Gericht | OLG Brandenburg 11. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 01.03.2023 | |
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Aktenzeichen | 11 U 161/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0301.11U161.22.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 12.05.2022, Az. 13 O 104/21, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.500,00 EUR festgesetzt.
I.
Der Kläger verlangt von dem Beklagten Leistungen aus einer Vollkaskoversicherung nach behaupteter Entwendung eines Fahrzeugs.
Der Kläger betreibt in B. einen Kfz-Handel. Er erwarb das streitgegenständliche Fahrzeug BMW 520da Touring auf Grundlage eines Kaufvertrages vom 13.10.2016 (vgl. K2, Bl. 113) im Rahmen seines Gewerbebetriebes zu einem Kaufpreis von 21.700,00 EUR. Es handelte sich ausweislich der Rechnung vom 13.10.2016 um ein instandgesetztes Unfallfahrzeug. Nachdem er es rund 1,5 Jahre innerhalb des Betriebes selbst genutzt hatte, beabsichtigte er, es seinem Schwager, dem Zeugen R. C., dauerhaft zur Verfügung zu stellen. Da dem Zeugen C. infolge einer laufenden Privatinsolvenz eigene Finanzierungsmöglichkeiten für den Ankauf des Fahrzeugs fehlten, nahm der Kläger ein an sich selbst vermitteltes Darlehen in Höhe von insgesamt 26.369,23 EUR zwecks Eigenankauf des Fahrzeugs auf (vgl. Anlage K3).
Im März 2018 schloss der Kläger für das Fahrzeug bei der Beklagten zudem eine Kfz-Haftpflichtversicherung mit Vollkaskoschutz unter Einbeziehung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten für die Kfz-Versicherung (AKB 01.10.2016) ab. Nach Ziffer A.2.2.2, A.2.3.1 und A.2.6 der AKB stand dem Kläger gegen die Beklagte im Falle eines Diebstahls des Fahrzeugs ein Anspruch auf Auszahlung des Wiederbeschaffungswertes zu. Wegen der Einzelheiten wird auf die mit Schriftsatz vom 22.06.2021 vorgelegten AKB (Bl. 38 ff. GA) Bezug genommen.
Der Zeuge R. C. überwies in der Folge die monatlichen Darlehensraten wie auch die Versicherungsbeiträge an den Kläger und konnte im Gegenzug das Fahrzeug nutzen.
Am 10.02.2020 meldete der Zeuge C. das Fahrzeug gegenüber der Polizei als gestohlen. Hierbei gab er an, dass er das Fahrzeug am Donnerstag, den 06.02.2020, an einer öffentlichen Straße in der Nähe des Gewerbebetriebes des Klägers abgestellt und dieses am Montag, den 10.02.2020, dort nicht wieder vorgefunden habe. Der Kläger meldete den Schaden daraufhin bei der Beklagten. Im Zuge ihrer eigenen Ermittlungen ließ die Beklagte ein Gutachten über die aus den Originalschlüsseln zum Fahrzeug ausgelesenen Daten anfertigen. Hieraus war ersichtlich, dass das Fahrzeug zuletzt am 08.02.2020 um 10.08 Uhr mit einem der Originalschlüssel bewegt wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 27.02.2020 (Anlage B2) Bezug genommen. Die Beklagte stellte das Gutachten auch den Ermittlungsbeamten zur Verfügung.
Daraufhin richteten sich die polizeilichen Ermittlungen nunmehr gegen den Zeugen C., der sogleich einen Verteidiger beauftragte – den nunmehrigen Prozessbevollmächtigten des Klägers. Nachdem der Verteidiger Einsicht in die Ermittlungsakten einschließlich des Schlüsselgutachtens erhalten hatte, ließ sich der Zeuge R. C. gegenüber den Ermittlungsbehörden dahingehend ein, dass sein Neffe J. C., der Sohn des Klägers, den Fahrzeugschlüssel von ihm unbemerkt an sich genommen und das Fahrzeug am 07./08.02.2020 genutzt habe, dieses aber nach Gebrauch wieder an dem ursprünglichen Standort abgestellt habe. Hiervon habe ihm J. C. erst im August 2020 berichtet, als der Kläger ihn mit den ausgelesenen Schlüsseldaten konfrontiert habe und es zum Streit gekommen sei.
