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Entscheidung 13 UF 104/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 10.03.2023
Aktenzeichen 13 UF 104/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0310.13UF104.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom  19.04.2022 abgeändert:

Unter Antragsabweisung im Übrigen wird festgestellt, dass die im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragsgegners vor dem Amtsgericht Dessau/Roßlau, Insolvenzgericht, unter dem Aktenzeichen 2 IN 292/14 von der Insolvenzverwalterin zur Tabelle festgestellte Forderung in Höhe von 454 EUR zu Recht besteht und der am 21.06.2021 erhobene Widerspruch des Antragsgegners gegen die Forderung in Höhe von 454 EUR und den Forderungsgrund unbegründet ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsteller zu 60 % und der Antragsgegner zu 40 %.

Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 1.135 EUR.

Gründe

I.

Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde gegen Feststellungen in einem Insolvenzverfahren im Zusammenhang mit einer Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem volljährigen studierenden Sohn M…, an welchen der Antragsteller u.a. im Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 Vorausleistungen nach BAföG in Höhe von monatlich 227 EUR erbrachte, nachdem der Antragsgegner seinerseits keinen Unterhalt an seinen Sohn leistete, wozu er aus Sicht des Antragstellers aber leistungsfähig war.

Am 27.03.2015 wurde dem Antragsgegner mit Postzustellungsurkunde unter seiner Meldeadresse im … in …/… durch Einlegen in den Briefkasten eine Mitteilung des Antragstellers vom 06.01.2015 über einen gesetzlich übergegangenen Unterhaltsanspruch von Oktober 2014 bis Januar 2015 von einmalig 908 EUR und in Höhe von monatlich 227 EUR ab Februar 2015 zugestellt.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Desslau/Roßlau vom 03.02.2015 wurde über das Vermögen des Antragsgegners das Insolvenzverfahren zum Az. 2 IN 292/14 eröffnet, woraufhin der Antragsteller am 17.12.2018 eine Forderung in Höhe von 1.135 EUR wegen übergegangener Unterhaltsansprüche gegen den Antragsgegner für den Zeitraum Oktober 2014 bis Februar 2015 zur Insolvenztabelle anmeldete.

Am 21.06.2021 erhob der Antragsgegner Widerspruch gegen die Höhe der zur Insolvenztabelle festgestellten Forderung und gegen den Forderungsgrund, welche als „rückständiger gesetzlicher Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat (§ 302 InsO), für M… T…, übergegangener Unterhaltsanspruch gem. Übergangsmitteilung vom 06.01.2015 (Zeitraum Oktober 2014 bis Februar 2015)“ eingetragen waren.

Mit dem am 30.07.2021 zugestellten Antrag, hat der Antragsteller erstinstanzlich ursprünglich sinngemäß beantragt (Bl. 1),

1. festzustellen, dass der Antragsgegner verpflichtet ist, an den Kläger 1.135 EUR rückständigen gesetzlichen Unterhalt für seinen Sohn M… T…, welchen der Antragsgegner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat und der gemäß Übergangsanzeige vom 06.01.2015 für den Zeitraum Oktober 2014 bis Februar 2015 auf den Antragsteller übergegangen ist, zu zahlen sowie

2. festzustellen, dass die im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragsgegners vor dem Amtsgericht Dessau/Roßlau, Insolvenzgericht, unter dem Aktenzeichen 2 IN 292/14 von der Insolvenzverwalterin zur Tabelle festgestellte Forderung zu Recht besteht und der am 21.06.2021 erhobene Widerspruch des Antragsgegners gegen die Höhe der Forderung und den Forderungsgrund unbegründet ist.

Nachdem am 25.11.2021 beim Antragsteller eine Zahlung in Höhe von 113,50 EUR eingegangen war, haben die Beteiligten im Termin vom 18.01.2022 - der Antragsgegner verbunden mit entsprechendem Kostenantrag - den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache übereinstimmend teilweise für erledigt erklärt.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag im Übrigen zurückzuweisen.

Er hat Verjährung der Unterhaltsansprüche eingewandt, fehlenden Zugang der Überleitungsanzeige in Ansehung eines vor der Zustellung bereits erfolgten Umzugs nach Dallgow-Döberitz, sowie seine Leistungsunfähigkeit und Mithaftung der Mutter des Studenten geltend gemacht.

