Gericht | OLG Brandenburg 12. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 29.12.2022 | |
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Aktenzeichen | 12 U 100/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:1229.12U100.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte, eine englische Limited, auf Rückzahlung einer Genussrechtsbeteiligung nach außerordentlicher Kündigung, hilfsweise auf Schadensersatz in Anspruch. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den mit Beschluss vom 10.08.2022 berichtigten Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 7.963,12 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 4 % p.a. seit dem 05.12.2019 sowie weitere 631,50 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 4 % p.a. seit dem 30.03.2021 zu zahlen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:
Die Klage sei zulässig. Das Landgericht Cottbus sei international und örtlich zuständig im Sinne von Art. 5 Abs. 1, 17 Abs. 1 c), 18 Abs. 1 EuGVVO. Die EuGVVO sei anwendbar. Die in § 13 Abs. 2 der Genussrechtsbedingungen enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung stehe der internationalen Zuständigkeit nicht entgegen. Der Verbrauchergerichtsstand gemäß Art. 5 Abs. 1, 17 Abs. 1 c), 18 Abs. 1 EuGVVO sei einschlägig. Die Klägerin sei Verbraucherin im Sinne des Art. 17 Abs. 1 EuGVVO. Sie habe die Genussrechte an der Rechtsvorgängerin der Beklagten als Privatperson erworben. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe ihre gewerbliche Tätigkeit auch auf Deutschland ausgerichtet. Durch die nachträglich und ohne Einverständnis der Klägerin erfolgte Verschmelzung könne eine verbraucherschützende Zuständigkeit nicht entzogen werden. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts sei nach Art. 18 Abs. 1 EuGVVO gegeben, da die Klägerin ihren Wohnsitz im Gerichtsbezirk des Landgerichts Cottbus habe. Die Klage sei auch ordnungsgemäß erhoben. Die von der Beklagten erhobenen Einwände gegen eine wirksame Zustellung der Klage griffen nicht durch oder seien geheilt. Die Zustellung der Klageschrift sei dadurch nachgewiesen, dass die Prozessbevollmächtigten der Beklagten sich unter Versicherung ordnungsgemäßer Bevollmächtigung für die Beklagte bestellt und Verteidigungsbereitschaft angezeigt hätten. Das Fehlen einer Übersetzung in die englische Sprache führe nicht zur Unwirksamkeit der Zustellung. Jedenfalls seien etwaige Zustellungsmängel gemäß § 189 ZPO dadurch geheilt, dass der Beklagten eine vollständige Abschrift der Klage unstreitig zugegangen sei. Auch die Vollmachtsrüge der Beklagten greife nicht durch.
Die Klage sei auch begründet. Die Klägerin habe einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 7.963,12 € nebst Zinsen und auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren. Für die rechtliche Beurteilung sei das Recht der Republik Österreich maßgeblich. Die maßgebliche Rechtswahlklausel sei wirksam. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus § 1295 ABGB, da die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin ihre vertraglichen Pflichten aus dem Genussrechtsverhältnis verletzt habe, indem sie der Klägerin in Folge des Verschmelzungsvorganges keine mit der Genussrechtsbeteiligung gleichwertigen Rechte gewährt habe. Hierin liege zugleich ein Verstoß gegen § 8 Nr. 2 der Genussrechtsbedingungen. Es könne bereits nicht festgestellt werden, dass die Klägerin Inhaberin der behaupteten B-Anteile an der Beklagten geworden sei und sie damit gleichwertige Rechte erhalten habe. Unabhängig davon seien die der Klägerin zugeteilten B-Anteile auch nicht wirtschaftlich gleichwertig. Sie wiesen lediglich einen Nennbetrag von 0,001 € auf. Die den Genussrechtsinhabern eingeräumte Möglichkeit, die B-Anteile an die Beklagte zurückzugeben, stelle bei wirtschaftlicher Betrachtung insoweit keine sinnvolle Beendigungsmöglichkeit dar. Entscheidend sei der seitens der Klägerin aufgezeigte Aspekt, dass bei den