Gericht | OLG Brandenburg 10. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 23.03.2023 | |
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Aktenzeichen | 10 U 104/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0323.10U104.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 15. Juli 2021 - 12 O 424/16 - wird zurückgewiesen.
I.
Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Berufungsverfahren.
Der Beklagte beauftragte die ehemalige Rechtsanwältin E… B… (nachfolgend Schuldnerin) am 18. August 2012 mit der anwaltlichen Vertretung in einem Asylverfahren. Die Schuldnerin war in der Folgezeit für den Beklagten tätig. Der Kläger ist vor dem 7. August 2015 zum Abwickler der Kanzlei der ehemaligen Rechtsanwältin bestellt worden und war ebenfalls für den Beklagten tätig. Mit Rechnung vom 19. Dezember 2016 forderte der Kläger den Beklagten erfolglos zur Zahlung von Anwaltsgebühren in Höhe von 14.121,15 € auf.
Am 13. Januar 2017 eröffnete das Amtsgericht Charlottenburg das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte Rechtsanwalt M… H… in B… zum Insolvenzverwalter.
Das Landgericht hat auf den am 20. Dezember 2016 eingereichten Antrag am 27. September 2018 Prozesskostenhilfe bewilligt, die Klage ist am 8. Mai 2019 zugestellt worden.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zur Zahlung von 14.121,15 € nebst Zinsen iHv 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 2.556,80 € stattgegeben und sie im Übrigen mit gebührenrechtlicher Begründung abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die beabsichtigte Berufung des Klägers, für deren Einlegung er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Er kündigt folgenden Antrag in der Hauptsache an:
Den Beklagten unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils zu verurteilen,
an den Kläger weitere 11.554,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz 11. Januar 2017 zu verurteilen und
auf den bereits titulierten Betrag von 2.566,80 € Zinsen in Höhe von 5-% Punkten über dem Basiszinssatz vom 11. Januar 2017 bis 7. Mai 2019 zu zahlen.
Der Senat hat den Kläger darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens Zweifel an seiner Aktivlegitimation bestehen.
II.
Die beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe war zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Berufung gemäß § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Es fehlt dem Kläger bereits an der Aktivlegitimation.
Der Kläger ist als Partei kraft Amtes grundsätzlich gemäß § 55 Abs. 5, Abs. 3 S. 2 BRAO befugt, Gebührenforderungen der ehemaligen Rechtsanwältin im eigenen Namen geltend zu machen. Soweit jedoch - so wie vorliegend - über das Vermögen der ehemaligen Rechtsanwältin das Insolvenzverfahren eröffnet ist, müssen die aus der Kollision von Berufsrecht und Insolvenzrecht folgenden Besonderheiten berücksichtigt werden.
1. Dazu hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass der nach § 55 BRAO bestellte Abwickler auch im eröffneten Insolvenzverfahren das vorhandene Barvermögen in Besitz zu nehmen hat, um daraus die Kosten für die vorläufige Aufrechterhaltung des Kanzleibetriebs zu bestreiten, und dieses umfasse auch die eingehenden Gebühren (BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 – IX ZR 139/04 –, Rn. 16, juris; siehe auch OLG Köln, Urteil vom 4. November 2009 – I-17 U 40/09 –, Rn. 19, juris). Daraus - nämlich aus der Erwähnung der „eingehenden Gebühren“ - folgt aber noch nicht, dass der Abwickler nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur gerichtlichen Geltendmachung von Forderungen der abzuwickelnden Kanzlei befugt wäre. Denn die gerichtliche Geltendmachung von Forderungen der abzuwickelnden Kanzlei gehört nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr zu den Aufgaben des Abwicklers. Diese unterfallen nämlich dem Insolvenzbeschlag und können daher vom Abwickler nicht (mehr) geltend gemacht werden (vgl. Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 3. April 2014 – 2 U 62/13 (Lw) –, Rn. 42, juris; Weyland/Nöker, 10. Aufl. 2020, BRAO § 55 Rn. 51c; Hartung, in: Henssler/Prütting, 5. Auflage 2019, BRAO, § 55, Rn. 27).
Zwar muss berücksichtigt werden, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorliegend am 13. Januar 2017 und damit nach Anbringung des erstinstanzlichen Prozesskostenhilfegesuchs aber vor Zustellung der Klageschrift am 8. Mai 2019 erfolgt ist. Allerdings führt die Antragstellung im Prozesskostenhilfeverfahren weder Anhängigkeit noch Rechtshängigkeit der Klage herbei. Auch die formlose Übersendung des Prozesskostenhilfeantrags kann nicht die Wirkung der Rechtshängigkeit der Klage begründen (OLG Celle, Beschluss vom 5. Mai 2011 – 13 W 42/11 –, Rn. 7, juris; Assmann in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 261 Rechtshängigkeit, Rn. 14).
