Gericht | VG Frankfurt (Oder) 7. Kammer | Entscheidungsdatum | 19.12.2022 | |
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Aktenzeichen | 7 K 2167/18 | ECLI | ECLI:DE:VGFRANK:2022:1219.7K2167.18.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 52 Abs 1 GKG, Nr 1002 RVG-VV, Nr 2300 RVG-VV, § 113 Abs 5 S 1 VwGO, § 52 Abs 2 GKG |
Mangels hinreichender Anhaltspunkte ist das Interesse der Widerspruchsführerin hinsichtlich des von ihr verfolgten Begehrens auf Akteneinsicht in die Baugenehmigungsakte mit dem gesetzlichen Auffangwert von 5.000 Euro zu bemessen.
Der Beklagte wird verpflichtet, die der Klägerin gemäß dem Kostenfestsetzungsantrag ihres Prozessbevollmächtigten vom 18. Juni 2018 zu erstattenden Kosten auf 492,54 Euro festzusetzen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 6/10 und der Beklagte zu 4/10.
Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Die Klägerin begehrt die Erstattung der Kosten ihres bevollmächtigten Rechtsanwalts in dem von ihr erfolgreich betriebenen Widerspruchsverfahren bezüglich eines Antrags auf Akteneinsicht in einem Baunachbarstreit.
Im Ausgangsverfahren hatte die Klägerin neben einem Drittwiderspruch gegen die einem Nachbarn erteilte Baugenehmigung im Dezember 2017 einen Akteneinsichtsantrag gestellt. Der Beklagte gewährte mit Bescheid vom 4. Januar 2018 beschränkte Akteneinsicht nach dem Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AIG) und erhob hierfür Gebühren.
Dem gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch der Klägerin gab der Beklagte durch den so bezeichneten Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2018 statt und hob den Bescheid vom 4. Januar 2018 nebst zugehörigen Kostenbescheid auf. Diesbezüglich regelte der Widerspruchsbescheid in Ziffer 4., dass insoweit der Beklagte die Kosten des Verfahrens trage. In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass es einer Regelung bzgl. der Akteneinsicht selbst nicht mehr bedürfe, weil diese durch die Übersendung von 46 Seiten bereits erfolgt und das Begehren damit erledigt sei.
Die Klägerin beantragte mit Telefax ihres Bevollmächtigten vom 18. Juni 2018 die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären und die ihr zu erstattenden Kosten des Widerspruchsverfahrens auf 1.123,40 Euro gemäß der Rechnung ihres Bevollmächtigten festzusetzen.
Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 12. Juli 2018 erklärte der Beklagte die Hinzuziehung des Bevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren für notwendig und setzte die erstattungsfähigen Kosten auf 55,70 Euro fest. Dabei sah er bei einem anzusetzenden Gegenstandswert von 500 Euro eine Geschäftsgebühr von 1,3 gemäß Nr. 2300 Vergütungsverzeichnis zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz VG (VV RVG) und Gebühren für Post- und Telekommunikation nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 11,70 Euro nebst Umsatzsteuer als erstattungsfähig an. Die geltend gemachte Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG sei hingegen nicht angefallen, da es sich bei dieser um eine Erfolgsgebühr handele, die nicht nur eine allgemeine Verfahrensförderung abgelte, sondern eine auf den besonderen Erfolg der Erledigung der Sache ohne förmliche Entscheidung abzielende Mitwirkung des Rechtsanwalts erfordere. Die Einlegung des Widerspruchs genüge hierfür nicht.
Den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 24. August 2018 als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat am 19. September 2018 Klage erhoben, mit der Sie die geltend gemachte höhere Kostenerstattung weiterverfolgt. Sie macht geltend, dass der Gebührenberechnung als Gegenstandswert der gesetzliche Auffangwert zugrunde zu legen sei, weil mit der begehrten Akteneinsicht kein konkretes wirtschaftliches Interesse verbunden gewesen sei. Außerdem sei die Erledigungsgebühr angefallen, weil der Bevollmächtigte der Klägerin durch die nicht notwendige Widerspruchsbegründung auf das Einlenken des Beklagten und damit die in der Sache herbeigeführte Erledigung eingewirkt habe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten zu verpflichten, die der Klägerin gemäß dem Kostenfestsetzungsantrag ihres Prozessbevollmächtigten vom 18. Juni 2018 zu erstattenden Kosten auf 1.123,40 Euro festzusetzen und
die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist hierzu auf die Gründe der angegriffenen Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der beigezogenen Gerichtsakte zum Verfahren VG 7 K 1000/18 und der vom Beklagten zu diesen Verfahren vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Der Berichterstatter entscheidet gemäß § 87a Abs. 2 und 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anstelle der Kammer, nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.