Mit dem angefochtenen Beschluss (Bl. 88), auf dessen Inhalt der Senat wegen des weiteren Sach- und Streitsandes verweist, hat das Amtsgericht dem ursprünglichen Antrag des Antragstellers aus der Antragsschrift vollständig stattgegeben.

Hiergegen richtet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde, mit der geltend macht, das Amtsgericht habe unzutreffend eine Hemmung der Verjährung der Unterhaltsansprüche durch Anmeldung zur Insolvenztabelle angenommen, seine mangelnde Kenntnis von der Überleitungsanzeige verkannt, sowie deren unwirksame Zustellung, sodass der Antragsteller nicht aktivlegitimiert sei.

Am 09.09.2022 ist beim Antragsteller eine weitere Zahlung von 60,49 EUR eingegangen.

Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,

unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Nauen 19.04.2022 den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss.

Mit Beschluss vom 19.05.2022 ist das Insolvenzverfahren nach Abhaltung des Schlusstermins aufgehoben worden, unter Vorbehalt der Nachtragsverteilung für bestimmte näher bezeichnete Vermögensgegenstände.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die Korrespondenz im Beschwerderechtszug. Er entscheidet, wie angekündigt, ohne mündliche Verhandlung (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG), von der ein weiterer Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten war.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat überwiegend Erfolg.

Der Antragsteller ist mit Blick auf die Überleitungsanzeige gem. § 37 BAföG vom 06.01.2015 auch in Ansehung eines eventuellen Umzugs des Antragsgegners vor Zustellung derselben aktivlegitimiert.

Eine nicht in den Machtbereich des Empfängers gelangte Erklärung gilt gleichwohl (arg. §§ 162 Abs. 1, 815, 2. Fall BGB) als zugegangen, wenn dieser den Zugang bewusst verhindert. Dies ist der Fall, wenn der Empfänger fahrlässig keine Empfangsvorkehrungen getroffen, etwa keinen Nachsendeantrag trotz Umzugs gestellt oder sonst Sorge dafür getragen hat, dass unter der bisherigen Adresse eingegangene Post weitergeleitet wird, obwohl er aufgrund vorhergehender Umstände mit dem Eingang von Erklärungen zu rechnen hatte (HK-BGB/Heinrich Dörner, 11. Aufl. 2021, BGB § 130 Rn. 7). So liegt der Fall hier. Da der Antragsgegner wusste, dass sein Sohn studiert, er ihm keinen Unterhalt leistet und er auch von einem Verfahren auf Bewilligung von BAföG-Leistungen Kenntnis hatte, in welchem er mit dem Eingang von an ihn gerichteten Postsendungen rechnen musste, kann er sich nicht auf eine an ihn unterbliebene Zustellung berufen.

Der Feststellungsantrag zu 1. hat keinen Erfolg.

Er ist zwar zulässig, insbesondere hat der Antragsteller ein Interesse an der begehrten Feststellung. Dieses ergibt sich daraus, dass die Forderung gemäß § 302 Nr. 1 InsO an der Restschuldbefreiung nicht teilnimmt, soweit sie daraus herrührt, dass Unterhalt vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt wurde (§ 302 Nr. 1 Alt. 2 InsO). Der Gläubiger kann dann auch nach im Übrigen erteilter Restschuldbefreiung die Forderung gegen den Schuldner weiterhin mit Hilfe des Tabellenauszugs vollstrecken (Braun/Specovius, 9. Aufl. 2022, InsO § 184 Rn. 12, 13). Ohne die Feststellung nach § 302 Nr. 1 InsO ist die Unterhaltsforderung hingegen gemäß § 286 InsO von der Restschuldbefreiung erfasst.

Der Antrag zu 1. ist aber unbegründet. Für eine Versagung der Restschuldbefreiung gemäß § 302 Nr. 1, 2. Alt. reicht es zwar aus, wenn den Schuldner eine gesetzliche Unterhaltspflicht trifft und wenn die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners gegeben sind. Zusätzlich muss der Schuldner aber vorsätzlich gehandelt haben (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 2. September 2019 – 13 UF 91/19 –, juris).

