Gericht | VG Cottbus 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 28.02.2023 | |
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Aktenzeichen | 6 K 813/21 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2023:0228.6K813.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 10 KAG BB |
Der Bescheid vom 26. Mai 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juli 2021 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid über den Kostenersatz für die Herstellung des Schmutzwasser-Grundstücksanschlusses des Beklagten.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks S... .
Mit Schreiben vom 18. Juni 2019 wies der Beklagte auf den Beginn von Arbeiten ab Juli 2019 in der S... als Gemeinschaftsmaßnahme des Landesbetriebs Straßenwesen, der Stadt S... und des beklagten Verbandes hin. Dabei sollten unter anderem sowohl die Trinkwasserleitung und bei Bedarf die Hausanschlüsse Trinkwasser erneuert werden, als auch alle Schmutzwassergrundstücksanschlüsse mit einem Revisionsschacht versehen werden.
Mit Bescheid vom 26. Mai 2021 zog der Beklagte die Klägerin zum Kostenersatz für die Herstellung des Schmutzwasser-Grundstücksanschlusses für das bezeichnete Grundstück i.H.v. 1.038,18 € heran. Zur Begründung gab er an, dass Rechtsgrundlage für die Erhebung eines Kostenersatzes die Satzung über den Kostenersatz für Abwassergrundstücksanschlüsse des Wasser- und Abwasserverbandes W... (G... 2019) vom 10. April 2019 sei. Danach habe die Klägerin als Eigentümerin die Kosten für den tatsächlich entstandenen Aufwand für die Herstellung des Schmutzwasser-Grundstücksanschlusses zu zahlen.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 17. Juni 2021 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass sie keinen Auftrag für die Maßnahme erteilt habe und somit nicht zur Zahlung verpflichtet sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2021 – der Klägerin am 5. Juli 2021 zugestellt – wies der Beklagte den eingelegten Widerspruch zurück. Zur Begründung gab er an, dass Rechtsgrundlage die G... vom 10. April 2019 sei. Die Überprüfung des Bescheides habe ergeben, dass die Höhe des Kostenersatzes korrekt ermittelt worden sei. Anhand der Satzung seien dem beklagten Verband die bei wirtschaftlicher Betriebsführung notwendigen Kosten für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung oder Beseitigung sowie die Kosten für die Unterhaltung des Grundstücksanschlusses zu erstatten. Gemäß den satzungsrechtlichen Regelungen müsse die Klägerin alle Arbeiten zulassen, die für die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Beseitigung des auf ihrem Grundstück anfallenden Abwassers erforderlich sei.
Daraufhin hat die Klägerin am 5. August 2021 Klage erhoben.
Sie ist ergänzend zu ihrem Widerspruchsvorbringen der Ansicht, dass nicht nachvollziehbar sei, weshalb überhaupt der Anschluss an das Schmutzwassersystem habe erfolgen sollen. Weder der Ausgangsbescheid noch der Widerspruchsbescheid äußerten sich zu der Erforderlichkeit der Maßnahme. Das klägerische Grundstück sei bereits vor der streitgegenständlichen Maßnahme an die zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage des Beklagten angeschlossen gewesen. Der Bedarf und auch die Erforderlichkeit der Herstellung eines Revisionsschachtes werde von der Klägerin bestritten. Im Übrigen seien diverse Kostenpositionen zu bestreiten.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 26. Mai 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juli 2021 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt ergänzend zu seinem Vorbringen aus dem Widerspruchsbescheid vor, dass das Fehlen einer Ab- und Rücksprache mit der Klägerin hinsichtlich der Maßnahme deren Rechtmäßigkeit nicht beeinträchtige. Er sei dazu berechtigt gewesen, die nunmehr als Reparaturleistungen bezeichnete Maßnahme im Rahmen des bestehenden öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses vorzunehmen. Auch sei der Beklagte nicht verpflichtet gewesen, Vergleichsangebote einzuholen. Die Leistungen des Zeitvertragspartners seien öffentlich ausgeschrieben worden und an den wirtschaftlichsten Bieter vergeben worden. Der Schmutzwasser-Grundstücksanschluss sei am 22. August 2019 hergestellt worden. Im Übrigen seien die einzelnen Rechnungspositionen schlüssig und nachvollziehbar dargelegt.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang verwiesen.
