2015 – 9 KR 9/13 – juris Rn. 37; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Mai 2022 – L 5 KR 221/21 – juris Rn. 17). Dies wird damit begründet, dass nach der Zahlung durch die private Krankenversicherung bei der gesetzlich versicherten Ehefrau erstattungsfähige Aufwendungen nicht mehr vorliegen würden (LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O. Rn. 37 und 45; LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O. Rn. 18). Der vorliegende Sachverhalt ist jedoch ein anderer. Der Kläger ist – anders die ausschließlich gesetzlich versicherten Klägerinnen in den sozialgerichtlichen Verfahren – sowohl im Umfang von 50 % privat krankenversichert als auch gegenüber seinem Dienstherrn in Bezug auf die in § 80 Abs. 2 Nr. 3 BBG (a.F.) genannten Aufwendungen für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung beihilfeberechtigt. Dabei ergänzt die Beihilfe die durch die private Krankenversicherung getroffene gesundheitliche Eigenvorsorge (vgl. § 1 BBhV [a.F.]).
Die Beklagte kann sich für ihre Auffassung auch nicht auf § 80 Abs. 3 Satz 4 BBG (a.F.) i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 BBhV (a.F.) stützen, wonach die Beihilfe zusammen mit den Leistungen, die aus demselben Anlass u.a. aus einer Krankenversicherung gewährt werden, die dem Grunde nach beihilfefähigen Aufwendungen nicht übersteigen darf. Der Begriff der „dem Grunde nach beihilfefähigen Aufwendungen“ ist weit zu verstehen und umfasst sämtliche tatsächlichen Aufwendungen für medizinisch notwendige Leistungen, soweit diese der Beihilfegewährung grundsätzlich zugänglich sind. Bei der Ermittlung der „dem Grunde nach beihilfefähigen Aufwendungen“ sind die Aufwendungen des Beihilfeberechtigten in tatsächlich entstandener Höhe anzusetzen, wobei etwaige in den Beihilferegelungen vorgesehenen Begrenzungen (etwa Höchstbeträge, Selbstbehalte, Festbeträge) sowie der Grundsatz der Angemessenheit nicht mindernd zu berücksichtigen sind (vgl. Schröder/Beckmann/Weber, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, Teil III, Stand: Juni 2022, § 48 BBhV Rn. 20, 23; Köhnen/Schröder/Amelungk/Just, Bundesbeihilfeverordnung, Stand: Juli 2022, § 48 Rn. 1; zur entsprechenden Regelung in § 80 Abs. 4 Satz 1 NBG: OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Januar 2023 – 5 LC 142/21 – juris Rn. 43). Die „dem Grunde nach beihilfefähigen Aufwendungen“ sind nicht gleichzusetzen mit den „beihilfefähigen Aufwendungen“ im Sinne von § 80 Abs. 3 Satz 1 BBG (a.F.) i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 (a.F.), die die Berechnungsgrundlage für die Bemessung der Beihilfe bilden. Die Beihilfe wird als prozentualer Anteil der „beihilfefähigen Aufwendungen“ gewährt. Im Fall von Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung sind – wie bereits ausgeführt wurde – als „beihilfefähige Aufwendungen“ gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 BBhV (a.F.) i.V.m. § 27a Abs. Satz 3 SGB V nur 50 % der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten anzusetzen.