Es kann an dieser Stelle dahinstehen, ob der Antragsgegner seinem volljährigen Sohn im hier in Rede stehenden Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 unterhaltspflichtig war. Jedenfalls lässt sich eine vorsätzliche Nichtgewährung von Unterhalt nicht feststellen.

Der Schuldner muss hierfür zum einen seine gesetzliche Unterhaltspflicht, den Bedarf sowie die Bedürftigkeit des Berechtigten und seine eigene Leistungsfähigkeit kennen. Zum anderen muss er die Verletzung der Unterhaltspflicht zumindest billigend in Kauf nehmen. Ob der Schuldner mit zumindest bedingtem Vorsatz gehandelt hat, erfordert eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Damit ist eine allgemeine Regel nicht vereinbar, dass ein Schuldner stets Umstände darzulegen habe, die einen Vorsatz ausschließen, sobald objektiv festgestellt ist, dass er einen bestehenden Unterhaltsanspruch nicht erfüllt hat. Vielmehr bedarf es regelmäßig zusätzlicher, vom Gläubiger zu beweisender Indizien, aus denen sich entnehmen lässt, dass sich der Schuldner seiner Unterhaltspflicht oder seinen Handlungspflichten bewusst war. So ist der Schluss auf bedingten Vorsatz regelmäßig möglich, wenn objektiv feststeht, dass der Schuldner seine Unterhaltspflicht verletzt hat, der Unterhaltsanspruch bereits tituliert war und dem Schuldner aufgrund der Titulierung des Unterhalts seine Zahlungsverpflichtung einschließlich seiner vom Gericht bejahten Leistungsfähigkeit bekannt war und er gleichwohl der Verpflichtung nicht nachgekommen ist (BGH, Beschluss vom 3.3.2016 - IX ZB 65/14 - FamRZ 2016, 1818). Eine vorsätzliche Verletzung der Unterhaltspflicht liegt aber nicht schon dann vor, wenn der Pflichtige das Bestehen einer Unterhaltspflicht für möglich hält. Nur wenn der anwaltlich beratene Pflichtige zu dem sicheren Schluss kommen musste, dass eine Unterhaltspflicht seinerseits in einer bestimmten Höhe unabweisbar sei, handelte er bei deren (weiterer) Nichterfüllung vorsätzlich (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 25.11.2016 - 2 UF 111/16 - FamRZ 2017, 1126; OLG Hamm, Beschluss vom 20. Februar 2020 – II-4 UF 153/19 –, Rn. 30 - 31, juris).

Dass der Antragsgegner sich gemessen daran zur Zeit der Fälligkeit des Unterhaltsanspruchs zwischen Oktober 2014 und Februar 2015 der Erkenntnis nicht verschließen konnte, dass er zur Zahlung von Unterhalt an seinen Sohn M… leistungsfähig ist und gleichwohl keinen Unterhalt geleistet hat, ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Vorliegend waren Unterhaltsansprüche für den hier in Rede stehenden Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 nicht tituliert. Von der Überleitungsanzeige vom 06.01.2015, aus welcher der Antragsgegner allenfalls hätte entnehmen können, dass er unterhaltspflichtig ist, hat der Antragsgegner unbestritten nichts gewusst.

Der zulässige Antrag zu 2. hat nur teilweise Erfolg.

Nachdem der Antragsgegner gegen die Höhe und den Rechtsgrund der festgestellten Forderung Widerspruch erhoben hat, war für den Antragsteller der Weg über die Klage nach § 184 InsO auf Feststellung der Forderung eröffnet, wodurch der Widerspruch gegen die Forderung beseitigt wird, sodass die nachinsolvenzliche Vollstreckung aus dem Tabelleneintrag wie bei einer vom Schuldner nicht bestrittenen Forderung möglich ist (§ 201 Abs. 1 Satz 2), (vgl. Pape/Schaltke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 184 Klage gegen einen Widerspruch des Schuldners, Rn. 13).

