Gericht | VG Cottbus 8. Kammer | Entscheidungsdatum | 16.03.2023 | |
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Aktenzeichen | 8 K 1637/16 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2023:0316.8K1637.16.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 43 Abs 2 S 1 VwGO |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 600 Euro vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Unterlassung bestimmter ihn betreffender Äußerungen.
Der Kläger ist bei der W... angestellt. In den Jahren 2015/2016 betrieb die Beklagte u.a. ein Insolvenzverfahren gegen Herrn M... , das dessen Tätigkeit für den von der W... unter dem Namen P... ausgeübten Geschäftsbetrieb und dessen etwaig verschleiertes Arbeitseinkommen thematisierte. Mit Schriftsatz vom 1. Juli 2016 tätigte die Beklagte im Rahmen des insoweit beim Landgericht Cottbus unter dem Aktenzeichen 7... anhängigen Beschwerdeverfahrens u.a. folgende Äußerung:
„Wir möchten nicht unerwähnt lassen, dass Herr S... , geb. J... im Strafverfahren um den Brandanschlag auf das damals bezugsfertige Asylbewerberheim in D... rechtskräftig verurteilt worden ist.“
Das Verfahren wurde durch Beschluss des Landgerichts vom 27. September 2016 beendet.
Mit Schriftsatz vom 15. Juli 2016 tätigte die Beklagte als Antragsgegnerin in einem von der W... vor dem Verwaltungsgericht Cottbus unter dem Aktenzeichen V... geführten vorläufigen Rechtsschutzverfahren u.a. folgende Äußerung:
„Es ist davon auszugehen, dass sich Herr F... in eigener Sache einen gewissen Erfahrungsschatz bei der Vereitelung von Beitreibungsversuchen in diversen Fällen – unter anderem Kindesunterhalt – angeeignet hat und auch im Fall des Herrn W... aus diesem schöpft. Die anwaltliche Vertretung der G... als Gläubigerin von sechsstelligen Schadensersatzansprüchen aus dem Brandanschlag von 1992, (…), ist ggfs. bereit, hier weitere Auskünfte zu erteilen.“
Das Verfahren sowie das zugehörige Klageverfahren V... wurden vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg durch gerichtlichen Vergleich vom 6. November 2018 (Az. O... ) beendet.
Außerdem erhob die Beklagte am 26. Juli 2016 beim Arbeitsgericht Cottbus (A... ) Klage gegen mehrere Unternehmen der P... Gruppe wegen vollstreckbarer Gewerbesteuerschulden des Herrn M... , dem sie gleichzeitig den Streit verkündete. In der Klageschrift vom 19. Juli 2016 tätigte sie u.a. folgende Äußerung:
„Wir möchten nicht unerwähnt lassen, dass Herr S... , geb. J... im Strafverfahren um den Brandanschlag auf das damals bezugsfertige Asylbewerberheim in D... rechtskräftig verurteilt worden ist.“
Der Rechtsstreit wurde nach Abgabe an das Landgericht Cottbus (A... ) durch einen Vergleich zwischen der Beklagten und der W... vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht beendet.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 22. August 2016 forderte der Kläger die Beklagte auf, unverzüglich Äußerungen zu unterlassen, die ihm im Rechtsverkehr die Brandstiftung aus dem Jahr 1992 und seine Verurteilung vorhalten und zu seinem Nachteil verwerten, in diesem Zusammenhang seine persönlichen Daten wie seinen früheren Namen J... zu nutzen und Dritten gegenüber zu behaupten, er sei wegen der Brandstiftung rechtskräftig verurteilt worden. Ebenfalls verwahrte er sich gegen die Äußerung, dass er sich einen gewissen Erfahrungsschatz bei der Vereitelung von Beitreibungsversuchen in diversen Fällen – u.a. Kindesunterhalt – angeeignet habe, und begehrte die Unterzeichnung einer entsprechenden Unterlassungserklärung durch die Beklagte. Zur Begründung wies er darauf hin, dass seine Erwähnung im Zusammenhang mit dem Brandanschlag gegen § 51 des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) verstoße, der eine Schutznorm im Sinne von § 823 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sei. Die Nutzung seiner persönlichen Daten – also die Brandstiftung, seine Verurteilung und sein früherer Name – verstoße zudem gegen § 4 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Dass er sich in rechtswidriger Weise seinen Unterhaltspflichten oder sonstigen Zahlungsverpflichtungen entziehe, entspreche schließlich nicht den Tatsachen. Die Beklagte verstoße mit ihren Äußerungen gegen ihre Amtspflicht zu gesetzlichem Verhalten, namentlich zur Schonung unbeteiligter Dritter und zu rücksichtsvollem Verhalten. Zwischen den Äußerungen und der Rechtswahrnehmung der Beklagten in den Gerichtsverfahren gebe es erkennbar keinen Zusammenhang, zumal die Äußerungen auch seine Arbeitsgeberin erreicht hätten.
