Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 4. Senat | Entscheidungsdatum | 20.03.2023 | |
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Aktenzeichen | OVG 4 S 8/23 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2023:0320.OVG4S8.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 123 Abs 1 VwGO, § 146 Abs 4 S 1 VwGO, § 839 Abs 3 BGB, § 146 Abs 4 S 3 VwGO, § 123 Abs 3 VwGO |
Ein im Wege vorläufiger Anordnung nach § 123 VwGO durchsetzbarer Anspruch auf Beförderung kommt grundsätzlich nicht in Betracht, weil das geltende Beamtenrecht eine derartige "vorläufige" Beamtenernennung (vgl. dazu § 8 Abs. 1 BeamtStG) nicht kennt.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26. Januar 2023 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Antragsteller mit der Beschwerde dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 3 VwGO), auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses. Gemessen an dem durch das Beschwerdevorbringen begrenzten Prüfungsstoff, hat das Verwaltungsgericht das Begehren des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig – bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache – zu verpflichten, seine Beförderungseignung rückwirkend zum 21. Oktober 2021 festzustellen, hilfsweise über die Beförderungseignung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu entscheiden, zu Recht abgelehnt.
Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ist es erforderlich, dass die Beschwerde die Gründe darlegt, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt. Die Beschwerde muss daher auf die entscheidungstragenden Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses eingehen. Dabei hat sie sich an der Begründungsstruktur der angegriffenen Entscheidung zu orientieren. Sofern das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf mehrere selbstständig tragenden Gründe gestützt hat, muss das Beschwerdevorbringen die genannten Anforderungen dementsprechend mit Blick auf jeden dieser Gründe erfüllen. Die Beschwerde kann nur Erfolg haben, wenn hinsichtlich jeder der tragenden Begründungen den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechend Gründe dargelegt werden, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist (u.a. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 29. November 2021 - OVG 4 S 38/21 – EA S. 3, vom 20. Mai 2021 - OVG 4 S 18/21 – EA S. 3, Beschluss vom 19. März 2019 - OVG 10 S 14.19 – juris Rn. 3).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung jeweils selbstständig tragend mit den Erwägungen begründet, dass der Antragsteller für sein Begehren weder einen Anordnungsanspruch (vgl. EA S. 4 ff.) noch einen Anordnungsgrund (vgl. EA S. 10 ff.) glaubhaft gemacht habe. Der Antragsteller hat mit seinem Beschwerdevorbringen jedenfalls nicht den Anforderungen des § 146 Abs 4 Satz 3 VwGO entsprechend die Richtigkeit des die Entscheidung selbstständig tragenden Grundes des Verwaltungsgerichts zum Fehlen eines Anordnungsgrundes (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO) in Frage gestellt.
Das Verwaltungsgericht hat dazu ausgeführt, der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass die vorläufige Feststellung seiner Beförderungseignung oder die Verpflichtung zur erneuten Entscheidung über diese im Wege einstweiliger Anordnung etwa zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheine. Vielmehr sei es einem Rechtsschutzsuchenden grundsätzlich zuzumuten, im Klagewege (im Hauptsacheverfahren) um Rechtsschutz nachzusuchen. Allein der Umstand, dass infolge eines durchzuführenden Klageverfahrens vorübergehend ein geltend gemachter Anspruch noch nicht verwirklicht werden könne, begründe noch keinen durch Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abzuwendenden wesentlichen Nachteil. Die begehrte Feststellung der Beförderungseignung sei letztlich darauf gerichtet, eine Beförderung zu erreichen. Dass eine Beförderung nach Durchführung eines auf Feststellung der Beförderungseignung gerichteten Klageverfahrens nicht mehr möglich wäre, sei nicht ersichtlich. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller über den zeitlichen Aufschub hinaus ein wesentlicher Nachteil, etwa gar ein endgültiger Rechtsverlust, drohen könne. Weder gebe es eine Konkurrentin oder einen Konkurrenten, mit der bzw. dem die Stelle besetzt werden könnte, noch gebe es einen Termin, nach dem eine Besetzung der Stelle nicht mehr möglich wäre.
