Gericht | VG Cottbus 2. Kammer | Entscheidungsdatum | 25.01.2023 | |
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Aktenzeichen | 2 K 1410/20 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2023:0125.2K1410.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 127ff BauGB, § 705ff BGB |
Der Bescheid des Beklagten vom 31. Januar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2020 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten der Kläger für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Beteiligten streiten um einen Erschließungsbeitragsbescheid des Beklagten mit dem dieser die Kläger zu einem Beitrag für den Fahrbahnbau einschließlich Oberflächenentwässerung in der Straße „O...“ in der Gemeinde S...herangezogen hat.
Mit Beschluss Nr. G...vom 21. November 2007 beschloss die Gemeindevertretung der Gemeinde S...unbefestigte Straßen in der Gemeinde S...beginnend mit dem Jahr 2008 in einem Zeitraum von 4 Jahren gemäß dem von der Gemeindevertretung noch zu beschließenden Straßenausbauprogramm für unbefestigte Straßen in S...grundhaft auszubauen und soweit erforderlich, neue Straßenbeleuchtungen zu errichten. Für das Projekt „Ausbau von 16 km unbefestigte Straße“ fand eine einheitliche EU weite Ausschreibung und Vergabe statt. Die Vergabe erfolgte für alle 39 Straßen einheitlich. Das Leistungsverzeichnis war so aufbereitet, dass für jede der 39 Straßen innerhalb des Gesamtprojekts eine separate Mengenermittlung erfolgte und im Gesamt-Leistungsverzeichnis die Einzelpositionen addiert und als eine „Mengenangabe“ zusammengeführt wurde. Die Bauunternehmen kalkulierten für alle 39 Straßen insgesamt einen Einheitspreis je Leistungsposition. Es wurden fünf Bieter im Verhandlungsverfahren beteiligt. Den Zuschlag erhielt der günstigste Bieter. Die 39 Straßen wurden auf vier Teileinzugsbereiche über einen Zeitraum von vier Jahren aufgeteilt. Mit Beschluss Nr. G... vom 28. September 2011 beschloss die Gemeindevertretung der Gemeinde S...im Rahmen des Projekts „Ausbau von 16 km unbefestigte Straßen“ das Bauprogramm für die Erschließungsmaßnahmen am „O...“. Das Bauprogramm für den grundhaften Ausbau der Erschließungsmaßnahme sah die Herstellung einer mit regelgerechtem Unterbau versehenen Fahrbahn in einer Breite von ca. 3 m mit Betonsteinpflaster und beidseitigen Betonborden vor, eine Oberflächenentwässerung in Form einer einseitigen Versickerungsmulde neben dem Bankett der Fahrbahn sowie Grünstreifen. Die erstmalige Herstellung einer Beleuchtungseinrichtung war im Bauprogramm vom 24. Mai 2011 nicht vorgesehen. Die Gemeindevertretung der Gemeinde S...beschloss mit Beschluss Nr. B... am 27. Juni 2018 die Kostenspaltung für den O...für die Fahrbahn einschließlich Oberflächenentwässerung. Die Abnahme dieser Straßenbaumaßnahme fand im Dezember 2014 statt. Die letzte Unternehmerrechnung für diese Baumaßnahmen ging bei der Gemeinde S...im Jahre 2015 ein. Die umlagefähigen Gesamtkosten bezifferte die Gemeinde S...mit 29.810,56 €, von denen sie entsprechend ihrer Erschließungsbeitragssatzung 25 % als Eigenanteil trug.