Der Berichterstatter konnte im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 87 a Abs. 2,3 VwGO anstelle der Kammer und gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin somit in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung ist § 10 Kommunalabgabengesetz Brandenburg (KAG) i.V.m. der Satzung über den Kostenersatz für Abwassergrundstücksanschlüsse des Wasser- und Abwasserverbandes W... (G... 2019) vom 10. April 2019. Gegen die den maßgeblichen Zeitpunkt umfassende G... 2019 bestehen weder formellrechtliche noch materielle Bedenken; solche sind weder gerügt, noch sind sie sonst ersichtlich.
Die Tatbestandsvoraussetzungen für den Kostenersatz sind nicht erfüllt. Nach § 10 Abs. 1 KAG können die Gemeinden und Gemeindeverbände bestimmen, dass ihnen der Aufwand für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung sowie die Kosten für die Unterhaltung eines Haus- oder Grundstücksanschlusses an Versorgungsleitungen und Abwasserbeseitigungsanlagen ersetzt werden (Abs. 1 Satz 1). Der Aufwand und die Kosten können in der tatsächlich geleisteten Höhe ermittelt werden (Abs. 1 Satz 2). Zum Kreis der Ersatzpflichtigen zählen die Grundstückseigentümer als Gegenleistung dafür, dass ihnen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Anlage wirtschaftliche Vorteile geboten werden (Abs. 1 Satz 4 i. V. m. § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG). Der Ersatzanspruch entsteht mit der endgültigen Herstellung der Anschlussleitung, im Übrigen mit der Beendigung der Maßnahme (Abs. 2).
Dem entsprechend regelt § 1 Abs.1 G... 2019, dass dem beklagten Zweckverband die Kosten für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung sowie die Kosten für die Unterhaltung des Grundstücksanschlusses für die Entsorgung von Schmutzwasser oder Niederschlagswasser (Abwasser) zu ersetzen sind. Kostenersatzpflichtig ist gemäß § 3 Abs. 1 der Satzung, wer im Zeitpunkt des Entstehens der Kostenersatzpflicht Eigentümer des Grundstücks ist. Die Kostenersatzpflicht entsteht nach § 4 Abs. 1 der Satzung mit der endgültigen Herstellung des Grundstückanschlusses, im Übrigen mit Beendigung der Maßnahme. Gemäß § 1 Abs. 2 der Satzung besteht der Hausanschluss zwischen dem Abzweig am Kanal bis zur Grundstücksgrenze einschließlich des mit dieser Anschlussleitung verbundenen Revisionsschachtes. Kann der Revisionsschacht wegen der besonderen Umstände des Einzelfalles nicht unter dem öffentlichen Straßenraum vor dem Grundstück hergestellt werden, ist Bestandteil des Grundstücksanschlusses auch die von der Grundstücksgrenze bis zum Revisionsschacht führende Anschlussleitung für Abwasser.