B-Anteilen anstelle einer Kündigung nur die Möglichkeit eines Rückkaufes vorgesehen sei. Die Berechtigten, die vom Rückkauf Gebrauch machten, erhielten nur einen Bruchteil dessen, was sie bei Kündigung des Genussrechts im Falle unterbliebener Verschmelzung erhalten hätten. Die zusätzlich eingeräumte Beteiligung am Liquidationserlös vermöge dies nicht auszugleichen. In der außerordentlichen Kündigung und dem Rückzahlungsbegehren gegenüber der Beklagten sei die konkludente Geltendmachung von Schadensersatz zu sehen. Der Schaden bemesse sich nach dem Wert der erloschenen Genussrechte zum 31.12.2018, den die Beklagte im Schreiben vom Februar 2019 mit 7.963,12 € mitgeteilt habe. An diesem konkret mitgeteilten Wert müsse sich die Beklagte festhalten lassen. Warum dieser Betrag für die Bestimmung des Wertes der Genussrechte nicht maßgebend sein solle bzw. wie sich der Widerspruch zu dem vermeintlichen Buchwert zum 31.12.2017 i.H.v. 0,00 € erkläre, sei nicht nachvollziehbar. Die Beklagte treffe die Darlegungs- und Beweislast für die Minderung des Wertes der Genussrechte aufgrund bestehender Verluste. Dem sei sie mit der unsubstantiierten Behauptung, es habe keine Wiederauffüllung stattgefunden, nicht gerecht geworden.
Die Klägerin habe des Weiteren auch Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten sowie Verzinsung der Haupt- und Nebenforderungen. Der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten folge aus § 1333 Abs. 2 ABGB. Im Hinblick auf die Komplexität des grenzüberschreitenden Sachverhalts sei die begehrte 1,9 Geschäftsgebühr auch der Höhe nach angemessen. Der Zinsanspruch ergebe sich aus §§ 1333 Abs. 1, 1334 i.V.m. § 1000 Abs. 1 ABGB. Danach seien gesetzliche Verzugszinsen i.H.v. 4 % p.a. zu zahlen. Ein weitergehender Anspruch auf Prozesszinsen stehe der Klägerin nicht zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Die Beklagte hat gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 09.06.2022 zugestellte Urteil mit einem noch am gleichen Tage beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese – nach auf rechtzeitigen Antrag verlängerter Berufungsbegründungsfrist bis zum 09.09.2022 - mit einem an diesem Tage eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagte verfolgt ihren Antrag auf Klageabweisung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Sie ist weiterhin der Auffassung, der Klägerin seien durch die Verschmelzung wirksam B-Anteile an der Beklagten und damit gleichwertige Rechte im Zuge der Umwandlung gewährt worden. Sie rügt weiterhin die fehlende internationale Zuständigkeit. Anlässlich der Durchführung der grenzüberschreitenden Verschmelzung sei die Klägerin Aktionärin der Beklagten geworden, sodass sie nicht als Verbraucherin klage. Tatsächlich liege eine innergesellschaftsrechtliche Streitigkeit vor. Mit der Eintragung der Durchführung der Verschmelzung seien die Genussrechte ohne Novation gemäß § 226 Abs. 3 öAktG erloschen. Genussrechtsinhaber seien aus umwandlungsrechtlicher Sicht keine Gläubiger, sondern Inhaber von Sonderrechten. Die gezeichneten B-Anteile zu einem Nennwert von 0,001 € seien rechtlich und wirtschaftlich mindestens gleichwertig zu den Genussrechten. Es sei nach § 14 Abs. 3 öEU-Verschmelzungsgesetz eine entsprechende Rechtsmäßigkeitsbescheinigung erstellt worden, sodass die Einräumung gleichwertiger Rechte im Grunde nicht in Streit stehen könne. Für die wirtschaftliche Gleichwertigkeit sei auf den Stichtag 31.12.2017 abzustellen. Der Buchwert und damit der wirtschaftliche Wert der Genussrechte habe zu diesem Stichtag 0,00 € betragen, wie sich aus der bereits mit der Klageerwiderung vorgelegten Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung ergebe. Die Genussrechte hätten Verluste in Höhe des Nennbetrages getragen, was zu dem ausgewiesenen Buchwert von 0,00 € führe. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Abrechnung des Rückzahlungsanspruches zum 31.12.2018 oder zum 21.11.2019.
