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Entscheidung 14 K 2501/18


Metadaten

Gericht VG Potsdam 14. Kammer Entscheidungsdatum 13.12.2022
Aktenzeichen 14 K 2501/18 ECLI ECLI:DE:VGPOTSD:2022:1213.14K2501.18.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Ziffer II. des Bescheides vom 6. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2018 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger, der als Wasser- und Bodenverband für die Gewässerunterhaltung in der Region U... zuständig ist, wendet sich gegen eine Ersatzpflanzung, die ihm im Zusammenhang mit der Erteilung einer Fällgenehmigung auferlegt worden ist.

Mit Schreiben vom 4. Januar 2018 beantragte der Kläger bei dem Beklagten das „Einvernehmen auf Entfernung einer Erlengruppe“ im Bereich der L... zwischen G...und R..., weil das Wurzelwerk der Baumgruppe in eine Rohrleitung hineingewachsen sei und den ordnungsgemäßen Abfluss des Wassers verhindere.

Mit Bescheid vom 6. Februar 2018 wurde dem Kläger die naturschutzrechtliche Genehmigung „zur Durchführung unvermeidbarer Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft antragsgemäß“ erteilt (Ziffer I. 1). Unter Ziffer II. enthält der Bescheid die folgende Nebenbestimmung:

Für die gefällte Erlengruppe sind als Ersatz 30 einheimische, standortgerechte Laubbäume gebietsheimischer Herkunft mit Ausnahme von Obstbäumen der Qualität: Baumschulware, verpflanzte Heister, ab 5 cm Stammumfang anzupflanzen. Die Ersatzpflanzung ist spätestens ein Jahr nach Fällung vorzunehmen. Die erfolgte Pflanzung ist mir spätestens einen Monat nach Durchführung unaufgefordert schriftlich mittels Foto, Lageplan mit Angabe des Pflanzstandortes und Kopie des Lieferscheins/Rechnung der Baumschule einschließlich Herkunftsnachweis des Pflanzguts nachzuweisen. Die Ersatzpflanzung gilt als erbracht, wenn drei Jahre nach Pflanzdatum der abnahmefähige Zustand vorliegt, d. h. der Baum nachweislich angewachsen ist. Die Ersatzpflanzung ist zu erhalten und darf ohne meine vorherige Zustimmung nicht beseitigt oder wesentlich verändert (bspw. Kroneneinkürzung) werden.

Den gegen die Nebenbestimmung gerichteten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Bescheid vom 12. Juli 2018, dem Kläger am 17. Juli 2018 zugestellt, zurück.

Am 13. August 2018 hat der Kläger Klage erhoben.

Er meint, die Gewässerunterhaltung durch ihn sei eine hoheitliche Aufgabe, zu deren Durchführung er verpflichtet sei; es könne nicht sein, dass er hinsichtlich der naturschutzrechtlichen Vorgaben einer Privatperson gleichgestellt sei. Wenn Eingriffe von Behörden durchgeführt würden, gälten Sonderregelungen, wofür er auf § 17 Abs. 1 BNatSchG verweist. Davon abgesehen liege ein Eingriff im Sinne von § 14 Abs. 1 BNatSchG nicht vor, da eine Erheblichkeit der Beeinträchtigung nicht ersichtlich sei. Schließlich sei die Nebenbestimmung auch deshalb rechtswidrig, weil der geforderte Umfang der Ersatzpflanzung willkürlich festgesetzt sei.

Er hat ursprünglich beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 6. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2018 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die beantragte Entfernung der Erlengruppe zu genehmigen.

Er beantragt nunmehr,

die Nebenbestimmung zu Ziffer II. des Bescheides vom 6. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2018 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, ein Eingriff im Sinne des § 14 Abs. 1 BNatSchG liege vor. § 14 Abs. 2 BNatSchG sei nicht anwendbar, da die Gewässerunterhaltung inklusive der Beseitigung von Abflusshindernissen nicht unter die landwirtschaftliche Bodennutzung falle. Die Wasser- und Bodenverbände seien von der Eingriffsregelung nicht ausgenommen. Der Kläger sei zwar Körperschaft des öffentlichen Rechts, aber keine Behörde im Sinne des § 17 Abs. 1 BNatSchG. Die Norm räume lediglich Fachbehörden – worunter der Kläger nicht falle – eine eigene Ermächtigung für die nach § 15 BNatSchG erforderlichen Entscheidungen und Maßnahmen ein. Die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen sei im Übrigen zwingende gesetzliche Folge eines Eingriffs. Auch der angeordnete Umfang der Ersatzpflanzung sei nicht zu beanstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten (1 Hefter, Bl. 1 – 16) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die gemäß § 6 Abs. 1 VwGO die Einzelrichterin (vgl. Beschluss vom 29. März 2022) entscheidet, hat Erfolg.

Sie ist zulässig.

