Gericht | VG Cottbus 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 24.02.2023 | |
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Aktenzeichen | 6 K 812/21 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2023:0224.6K812.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 10 KAG BB |
Der Bescheid vom 28. April 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2021 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid über den Kostenersatz für die Erneuerung des Trinkwasserhausanschlusses des Beklagten.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks S... .
Mit Schreiben vom 18. Juni 2019 wies der Beklagte auf den Beginn von Arbeiten ab Juli 2019 in der S... als Gemeinschaftsmaßnahme des Landesbetriebs Straßenwesen, der Stadt S... und des beklagten Verbandes hin. Dabei sollten unter anderem sowohl die Trinkwasserleitung und bei Bedarf die Hausanschlüsse Trinkwasser erneuert werden, als auch alle Schmutzwassergrundstücksanschlüsse mit einem Revisionsschacht versehen werden.
Mit Bescheid vom 28. April 2021 zog der Beklagte die Klägerin zum Kostenersatz für die Erneuerung des Trinkwasserhausanschlusses für das bezeichnete Grundstück i.H.v. 1.525,04 € heran. Zur Begründung gab er an, dass Rechtsgrundlage für die Erhebung eines Kostenersatzes die Satzung über den Kostenersatz für Hausanschlüsse an die öffentlichen Wasserversorgungseinrichtungen des Wasser- und Abwasserverbandes W... (K... ) vom 17. August 2011 sei. Danach habe die Klägerin als Eigentümerin die Kosten für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung, Unterhaltung und Entfernung des Trinkwasser-Hausanschlusses nach dem Aufwand und der tatsächlich entstandenen Kostenhöhe zu erstatten.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 18. Mai 2021 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass sie keinen Auftrag für die Maßnahme erteilt habe und ihr bisheriger Anschluss noch keine 30 Jahre alt gewesen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2021 – der Klägerin am 5. Juli 2021 zugestellt – wies der Beklagte den eingelegten Widerspruch zurück. Zur Begründung gab er an, dass Rechtsgrundlage die K... vom 17. August 2011 sei. Die Überprüfung des Bescheides habe ergeben, dass die Höhe des Kostenersatzes korrekt ermittelt worden sei. Im Rahmen der Baumaßnahmen an der B96 habe sich der Verband entschlossen, die Trinkwasserhauptleitung zu erneuern. Hierzu sei die vorhandene Trinkwasserhauptleitung außer Betrieb gesetzt worden und die Trinkwasserhausanschlüsse seien auf die neu verlegte Trinkwasserhauptleitung umgebunden bzw. eingebunden worden und somit entsprechend den geltenden Regeln der Technik erneuert worden. Die Arbeiten seien am 18. September 2019 durchgeführt worden.
Daraufhin hat die Klägerin am 5. August 2021 Klage erhoben.
Sie ist ergänzend zu ihrem Widerspruchsvorbringen der Ansicht, dass für sie nicht nachvollziehbar sei, dass überhaupt ein Bedarf für Arbeiten am Hausanschluss gegeben seien. Auch seien die Kostenpositionen nicht ordnungsgemäß dargestellt worden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 28. April 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2021 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt ergänzend zu seinem Vorbringen aus dem Widerspruchsbescheid vor, dass sich die gerügten Rechnungspositionen nachvollziehbar aus den Kostenpositionen, dem Abrechnungsblatt, dem Bautagesbericht und den Aufmaßblättern ergäben.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang verwiesen.
Der Berichterstatter konnte im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 87 a Abs. 2,3 VwGO anstelle der Kammer und gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin somit in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung ist § 10 Kommunalabgabengesetz Brandenburg (KAG) i.V.m. der Satzung über den Kostenersatz für Hausanschlüsse an die öffentlichen Wasserversorgungseinrichtungen des Wasser- und Abwasserverbandes W... (K... ) vom 17. August 2011, welche rückwirkend zum 01. Januar 2000 in Kraft getreten ist.
Formelle oder materielle Wirksamkeitsbedenken gegen die K... hat die Klägerin weder substantiiert geltend gemacht noch sind solche sonst ersichtlich. Sie ist damit eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die Heranziehung des Klägers. Die Kammer hat die Satzung bereits mit Urteil vom 10. Juli 2014 – 6 K 388/11 -, juris für formell und materiell wirksam befunden. Auch die in § 6 Abs. 1 K... getroffene Regelung, wonach die Satzung rückwirkend zum 1. Januar 2000 in Kraft tritt, ist ungeachtet dessen, dass es hier auf die Rückwirkung nicht ankommt, rechtlich unbedenklich (vgl. hierzu bereits VG Cottbus, Urteil vom 10. Juli 2014 a.a.O.).