Das gegen den Zeugen R. C. geführte Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft P. zum Aktenzeichen … wurde daraufhin nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Die Beklagte lehnte indes Leistungen aus der Vollkaskoversicherung mit Schreiben vom 18.08.2020 gegenüber dem Kläger ab (Anlage K1, Bl. 7).
Der Kläger hat behauptet, der in seinem Gewerbebetrieb angestellte Zeuge J. C. habe das Fahrzeug am 07./08.02.2020 ohne sein Wissen und das des Zeugen R. C. genutzt und dieses am Morgen des 08.02.2020 wieder exakt an der Stelle geparkt, an welcher der Zeuge R. C. es zuvor am 06.02.2020 schon geparkt hatte. R. C. habe das Fahrzeug am Montag darauf, als er die Fahrzeuge wieder habe tauschen wollen, dort nicht mehr vorgefunden. Das in seinem Eigentum stehende Fahrzeug habe zum Zeitpunkt der Entwendung einen Wiederbeschaffungswert von 15.500,00 EUR aufgewiesen. Die finanzierende Bank habe ihn darüber hinaus ermächtigt, die Klageforderung geltend zu machen.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 08. September 2020 sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 442,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den gesamten geschilderten Geschehensablauf unter Verweis auf das vorgerichtliche Aussageverhalten der Zeugen bestritten. Sie hat behauptet, bei der Aussage des Zeugen J. C. handele es sich um eine bloße Gefälligkeitsaussage zugunsten seines Vaters. Der Kläger habe sie arglistig, jedenfalls vorsätzlich getäuscht.
Zudem sei die Beklagte leistungsfrei, weil der Kläger in der Schadensmeldung arglistig falsche Angaben gemacht habe, soweit er die Laufleistung des Fahrzeugs mit 158.000 km angegeben habe, das Schlüsselgutachten jedoch eine Laufleistung von zuletzt 174.052 km am 08.02.2020 belegt habe. Überdies habe das Fahrzeug anders als vertraglich vereinbart keine durchschnittliche jährliche Laufleistung von 6.000 km, sondern 23.000 km aufgewiesen, was der Kläger ebenfalls nicht angegeben habe. Im Übrigen ergebe sich aus der Ermittlungsakte, dass das Fahrzeug – anders als in der Schadensmeldung ausgeführt – nicht reparierte Vorschäden in Form eines Kratzers an der Stoßstange und einer Delle am rechten Kotflügel aufgewiesen habe. Die wahrheitswidrigen Angaben des Klägers führten nach § 28 VVG i.V.m. mit den einbezogenen AKB zu einer vollständigen Leistungsfreiheit der Beklagten.
Das Landgericht hat die beigezogene Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft P. zum Aktenzeichen … zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht, sowie Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen J. C.. Ferner hat es den Kläger persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf das Sitzungsprotokoll vom 14.04.2022 Bezug genommen.
Mit Urteil vom 12.05.2022 hat das Landgericht der Klage vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger ausreichend zur behaupteten Entwendung des Fahrzeugs vorgetragen habe. Die Beklagte habe hierauf keine Tatsachen und Umstände dargetan oder nachgewiesen, die eine erhebliche Wahrscheinlichkeit begründen, wonach der behauptete Diebstahl nur vorgetäuscht worden sei oder der Kläger sich sonst unredlich verhalten habe. Zudem sei der von Klägerseite angegebene Wiederbeschaffungswert von 15.500,00 EUR zugrunde zu legen, nachdem die Beklagte der diesbezüglichen Behauptung des Klägers nicht substantiiert entgegengetreten sei. Nach eigener Internetrecherche des Gerichts sei der angegebene Wert nicht überhöht. Von einer Obliegenheitsverletzung sei nicht auszugehen.