Darauf, ob ein Feststellungsinteresse für die Klage gegen den Widerspruch des Schuldners nach § 184 InsO zu verneinen ist, wenn eine Restschuldbefreiung erteilt und ihr Widerruf nicht erfolgt ist und auch nicht mehr erfolgen kann (vgl. BeckOK InsR/Zenker, 29. Ed. 15.10.2022, InsO § 184 Rn. 9, 10; Anmerkung Müller zu BGH, Urt. v. 11. 7. 2013 – IX ZR 286/12; OLG Karlsruhe; NZI 2013, 801, beck-online), kommt es nicht an. Der Antragsgegner hat zwar einen Beschluss des Amtsgerichts Dessau-Roßlau vom 19.05.2022 über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens vorgelegt. Dieser enthält jedoch keine Entscheidung über eine Restschuldbefreiung. Dass diese sonst erteilt worden wäre, hat der Antragsgegner nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Der Antrag ist jedoch nur teilweise begründet.

Der Schuldner kann seinen Widerspruch gegen die Forderung auf sämtliche Einwendungen stützen, die sich gegen den Bestand und die Durchsetzbarkeit der Forderung richten. Zulässig ist etwa auch der Einwand teilweiser Schadensbeseitigung oder die Geltendmachung der Verjährungseinrede (Pape/Schaltke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 184 Klage gegen einen Widerspruch des Schuldners, Rn. 9).

Ein Unterhaltsanspruch für Oktober bis Dezember 2014 bestand zunächst in Höhe von monatlich 227 EUR.

Der Antragsteller hat auf Hinweis des Senats schlüssig zum Einkommen des Antragstellers und der Mutter des Studenten im fraglichen Zeitraum vorgetragen. Dem ist der Antragsgegner nicht entgegengetreten.

Der Bedarf des Studenten, der nicht im Haushalt eines seiner Elternteile lebte, betrug 670 EUR (vgl. Ziffer 13.1 der Leitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts für 2014). Auf den Bedarf ist das volle Kindergeld in Höhe von damals 184 EUR anzurechnen, sodass ein ungedeckter Bedarf von 486 EUR bestand.

Das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen der Mutter des Studenten betrug unbestritten in 2014 3.501,96 EUR und nach Abzug des Selbstbehalts von 1.200 EUR (Ziffer 21.3.1 der Leitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts für 2014) noch 2.301,96 EUR. Dieses ist auf ihre beiden gleichrangigen Kinder, den unterhaltsberechtigten Studenten M… T… und seinen Bruder P… aufzuteilen, sodass die Mutter in Bezug auf den hier in Rede stehenden Unterhalt für den Studenten M… T… von Oktober bis Dezember 2014 in Höhe von 1.150,98 EUR leistungsfähig war.

Beim Antragsgegner ist unbestritten für den Zeitraum Oktober 2014 bis Dezember 2014 ein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen von 4.236,10 EUR anzusetzen und nach Abzug des Selbstbehalts von 1.200 EUR ein solches von 3.036,10 EUR. Auch dieses Einkommen ist auf die beiden gleichrangig unterhaltsberechtigten Kinder M… und P… aufzuteilen, sodass der Antragsgegner für den Studenten M… T… von Oktober bis Dezember 2014 leistungsfähig in Höhe von 1.518,05 EUR war. Entgegen dem Vortrag des Antragsgegners kommt es für seine Leistungsfähigkeit nicht auf das Insolvenzverfahren an, da dieses erst am 03.02.2015, also nach Entstehen und Fälligkeit des Unterhaltsanspruchs eröffnet wurde.

Der Antragsgegner haftet ausgehend vom für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehenden Gesamteinkommen der Eltern von 2.669,03 EUR (1.518,05 EUR + 1.150,98 EUR) anteilig mit 56,88 %. Bei einem ungedeckten Bedarf von 486 EUR entfällt auf ihn ein Betrag von 276,44 EUR.

Unterhaltsansprüche gehen gemäß § 37 BAföG nur in Höhe erbrachter Vorausleistungen auf den Leistungserbringer über. Der Antragsgegner hat unbestritten von Oktober 2014 bis Dezember 2014 Vorausleistungen gemäß § 36 BAföG in Höhe von monatlich jeweils 227 EUR erbracht. Die diesbezügliche Berechnung des Antragstellers gemäß §§ 21, 24 BAföG hat der Antragsgegner nicht angegriffen und sie begegnet auch im Übrigen keinen Bedenken. Im Ergebnis sind Unterhaltsansprüche in Höhe der erbrachten Leistungen von monatlich 227 EUR, insgesamt damit 681 EUR auf den Antragsteller übergegangen.