Der Rechtsbegriff „dem Grunde nach beihilfefähige Aufwendungen“ im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 BBhV a.F. beschreibt somit eine Obergrenze, die verhindern soll, dass Erstattungen aus der Beihilfe und einer Krankenversicherung zusammen die tatsächlich entstandenen Aufwendungen übersteigen (sog. 100 %-Erstattungsgrenze, vgl. OVG Lüneburg, a.a.O.; Corsmeyer, GKÖD, Band I, Stand: Dezember 2022, § 80 BBG Rn. 10). Diese Grenze bringt den Grundsatz der Subsidiarität der Beihilfe folgerichtig zur Geltung und steht im Einklang mit dem in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten Fürsorgegrundsatz (vgl. grundlegend zur entsprechenden Regelung in § 12 Abs. 2a Satz 1 BVO NRW: BVerfG, Beschluss vom 13. November 1990 – 2 BvF 3/88 - juris Rn. 36 ff., Rn. 55). Die Erstattungsgrenze des § 48 Abs. 1 Satz 1 BBhV (a.F) beinhaltet hingegen keine Regelung, nach der Leistungen der privaten Krankenversicherung von den ansonsten als beihilfefähig anerkannten Aufwendungen in Abzug gebracht werden könnten.
Dieses Normverständnis gilt nicht nur im Fall von Aufwendungen des Beihilfeberechtigten in Krankheits- und Pflegefällen, sondern auch im Fall von Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung. Auch wenn die künstliche Befruchtung in § 80 Abs. 2 Nr. 3 BBG (a.F.) und § 43 Abs. 1 BBhV (a.F.) als eigenständiger Beihilfefall geregelt ist, bei dem Beihilfe nicht aus Anlass einer Krankheit des Beihilfeberechtigten (oder seines berücksichtigungsfähigen Ehegatten), sondern aus Anlass der Unfähigkeit eines Ehepaares, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen, gewährt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juli 2021 – 5 C 18.19 – juris Rn. 18), spricht dies nicht gegen das gefundene Ergebnis. Die hier anwendbare Bundesbeihilfeverordnung regelt die Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen in Krankheits- und Pflegefällen und zu Aufwendungen in anderen Fällen in verschiedenen Kapiteln (Kapitel 2 bis 4). Die in Kapitel 5 (Umfang der Beihilfe) getroffene Begrenzungsregelung des § 48 Abs. 1 Satz 1 BBhV a.F. gilt für sämtliche vom Gesetzgeber in § 80 Abs. 2 BBG a.F. sowie in den Kapiteln 2 bis 4 der Bundesbeihilfeverordnung als beihilfefähig angesehenen Aufwendungen unabhängig davon, ob sie aus Anlass einer Erkrankung oder aus anderem Anlass gewährt werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff der „dem Grunde nach beihilfefähigen Aufwendungen“ bei Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung enger zu verstehen sein sollte, als im Fall von Aufwendungen in Krankheits- und Pflegefällen, sind daher nicht ersichtlich. Der Gesetzgeber hat vielmehr die Aufwendungen in dem einen wie dem anderen Fall durch die Regelung in § 80 Abs. 2 BBG (a.F.) gleich behandelt und als grundsätzlich beihilfefähig eingeordnet.
Die dem Kläger durch seine private Krankenversicherung gewährten Leistungen (Hälfte des Rechnungsbetrages vom 7. September 2019) und die geltend gemachte Beihilfe übersteigen nicht seine tatsächlichen Aufwendungen für Maßnahmen der extrakorporalen Befruchtung in Höhe von insgesamt 6.351,94 €. Er bleibt vielmehr auch bei einer Berücksichtigung der Leistungen seiner privaten Krankenversicherung mit ¼ der jeweils streitigen Rechnungspositionen wirtschaftlich belastet. Daher greift die Erstattungsgrenze des § 48 Abs. 1 Satz 1 BBhV (a.F.) vorliegend nicht ein. Die mit der Verweisung auf § 27a Abs. 3 SGB V und die dortige Leistungsbegrenzung bezweckte „wirkungsgleiche“ Übertragung auf die Beihilfeansprüche kann sich nur auf den von der Beihilfe erfassten Teil der tatsächlichen Aufwendungen erstrecken, hier auf die Hälfte der im Streit stehenden Behandlungskosten, von denen die Beihilfe wegen der 50%-Regelung in § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V die Hälfte zu tragen hat. Dass die andere Hälfte der tatsächlichen Aufwendungen durch die private Krankenversicherung des Klägers abgedeckt wird, ändert daran nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.