Dies gilt zunächst mit Blick auf die von der Klägerin durch Umstellung ihres Antrags vorgenommene Änderung der Klage. Gemäß § 91 Abs. 1, 2 VwGO ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält, wobei die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage dann anzunehmen ist, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat. Das ist hier der Fall, da der Beklagte – nachdem der Kläger seinen offenbar versehentlich auf die Anfechtung des Bescheides in Gänze gerichteten Klageantrag mit der Klagebegründung korrigiert hat – der Änderung in seiner Klageerwiderung nicht entgegengetreten ist, sondern lediglich zur Rechtmäßigkeit der Nebenbestimmung Stellung genommen hat. Dessen ungeachtet ist die Änderung der Klage mit Blick auf die Prozesswirtschaftlichkeit auch sachdienlich.

Die isoliert auf Aufhebung der Nebenbestimmung zum Bescheid vom 6. Februar 2018 gerichtete Klage ist auch statthaft. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist gegen belastende Nebenbestimmungen eines Verwaltungsakts die Anfechtungsklage gegeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2000 - 11 C 2.00 -, juris Rn. 25). Einer gesonderten Anfechtung von vornherein nicht zugänglich ist lediglich eine sogenannte Inhaltsbestimmung (modifizierende Auflage) (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 - 5 C 32.08 -, juris Rn. 11). Nach diesen Grundsätzen ist die isolierte Anfechtungsklage gegen die als Auflage zur gestatteten Beseitigung der Erlengruppe ausgestaltete Nebenbestimmung zulässig. Sie betrifft nicht den Inhalt der Hauptregelung und ist daher von der Genehmigung (Nr. I.1 des streitgegenständlichen Bescheids) abtrennbar, ohne dass sich am Inhalt der Hauptregelung etwas ändert, und damit selbständig anfechtbar.

Die Klage ist begründet.

Die Nebenbestimmung zu Ziffer II. des Bescheides des Beklagten vom 6. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Für den Erlass der naturschutzrechtlichen Nebenbestimmung mangelt es an einer Rechtsgrundlage, die den Beklagten zum Handeln durch Verwaltungsakt gegenüber dem Kläger, der nach der gesetzlichen Kompetenzordnung für die Gewässerunterhaltung zuständig ist und die Entfernung der Erlengruppe bzw. von deren Wurzel in Wahrnehmung seiner Aufgaben als öffentliche Verwaltung durchgeführt hat, ermächtigt. Der ohne dazu bestehende Befugnis erlassene Verwaltungsakt ist rechtswidrig und für den Kläger rechtsverletzend.

Im Einzelnen:

Bei der Auflage in Ziffer II. des Bescheides, die dem Kläger die Erbringung diverser Leistungen – Anpflanzung von 30 Laubbäumen bestimmter Qualität, Folgemaßnahmen, wie Dokumentation der Anpflanzung gegenüber dem Beklagten, Durchführung etwaiger Pflege- und Erhaltungsmaßnahmen – vorschreibt (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG), handelt es sich um einen (zum Hauptverwaltungsakt akzessorischen) Verwaltungsakt (vgl. Schröder, in: Schoch/Schneider, VerwR, Stand 04/22, § 36 VwVfG Rn. 79; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2022, § 36 Rn. 83).

Der Kläger ist eine Behörde im Sinne des § 1 Abs. 4 VwVfG, denn er ist eine Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Er ist ein Wasser- und Bodenverband im Sinne des Gesetzes über Wasser- und Bodenverbände (- WVG -, vgl. § 1 Neufassung der Satzung des Wasser- und Bodenverbands „Uckermark-Havel“ vom 7. Mai 2014, Amtsblatt für Brandenburg vom 11. Juni 2014, S. 760, im Folgenden: Satzung). Danach ist der Kläger eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die dem öffentlichen Interesse und dem Nutzen seiner Mitglieder dient und sich im Rahme der Gesetze selbst verwaltet (vgl. § 1 Abs. 2 Satzung, § 1 Abs. 1 WVG). Zulässige Aufgaben des Klägers sind nach § 2 der Satzung unter anderem der Ausbau einschließlich des naturnahmen Rückbaus und der Unterhaltung von Gewässern (1.), der Bau und die Unterhaltung von Anlagen in und an Gewässern (2.) und die Durchführung technischer Maßnahmen zur Bewirtschaftung des Grundwassers und der oberirdischen Gewässer (8).

Ein Verwaltungsakt, der gegenüber einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erlassen wird, bedarf einer gesetzlichen Ermächtigung (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 22. Januar 2003 - 4 CS 03.2236 -, juris Rn. 20; OVG NRW, Urteil vom 12. Oktober 2004 - 15 A 4579/02 -, juris Rn. 25 ff.). Die Kompetenzordnung ist durchgehend gesetzlich geregelt, so dass Kompetenzverschiebungen nur zulässig sind, wenn dies im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Fehlt die Ermächtigung zur Verwendung der Handlungsform des Verwaltungsakts, so ist die Behörde auf die Verwendung konsensualer Handlungsformen oder die Erhebung einer Leistungsklage verwiesen (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2022, § 35 Rn. 25; zum Ganzen: Jungkind, Verwaltungsakte zwischen Hoheitsträgern, Diss. 2008, S. 143 ff., insb. S. 171 ff.).