Am 19. September 2016 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.
Er wiederholt im Wesentlichen seine Auffassung aus dem Schreiben vom 22. August 2016 und macht ergänzend geltend, dass ihn die Äußerungen der Beklagten in Verfahren, an denen er nicht beteiligt gewesen sei, in seinem Persönlichkeitsrecht und in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzten. Die Äußerungen zielten insgesamt darauf ab, ihm die Tat, für die er verurteilt worden sei, vorzuhalten. Dass er aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation zudem nicht in der Lage sei, alle seine Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, berechtigte die Beklagte nicht zu der in ihren Äußerungen mitschwingenden Unterstellung, er entziehe sich seinen Gläubiger:innen in unzulässiger Weise. Da sich die Beklagte weigere, eine entsprechende Unterlassungserklärung abzugeben, seien selbst vor dem Hintergrund, dass die Beklagte bzw. deren Prozessvertreter die Äußerungen vor dem Landgericht nicht wiederholt habe und das Verfahren zwischenzeitlich beendet sei, weitere Rechtsverletzungen zu befürchten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
der Beklagten zu untersagen,
- ihm im Rechtsverkehr die Tat und die Verurteilung im Zusammenhang mit der Brandstiftung im Asylbewerberheim in D... im Jahr 1992 vorzuhalten und die Tat und die Verurteilung nicht zu seinem Nachteil zu verwerten, soweit § 52 BZRG den Vorhalt und die Verwertung nicht ausdrücklich zulässt,
- wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, dass er sich einen gewissen Erfahrungsschatz bei der Vereitelung von Beitreibungsversuchen in diversen Fällen – u. a. Kindesunterhalt – angeeignet habe,
- seine persönlichen Daten wie seinen früheren Namen J... , die Brandstiftung im Asylbewerberheim in D... und die Verurteilung für die vorgenannte Tat zu nutzen, sowie
- Dritten gegenüber wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, er sei rechtskräftig für die Brandstiftung im Asylbewerberheim in D... im Jahr 1992 verurteilt worden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass dem Kläger schon ein Rechtschutzbedürfnis fehle. Es sei in der Rechtsprechung seit langem geklärt, dass das Unterlassen eines der Rechtsverfolgung oder –verteidigung dienenden Vorbringens eines Prozessbeteiligten von der hierdurch betroffenen Person nicht gefordert werden könne. Darüber hinaus stellten die benannten Äußerungen keine rechtswidrigen Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Sie seien in den drei Gerichtverfahren erfolgt, um die fehlende Glaubwürdigkeit des Klägers und die fehlende Glaubhaftigkeit seiner Erklärungen zu unterstreichen und zu illustrieren, nachdem er als Geschäftsführer der W... am 7. April 2016 in einer Drittschuldnererklärung behauptet hatte, dass Herr M... , der Vollstreckungsschuldner, nicht (mehr) in dem Unternehmen beschäftigt sei. Wie auch das Verwaltungsgericht Cottbus in seinem Beschluss vom 8. August 2016 – V... – festgestellt habe, unterliege diese Angabe erheblichen Glaubhaftigkeitszweifeln, weshalb hinreichende Gründe für die Annahme bestanden hätten, dass der Kläger im kollusiven Zusammenwirken mit Herrn M... versucht habe, die Vollstreckungsversuche der Stadt M... zu vereiteln. Die streitgegenständlichen Äußerungen seien weder öffentlich erfolgt noch völlig unverhältnismäßig ehrverletzend. Sie seien auch inhaltlich zutreffend. So bestreite der Kläger selbst nicht, dass er wegen des Brandanschlages auf ein Asylbewerberheim rechtskräftig verurteilt worden ist. Dies und sein Geburtsname J... seien öffentlich bekannt, Gegenstand zahlreicher Medienberichte und ohne Schwierigkeiten auch im Internet recherchierbar. Der bei dem Anschlag entstandene Schaden sei zunächst von einem Versicherungsunternehmen beglichen worden, das bislang erfolglos versucht habe, den Kläger insoweit in Regress zu nehmen. Nur in diesem Kontext seien der Brandanschlag und die Verurteilung des Klägers lediglich kurz erwähnt – und nicht etwa vorgehalten und verwertet im Sinne des § 51 BZRG – worden. Gegenüber anderen Dritten habe sie diesen Umstand nicht erwähnt und werde dies auch zukünftig nicht tun. Ebenso habe der Kläger bislang Forderungen der Stadt L... auf Erstattung der von ihr geleisteten Unterhaltsvorschüsse nicht beglichen; das diesbezügliche Vollstreckungsverfahren, in dem die Stadt M... in Amtshilfe tätig werde, habe sich über Jahre hingezogen. Diese Tatsache habe sie lediglich ironisch-pointiert dargelegt, ohne zudem die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Klägers zu behaupten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und des Vortrages der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.