Die zulässige Verpflichtungsklage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang teilweise begründet. Der Kostenfestsetzungsbescheid des Beklagten vom 12. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit der Beklagte die ihr zu erstattenden Kosten des durchgeführten Vorverfahrens mit weniger als 492,54 Euro festgesetzt hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), denn in dieser Höhe hat die Klägerin aufgrund der Kostengrundentscheidung im so bezeichneten Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2018 (dort Ziffer 4.) einen Anspruch auf Erstattung ihrer Kosten (vgl. im Übrigen § 80 Abs. 1 und 2 Verwaltungsverfahrensgesetz). Im Übrigen ist die Ablehnung des weitergehenden Kostenanspruchs rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
1. Soweit der Beklagte bei seiner Kostenberechnung zutreffend eine 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG i. V. m. §§ 13 und 14 RVG in der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung als erstattungsfähig anerkannt hat, ist er fehlerhaft von einem zu niedrigen Gegenstandswert ausgegangen. Für das mit dem Widerspruch geltend gemachte Begehren auf (uneingeschränkte) Akteneinsicht in Bezug auf ein Bauvorhaben des Grundstücksnachbarn ist richtigerweise ein Gegenstandswert in Höhe des Auffangwertes von 5.000 Euro gemäß § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i. V. m. § 23 Abs. 1 Satz 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) anzusetzen. Demzufolge bemisst sich die zu erstattende 1,3 Geschäftsgebühr mit den beantragten 393,90 Euro nebst entsprechender Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG).
Nach § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Diese Bestimmung wird von den Gerichten und auch der Kammer in vielen Fallgestaltungen durch Schätzung unter Zuhilfenahme von Typisierungen und Schematisierungen vorgenommen, wobei sich die Kammer regelmäßig an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs orientiert. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts jedoch keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG).
Danach ist der Gegenstandswert hinsichtlich der von der Klägerin begehrten (uneingeschränkten) Akteneinsicht in die Bauakte des Nachbarn gemäß des nach § 1 des Brandenburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BbgVwVfG) anwendbaren § 29 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) bzw. des diesbezüglichen Widerspruchs nach § 52 Abs. 2 GKG zu bemessen. Denn für eine anderweitige Bemessung des Interesses der Klägerin im Widerspruchsverfahren fehlen konkrete Anhaltspunkte. Die der Klägerin auferlegten Kopierkosten bzw. die von ihr erhobene Gebühr nach dem AIG geben nicht das Interesse der Klägerin an der – zuvor nach der Entscheidung des Beklagten nur eingeschränkt gewährten – Akteneinsicht wieder (vgl. etwa VGH BW, Beschluss vom 8. Juli 2021 - 5 S 1350/21 -, juris Rn. 7; SächsOVG, Beschluss vom 4. Oktober 2012 - 3 E 83/12 -, juris Rn. 3; FG des Saarlandes, Beschluss vom 1. September 2010 - 2 K 1614/09 -, juris Rn. 6).