Die Tatbestandsvoraussetzungen für den Kostenersatz sind nicht erfüllt. Nach § 10 Abs. 1 KAG können die Gemeinden und Gemeindeverbände bestimmen, dass ihnen der Aufwand für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung sowie die Kosten für die Unterhaltung eines Haus- oder Grundstücksanschlusses an Versorgungsleitungen und Abwasserbeseitigungsanlagen ersetzt werden (Abs. 1 Satz 1). Der Aufwand und die Kosten können in der tatsächlich geleisteten Höhe ermittelt werden (Abs. 1 Satz 2). Zum Kreis der Ersatzpflichtigen zählen die Grundstückseigentümer als Gegenleistung dafür, dass ihnen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Anlage wirtschaftliche Vorteile geboten werden (Abs. 1 Satz 4 i. V. m. § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG). Der Ersatzanspruch entsteht mit der endgültigen Herstellung der Anschlussleitung, im Übrigen mit der Beendigung der Maßnahme (Abs. 2).
Dem entsprechend regelt § 1 Abs.1 K... , dass der beklagte Zweckverband von dem Kostenersatzpflichtigen den Ersatz der bei wirtschaftlicher Betriebsführung notwendigen Kosten für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung sowie die Kosten für die Unterhaltung des Hausanschlusses an die öffentliche Wasserversorgungseinrichtungen verlangen darf. Kostenersatzpflichtig ist gemäß § 4 Abs. 1 der Satzung, wer im Zeitpunkt der Kostenersatzpflicht Eigentümer des Grundstücks ist. Gemäß § 3 Abs. 1 der Wasserversorgungssatzung des WAV (WVS) und § 1 Abs. 2 K... besteht der Hausanschluss aus der Verbindung der öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung mit der Kundenanlage. Er beginnt an der Abzweigstelle der öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung bzw. des Verteilungsnetzes und endet mit der Hauptabsperrvorrichtung. Nach § 3 Abs. 2 WVS ist die erste Armatur auf dem Grundstück, mit der die gesamte nachfolgende Wasserverbrauchsanlage einschließlich Wasserzähleranlage abgesperrt werden kann, die Hauptabsperrvorrichtung. Abs. 3 der Satzungsnorm besagt, dass die Kundenanlage hinter der Hauptabsperrvorrichtung für das Grundstück beginnt und an den damit verbundenen Wasserentnahmestellen endet.
Vorliegend ist bereits zweifelhaft welche Maßnahme der Beklagte durchgeführt hat. Soweit er selbst von einer Erneuerungsmaßnahme spricht, dürfte diese bereits nicht vorliegen. Erneuerungsmaßnahmen sind dadurch gekennzeichnet, dass an dem jeweiligen Hausanschluss im Rahmen des Verschleißes einzelne Teile oder der überwiegende Teil der Leitung erneuert werden muss. Vorliegend hat der Beklagte bereits nicht dargetan, dass der Hausanschluss der Klägerin in irgendeiner Weise dem Verschleiß unterlegen war. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Leitung nach den üblichen Regeln der Technik dem Verschleiß unterlegen ist. Vielmehr spricht der Beklagtenvortrag dafür, dass vorliegend eine (Neu-)Herstellung bzw. Veränderung des Trinkwasserhausanschlusses erfolgt ist. Eine Veränderung des Hausanschlusses liegt unter anderem vor, wenn der Verband den bestehenden Hausanschluss an eine neue Leitung umbindet. Hierfür spricht anhand des Verwaltungsvorgangs und des Beklagtenvortrags einiges. Aber auch eine gänzliche Neuherstellung erscheint anhand des Beklagtenvortrags für möglich. Dies wäre dann der Fall, wenn er sich dazu entschlossen hätte, den gesamten Hausanschluss – neu – herzustellen. Anhand der Aktenlage und des Beteiligtenvortrags ist nicht eindeutig erkennbar, welche der beiden Maßnahmen erfolgt ist. Eine Festlegung welche Maßnahme erfolgt ist, hat indes nicht zu erfolgen, denn unabhängig davon, welche der genannten Maßnahmen der Beklagte konkret vorgenommen