Über die Klage kann die Kammer durch die Einzelrichterin, der der Rechtsstreit mit Beschluss vom 16. März 2023 zur Entscheidung übertragen worden ist, gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich der Kläger und die Beklagte hiermit einverstanden erklärt haben.
Die Klage ist bereits unzulässig.
Zwar ist sie als allgemeine Leistungsklage im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO statthaft. Ihr fehlt jedoch das erforderliche qualifizierte Rechtsschutzbedürfnis. Wird mit einer Klage die Unterlassung künftiger Äußerungen begehrt, muss ein besonderes, gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzbedürfnis vorliegen, das heißt eine konkrete Wiederholungsgefahr bestehen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. Mai 1989 – 7 C 2.87 –, juris Rn. 46; Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. Januar 2004 – 6 A 11743/03 –, juris Rn. 7 f.; Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 24. September 2020 – 6 K 100/20 –, juris Rn. 70; Verwaltungsgericht Osnabrück, Urteil vom 8. Juni 2022 – 1 A 199/21 –, juris Rn. 55). Diese ist anhand einer umfassenden Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles zu bestimmen (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. März 2019 – OVG 10 S 14.19 –, juris Rn. 7; Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 25. Juli 2014 – 13 ME 97/14 –, juris Rn. 9).
Hiernach besteht vorliegend keine hinreichend konkrete Gefahr einer Wiederholung der von dem Kläger beanstandeten Äußerungen durch die Beklagte. Zu beachten ist insoweit, dass die im Zivilrecht, insbesondere im Wettbewerbs- und im Presserecht hierzu gebildeten Grundsätze auf den hier verfahrensgegenständlichen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch keine unmittelbare Anwendung finden (vgl. Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 9. März 2010 – 1 BvR 1891/05 –, juris Rn. 36; Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 25. Juli 2014 – 13 ME 97/14 –, juris Rn. 9; sowie bereits Beschluss der Kammer vom 1. August 2022 – VG 8 L 181/22 – Seite 2 f. EA) und eine konkrete Wiederholungsgefahr nicht etwa schon dann gegeben ist, wenn gegenüber der betroffenen Person keine strafbewerte Unterlassungserklärung abgegeben wurde (vgl. ebenso: Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 25. Juli 2014 – 13 ME 97/14 –, juris Rn. 9; Verwaltungsgericht Hannover, Beschluss vom 3. Juni 2014 – 1 B 7660/14 –, juris Rn. 65; offenlassend: Verwaltungsgericht Osnabrück, Urteil vom 8. Juni 2022 – 1 A 199/21 –, juris Rn. 55).
Bei den von dem Kläger monierten Äußerungen handelt es sich um Vorbringen der von der Beklagten vertretenen Stadt M... , die diese 2016 im Rahmen dreier inhaltlich und zeitlich im Zusammenhang stehender Gerichtsverfahren als Verfahrensbeteiligte gegenüber dem jeweiligen Gericht schriftsätzlich getätigt hat. Alle drei Rechtsstreite sind inzwischen abgeschlossen und wirken ersichtlich auch nicht anderweitig fort. Die Beklagte hat ausdrücklich erklärt, dass die Äußerungen ausschließlich der Rechtsverfolgung im Rahmen dieser konkreten Verfahren dienten und anderweitig weder getätigt wurden noch zukünftig würden. Anhaltspunkte, hieran zu zweifeln, sind nicht ersichtlich und von dem Kläger auch nicht substantiiert geltend gemacht worden. So hat er insbesondere nicht dargelegt, dass die Äußerungen in den inzwischen vergangenen fast sieben Jahren nochmals von der Beklagten bzw. der Stadt M... getätigt worden wären. Im Gegenteil hat er eingeräumt, dass sich selbst das vom Arbeitsgericht Cottbus an das Landgericht Cottbus verwiesene Verfahren, in dem die Äußerungen u.a. getätigt worden waren, nachfolgend – aus seiner Sicht – „versachlicht“ habe und die Äußerungen schon während des noch laufenden Rechtsstreites nicht mehr wiederholt worden seien. Dass es anderweitige oder neue Rechtsstreite mit inhaltlich vergleichbarem Kontext gäbe, die die konkrete Gefahr erneuter Äußerungen der Beklagten zu der von dem Kläger begangenen Straftat und seiner Verurteilung sowie zu seinem Verhalten in Vollstreckungsverfahren begründeten, hat er ebenfalls nicht geltend gemacht. Insofern ist nicht hinreichend erkennbar, dass die Beklagte bzw. die Stadt M... Anlass haben könnte, ihre damaligen Äußerungen zu wiederholen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 709 Satz 1 ZPO.