Die Ausführungen in dem Schreiben der Beklagten aus Februar 2019 sein nicht widersprüchlich. In diesem Schreiben habe die Beklagte lediglich einen vom Buchwert abweichenden sogenannten rechnerischen Wert zum Stichtag 31.12.2018 mitgeteilt. Aufgrund der Verwendung der unterschiedlichen Begrifflichkeiten sei für einen objektiven Betrachter erkennbar gewesen, dass es sich dabei nicht um identische Bezeichnungen für identische Werte handele. Der Inhalt des Jahresabschlusses sei also nicht widersprüchlich zu dem Inhalt des Schreibens von Februar 2019. Sie, die Beklagte, habe zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass der rechnerische Wert der Genussrechte dem Rückzahlungsbetrag entspreche. Sie habe vielmehr klargestellt, dass die Darstellung zum rechnerischen Wert der Genussrechte kein Anerkenntnis darstellte und keine Zahlungspflichten begründe. Sie habe bewusst vom Buchwert den Begriff des rechnerischen Wertes unterschieden, um zu verdeutlichen, dass der rechnerische Wert der Genussrechte wirtschaftlich dem Wert der B-Anteile entsprechen werde. Die Rückzahlung der eingezahlten Nennbeträge sei nicht geschuldet. Dass der rechnerische Wert nicht der bedingungsgemäße Rückzahlungsbetrag sein könne, ergebe sich im Übrigen schon daraus, dass dieser den eingezahlten Betrag von 7.368,50 € übersteige. Weshalb der Klägerin infolge der Kündigung ein darüber hinausgehender Wert zustehen solle, sei nicht ansatzweise dargelegt. Der Gleichwertigkeit der B-Anteile zu den Genussrechten stehe nicht entgegen, dass der Nennwert 0,001 € betrage. Etwaige Gewinne der Beklagten würden unter den Inhabern der B-Anteile kapitalanteilig verteilt, sodass die Höhe des Nennwertes unerheblich sei. Die kapitalanteilige Gewinnverteilung führe sogar zu einer besseren wirtschaftlichen Ausstattung der B-Anteile. Auch stehe das fehlende Kündigungsrecht und der Rücknahmepreis von 0,001 € der Gleichwertigkeit nicht entgegen.
Da sich die Beklagte im Zeitpunkt der vorgerichtlichen Zahlungsaufforderung nicht im Verzug befinden habe, stehe der Klägern auch kein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten zu. Zudem fehle der Vortrag, dass der Rechtsanwalt zunächst nur den Auftrag zu einer außergerichtlichen Klärung bzw. einen bedingten Prozessauftrag erhalten habe.
Die Beklagte kündigt an zu beantragen,
das am 08.06.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Cottbus, Az. 1 O 102/21, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin kündigt an zu beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei deutsches Recht anwendbar. Eine Pflichtverletzung der Beklagten liege vor, indem die Rechtsvorgängerin der Beklagten durch die von ihr gewählte grenzüberschreitende Umwandlung die Genussrechte vernichtet habe. Auch seien ihr keine gleichwertigen Rechte an der Beklagten eingeräumt worden. Für den in dem Wegfall der Genussrechtsbeteiligung liegenden Schaden habe die Beklagte Schadensersatz zu leisten. Die Beklagte habe durch die vertragswidrige Beendigung der Beteiligung sich selbst in Verzug gesetzt und damit auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu ersetzen. Der Prozessbevollmächtigte sei von ihr zunächst auch nur für eine außergerichtliche Klärung beauftragt worden.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gem. §§ 517 ff. ZPO eingelegte Berufung ist nach einstimmiger Auffassung des Senats offensichtlich unbegründet. Die Rechtssache weist auch weder grundsätzliche Bedeutung auf, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist auch nicht aus sonstigen Gründen geboten. Es ist daher die Zurückweisung der Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss beabsichtigt.