Vorliegend ist bereits zweifelhaft welche Maßnahme der Beklagte durchgeführt hat. Soweit er selbst von einer Unterhaltungsmaßnahme in Form der Reparatur des Grundstücksanschlusses spricht, so dürfte diese offenkundig nicht vorliegen. Für einen Schaden am Grundstücksanschluss ist weder aus dem Beteiligtenvortrag – abgesehen von der Verwendung des Wortes Reparatur in der Klageerwiderung des Beklagten – noch aus dem Verwaltungsvorgang etwas ersichtlich. Vielmehr ergibt sich aus dem Verwaltungsvorgang und den Bescheiden, dass im Rahmen der Bauarbeiten am 3. Bauabschnitt B... Ortsdurchfahrt S... alle Schmutzwasseranschlüsse mit einem Revisionsschacht versehen werden sollten. Anhand der aufgeführten Rechnungspositionen spricht vieles für eine (Neu-)Herstellung des Grundstücksanschlusses, es kann sich indes auch um eine Unterhaltungsmaßnahme oder eine Veränderungsmaßnahme handeln; dies ist anhand der Aktenlage nicht eindeutig erkennbar. Einer Entscheidung bedarf es indes nicht, denn die erfolgte Maßnahme ist nicht notwendig gewesen, jedenfalls stand sie nicht im Sonderinteresse der Klägerin. Als zusätzliches, ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal setzt die Geltendmachung eines Erstattungsanspruches ergänzend voraus, dass die Maßnahme im "Sonderinteresse" des Erstattungspflichtigen lag, was nur bei einer konkreten, aktuellen Nützlichkeit der Maßnahme für das Grundstück des Kostenpflichtigen der Fall ist. Denn die Vorschrift des § 10 KAG regelt einen besonderen öffentlich-rechtlichen Aufwendungsersatzanspruch zum Ausgleich von Aufwendungen und Kosten für eine vorangegangene spezielle Leistung des Einrichtungsträgers, die gerade dem Pflichtigen zugutekommt (vgl. Kluge in Becker u.a., Kommunalabgabenrecht, § 10 Rn. 83 ff., Rn. 91 ff. m.w.N.; VG Potsdam, Urt. vom 17.10.2012, a.a.O., Rn. 30 ff.). Ein Sonderinteresse und damit ein Kostenerstattungsanspruch des Einrichtungsträgers entfiele nur, wenn feststünde, dass er für die Ursache der Maßnahme selbst verantwortlich sei. Bleibt die Verantwortlichkeit des Einrichtungsträgers unerweislich, trägt der Grundstückseigentümer hierfür die materielle Beweislast (vgl. OVG Berlin- Brandenburg, Beschl. vom 30.4.2015 – 9 M 20.14 -, juris, Rn. 6; VG Potsdam, Urt. vom 17.10.2012 – 8 K 1055/10 –, juris, Rn. 31; Urt. vom 13.11.2015 – 8 K 2294/12 -, juris, Rn. 22; zur dortigen Rechtlage OVG Nordrhein- Westfalen, Urt. vom 21.2.1996 – 22 A 3216/92 –, juris zur Beseitigung der Undichtigkeit einer Leitung, die durch die Verwendung einer ungeeigneten Mörtelmasse entstanden war; Hessischer VGH, Urt. vom 16.1.1985 – 5 UE 401/84 –; Urt. vom 17.7.1997 – 5 UE 3780/96 –, NVwZ-RR 1999 S. 69; Beschl. vom 12.10.2020 – 5 A 3073/19 -, juris, Rn. 17 ff; VG Wiesbaden, Urt. vom 30.5. 2012 – 1 K 614/11 –, juris, Rn. 19).
Nach Aktenlage stellt sich die durchgeführte Maßnahme vielmehr als eigenverantwortliche Entscheidung des Landesbetriebs Straßenwesen (Bl. 1 VV) und des Beklagten dar. Im Zuge des Ausbaus der Ortsdurchfahrt der B... hat sich der Beklagte ohne nachvollziehbaren Grund dafür entschieden, sämtliche bislang funktionstüchtige Grundstücksanschlüsse mit einem Revisionsschacht zu versehen. Es steht dem Beklagten frei, jederzeit sein Leitungssytem neu zu gestalten und im Zuge dessen auch neue Grundstücksanschlüsse herzustellen, zu verändern oder zu unterhalten. Ohne eine zwingende Erforderlichkeit für eine solche selbstgewählte Maßnahme ist für die angeschlossenen Grundstückseigentümer aber keinerlei wirtschaftlicher Vorteil zu entnehmen. Auch wenn sich der Stand der Technik geändert haben mag, rechtfertigt sich die Maßnahme nur dann, wenn sie auch im Moment der Vornahme erforderlich ist, beispielsweise, weil eine Gesundheitsgefährdung durch den vorhandenen Grundstücksanschluss oder ein Rohrbruch oder ähnliches unmittelbar bervorstünde. Sowohl der Verwaltungsvorgang als auch das Beklagtenvorbringen lässt insoweit jeglichen Vortrag vermissen. Vielmehr erfolgte die Maßnahme schlicht aus der Entscheidung im Zuge der Straßenbauarbeiten, Revisionsschächte zu verbauen. Der Beklagte hat somit die Maßnahme selbst verursacht und hat dementsprechend für die von ihm selbst gewählte und technisch nicht erzwungene Maßnahme, sämtliche Kosten selbst zu tragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.