Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat | Entscheidungsdatum | 20.02.2023 | |
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Aktenzeichen | OVG 11 L 18/21 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2023:0220.OVG11L18.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Es wird festgestellt, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausführung des im Verfahren 4 K 36/08 geschlossenen Vergleichs gegen die Beschwerdeführerin und das Beschwerdeverfahren in der Hauptsache erledigt sind. Die Beschlüsse der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 14. Oktober 2020 und der 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 1. Juni 2021 sind unwirksam.
Das Erinnerungsverfahren ist gerichtskostenfrei, im Übrigen trägt die Beschwerdeführerin die Kosten der Verfahren beider Instanzen.
I.
Der Beschwerdegegner begehrte die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des im Verfahren 4 K 36/08 mit der damaligen Betreiberin einer Biogasanlage geschlossenen, verschiedene seinem Schutz dienende Verpflichtungen des Betreibers enthaltenden gerichtlichen Vergleichs gegen die Beschwerdeführerin als neue Betreiberin der Anlage.
Mit dem von dieser angefochtenen Beschluss vom 1. Juni 2021 änderte das Verwaltungsgericht die vorangegangene ablehnende Entscheidung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 14. Oktober 2020. Der Antrag des Beschwerdegegners sei zulässig und begründet, weil die Beschwerdeführerin die Rechtsnachfolge in die Betreibereigenschaft der Biogasanlage und damit die vorliegend einzig relevante Tatsache nach § 288 ZPO zugestanden habe.
Die Beschwerdeführerin, die ihre dagegen eingelegte sofortige Beschwerde vom 22. Juni 2021 auch nach mehrfach gewährten Fristverlängerungen nicht näher begründet hatte, hat mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2021 unter Verweis auf einen nochmaligen Betreiberwechsel auf einen nicht verfahrensbeteiligten Dritten mitgeteilt, dass sie „daher den Pflichten aus dem Vergleich nicht mehr nachkommen“ könne und sich der Rechtsstreit ihrer Auffassung nach damit erledigt habe. Sie erwäge daher, den Rechtsstreit für erledigt zu erklären.
Nachdem das Landesumweltamt dem Beschwerdegegner den erfolgten Betreiberwechsel bestätigt hatte, erklärte dieser mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2021 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Auf eine erste gerichtliche Nachfrage, ob der Erledigungserklärung zugestimmt werde, teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie sich das „durchaus vorstellen“ könne; auf die Bitte um diesbezügliche abschließende Prüfung (mit gerichtlicher Verfügung vom 3. Januar 2022) erfolgte keine weitere Reaktion. Auf die unter Hinweis auf § 161 Abs. 2 Satz 2 VwGO verfügte erneute Zustellung der Erledigungserklärung widersprach die Beschwerdeführerin der Erledigung des Rechtsstreits, ohne hierfür eine Begründung anzugeben.
II.
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben. Denn auf die einseitig gebliebene Erledigungserklärung des Beschwerdegegners hin ist festzustellen, dass sich die Hauptsache des hiesigen Verfahrens und damit auch das Beschwerdeverfahren tatsächlich erledigt haben. Die erstinstanzlichen Beschlüsse sind entsprechend § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 S. 1 ZPO für unwirksam zu erklären.
1. Nachdem der Beschwerdegegner als dispositionsbefugter Antragsteller des Ausgangsverfahrens den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und die Beschwerdeführerin der Erledigungserklärung - mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2022 - widersprochen hat, hat sich der Streit in einen solchen über die Frage umgewandelt, ob sich die Hauptsache erledigt hat.
Das Gericht entscheidet in einem solchen Fall nicht mehr über das ursprüngliche Begehren, sondern nur noch darüber, ob die Hauptsache des Rechtsstreits erledigt ist. Der an die Stelle des ursprünglichen Begehrens getretene Streit über die Behauptung des Klägers bzw. Antragstellers (hier: des Beschwerdegegners), dass seinem Begehren durch ein nachträgliches Ereignis die Grundlage entzogen worden sei, stellt eine nicht den Beschränkungen des § 91 VwGO unterworfene, sondern ohne weiteres zulässige Antragsänderung eigener Art dar, für deren Erfolg es auch nicht darauf ankommt, ob der ursprünglich gestellte Antrag begründet war (vgl. BVerwG, Urteil v. 25. April 1989 - 9 C 61/88 -, juris Rn 9 f.).
Für ein - hier von der Antragsgegnerin angestrengtes - Beschwerdeverfahren gilt insoweit nichts anderes (vgl. BVerwG, Beschluss v. 23. Juli 2014 - 6 B 3.14 -, Rn 10). Die gerichtliche Feststellung, dass sich die Hauptsache erledigt hat, bezieht sich in einem solchen Fall klarstellend auf den Rechtsstreit in der Hauptsache und auf das Beschwerdeverfahren; zugleich sind die vorinstanzlichen Entscheidungen für unwirksam zu erklären (vgl. BVerwG, Beschluss v. 17. Dezember 1993 - 3 B 134/92 -, juris).