Das Landgericht hat der Klage zu Recht in dem ausgeurteilten Umfang stattgegeben. Das Urteil des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung.
1.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte im Sinne des Art. 5 Abs. 1, 17 Abs. 1 c), 18 Abs. 1 EuGVVO, die entgegen dem Wortlaut des § 513 Abs. 2 ZPO auch in der Berufungsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist, gegeben. Zur Begründung wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils, denen sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt, Bezug genommen. Die Klägerin hat bei dem Erwerb der Genussrechte als Verbraucherin gehandelt, sodass der Verbrauchergerichtsstand nach Art. 17 Abs. 1 c), Art. 18 Abs. 1 EuGVVO eröffnet ist. Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung rügt, die Klägerin sei anlässlich der Durchführung der grenzüberschreitenden Verschmelzung Aktionärin der Beklagten geworden, sodass sie nicht als Verbraucherin klage, sondern tatsächlich eine innergesellschaftsrechtliche Streitigkeit vorliege, ist dem nicht zu folgen. Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, bei dem die Klägerin unstreitig als Verbraucherin gehandelt hat. Durch die nachträglich ohne Einverständnis oder auch nur vorhergehende Anhörung der Klägerin erfolgte Verschmelzung kann eine verbraucherschützende Zuständigkeit nicht wieder entzogen werden (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 29.01.2021 – 9 U 66/20, juris Rn. 14; Hanseatisches OLG Bremen, Urteil vom 01.07.2021 – 3 U 39/20, juris Rn. 33; KG, Urteil vom 29.03.2022 – 14 U 87/21, Anlage BB 14).
Die weiteren Ausführungen des Landgerichts zur internationalen Zuständigkeit sowie zur ordnungsgemäßen Zustellung der Klageschrift werden mit der Berufung von der Beklagten nicht mehr in Abrede gestellt, sodass sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen.
2.
Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch i.H.v. 7.963,12 € nebst Zinsen und Rechtsanwaltskosten aus § 1295 öABGB.
a) Entgegen der Auffassung der Klägerin findet im Streitfall gemäß der in § 13 Nr. 1 der Genussrechtsbedingungen getroffenen Rechtswahl das Recht der Republik Österreich Anwendung. Der die Zulässigkeit der Rechtswahl bei Verbraucherverträgen regelnde Art. 6 Rom-I VO ist nicht anwendbar, da der zugrunde liegende Vertrag am 29.12.2007 und damit vor Inkrafttreten der Rom-I VO zum 17.12.2009 geschlossen worden ist (vgl. Art. 28 Rom-I VO). Für vor dem 17.12.2009 geschlossene Verträge gilt demgegenüber das EVÜ bzw. dessen Inkorporation durch die Art. 27 ff. EGBGB a.F. weiter (vgl. Hanseatisches OLG Bremen a.a.O. Rn. 37; KG, Urteil vom 29.03.2022 a.a.O. S. 7; OLG Stuttgart, Urteil vom 31.03.2021 – 20 U 24/20, juris Rn. 51).
b) Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz nach § 1295 öABGB liegen vor.