Soweit die Kammer im Verlauf des Gerichtsverfahrens zwischenzeitlich mit Blick auf das bei einem verfahrensrechtlichen Akteneinsichtsbegehren (im Unterschied zu einem solchen nach dem AIG) bestehende Erfordernis eines konkreten rechtlichen Interesses erwogen hat, lediglich einen Bruchteil des Auffangwertes als interessengerecht für die Bestimmung des Gegenstandswertes anzunehmen, überzeugt dies letztlich nicht. Denn ein konkreter Anhaltspunkt für die Bemessung des klägerischen Interesses an der Akteneinsicht lässt sich diesem Gesichtspunkt nicht entnehmen, weshalb es mit Blick auf den Wortlaut von § 52 Abs. 2 GKG nicht überzeugt, das Interesse geringer zu bewerten als in den Fällen nach den Akteninformationsgesetzen, in denen die Rechtsprechung ganz überwiegend den Auffangwert heranzieht. Schließlich lässt sich das Interesse an der Akteneinsicht auch bei einem Bezug auf ein konkretes Verwaltungsverfahren – wie hier die Erteilung einer Baugenehmigung an den Nachbarn – nicht überzeugend in Relation zu dem Interesse des die Einsichtnahme Begehrenden in der Sache selbst, also etwa an der Anfechtung der Baugenehmigung, bemessen. Zwar mag die Akteneinsicht häufig in Vorbereitung eines Tätigwerdens in der Sache erfolgen. Gleichwohl ist das Interesse an der Akteneinsicht im Ansatz ein anderes als das möglicherweise dahinterstehende Interesse des die Einsicht Begehrenden in der Angelegenheit, die Gegenstand der Akteneinsicht ist. Denn im Wesentlichen dient die Akteneinsicht der Beschaffung von Informationen, die eine Überprüfung der eigenen Betroffenheit und Rechtsposition ermöglichen können. Deutlich wird dies auch daran, dass in Fällen mit einem hohen Streitwert der Sache, auf die sich die Akteneinsicht bezieht, eine an diesen Wert proportional anknüpfende Bemessung des Gegenstandwertes des Akteneinsichtsbegehrens zu evident unangemessenen Ergebnissen führen würde.
2. Hinsichtlich der von der Klägerin aus dem Kostenfestsetzungsantrag weitergehend verfolgten Ansprüche bleibt die Klage dagegen unbegründet.
Insbesondere ist eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG nicht angefallen. Der Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass die für den Anfall der Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV erforderliche Mitwirkung des Rechtsanwalts über das hinausgehen muss, was von dem Anwalt allgemein im Rahmen seiner Bevollmächtigung zu erwarten ist, und die durch die bis dahin entstandenen Gebühren noch nicht als abgegolten angesehen werden kann (vgl. BVerwG Beschluss vom 28. November 2011 - 6 B 34.11 -, Rn. 4 bei juris; Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2014 - 6 K 128.14 -, juris Rn. 4 m. w. N.). Als Erfolgsgebühr stellt sie ein Honorar für Prozessbevollmächtigte dar, die durch ihre Mitwirkung erreicht haben, dass eine streitige Entscheidung des Gerichts in der Sache nicht mehr ergehen muss. Mithin sollen mit der Erledigungsgebühr die Entlastung der Gerichte und das erfolgreiche anwaltliche Bemühen um eine möglichst weitgehende Herstellung des Rechtsfriedens zwischen den Beteiligten ohne gerichtliche Sachentscheidung honoriert werden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. September 2015 - OVG 6 K 13.15 -, juris m. w. N.). Von daher ist die hier allein erfolgte Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin als Bevollmächtigter im Widerspruchsverfahren – nämlich durch Einlegung und Begründung des Widerspruchs – nicht hinreichend, um die Erledigungsgebühr auszulösen, wenn der Beklagte dem Widerspruch abhilft oder ihm stattgibt (vgl. SächsOVG, Beschluss vom 22. Juni 2007 - 5 B 281/07 -, juris Rn. 5 ff. m. w. N.).
Die im Kostenfestsetzungsantrag aufgeführte Beratungsgebühr nach § 34 RVG ist in dem betreffenden Widerspruchsverfahren nicht angefallen. Dies hat die Klägerin im Klageverfahren selbst eingeräumt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären. Über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren ist unter Würdigung der jeweiligen Verhältnisse vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten aus zu entscheiden. Maßgebend ist, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage eines Bevollmächtigten bedient hätte. Notwendig ist die Zuziehung eines Bevollmächtigten dann, wenn es dem Beteiligten nach seinen persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen. Die Notwendigkeit der Zuziehung wird auch durch die Bedeutung der Sache für den Beteiligten bestimmt, wobei der Zeitpunkt der Bevollmächtigung maßgeblich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. August 2018 - 2 A 6.15 - juris Rn. 5; OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 3. April 2017 - OVG 10 L 24.17 - juris Rn. 3 und vom 08.07.2019 - OVG 3 L 37.18 -, juris Rn. 2 m. w. N.). Daran gemessen war es der rechtsunkundigen Klägerin mit Blick auf die in Rede stehenden speziellen Rechtsfragen des Kostenrechts nicht zumutbar, das Vorverfahren selbst zu führen.
Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung. Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124 a Abs. 1 Nr. 1 VwGO sind nicht gegeben.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.067,70 € festgesetzt.
Gründe
Die Festsetzung beruht auf § 53 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz und entspricht dem streitbefangenen Geldbetrag.