Gegen das am 02.06.2022 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 01.07.2022 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie innerhalb der verlängerten Frist am 01.09.2022 begründet hat. Hierzu führt sie im Wesentlichen aus, dass das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass dem Kläger der Nachweis des äußeren Bildes einer bedingungsgemäßen Entwendung gelungen sei. Konkrete Ausführungen des Gerichts, weshalb es der Darstellung des Klägers folge, enthalte das Urteil nicht. Vielmehr seien der Kläger und die Zeugen C. insgesamt nicht glaubwürdig. Darüber hinaus ließen sich die Angaben der Beteiligten nicht mit dem Ermittlungsergebnis der Staatsanwaltschaft P. vereinbaren. Schließlich habe das Gericht insbesondere nicht aus eigener Sachkunde den behaupteten Wiederbeschaffungswert bejahen dürfen. Allein schon wegen des nicht reparierten Vorschadens sei von einem Kostenaufwand von 4.000,00 bis 5.000,00 EUR auszugehen. Auch ihre Ausführungen zu den Obliegenheitsverletzungen habe das Landgericht unzutreffend rechtlich bewertet.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung der Entscheidung des Landgerichts Potsdam vom 12.05.2022 zum Aktenzeichen 13 O 104/21 die Klage in vollem Umfang abzuweisen,
hilfsweise,
die angegriffene Entscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten mündlichen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil im Wesentlichen unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags. Er rügt überdies, dass die Beklagte mit der Berufungsbegründung in erheblichem Umfang unzulässigerweise neuen Vortrag in den Rechtsstreit einführe.
Der Senat hat wiederholend und ergänzend Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen R. C. und J. C.. Überdies hat er den Kläger erneut persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf das Sitzungsprotokoll vom 15.02.2023 Bezug genommen. Der Senat hat ferner die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft P. zum Aktenzeichen … zu Beweiszwecken beigezogen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat mangels Nachweis des äußeren Bildes einer bedingungsgemäßen Entwendung aus dem streitgegenständlichen Versicherungsverhältnis keinen Anspruch gegen die Beklagte auf die begehrte Versicherungsleistung.
1.
Als Anspruchsteller obliegt es dem klagenden Versicherungsnehmer laut der ungeschriebenen Grundregel, wonach in einem Zivilprozess generell jede Partei die Beweislast für das Vorhandensein sämtlicher positiven wie negativen tatbestandlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Normen (und Abreden) trägt (so Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZivProzR, 18. Aufl., § 116 Rn. 7 und 37; vgl. ferner Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., Vorbem. zu § 284 Rdn. 17a f. m.w.N.), den Eintritt des versicherten Ereignisses darzulegen und im Bestreitensfalle auch nachzuweisen (vgl. Senat, Urt. v. 13.03.2019 - 11 U 64/18, juris Rn. 16 = BeckRS 2019, 4952 Rn. 14; Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 31. Aufl., § 1 Rn. 192; Baumann/Koch in Bruck/Möller, VVG, 10. Aufl., § 1 Rn. 337 f.; Laumen, MDR 2016, 560, Neuhaus/Effelsberg, MDR 2005, 1211, 1212; jeweils m.w.N.).