Damit ist die Klage jedenfalls mangels Aktivlegitimation des Klägers im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit (§ 261 ZPO) abweisungsreif (Graf-Schlicker/Kexel in: Graf-Schlicker, InsO, § 35 Begriff der Insolvenzmasse, Rn. 7). Diesem Ergebnis steht § 240 ZPO schon deshalb nicht entgegen, weil das Insolvenzverfahren im Zeitpunkt der Klagezustellung bereits eröffnet war (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2008 – IX ZB 232/08 –, Rn. 8, juris). Daher kann offenbleiben, ob eine Unterbrechung nach § 240 ZPO auch deshalb nicht eingetreten ist, weil diese Vorschrift für die Prozessführung als Nachlassverwalter, Insolvenzverwalter oder Testamentsvollstrecker, und damit auch als Abwickler, nicht anwendbar ist (so: Gerken in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. 2012, § 240, Rn. 8 Unterbrechung durch Insolvenzverfahren).
2. Der auf die vorstehenden Umstände hingewiesene Kläger hat mit Schriftsätzen vom 31. Januar 2023 und 27. Februar 2023 weiter vorgetragen. Aber auch unter Berücksichtigung dieses Vortrags fehlt es der beabsichtigten Rechtsverfolgung des Klägers an der erforderlichen Erfolgsaussicht.
a) Soweit der Antragsteller der Entscheidung des BGH vom 23. Juni 2005 (– IX ZR 139/04 –, juris) IX ZR 139/04, juris) entnimmt, sie statuiere nicht nur eine Befugnis des Abwicklers zur Entgegennahme von eingehenden Gebühren, sondern auch eine Berechtigung zur Einforderung von Gebühren, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Der in Bezug genommenen Entscheidung des BGH lässt sich derartiges nicht entnehmen. Vielmehr führt der BGH lediglich aus, dass der nach § 55 BRAO bestellte Abwickler das Barvermögen und eingehende Gebühren in Besitz nehmen kann. Daraus lässt sich nichts dazu ableiten, dass auch die gerichtliche Geltendmachung von Gebührenforderungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahren noch von der Befugnis des Abwicklers umfasst sein könnte.
a) Soweit der Antragsteller ein Urteil des Landgerichts Rostock in Bezug nimmt (vom 13. Dezember 2001, 4 O 180/00), lässt sich auch daraus kein der Auffassung des Senats entgegenstehender Umstand ableiten. Das liegt schon daran, dass das Urteil des Landgerichts Rostock auf eine Berufung durch Urteil des OLG Rostock vom 14. Juni 2004 – 3 U 37/03 –, juris abgeändert worden ist. Die Revision gegen das Urteil des OLG Rostock ist vom BGH wiederum mit eben dem Urteil vom 23. Juni 2005 (– IX ZR 139/04 –, juris) zurückgewiesen worden, das der Senat bereits im vorstehenden Absatz erörtert hat. Wie bereits ausgeführt, lässt sich eben diesem Urteil kein Umstand entnehmen, der für die Auffassung des Antragstellers sprechen könnte.
Soweit sich der Antragsteller auf einen Aufsatz von Kruth (Kanzleiabwickler im Insolvenzverfahren – Funktionen, Befugnisse und Rang der Vergütungsansprüche, DStR 2020, S. 1340) zum Beleg der Aussage beruft, dass der Abwickler berechtigt sei, auch nach Insolvenzeröffnung offene Gebührenforderungen gerichtlich geltend zu machen, findet sich eine derartige Aussage in dem Aufsatz nicht. Dort heißt es lediglich - wie auch in der Entscheidung des BGH vom 23. Juni 2005 -, dass der Abwickler eingehende Gebühren in Besitz zu nehmen hat, um daraus die Kosten für die vorläufige Aufrechterhaltung des Kanzleibetriebs zu bestreiten (DStR 2020, S. 1340, 1341). Eine Befugnis des Abwicklers zu gerichtlichen Geltendmachung von Gebührenforderungen nach Insolvenzeröffnung ergibt sich daraus nicht.
b) Auch sonst sind keine Gründe vorgetragen oder ersichtlich, die für eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortbestehende Befugnis des Abwicklers zur gerichtlichen Geltendmachung von Gebührenforderungen sprechen könnten.