Die Richtigkeit dieses Grundes der erstinstanzlichen Entscheidung stellt das Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend in Frage. Vor dem Hintergrund, dass im Wege vorläufiger Anordnung nach § 123 VwGO ein Anspruch auf Beförderung grundsätzlich nicht in Betracht kommt (u.a. Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, § 61 Rn. 1361 m.w.N.), weil das geltende Beamtenrecht eine derartige "vorläufige" Beamtenernennung (vgl. dazu § 8 Abs. 1 BeamtStG) nicht kennt (BVerwG, Urteil vom 15. November 2022 – 2 C 4.21 – juris Rn. 36), greift der Hinweis des Antragstellers auf § 8 Abs. 4 BeamtStG nicht durch. Danach ist eine Ernennung auf einen zurückliegenden Zeitpunkt unzulässig und insoweit unwirksam. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, es sei nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller über den zeitlichen Aufschub (seiner Beförderung) hinaus ein wesentlicher Nachteil, etwa gar ein endgültiger Rechtsverlust, drohen könne. Es ist gerade nicht, wie der Antragsteller der Sache nach suggeriert, davon ausgegangen, dass im Falle der Feststellung eines Anspruchs auf Beförderung in einem Hauptsacheverfahren die Ernennung zu einem zurückliegenden Zeitpunkt erfolgen könne oder solle.
Auch soweit der Antragsteller weiter vorbringt, aufgrund der Rechtsprechung zum Erfordernis der Geltendmachung von Primärrechtsschutz vor einer Geltendmachung im Sekundärrechtsschutz (Schadensersatz) müsse er um Eilrechtsschutz nachsuchen, begründet dies im hiesigen Einzelfall nicht - entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts - das Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Nach § 839 Abs. 3 BGB tritt eine Ersatzpflicht nach den Grundsätzen der Amtshaftung nicht ein, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. In der Regelung kommt der - vom Antragsteller angesprochene - Grundsatz vom Vorrang des Primärrechtsschutzes zum Ausdruck. Bei rechtswidrigem Handeln des Staates ist der Betroffene gehalten, zunächst die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Abhilfe in Anspruch zu nehmen (kein "dulde und liquidiere"). Ein Anspruchsverlust tritt jedoch nur durch den Nichtgebrauch von zumutbaren und erfolgversprechenden Rechtsmitteln ein (BVerwG, Urteil vom 15. November 2022 – 2 C 4.21 – juris 34 m.w.N.). Wie ausgeführt ist aber in der hiesigen Fallkonstellation ein im Wege der vorläufigen Anordnung nach § 123 VwGO durchzusetzender Anspruch auf Beförderung kein erfolgversprechendes Rechtsmittel, so dass dem Antragssteller kein Anspruchsverlust bei einem evtl. künftigen Schadenersatzanspruch im Falle eines Obsiegens in dem Hauptsacheverfahren zur Beförderung droht. Von daher kann auch dieser Aspekt nicht zur Begründung eines Anordnungsgrundes dienen.
Soweit das Verwaltungsgericht den hilfsweise gestellten Antrag, den Antragsteller unter Zugrundelegung der Sach- und Rechtslage des maßgeblichen Zeitpunktes am 21. Oktober 2021 zum nächstmöglichen Zeitpunkt zum Praxisleiter für die Notfallsanitäterausbildung in der Organisationseinheit Rettungsdienst (Hauptbrandmeister mit der Amtszulage der Besoldungsgruppe A 9 SZ) zu befördern, mit der selbstständig tragenden Begründung abgelehnt hat, dass es sich um einen unechten Hilfsantrag handele, der für den Fall gestellt worden sei, dass der Hauptantrag Erfolg habe, wird dies mit der Beschwerde nicht angegriffen. Insoweit fehlt es auch an einer den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechenden sachlichen Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Satz 2, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 1.5. des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wobei der Senat der erstinstanzlichen Wertfestsetzung folgt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).