Um der hieraus speziell bei Entwendungen in der Sachversicherung typischerweise resultierenden Beweisnot zu begegnen, wurden in der Judikatur – ausgehend von der einem solchen Versicherungsgeschäft selbst innewohnenden Verschiebung des Eintrittsrisikos im Wege der materiellen-rechtlichen Risikozuweisung – hinsichtlich des notwendigen Beweismaßes im Rahmen eines sogenannten Drei-Stufen-Modells Grundsätze zur Beweiserleichterung für klagende Versicherungsnehmer herausgearbeitet; danach müssen diese zunächst – auf der ersten Stufe – nicht den vollen Nachweis des Diebstahls führen, sondern nur das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweisen, welches sich aus einem Mindestmaß an Tatsachen ergibt, die entsprechend der allgemeinen Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf einen Diebstahl der versicherten Gegenstände zulassen (so insb. BGH, Urt. v. 14.07.1993 - IV ZR 179/92, Rn. 13 f., juris = BeckRS 9998, 166 114; Urt. v. 22.09.1999 - IV ZR 172/98, juris Rn. 6 ff. = BeckRS 1999, 30074068; Senat, a.a.O.; vgl. ferner eingehend Brockmöller, ZfSch 2017, 184 ff.; Geipel, Handbuch der Beweiswürdigung, 3. Aufl., § 29 Rn. 186 ff.; Laumen aaO, 560 ff.; Saueressig, Darlegen und Beweisen im Zivilprozess, 4. Aufl., § 2 Rdn. 95 ff.; jeweils m.w.N.). Für diesen Minimalsachverhalt hat der klagende Versicherungsnehmer stets den Vollbeweis gemäß § 286 Abs. 1 ZPO zu erbringen, was insbesondere durch glaubhafte Aussagen von glaubwürdigen Zeugen geschehen kann (vgl. BGH, Urt. v. 22.09.1999 - IV ZR 172/98, Rn. 8, juris; Brockmöller aaO, 185; Laumen aaO). Dieses Mindestmaß wird in der Regel dann erfüllt, wenn bewiesen wird, dass das Fahrzeug an einem bestimmten Ort zu bestimmter Zeit abgestellt, dort aber nicht wieder aufgefunden worden ist (BGH, Urt. v. 30.01.2002 – IV ZR 263/00, Rn. 7, juris).
Sollte das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung nachgewiesen sein, ist es auf der zweiten Stufe Sache des Versicherers, konkrete Tatsachen nachzuweisen, die zum Beispiel die Annahme einer Vortäuschung des Versicherungsfalles mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahelegen (vgl. BGH, Urt. v. 14.07.1993 – IV ZR 179/92, Rn. 20, juris). Maßgebend hierfür ist eine Gesamtschau, wobei nicht jede Unregelmäßigkeit für die Annahme einer Vortäuschung ausreicht. Die erhebliche Wahrscheinlichkeit für den Gegenbeweis kann sich sowohl aus allgemeinen Tatsachen ergeben, die nicht in der Person des Versicherungsnehmers begründet sind, als auch aus Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers; diese wiederum können sehr vielfältig sein und sich beispielsweise aus unrichtigen oder widersprüchlichen Angaben bei der Schadensabwicklung ergeben oder aus der Ungewöhnlichkeit des behaupteten Geschehens oder einer Häufung unausräumbarer Widersprüche.
Gelingt dem Versicherer auf der zweiten Stufe der Gegenbeweis, muss der Versicherungsnehmer nunmehr den vollen Beweis des Versicherungsfalles erbringen.
2.
Ausgehend von diesem Maßstab ist dem Kläger der Nachweis des äußeren Bildes einer Entwendung des Fahrzeugs im Sinne des AKB der Beklagten nicht gelungen. Auf Grundlage der beiden Aussagen der Zeugen R. C. und J. C. kam eine hinreichende Überzeugungsbildung nicht in Betracht. Die Einlassung des Klägers änderte daran nichts, da er zu dem eigentlichen Zeitraum der behaupteten Entwendung keine Angaben machen konnte, sondern lediglich zum Randgeschehen.
Im Einzelnen:
Die Aussage des Zeugen R. C. war im Vergleich zu seinen vorhergehenden Aussagen von mehreren Widersprüchen und Unklarheiten gekennzeichnet, die auch nicht mit dem vergleichsweise langen Zeitraum seit der behaupteten Entwendung und dem damit üblicherweise zu erwartenden Erinnerungsverlust plausibel zu erklären sind.
Dies betrifft zunächst die Frage, wie und wo die Originalschlüssel für das Fahrzeug aufbewahrt worden sein sollen. Die polizeiliche Aussage des Zeugen vom 20.03.2020 (Bl. 26 ff. Ermittlungsakte) ging zunächst dahin, dass er das Fahrzeug am 06.02.2020 in der Nähe des Gewerbebetriebes seines Schwagers geparkt habe und es dort am 10.02.2020 nicht wieder vorgefunden habe. Den Schlüssel habe er vor der Entwendung nicht mehr aus der Hand gegeben. Der zweite Originalschlüssel habe sich bei ihm zuhause befunden.
