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Entscheidung 6 W 19/23


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 6. Zivilsenat Entscheidungsdatum 08.03.2023
Aktenzeichen 6 W 19/23 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0308.6W19.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin vom 24.02.2023 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Potsdam - Rechtspfleger - vom 16.02.2023 wird das Kostenfestsetzungsverfahren ausgesetzt und die Sache zur erneuten Durchführung des Abhilfeverfahrens nach Verfahrensfortsetzung an das Landgericht Potsdam - Rechtspfleger - zurückverwiesen.

Gründe

Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen gemäß §§ 569 ff. ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin führt zur Aussetzung und Zurückverweisung des Kostenfestsetzungsverfahrens an den zuständigen Rechtspfleger des Landgerichts.

1. Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 10.08.2022 gegenüber dem Landgericht Potsdam beantragt hat, wegen der vor Klagezustellung erfolgten teilweisen Klagerücknahme eine zeitlich gestaffelte Streitwertfestsetzung vorzunehmen (Bl. 121 f. d.A.), hat das Landgericht - Einzelrichter - die Möglichkeit einer gestaffelten Wertfestsetzung des Gebührenstreitwerts für die Gerichtskosten mit Beschluss vom 05.09.2022 zutreffend verneint.

Nach einhelliger Rechtsprechung sind gestaffelte Wertfestsetzungen unzulässig. Eine zeitlich gestaffelte Streitwertfestsetzung hat für die Gerichtsgebühren nicht zu erfolgen, weil die Streitwertfestsetzung gemäß § 63 Abs. 1 S. 1 GKG lediglich der Bemessung der Gerichtsgebühren dient (KG Berlin, Beschluss vom 02.03.2018 - 26 W 62/17, juris Rn. 6; OLG Bremen, Beschluss vom 05.01.2022 - 2 W 56/21, juris Rn. 6; OLG München, NJW-RR 2017, 700; LG Stendal, NJW-RR 2019, 703). Es ist daher - wie im Streitfall geschehen - ein einheitlicher Streitwert für das gesamte Verfahren festzusetzen. Für den Streitwert des gerichtlichen Verfahrens ist dabei gemäß § 39 Abs. 1 GKG die Summe aller Gegenstände maßgebend, die im Laufe des Verfahrens anhängig gemacht worden sind. Nach § 40 GKG ist für die Wertberechnung der Zeitpunkt der den Rechtszug einleitenden Antragsstellung, mithin in erster Instanz der Eingang der Klageschrift maßgeblich (KG Berlin, aaO; OLG Bremen, aaO; Dorndörfer in Binz/Dorndörfer/Petzold/Zimmermann, 3. Auflage, GKG § 40 Rn. 3). Nachdem die im hiesigen Streitfall zwar noch vor Klagezustellung, aber nach Klageeingang erfolgte Teilklagerücknahme keine Auswirkungen auf die bereits mit Anhängigkeit des Rechtsstreits begründete Höhe der Gerichtsgebühren hatte, war sie bei der Festsetzung des Streitwerts daher nicht zu berücksichtigen.

2. Das Landgericht hätte den auf eine gestaffelte Wertfestsetzung gerichteten Antrag der Klägerin mit Schriftsatz vom 10.08.2022 vor diesem Hintergrund jedoch bei richtiger Sachbehandlung nicht - wie zunächst bis zur Klarstellung seitens der Klägerin - als sachlich unbegründete Streitwertbeschwerde, sondern sogleich sachgerecht als Antrag ihrer bevollmächtigten Rechtsanwältin auf Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG für die entstandenen Anwaltsgebühren auslegen müssen.

a) Kommt es bei den Anwaltsgebühren infolge einer Teilklagerücknahme zu unterschiedlichen Werten für einzelne Gebühren, so etwa für die Verfahrensgebühr einerseits und die Terminsgebühr andererseits, ist diese Frage weder im Wege des auf den Streitwert bezogenen Beschwerdeverfahrens nach § 68 GKG noch im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO zu klären. Vielmehr ist das Kostenfestsetzungsverfahren zwingend auszusetzen und auf Antrag das gesonderte Verfahren nach § 33 RVG einzuleiten (OLG Düsseldorf, AGS 2010, 568). Ein solcher Antrag ist hier sinngemäß bereits mit dem auf eine gestaffelte Wertfestsetzung gerichteten Schriftsatz der Bevollmächtigten der Klägerin vom 10.08.2022 erfolgt. Antragsberechtigt ist nicht nur der Rechtsanwalt, dessen Gebühren in Frage stehen; das Antragsrecht ist vielmehr allen Beteiligten zuerkannt, deren Rechte und Pflichten sich nach dem für die Berechnung der Anwaltsgebühren maßgebenden Gegenstandswert bestimmen und daher auch dem erstattungspflichtigen Gegner (Gerold/Schmidt/Mayer, 25. Auflage, RVG § 33 Rn. 10). Die deshalb veranlasste Verfahrensaussetzung ist nunmehr vom Senat im Beschwerdeverfahren vorzunehmen, denn das im Kostenfestsetzungsverfahren tätige Beschwerdegericht kann nicht zugleich die dem Ausgangsgericht obliegende Wertfestsetzung nach § 33 RVG an sich ziehen (OLG Koblenz, AGS 2019, 199; OLG Brandenburg, AGS 2014, 65).