aa) Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin hat ihre vertraglichen Pflichten aus § 8 der Genussrechtsbedingungen verletzt, indem sie der Klägerin infolge des Verschmelzungsvorganges keine mit der Genussrechtsbeteiligung gleichwertigen Rechte gewährt hat. Nach § 8 Abs. 1 der Genussrechtsbedingungen wird der Bestand der Genussrechte vorbehaltlich § 5 der Bedingungen im Falle der Beteiligung der Gesellschaft an einem Umwandlungsvorgang oder Bestandsübertragung der Gesellschaft nicht berührt. Nach Abs. 2 sind im Falle einer solchen Maßnahme nach Abs. 1 den Genussrechtsinhabern gleichwertige Rechte an dem neu übernehmenden Rechtsträger einzuräumen. Dies entspricht § 226 Abs. 3 des österreichischen Aktiengesetzes. Gegen diese Verpflichtung hat die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin verstoßen. Die der Klägerin zustehenden Genussrechte sind dadurch, dass das für die Beklagte geltende britische Recht keine Genussrechte kennt, untergegangen.
bb) Die der Klägerin eingeräumten B-Anteile an der Beklagten stellen keine den Genussrechten gleichwertigen Rechte dar. Für die Frage, ob den Inhabern von Genussrechten gleichwertige Rechte gewährt worden sind, kommt es nicht auf eine etwaige „Gleichartigkeit“ der gewährten Rechte, sondern vielmehr allein auf deren wirtschaftliche Gleichwertigkeit, also die Wertäquivalenz, an (vgl. Hanseatisches OLG Bremen a.a.O. Rn. 47; OLG Stuttgart, Urteil vom 31.03.2021 a.a.O. Rn. 82; KG, Urteil vom 29.03.2022 a.a.O. S. 9f.). Die den Inhabern der Genussrechte eingeräumten B-Anteile sind nicht wirtschaftlich gleichwertig. Denn die zugeteilten B-Anteile weisen lediglich einen Betrag von 0,001 € auf. Der Gesamtnennbetrag der Wertpapiere der Klägerin reduziert sich durch die Verschmelzung demnach in einem Verhältnis von 1000:1. Der Wert der Genussrechtsbeteiligung der Klägerin, der nach dem Schreiben der Anlegerverwaltung aus Februar 2019 noch per 31.12.2018 7.963,12 € betragen hatte, verringerte sich somit ohne nachvollziehbare Berechnungsgrundlage auf einen Anteil am Nominalkapital von 7,96 €. Die den Genussrechtsinhabern eingeräumte Möglichkeit, die B-Anteile an die Beklagte zurückzugeben, stellte bei wirtschaftlicher Betrachtung insoweit keine sinnvolle Beendigungsmöglichkeit dar (vgl. Hanseatisches OLG Bremen a.a.O. Rn. 48; KG, Urteil vom 29.03.2022 a.a.O. Seite 10). Die für die Gleichwertigkeit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat keinen ausreichend schlüssigen Vortrag dazu gehalten, um darauf zu schließen, dass der angegebene Anteil am Nominalkapital von 7,96 € dem wirtschaftlichen Wert der bisherigen Genussrechtsbeteiligung zum Verschmelzungsstichtag entsprach (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 31.03.2022 - 8 U 1783/21).
Zutreffend hat das Landgericht auch darauf abgestellt, dass das Recht der Gewinnbeteiligung nachteilig zulasten der Anleger geändert worden ist, indem die Ausschüttung von Dividenden selbst bei Vorliegen eines Jahresüberschusses in das Belieben der Gesellschaft gestellt wird, und anstelle des Rechts auf Kündigung und Auszahlung zum eingezahlten Nennbetrag gemäß § 6 Abs. 4 der Genussrechtsbedingungen nunmehr lediglich ein Rückkauf der Anteile in Höhe des Nominalwertes festgelegt ist, sodass die Anleger, die von einem solchen Rückkauf Gebrauch machen, nur einen Bruchteil dessen erhalten, was sie bei Kündigung des Genussrechts im Falle unterbliebener Verschmelzung erhalten hätten (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 31.03.2021 a.a.O. Rn. 93).