Der Anspruch für Oktober 2014 ist teilweise durch Erfüllung wegen unstreitig beim Antragsteller am 25.11.2021 über 113,50 EUR und am 09.09.2022 über 60,49 EUR eingegangener Zahlungen erloschen. Nachdem der Antragsgegner keine Tilgungsbestimmung getätigt hat und auch der Antragsteller nicht mitgeteilt hat, worauf er die Zahlungen verrechnet hat, erfolgt gemäß § 366 Abs. 2 BGB bei gleich fälligen Forderungen eine Verrechnung auf diejenige Schuld, die dem Gläubiger weniger Sicherheit gibt. Dies sind vorrangig die in 2014 fälligen Unterhaltsforderungen, denn sie stellen mit Blick auf eine früher eintretende Verjährung für den Gläubiger eine geringere Sicherheit dar (BGH NJW 1957, 1314; 2009, 1071, 1073; OLG Hamm VersR 1989, 292, 293; OLG München NJW-RR 1997, 944; Staudinger/Kern (2022) BGB § 366, Rn. 46). Zudem ist die Forderung für Oktober 2014 auch die älteste Forderung.

Im übrigen im Jahr 2014 bestehende Unterhaltsansprüche sind verjährt. Die 3-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB begann gemäß § 199 BGB mit Ablauf des Jahres 2014 und endete am 31.12.2017. Sie wurde durch die Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle in unverjährter Zeit nicht gehemmt, denn die Forderungsanmeldung, die gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB zur Hemmung der Verjährung führte, erfolgte erst im Dezember 2018.

Hinsichtlich der Unterhaltsansprüche für Januar und Februar 2015 ist der Widerspruch des Antragsgegners hingegen unbegründet. Die insoweit festgestellte Forderung des Antragstellers besteht in Höhe von 454,- EUR.

Der Antragsgegner war seinem Sohn auch in diesen Monaten in Höhe von jeweils 227 EUR monatlich zum Unterhalt verpflichtet.

Dem schlüssigen Vortrag des Antragstellers zum Einkommen der Eltern und zum Bedarf des Studenten ist der Antragsgegner auch für die Monate Januar und Februar 2015 nicht entgegengetreten.

Der unverändert mit 670 EUR anzusetzende Bedarf des Studenten ist in Höhe des vollen im Jahr 2015 betragenden Kindergelds von 188 EUR gedeckt, sodass ein ungedeckter Bedarf von 482 EUR bestand.

Das Einkommen der Mutter in 2015 entsprach demjenigen in 2014 und betrug nach Abzug des Selbstbehalts von 1.300 EUR (Ziffer 21.3.1 der Leitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts für 2015) noch 2.201,96 EUR. Nach Aufteilung dieses Betrages auf die beiden Söhne war die Mutter in Bezug auf den hier in Rede stehenden Unterhalt für den Studenten M… T… in Höhe von 1.100,98 EUR leistungsfähig.

Für den Antragsgegner ist unbestritten für den Zeitraum ab Januar 2015 ein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen von 4.236,10 EUR anzusetzen und nach Abzug des Selbstbehalts von 1.300 EUR ein solches von 2.936,10 EUR. Nach Aufteilung auf die beiden Söhne war der Antragsgegner für den Studenten M… T… leistungsfähig in Höhe von 1.468,05 EUR. Das erst am 03.02.2015, also nach Entstehen und Fälligkeit des Unterhaltsanspruchs für Januar und Februar 2015 eröffnete Insolvenzverfahren betrifft die Leistungsfähigkeit auch hier nicht.

Der Antragsgegner haftet ausgehend vom für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehenden Gesamteinkommen der Eltern von 2.569,03 EUR (1.468,05 EUR + 1.100,98 EUR) anteilig mit 57,14 %. Bei einem ungedeckten Bedarf von 482 EUR entfällt auf ihn ein Betrag von 275,41 EUR.