b) Vor dem Hintergrund der ausstehenden Wertfestsetzung nach § 33 RVG und deshalb zwingenden Verfahrensaussetzung hat sich das Landgericht - Rechtspfleger - mit dem Beschwerdevorbringen zwangsläufig noch nicht abschließend auseinandersetzen können. Die Sache ist somit an das Landgericht auch zur Herbeiführung einer ordnungsgemäßen Abhilfeentscheidung nach Durchführung der Wertfestsetzung gemäß § 33 RVG zurückzugeben. Ungeachtet dessen hat das Landgericht in seiner mit Beschluss vom 01.03.2023 gleichwohl getroffenen Nichtabhilfeentscheidung (Bl. 164 f. d.A.) auch sonst keine Ausführungen zu dem in der Beschwerdebegründung gerügten Umstand gemacht, weshalb es hinsichtlich der für den Beklagten festgesetzten Anwaltskosten lediglich bei der Terminsgebühr und nicht auch bei der Verfahrensgebühr einen reduzierten Gebührenstreitwert angesetzt hat. Auch der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss, auf den der Nichtabhilfebeschluss zur Begründung verweist, enthält dazu keine Ausführungen. Es ließe sich daher eine auf den Einzelfall bezogene vollständige Sachüberprüfung der mit der Beschwerde vorgetragenen Beanstandungen von vornherein nicht feststellen. Es darf indes der mit §§ 572 Abs. 1 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG verfolgte Zweck nicht unterlaufen werdend, durch die Vorschaltung einer Selbstkontrolle ein weiteres Beschwerdeverfahren zu vermeiden (OLG Hamm, Beschluss vom 07.08.2003 - 23 W 110/03, juris Rn. 3). Der Senat wäre auch deshalb nach Durchführung des Verfahrens gemäß § 33 RVG und anschließender Fortsetzung des Kostenfestsetzungsverfahrens noch nicht zu einer Sachentscheidung berufen.

c) Hinsichtlich der mit der Beschwerde behaupteten Vorsteuerabzugsberechtigung des Beklagten, zu der sich die Nichtabhilfeentscheidung des Landgerichts bereits verhält, die nach der Verfahrensaussetzung unter Berücksichtigung des sich dann ergebenden Sachstands wegen des Grundsatzes der Verfahrenseinheit aber insgesamt neu zu treffen sein wird, weist der Senat darauf hin, dass die von dem Erstattungsberechtigten abgegebene Erklärung, er sei zum Vorsteuerabzug nicht berechtigt, gemäß § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO - wie vom Landgericht angenommen - im Regelfall inhaltlich nicht zu überprüfen ist. Lediglich dann, wenn die Richtigkeit der Angabe durch einen eindeutigen, vom Erstattungsverpflichteten zu erbringenden Nachweis entkräftet werden kann oder sich eine offensichtliche Unrichtigkeit aus anderen dem Gericht bekannten Umständen nach Aktenlage zweifelsfrei ergibt, sind die angemeldeten Umsatzsteuerbeträge ausnahmsweise nicht zu berücksichtigen. So verhält es sich, wenn eine Partei erklärt, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein, aus den Prozessakten aber offenbar wird, dass sie einen Gewerbebetrieb unterhält und daraus resultierende Ansprüche den Gegenstand des Rechtsstreits bilden (MünchKommZPO/Schulz, 6. Auflage, § 104 Rn. 16). Das könnte hier nach Aktenlage der Fall sein, wird das Landgericht - Rechtspfleger - im Rahmen seiner neu zu treffenden Abhilfeentscheidung aber nochmal selbständig zu prüfen haben.

3. Gemäß § 33 Abs. 1 RVG setzt das Gericht den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss fest, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert bestimmen oder es an einem solchen Wert fehlt. Über diesen Antrag entscheidet gemäß § 33 Abs. 8 Satz 1 Halbsatz 2 RVG das Gericht des betreffenden Rechtszuges durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter. Dies wird im weiteren Verfahrensgang zunächst nachzuholen sein.