Die Einwendungen der Beklagten in der Berufungsbegründung vermögen dagegen nicht zu überzeugen. Soweit sie sich auf die Rechtmäßigkeitsbescheinigung des Handelsgerichts Wien vom 16.10.2018 beruft, weshalb die Einräumung gleichwertiger Rechte im Grunde nicht in Streit stehen könne, belegt diese nicht – schon gar nicht mit Bindungswirkung für den vorliegenden Rechtsstreit -, dass den Genussrechtsinhabern gleichwertige Rechte an der Beklagten eingeräumt worden sind. Das österreichische Registergericht prüft bei einer wie hier vorliegenden grenzüberschreitenden Verschmelzung die Gleichwertigkeit von für den Entfall von Genussrechten gewährten Anteilen an der aufnehmenden Gesellschaft nicht. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung, von dem Ausnahmefall der gerichtlichen Überprüfung der Barabfindung auf den Antrag eines ausscheidenden Gesellschafters abgesehen, nach §§ 14 Abs. 3, 15 öEU-Verschmelzungsgesetz auf eine formelle Prüfung der ordnungsgemäßen Durchführung der der Verschmelzung vorausgehenden Rechtshandlungen und Formalitäten anhand der von dem Vorstand der übertragenden Gesellschaft nach § 14 Abs. 1 öEU-Verschmelzungsgesetz vorzulegenden Unterlagen und nach §§ 14 Abs. 2, 15 öEU-Verschmelzungsgesetz vorzulegenden Vorstandserklärungen und Nachweisen (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 23.12.2021 - 5 U 114/21, vorgelegt als Anlage BB 8, dort S. 30 ff.).
Die weiteren Ausführungen der Beklagten gründen auf der weiterhin nicht nachvollziehbaren Behauptung der Beklagten, der Rückzahlungsbetrag aus den Genussrechten habe zum 31.12.2017 0,00 € betragen. Dies ist jedoch nicht dargelegt, da in der Anlegerinformation vom Februar 2019 der rechnerische Wert noch mit 7.963,12 € angegeben wurde. An diesen Angaben muss sich die Beklagte festhalten lassen. Denn ausweislich der Fußnote 3 der Anlegerinformation liegen der Berechnung des rechnerischen Wertes zum Stand 31.12.2018 die Werte der Rechnungslegung mit Stand vom 31.12.2018 zugrunde. Auch wenn es weiter heißt, dass die Darstellungen zum rechnerischen Wert kein Anerkenntnis darstellen und keine Zahlungspflichten der Beklagten begründen, bedeutet dies nicht, dass diesen Angaben kein Aussagewert zukäme, an welchem sich die Beklagte als Rechtsnachfolgerin grundsätzlich festhalten lassen muss (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 31.03.2022 a.a.O.). Hinzu kommt, dass die Beklagte – wie dem Senat aus Parallelverfahren bekannt ist – in einem an andere Anleger gerichteten Schreiben mitgeteilt hat, dass es aus rechtlichen und steuerlichen Gründen unvermeidlich gewesen sei, die Genussrechtsbeteiligungen zum 31.12.2017 lediglich temporär auf ein Minimum abzuwerten, der Betrag von 0,00 € spiegele jedoch weder den tatsächlichen Wert noch das mögliche zukünftige Wertsteigerungspotenzial wider, womit die Beklagte die Relevanz ihrer Angaben selbst in Zweifel gezogen hat (vgl. LG Verden, Urteil vom 17.07.2020 – 2 O 259/19, vorgelegt als Anlage K 23).
cc) Aufgrund der Pflichtverletzung der Rechtsvorgängerin der Beklagten war die Klägerin zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. In dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 21.11.2019 ist zugleich die konkludente Geltendmachung von Schadensersatz zu sehen.