Im Rahmen seiner richterlichen Vernehmung vom 15.02.2023 bekundete der Zeuge gegensätzlich hierzu, dass er den Schlüssel nach dem Parken des Fahrzeugs in den Geschäftsräumen des Klägers zurückgelassen und insoweit selbst in den Schlüsselkoffer, in dem sich auch die Schlüssel für die im Betrieb des Klägers ausgestellten Fahrzeuge befanden, gelegt habe. Darin habe sich ebenfalls der Zweitschlüssel für das streitgegenständliche Fahrzeug befunden. Diesen Widerspruch konnte er auch auf Vorhalt seiner polizeilichen Aussage nicht nachvollziehbar erklären.
Die Angaben fügten sich überdies nicht in die Ausführungen des Klägers im Rahmen seiner informatorischen Anhörung, wonach zum damaligen Zeitpunkt nur der Zeuge J. C. und der Kläger selbst Zugriff auf den Schlüsselkoffer hatten. Nach seinem Kenntnisstand konnte der Kläger auch nicht bestätigen, dass zu dem BMW gehörige Schlüssel jemals in dem Schlüsselkoffer aufbewahrt worden sind, nachdem er das Fahrzeug seinem Schwager zur Verfügung gestellt hatte.
Die Aussagen des Zeugen weichen auch insoweit ab, als es um die Frage des Kenntnisstandes zum Darlehen und die finanzierende Bank ging. Auf die explizite Nachfrage, wie nach Ende der Darlehenslaufzeit, insbesondere mit Blick auf die dann fällig werdende Restzahlung weiter verfahren werden sollte, erklärte der Zeuge, dass er die Details des Darlehensvertrages nicht kenne. Gegensätzlich hierzu hat er allerdings bei der polizeilichen Vernehmung am 20.03.2020 ausgeführt, dass das finanzierende Institut die „C. F.“ sei und dieses die Zulassungsbescheinigung Teil II des Fahrzeugs besitze, ferner, dass das Darlehen eine Laufzeit von fünf Jahren habe bei einer vereinbarten monatlichen Rate von 274,97 EUR und einer Schlusszahlung von 10.146,00 EUR.
In diesem Zusammenhang sind allerdings auch die Angaben des Klägers nicht konsistent, soweit er in der mündlichen Verhandlung auf die explizite Nachfrage, wie der Zeuge C. trotz laufender Privatinsolvenz die Schlussrate hätte zahlen sollen, darlegte, dass man sich diesbezüglich keine Gedanken gemacht habe. Demgegenüber hat er bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 08.04.2020 (Bl. 43 ff. Ermittlungsakte) angegeben, dass mündlich vereinbart gewesen sei, dass der Zeuge R. C. das Darlehen vollständig zurückzahlt.
Ein gravierender Widerspruch ergibt sich nicht zuletzt auch aus den weiteren Bekundungen des Zeugen. Auf die explizite Frage, wann er zum ersten Mal davon Kenntnis erlangt habe, dass nunmehr gegen ihn polizeilich ermittelt werde, führte der Zeuge zunächst aus, dass dies wohl zu dem Zeitpunkt gewesen sein müsse, als sein Schwager ihn wegen der ausgelesenen Schlüsseldaten zur Rede gestellt habe. Dieser habe wohl den Inhalt der Ermittlungsakte gekannt und gewusst, dass das Fahrzeug am 08.02.2020 noch einmal gefahren worden sein muss. Er selbst könne jedoch nicht ausschließen, dass er „irgendwie“ schon vorher Kenntnis davon erlangt habe.