Eine Befugnis der Naturschutzbehörden zum Erlass von Verwaltungsakten gegenüber Behörden ist in § 17 BNatSchG nicht vorgesehen. Vielmehr setzt die Anwendung von § 17 Abs. 3 BNAtSchG, auf den sich der Beklagte für die Erteilung der Genehmigung unter Beauflagung der Ersatzmaßnahme gestützt hat, schon dem Wortlaut nach voraus, dass ein „Eingriff, der nicht von einer Behörde durchgeführt wird“ inmitten steht. Demgegenüber lautet § 17 Abs. 1 BNatSchG:

Bedarf ein Eingriff nach anderen Rechtsvorschriften einer behördlichen Zulassung oder einer Anzeige an eine Behörde oder wird er von einer Behörde durchgeführt, so hat diese Behörde zugleich die zur Durchführung des § 15 erforderlichen Entscheidungen und Maßnahmen im Benehmen mit der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde zu treffen, soweit nicht nach Bundes- oder Landesrecht eine weiter gehende Form der Beteiligung vorgeschrieben ist oder die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde selbst entscheidet.

§ 7 des Brandenburgischen Ausführungsgesetzes zum Bundesnaturschutzgesetz (- BbgNatSchAG -) konkretisiert die Form der Zusammenarbeit zwischen den Behörden dahingehend, dass die „zur Durchführung des § 15 des Bundesnaturschutzgesetzes erforderlichen Entscheidungen […] im Einvernehmen mit der gleichgeordneten Naturschutzbehörde“ ergehen.

Dafür, dass nach § 17 Abs. 1 BNatSchG, wie der Beklagte meint, ein anderer Behördenbegriff – etwa in dem Sinne, dass nur „Fachbehörden“ gemeint seien –, gelte, ist nichts ersichtlich. Zwar ist in § 17 Abs. 1 BNatSchG das sogenannte „Huckepack“-Verfahren geregelt, wonach die Eingriffsregelung im Rahmen von fachrechtlichen Anzeige- und Zulassungsverfahren geprüft wird, ohne ein eigenständiges, zusätzliches Verwaltungsverfahren zu etablieren. Als Verfahren, die die Eingriffsregelung „Huckepack“ nehmen, kommen in erster Linie nicht naturschutzrechtlich geregelte Verfahren zur Genehmigung, Planfeststellung, etc. von Vorhaben sowie bspw. das Verfahren zur Änderungsanzeige nach § 15 BImSchG in Betracht (vgl. Lütkes, in; Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2. Aufl. 2018, § 17 Rn. 4, 8). Allerdings betrifft die in § 17 Abs. 1 BNatSchG geregelte Alternative („oder wird er von einer Behörde durchgeführt“) den Fall, dass ein Eingriff ohne gleichzeitige Entscheidung mit Außenwirkung durchgeführt wird, bspw. bei Maßnahmen der Landesforstbehörden, der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben oder auch der Gemeindeverwaltung auf dem Gemeindegebiet (vgl. Lütkes, in; Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2. Aufl. 2018, § 17 Rn. 9 f.). Hierunter fallen die vom Kläger als Wasser- und Bodenverband durchgeführten Maßnahmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Nebenentscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 709 ZPO. Ein Grund für die Zulassung der Berufung (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegt nicht vor.

BESCHLUSS

Der Streitwert wird auf 22.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG, wobei das Gericht die sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebende Bedeutung der Sache nach den voraussichtlichen Kosten für die Pflanzung von 30 Laubbäumen der Qualität „Baumschulware, verpflanzte Heister ab 5 cm Stammumfang“ sowie für die Anwuchs- und Entwicklungspflege bemisst. Vor dem Hintergrund der geforderten Qualität erscheint der zur Entscheidung berufenen Einzelrichterin ein Betrag von 1.000 Euro pro Baum, der der vorläufigen Streitwertfestsetzung zugrunde gelegt worden ist, auch in Ansehung entsprechender online verfügbarer Angebote von Baumschulen, als zu hoch. Die Kosten schätzt sie vielmehr, auch unter Berücksichtigung etwaiger Kostensteigerungen, auf 750 Euro pro Baum, was den Betrag von 22.500 Euro ergibt (vgl. VG Augsburg, Urteil vom 14. März 2022 - Au 9 K 21.23 -, juris Rn. 44 – Ansatz eines Betrages von 1.000 Euro, allerdings waren geschuldet heimische Laubbäume der I. und II. Wuchsklasse, jeweils als Hochstamm, mit Ballierung, 18 bis 20 cm Stammumfang; vgl. auch VG Potsdam, Urteil vom 24. August 2020 - 14 K 2023/16 -, juris Rn. 49, 56 – Ansatz eines Betrages von 500 Euro für Bäume der Qualität 3-fach verpflanzt mit Ballen, 14 bis 16 cm Stammumfang).