dd) Der der Klägerin danach entstandene und zu ersetzende Schaden liegt in dem ersatzlos weggefallenen Wert der Genussrechtsbeteiligung zum 31.12.2018 i.H.v. 7.963,12 €. Aufgrund des in der Anlegerinformation von Februar 2019 mitgeteilten rechnerischen Wertes i.H.v. 7.963,12 € ist es gerechtfertigt darauf zu schließen, dass sich der wirtschaftliche Wert der Genussrechte auch auf diesen Betrag belief. Aus der Perspektive eines verständigen und aufmerksamen Anlegers liegt ein Verständnis nahe, dass eine Mitteilung zum aktuellen Wert unter Berücksichtigung einer etwaigen Verlustbeteiligung erfolgt. Die von der Beklagten verwendete Begrifflichkeit („rechnerischer Wert“) steht dem nicht entgegen. Unerheblich ist der Einwand, der Begriff des rechnerischen Wertes spiegele den Rückzahlungswert der Genussrechte nicht wider, weil darin werterhöhende stille Reserven und der Unternehmenswert mit einbezogen seien. Dies verfängt schon deshalb nicht, weil Genussrechte generell an stillen Reserven nicht beteiligt sind. Dass die Genussrechte der Klägerin aufgrund einer Verlustbeteiligung tatsächlich einen Wert von 0,00 € hatten, hat die hierfür darlegungsbelastete Beklagte jedoch mit Ausnahme einer pauschalen Behauptung nicht substantiiert vorgetragen. Die Vorlage einer Bilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung zum 31.12.2017 besagt nichts über das Bestehen von Verlusten zum hier insoweit maßgeblichen Verschmelzungsstichtag 31.12.2018. Eine Bilanz oder Gewinn- und Verlustrechnung zum Stichtag 31.12.2018 hat die Beklagte jedoch gerade nicht vorgelegt. Im Übrigen ist es widersprüchlich, wenn die Beklagte ihre Angaben zum rechnerischen Wert der Genussrechte einerseits zum Gegenstand einer Anlegerinformation macht, andererseits den Angaben aber jede rechtliche Relevanz absprechen will (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 10.11.2021 - 5 U 85/21, vorgelegt als Anlage BB 13, S. 6).
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der erstattungsfähige Schaden der Klägerin nicht auf die geleistete Einlage i.H.v. 7.368,50 € begrenzt. Denn die streitgegenständliche Pflichtverletzung steht nicht im Zusammenhang mit der Zeichnung der Anlage, sondern ergibt sich aus der pflichtwidrigen Verschmelzungsmaßnahme. Vor diesem Hintergrund wird der Schaden durch den mitgeteilten rechnerischen Wert der Beteiligung im Zeitpunkt des Untergangs der Genussrechte bestimmt, der die Einlageleistung betragsmäßig unter-, aber auch überschreiten kann (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 29.06.2022 – 5 U 46/22, vorgelegt als Anlage BB 17, S. 13).
c) Die Klägerin hat ferner Anspruch auf Ersatz der ihr entstandenen außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten. Die Einschaltung eines Rechtsanwaltes war im Streitfall zur zweckgerichteten Rechtsverfolgung erforderlich. Die Klägerin hat auch durch Vorlage des entsprechenden Auftragsschreibens belegt, dass sie den Prozessbevollmächtigten zunächst nur mit der außergerichtlichen Geltendmachung der Forderung beauftragt und keinen unbedingten Klageauftrag erteilt hat. Dieser Vortrag ist auch in zweiter Instanz noch zu berücksichtigen, nachdem es für die Entscheidung des Landgerichts darauf nicht ankam und die Beklagte den entsprechenden Einwand auch erstmals mit der Berufungsbegründung erhoben hat. Die Höhe der abgerechneten Geschäftsgebühr ist im Hinblick auf den gesellschaftsrechtlichen Bezug und die Prüfung ausländischen Rechts nicht zu beanstanden (vgl. Senat, Beschluss vom 08.09.2022 – 12 U 47/22).
d) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 1333 Abs. 1, 1334 Sätze 1 und 3 i.V.m. § 1000 Abs. 1 öABGB. Danach sind gesetzliche Verzugszinsen i.H.v. 4 % p.a. Zu zahlen. Die Beklagte befindet sich nach Ablauf der in dem Schreiben vom 21.11.2019 gesetzten Frist mit der Zahlung der Hauptforderung in Verzug.
III.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt der Senat aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).