Diesbezüglich ergibt sich allerdings aus der Ermittlungsakte, dass der Zeuge mit zwei amtlichen Schreiben vom 07.05.2020 als Beschuldigter wegen des Tatvorwurfs des Vortäuschens einer Straftat sowie des versuchten Betruges polizeilich vorgeladen wurde. Zu der Beschuldigtenvernehmung kam es nicht; stattdessen meldete sich daraufhin der derzeitige Klägervertreter für den Zeugen R. C., zeigte dessen Vertretung an und beantragte Einsicht in die Ermittlungsakte, die auch bereits das Schlüsselgutachten enthielt. Die Akteneinsicht erfolgte danach spätestens am 10.07.2020. Nach den schriftsätzlichen Ausführungen des Klägers sei es sodann am 04.08.2020 zu der Konfrontation zwischen dem Kläger und dem Zeugen R. C. gekommen, im Zuge derer der Kläger den Zeugen zur Rede gestellt habe.
Vor diesem Hintergrund erschließt sich nicht, weshalb der Zeuge, der den nunmehrigen Klägervertreter bereits im Mai 2020 mit seiner Verteidigung im Ermittlungsverfahren beauftragte, im Wesentlichen erst durch den Streit mit dem Kläger von dem Inhalt der Ermittlungsakte erfahren haben soll bzw. nur „irgendwie“ zuvor Kenntnis erlangt haben will. Insgesamt waren die Ausführungen des Zeugen hierzu vage, insbesondere auf die konkrete Nachfrage, weshalb der Zeuge die Informationen eher von seinem Schwager als von seinem Verteidiger erhält.
Auch die Aussage des Zeugen J. C. war nicht belastbar. Generell war hierzu festzustellen, dass die Antworten des Zeugen knapp ausfielen und überwiegend auf die eigentliche Kernaussage ohne Details zum Randgeschehen beschränkt waren.
Inhaltlich führte der Zeuge im Rahmen seiner Vernehmung unter anderem zunächst aus, dass er nicht mehr sagen könne, ob er das Fahrzeug am Freitag, den 07.02.2020, nur für den Weg nach Hause genutzt habe oder noch andernorts gewesen sei. Auch auf Vorhalt seiner polizeilichen Aussage vom 23.11.2020 (Bl. 76 ff. Ermittlungsakte), wonach er u.a. seine Freundin abgeholt habe, konnte der Zeuge keine weiteren Angaben machen. Allerdings erinnerte er sich dann doch noch, einen Freund, den er nur mit dem Vornamen „L.“ kenne, in K. am Bahnhof abgeholt zu haben. Wie weit er insgesamt mit dem Wagen gefahren sei, könne er nicht mehr sagen.
Bereits diese Darstellung weckt Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage. Denn der Zeuge hat im Weiteren auch bekundet, dass er das Fahrzeug deshalb verwendet habe, weil er einmal das Gefühl haben wollte, mit einem solchen Kfz durch die Straßen zu fahren, ferner, dass es sich um das erste Mal gehandelt habe, dass er das Fahrzeug seines Onkels ohne dessen Wissen an sich genommen habe. Vor diesem Hintergrund scheint es lebensfremd, dass der Zeuge sich gerade an dieses aus seiner Sicht einmalige Erlebnis kaum noch erinnern kann. Insbesondere scheint es in diesem Zusammenhang wenig nachvollziehbar, dass sich der Zeuge bei seiner polizeilichen Vernehmung am 23.11.2020 noch daran erinnerte, dass er „sicherlich“ erst seine Freundin abgeholt habe und dann zu Freunden, die er damals - anders als bei seiner Vernehmung am 15.02.2023 - spontan nicht namentlich benennen konnte, fuhr, dies jedoch auf Vorhalt nicht mehr bestätigen konnte.