2. Es ist festzustellen, dass die Hauptsache - der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausführung des im Verfahren 4 K 36/08 geschlossenen Vergleichs gegen die Beschwerdeführerin - und das gegen die diesem Antrag stattgebende erstinstanzliche Entscheidung gerichtete Beschwerdeverfahren erledigt sind. Denn der ursprüngliche Antrag des dispositionsbefugten Beschwerdegegners war - wie hier bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - zulässig, der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt und die Beschwerdegegnerin hat auch nicht ausnahmsweise ein berechtigtes Interesse an einer Sachentscheidung.
Die Hauptsache des hiesigen Rechtsstreits, mit dem der Beschwerdegegner die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des im Verfahren 4 K 36/08 mit der damaligen Betreiberin einer Biogasanlage geschlossenen Vergleichs gegen die Beschwerdeführerin als neue Betreiberin der Anlage begehrt hat, hat sich mit dem Übergang der Betreiberstellung von der Beschwerdeführerin auf eine andere, neue Betreiberin erledigt. Die Beschwerdeführerin selbst hat in ihrem über den Betreiberwechsel informierenden Schriftsatz vom 20. Oktober 2021 ausgeführt, dass das vom Beschwerdegegner durch die erstinstanzlich erwirkte Vollstreckungsklausel angestrebte Verhalten von ihr nicht mehr umsetzbar sei bzw. ihr danach nicht mehr abverlangt werden könne und dass sich der Rechtsstreit nach ihrer Rechtsauffassung damit erledigt habe. Dem hat der Beschwerdegegner mit der Erklärung der Erledigung der Hauptsache zutreffend Rechnung getragen.
Die Beschwerdeführerin hat sich der Erledigungserklärung in der Folge dennoch nicht angeschlossen und in diesem Zusammenhang auf die Ablehnung einer Kostenübernahmeerklärung sowie auf die ihrer Rechtsauffassung nach zuvor bereits fehlende Rechtsnachfolge in die Verpflichtungen aus dem 2008 geschlossenen Vergleich verwiesen. Dieses Vorbringen begründet indes weder Zweifel an der tatsächlichen Erledigung der Hauptsache noch am Vorliegen der Voraussetzungen für die Feststellung der vom Beschwerdegegner einseitig erklärten Erledigung der Hauptsache. Denn darauf, ob die geltend gemachte Rechtsauffassung zuträfe, kommt es nicht an. Die Begründetheit des erledigten Begehrens ist keine Voraussetzung für die Feststellung der Erledigung (vgl. BVerwG, Urteil v. 25. April 1989 - 9 C 61/88 -, juris Rn 13). Auch ein Ausnahmefall, wonach dem Erledigungsfeststellungsantrag wegen eines schutzwürdigen Interesses der Beschwerdeführerin an einer gerichtlichen Prüfung der sachlichen Berechtigung des erledigten Antrags nur bei dessen Begründetheit entsprochen werden kann, liegt nicht vor. Soweit die Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatz vom 28. Dezember 2021 unter Verweis auf ihre Rechtsauffassung die Abgabe einer Kostenübernahmeerklärung ablehnt, begründet dies schon deshalb keine derartige Ausnahme, weil eine Zustimmung zur Erledigung auch unter Verwahrung gegen die Kostenlast möglich gewesen wäre. Im Fall übereinstimmender Erledigungserklärungen wären die Kosten nicht ohne weiteres von der Beschwerdeführerin zu tragen gewesen. Das Gericht hätte vielmehr gem. § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden gehabt.
3. Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei (vgl. BGH, Urteil v. 22. Juni 1977 - VIII ZR 5/76 -, juris Rn 16; Pietzner/Möller, in: Schoch/Schneider, VwGO, § 167 Rn 13). Die Kosten des Erinnerungs- wie des Beschwerdeverfahrens, über die gem. § 154 ff. VwGO zu entscheiden ist (vgl. BGH, Beschluss v. 29. September 1988 - I ARZ 589/88 -, NJW-RR 1989, 125; Pietzner/Möller, in: Schoch/Schneider, VwGO, § 167 Rn 13), trägt gem. § 154 Abs. 1 VwGO die Beschwerdeführerin, da sie in dem kontradiktorischen Verfahren um die Feststellung der Erledigung unterlegen ist. Der Festsetzung eines Streitwerts bedurfte es wegen der in Ziff. 6502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG bestimmten Festgebühr auch für das Beschwerdeverfahren nicht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).