Die Erbringung von Vorausleistungen in Höhe von 227 EUR monatlich auch im Januar und Februar 2015 und die diesbezügliche Berechnung des Antragstellers gemäß §§ 21, 24 BAföG, gegen welche auch sonst keine Bedenken bestehen, hat der Antragsgegner ebenfalls nicht angegriffen, sodass gemäß § 37 BAföG Unterhaltsansprüche in Höhe der erbrachten Leistungen von monatlich 227 EUR, insgesamt damit 454 EUR auf den Antragsteller übergegangen sind.

Der Unterhaltsanspruch ist für die Monate Januar und Februar 2015 nicht verjährt. Die 3-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB begann am 31.12.2015 und endete am 31.12.2018. Sie wurde durch die Anmeldung zur Insolvenztabelle am 17.12.2018 allerdings in unverjährter Zeit gemäß 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB gehemmt. Die Hemmung endet nach § 204 Abs. 2 BGB sechs Monate nach Beendigung des Insolvenzverfahrens (BeckOGK/Meller-Hannich, 1.10.2022, BGB § 204 Rn. 352) durch Aufhebung (§§ 200, 258 InsO),(MüKoBGB/Grothe, 9. Aufl. 2021, BGB § 204 Rn. 107), die hier am 19.05.2022 erfolgte. Mit Erhebung der Feststellungsklage nach § 184 Abs. 1 InsO durch Zustellung am 30.07.2021 ist der Verjährungslauf allerdings (erneut) gehemmt (OLG Düsseldorf, NZI 2010, 694, beck-online).

 III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG, auch in Ansehung der übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten im Anhörungstermin vom 18.01.2022, wonach sich der Rechtsstreit in der Hauptsache wegen eines Zahlungseingangs beim Antragsteller vom 25.11.2021 in Höhe von 113,50 EUR erledigt hat.

In Unterhaltssachen im Sinne der §§ 112 Nr. 1, 231 Abs. 1 FamFG ersetzt die Kostenvorschrift des § 243 FamFG als lex specialis die Vorschriften über die Verteilung der Kosten nach der ZPO und damit auch § 91 a ZPO (BGH, FamRZ 2011, 1933; OLG Brandenburg Beschl. v. 19.12.2019 – 9 WF 215/19, BeckRS 2019, 34717; OLG Schleswig, FamRZ 2014, 963 Zöller/Lorenz, ZPO, 34. Aufl., § 243 FamFG, Rn. 6 ff.). Hiervon betroffen ist auch § 91a ZPO. Da das Gericht im Rahmen von § 243 FamFG nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten entscheidet, wobei alle Umstände des Einzelfalles Berücksichtigung finden können, kommt der Frage des Obsiegens und Unterliegens im Falle einer streitigen Fortführung des Verfahrens anders als bei der Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO keine entscheidende Bedeutung bei (OLG Frankfurt, Beschluss vom 15. Juni 2021 – 2 WF 67/21 –, Rn. 19, juris).

Gemessen an den vorstehenden Erwägungen waren die Kosten beider Instanzen, da keiner der Ausnahmefälle des § 243 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 FamFG vorliegt, gemäß § 243 Abs. 1 Nr. 1 FamFG wie erfolgt zu quoteln.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht §§ 55 Abs. 2, 42 Abs. 2 FamGKG. Bei den hier in Rede stehenden Feststellungsklagen ist die Frage der Realisierbarkeit des festzustellenden Anspruchs nach Erteilung der Restschuldbefreiung für die Festsetzung des Streitwerts maßgeblich (vgl. Senat, Beschl. v. 6.9.2021 – 13 UF 83/18, BeckRS 2021, 32371 Rn. 41, 42, beck-online; BeckOK InsR/Zenker, 29. Ed. 15.10.2022, InsO § 182 Rn. 9). Können diese anhand der voraussichtlichen wirtschaftlichen Lage des Schuldners auch für die Zeit nach Erteilung der Restschuld nicht als günstig angesehen werden, sind deutliche Abschläge vom Nominalwert der Forderung sachlich gerechtfertigt (BGH NJW 2009, 920). Nach diesen Grundsätzen ist der Wert in voller Höhe der angemeldeten Forderung festzusetzen, da die wirtschaftliche Lage des Antragsgegners nicht grundsätzlich prekär ist und eine günstige Prognose im Hinblick auf die Vollstreckungsaussichten besteht.

Anlass die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht (§70 Abs. 2 FamFG).