Auch die weitere Aussage, dass der Zeuge den Gebrauch des Fahrzeugs heimlich bewerkstelligen wollte und er durchaus Angst gehabt haben will, dass dies auffallen könnte, lässt sich nur schwer mit den ergänzenden Angaben des Zeugen in Einklang bringen, wonach er das Fahrzeug nicht nachbetankt habe und es am Freitagabend, den 07.02.2020 ausgerechnet im Stadtteil K. gebrauchte. Hierzu hatte der Zeuge R. C. ausgeführt, dass er in eben diesem Zeitraum seine 24h-Schicht in einer Rettungswache in K. absolvierte (vgl. Bl. 28 Ermittlungsakte). Zu einem möglichst verheimlichenden Fahrzeuggebrauch passt auch nicht, dass der Zeuge das Kfz am darauf folgenden Samstagmorgen nicht sofort vor Arbeitsantritt wieder an seinem ursprünglichen Parkplatz positionierte, um so das Aufdeckungsrisiko zu minimieren, sondern zunächst auf dem Firmengelände seines Vaters geparkt haben will, zumal der Zeuge R. C. angegeben hat, dass er ursprünglich beabsichtigt hatte, sein Fahrzeug an diesem Samstag wieder abzuholen. Vielmehr, so der Zeuge J. C. weiter, habe er das Fahrzeug erst später, im Laufe seiner Arbeitszeit, wieder auf dem ursprünglichen Stellplatz abgestellt.
Ungeachtet des Umstandes, dass die Darstellung des Zeugen J. C. damit auch den übereinstimmenden Aussagen des Klägers und des Zeugen R. C. widerspricht, wonach auf dem Firmengelände kein Platz zum Parken privater Fahrzeuge war, hat der Zeuge hiermit - anders als in seiner polizeilichen Vernehmung - den entsprechenden Vortrag aus der Klageschrift bestätigt und somit erstmals eine plausible Erklärung dafür gegeben, weshalb das Fahrzeug ausweislich der ausgewerteten Schlüsseldaten noch nach seinem Dienstantritt um 09.00 Uhr gefahren wurde.
Schließlich schilderten die Zeugen R. und J. C. wie auch der Kläger übereinstimmend die Situation, wie der Zeuge J. C. seinem Vater und seinem Onkel gebeichtet habe, dass er das Fahrzeug zwischenzeitlich gebraucht hatte, nachdem diese in den Geschäftsräumlichkeiten des Klägers in einen lautstarken Streit geraten waren. Der Zeuge J. C. habe den Inhalt des Streites mitbekommen, sei sodann hinzugetreten und habe anschließend seinen Onkel und seinen Vater aufgeklärt. Der Zeuge R. C. meinte sich insoweit daran zu erinnern, dass hierbei auch „Tränen geflossen“ seien.
Gegensätzlich hierzu hat der Zeuge J. C. bei seiner polizeilichen Vernehmung am 23.11.2020 - rund dreieinhalb Monate nach der fraglichen Beichte - jedoch noch ausgeführt, dass nicht er, sondern glücklicherweise sein Vater den Zeugen R. C. über den zwischenzeitlichen Fahrzeuggebrauch informiert habe.
Insgesamt sind bezüglich des Aussageverhaltens beider Zeugen erhebliche Widersprüche und Ungereimtheiten zu konstatieren, die sich auch auf gezielte Nachfrage in den Vernehmungen am 15.02.2023 nicht ausräumen ließen. Insoweit bestehen in der Gesamtschau mit den zeitlichen Abläufen berechtigte Zweifel an der klägerischen Darstellung des Sachverhalts. Dabei kommt vor allem auch dem Umstand, dass der Zeuge R. C. nach der Ermittlungsakteneinsicht seines Verteidigers seine Aussage zum Verbleib der beiden Originalschlüssel zum Zeitpunkt der behaupteten Entwendung änderte, besonderes Gewicht zu.
Die Unergiebigkeit der Beweisaufnahme geht zulasten des beweisbelasteten Klägers.
3.
Auf die weiteren Fragen, ob die Beklagte auch aus sonstigen Gründen, namentlich wegen der behaupteten Obliegenheitsverletzungen des Klägers leistungsfrei ist, kommt es damit nicht an.
4.
Mangels Anspruch in der Hauptsache stehen dem Kläger auch die geltend gemachten Nebenforderungen (Zinsen, außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten) nicht zu.
5.
Die Kostengrundentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
6.
Die Revision war in Ermangelung der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 133 GVG nicht zuzulassen. Die entscheidenden Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt; die Entscheidung beruht im Wesentlichen auf der Bewertung der Einzelfallumstände.
7.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus den §§ 47, 48 GKG.