hat, liegt ein Kostenersatzanspruch nicht vor. Es fehlt vorliegend bereits an der Notwendigkeit der Maßnahme, jedenfalls fehlt es an einem Sonderinteresse der Klägerin. Als zusätzliches, ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal setzt die Geltendmachung eines Erstattungsanspruches ergänzend voraus, dass die Maßnahme im "Sonderinteresse" des Erstattungspflichtigen lag, was nur bei einer konkreten, aktuellen Nützlichkeit der Maßnahme für das Grundstück des Kostenpflichtigen der Fall ist. Denn die Vorschrift des § 10 KAG regelt einen besonderen öffentlich-rechtlichen Aufwendungsersatzanspruch zum Ausgleich von Aufwendungen und Kosten für eine vorangegangene spezielle Leistung des Einrichtungsträgers, die gerade dem Pflichtigen zugutekommt (vgl. Kluge in Becker u.a., Kommunalabgabenrecht, § 10 Rn. 83 ff., Rn. 91 ff. m.w.N.; VG Potsdam, Urt. vom 17.10.2012, a.a.O., Rn. 30 ff.). Ein Sonderinteresse und damit ein Kostenerstattungsanspruch des Einrichtungsträgers entfiele nur, wenn feststünde, dass er für die Ursache der Maßnahme selbst verantwortlich sei. Bleibt die Verantwortlichkeit des Einrichtungsträgers unerweislich, trägt der Grundstückseigentümer hierfür die materielle Beweislast (vgl. OVG Berlin- Brandenburg, Beschl. vom 30.4.2015 – 9 M 20.14 -, juris, Rn. 6; VG Potsdam, Urt. vom 17.10.2012 – 8 K 1055/10 –, juris, Rn. 31; Urt. vom 13.11.2015 – 8 K 2294/12 -, juris, Rn. 22; zur dortigen Rechtlage OVG Nordrhein- Westfalen, Urt. vom 21.2.1996 – 22 A 3216/92 –, juris zur Beseitigung der Undichtigkeit einer Leitung, die durch die Verwendung einer ungeeigneten Mörtelmasse entstanden war; Hessischer VGH, Urt. vom 16.1.1985 – 5 UE 401/84 –; Urt. vom 17.7.1997 – 5 UE 3780/96 –, NVwZ-RR 1999 S. 69; Beschl. vom 12.10.2020 – 5 A 3073/19 -, juris, Rn. 17 ff; VG Wiesbaden, Urt. vom 30.5. 2012 – 1 K 614/11 –, juris, Rn. 19).
Nach Aktenlage stellt sich die durchgeführte Maßnahme als eigenverantwortliche Entscheidung des Landesbetriebs Straßenwesen und des Beklagten dar. Im Zuge des Ausbaus der Ortsdurchfahrt der B96 hat sich der Beklagte ohne nachvollziehbaren Grund dafür entschieden, das öffentliche Leitungssystem neu herzustellen und die bislang funktionstüchtige Leitung damit zu ersetzen. Infolgedessen wurden sämtliche an die stillgelegte Leitung angeschlossenen Grundstücke mit neuen Hausanschlüssen an das neu hergestellte öffentliche Leitungssystem versehen bzw. die bestehenden Hausanschlüsse dahingehend umgelegt, dass sie nunmehr an die neue Leitung angeschlossen wurden. Für eine solche Maßnahme ist jedoch kein Sonderinteresse der anliegenden Grundstückseigentümer erkennbar. Es steht dem Beklagten frei, jederzeit sein Leitungssystem neu zu gestalten und im Zuge dessen auch neue Grundstücksanschlüsse herzustellen. Ohne eine zwingende Erforderlichkeit für eine solche selbstgewählte Maßnahme ist für die bereits dem Stand der Technik entsprechend angeschlossenen Grundstückseigentümer keinerlei wirtschaftlicher Vorteil zu entnehmen. Soweit der Beklagte pauschal vorträgt, der Neuanschluss an die neu verlegte Trinkwasserhauptleitung habe erfolgen müssen, um den geltenden Regeln der Technik zu entsprechen, ist damit in keiner Weise in Frage gestellt, dass der bisherige Anschluss an die zuvor vorhandene Leitung nicht den Regeln der Technik entsprochen habe. Sowohl der Verwaltungsvorgang als auch das Beklagtenvorbringen lässt insoweit jegliche Substanz vermissen. Insofern hat der Beklagte die Maßnahme selbst verursacht und somit hat er für die von ihm selbst gewählte und technisch nicht erzwungene Maßnahme, sämtliche Kosten selbst zu tragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.