Gericht | OLG Brandenburg 7. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 16.01.2023 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 7 W 1/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0116.7W1.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Neuruppin vom 2. November 2022 wird zurückgewiesen.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Gegenüber der Antragsgegnerin zu 4 hat die von dem Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg (§ 114 I 1 ZPO).
Die Passivlegitimation der Antragsgegnerin zu 4 gegenüber dem von dem Antragsteller verfolgten Anspruch ist deutlich zu verneinen. Sollte der Anspruch nach § 839 I BGB bestehen, weil Angestellte der Antragsgegnerin zu 4 die Antragsgegner zu 1 bis 3 unzureichend beaufsichtigte, gefährliche Gegenstände vor ihnen nicht ausreichend sicherte, das Entweichen der Antragsgegner zu 1 bis 3 nicht aufmerksam genug zu verhindern versuchte oder es nicht früh genug bemerkte und deshalb Verfolgung und Wiederergreifen verzögerte, so ist dieser Anspruch durch Art. 34 S. 1 GG mit für die Antragsgegnerin zu 4 schuldbefreiender Wirkung auf das Land übergeleitet worden, in dessen Dienst die Antragsgegnerin zu 4 die Antragsgegner zu 1 bis 3 bei sich aufgenommen hatte.
Beamte im haftungsrechtlichen Sinne des § 839 I BGB sind auch die Beliehenen und die Verwaltungshelfer, also Private, denen hoheitliche Befugnisse zur Ausübung im eigenen Namen übertragen oder die zur Erledigung hoheitlicher Aufgaben eingesetzt werden und dabei die Eingriffsbefugnisse des Staates wahrnehmen (MüKo-BGB-Papier/Shirvani, 8. Aufl. 2020, § 839 Rdnr. 185, 187; Staudinger-Wöstmann, BGB, Neub. 2020, § 839 Rdnr. 44, 46 f.). Es braucht nicht näher erörtert zu werden, ob die Mitarbeiter der Antragsgegnerin zu 4 eher als Beliehene oder als Verwaltungshelfer zu beurteilen sind. Jedenfalls waren sie zur Erledigung hoheitlicher Zwangsmaßnahmen eingesetzt, nämlich zum Vollzug einer einstweiligen Unterbringung, die das Amtsgericht Tiergarten gegenüber den Antragsgegnern zu 1 bis 3 angeordnet hatte (§§ 72 IV 1, 71 II JGG). Die einstweilige Unterbringung ist eine Zwangsmaßnahme, mit der verbindlich angeordnet wird, der Jugendliche dürfe das zum Vollzug eingesetzte Heim der Jugendhilfe nicht verlassen. Dass die damit betrauten Heimträger eine Pflicht zu fluchtsicherer Ausstattung ihrer Einrichtungen nicht trifft, nimmt der Anordnung und ihrem Vollzug nicht die Qualität hoheitlichen Zwanges (vgl. Eisenberg/Kölbel, JGG, 23. Aufl. 2022, § 71 Rdnr. 7, 10 a; BeckOK-JGG-Pawlischta, Stand: Nov. 2022, § 71 Rdnr. 10, 13). Der Jugendliche hat sich unter dem Druck sonst erforderlicher Untersuchungshaft (§ 72 IV 2 JGG) in dem Heim aufzuhalten, dort zu bleiben und die ihm entgegengebrachte pädagogische Bemühungen zu dulden. Dadurch unterscheidet sich die Aufgabe des nach den §§ 72 IV 1, 71 II JGG als Unterbringungsort bestimmten Heimes von Pflegeeltern, die während einer Inobhutnahme (§§ 42, 43 SGB VIII) vom Jugendamt eingesetzt sind, um an der Stelle der Personensorgeberechtigten Wohnung, Pflege und Betreuung des Kindes zu übernehmen, und deshalb nicht als haftungsrechtliche Amtsträger beurteilt worden sind (vgl. BGHZ 166, 268, Rdnr. 12, 15; a.A.: Itzel, MDR 2015, 1217, 1218; krit.: Ossebühl, JZ 2006, 923, 924).
Für Amtspflichtverletzungen haftet nicht der Beliehene oder Verwaltungshelfer selbst und nicht die Körperschaft, die ihn angestellt hat - die Antragsgegnerin zu 4 -, sondern das Land, das ihn mit der Erledigung der hoheitlichen Aufgabe betraut und ihm damit das konkrete Amt übertragen oder anvertraut hat (vgl. MüKo-BGB-Papier/Shirvani, § 839 Rdnr. 428).
Über die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens ist nicht zu entscheiden (§ 127 IV ZPO).
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 574 II, III ZPO), besteht nicht.