Gemäß § 80 InsO geht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Dies gilt grundsätzlich auch für das Vermögen eines in Insolvenz gefallenen Rechtsanwalts (BGH, Urteil vom 28. November 2019 – IX ZR 239/18 –, BGHZ 224, 177-195, Rn. 32). Zwar ist der Abwickler nicht der Schuldner, da der Schuldner der ehemalige Rechtsanwalt ist. Das ändert aber nichts daran, dass das Recht zur Verfügung über die Insolvenzmasse gemäß § 80 InsO beim Insolvenzverwalter und damit auch für Gebührenforderungen des ehemaligen Rechtsanwalts liegt. Wenn also aus Tätigkeiten der Schuldnerin vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Gebührenforderungen entstanden sind und dennoch vom Abwickler geltend gemacht werden, sprechen Wortlaut und Systematik der maßgeblichen Vorschriften gegen eine fortbestehende Verfügungsbefugnis des Abwicklers – jedenfalls im hier maßgeblichen Fall der gerichtlichen Geltendmachung von Gebührenforderungen.
Hinzu kommt, dass das Insolvenzverfahren gemäß § 35 InsO das gesamte Vermögen erfasst, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Zur Masse gehören Forderungsrechte des Schuldners, soweit sie pfändbar sind. Dies sind nach ständiger Rechtsprechung auch anwaltliche Gebührenforderungen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 1. Februar 2007 – IX ZR 178/05 –, Rn. 10, juris), so dass auch die gegenständlichen Gebührenforderungen unter § 35 InsO fallen. Ausnahmen von dem Grundsatz, dass das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen erfasst, sind nicht einschlägig. Auch die BRAO enthält keine entgegenstehenden Regelungen. Es ist auch sonst nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass trotz des von § 35 InsO umfassend angeordneten Insolvenzbeschlags ausnahmsweise Gebührenforderungen des ehemaligen Rechtsanwalts, die der Abwickler geltend macht, nicht in die Insolvenzmasse fallen sollten.
Auch Sinn und Zweck der Tätigkeit des Abwicklers spricht dafür, dass der Insolvenzverwalter gemäß § 80 InsO allein zur gerichtlichen Geltendmachung von Gebührenforderungen des ehemaligen Rechtsanwalts befugt ist. Die Bestellung eines Kanzleiabwicklers erfolgt zum Schutz der Mandanten, für die im Interesse der Rechtssicherheit die reibungslose Fortführung der laufenden Angelegenheiten sichergestellt werden soll, und in diesem Zusammenhang auch zur Wahrung des Ansehens der Anwaltschaft (BGH, Urteil vom 28. November 2019 – IX ZR 239/18 –, BGHZ 224, 177-195, Rn. 26; BGH, Urteil vom 7. Februar 2019 – IX ZR 5/18 –, Rn. 21, juris). Dafür ist es jedoch nicht erforderlich, dem Abwickler eine Befugnis zur gerichtlichen Geltendmachung von Gebührenforderungen auch dann einzuräumen, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet ist.
Zwar hat der Abwickler dem Insolvenzverwalter gemäß § 53 Abs. 9 Satz 2, § 55 Abs. 3 Satz 1 BRAO, § 666 BGB über den Stand eines jeden Auftrags, insbesondere über die Entstehung von Vergütungsforderungen und die Vereinnahmung von Gebühren, Rechenschaft zu erteilen (BGH, Urteil vom 7. Februar 2019 – IX ZR 5/18 –, Rn. 32, juris, siehe auch OLG Köln, Urteil vom 4. November 2009 – I-17 U 40/09 –, juris). Auch diese Befugnis erfordert es jedoch nicht, ausstehende Gebühren gerichtlich geltend zu machen.
Auch sonst sind keine Gründe vorgetragen oder sonst ersichtlich, die für eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortbestehende Befugnis des Abwicklers nach § 55 BRAO sprechen könnten, dass er weiterhin zur Einziehung von Gebührenforderungen auch im Wege von Aktivprozessen berechtigt sein könnte. Soweit der Kläger dazu meint, dass seine aus § 55 Abs. 3 S. 2 ZPO folgende Befugnis zur Fortführung von Aufträgen der ehemaligen Rechtsanwältin das Fortbestehen seiner Aktivlegitimation erfordere, tritt der Senat dem nicht bei. Denn das Fortführen von Aufträgen durch den Abwickler setzt es jedenfalls nicht voraus, dass der Abwickler ausstehende Gebühren gerichtlich geltend macht. Dabei ist es auch unerheblich, dass der Kläger geltend macht, er habe einige der geltend gemachten Gebühren als Abwickler selbst verdient.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 118 Abs. 1 S. 4 ZPO).
4. Ein Rechtsmittel ist gegen den vorliegenden Beschluss nicht eröffnet. Zulassungsgründe im Sinne von § 574 ZPO für die Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (vgl. Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 127 Entscheidungen, Rn. 29)