Die Kläger sind als Eheleute Eigentümer des unter einer eigenen Nummer im Grundbuch eingetragenen Grundstücks F..., das nicht unmittelbar an den O..., sondern an die O... angrenzt. Dem Grundstück vorgelagert befindet sich das ebenfalls unter einer eigenen Nummer im Grundbuch gebuchte Grundstück F..., das an den O...angrenzt und im Eigentum der G... steht. Auf dem Vorderliegergrundstück (F...) befindet sich ein Wohnhaus. Das Flurstück 2...(Hinterlieger) wird vom Vorderliegergrundstück aus mitgenutzt. Auf diesem Grundstück befindet sich unter anderem ein Pool. Die Grundstücke sind fußläufig über einen gepflasterten Weg miteinander verbunden. Eine Zufahrt vom Vorderliegergrundstück zum Hinterliegergrundstück gibt es nicht. In dem GbR-Gesellschaftsvertrag vom 13. Dezember 2009 (VG 2 K 1414/20 Bl. 121 f.) heißt es in § 5 Geschäftsführung, Vertretung „Die Führung der Geschäfte der Gesellschaft soll gemeinschaftlich und einvernehmlich erfolgen“. Als Gesellschaftszweck ist der Erwerb des bebauten Grundstücks am O... S..., F...sowie der Umbau und Neubau des Haupthauses zu Wohnzwecken angegeben (vgl. § 1 des Gesellschaftsvertrages).
Mit Bescheid vom 31. Januar 2020 zog der Beklagte die Kläger für das Grundstück F... zu einem Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der Teileinrichtungen Fahrbahnausbau einschließlich Oberflächenentwässerung in Höhe von 3.165,32 € heran. Den dagegen von den Klägern erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2020 zurück.
Die Kläger haben am 13. August 2020 Klage erhoben.
Sie sind der Ansicht, dass der streitgegenständliche Bescheid rechtswidrig sei.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 31. Januar 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2020 aufzuheben sowie
die Hinzuziehung ihres Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass der Bescheid rechtmäßig sei. Die Kläger seien beitragspflichtig. Für die Inanspruchnahme der Kläger sei nicht entscheidend, dass es keine grundbuchrechtlich gesicherte Inanspruchnahmemöglichkeit von dem Hinterliegergrundstück über das Anliegergrundstück zur Erschließungsanlage O...gäbe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei ein nicht gefangenes Hinterliegergrundstück, dessen Eigentümer nicht mit dem des Anliegergrundstück identisch seien, beitragspflichtig, wenn es über eine Zufahrt bzw. Zuwegung zur Erschließungsanlage verfüge und diese Zufahrt bzw. diese Zuwegung in rechtlich gesicherter Weise und auf Dauer benutzt werden könne. Die Beitragspflicht eines Hinterliegergrundstücks entstehe bereits dann, wenn die Zufahrt bzw. die Zuwegung durch eine vertragliche Abrede zwischen den Eigentümern gesichert sei. Dies sei vorliegend der Fall. Es liege jedenfalls eine konkludente Vereinbarung über die Nutzung der Zuwegung vom Anliegergrundstück zum Hinterliegergrundstück vor. Indem die J... den Klägern die Möglichkeit und Inanspruchnahme der Zuwegung zum Hinterliegergrundstück zur Verfügung stelle, die diese durch Anlegen des Gartenwegs zu dem u.a. mit dem Pool bebauten Hinterliegergrundstück unstreitig auch in Anspruch nähmen, läge eine konkludente Vereinbarung zur Nutzung des Anliegergrundstücks als Zuwegung zum Hinterliegergrundstück vor. Aufgrund dieser jedenfalls konkludent geschlossenen Vereinbarung sei die Zuwegung rechtlich gesichert.
Die Kammer hat das Verfahren nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 18. November 2022 auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie auf die Verfahren VG 2 K 1268/20, VG 2 K 1269/20, VG 2 K 1414/20, VG 2 K 1415/20, VG 2 K 1416/20 und VG 2 K 762/20 nebst Beiakten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Die Berichterstatterin kann anstelle der Kammer als Einzelrichterin entscheiden, weil ihr die Kammer mit Beschluss vom 18. November 2022 den Rechtsstreit nach § 6 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur Entscheidung übertragen hat.
Die zulässige Klage ist begründet. Der Erschließungsbeitragsbescheid vom 31. Januar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2020 ist rechtwidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung-VwGO).
Das Grundstück F... ist nicht nach § 131 Abs. 1 S. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) von der abgerechneten Anlage O...in der Gemeinde S...erschlossen, sodass deren Eigentümer auch keiner Beitragspflicht nach § 134 BauGB unterliegen.
Nach § 131 Abs. 1 S. 1 BauGB ist der ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand für eine Erschließungsanlage auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen.
Anbaustraßen (§ 127 Abs. 3 Nr. 1 BauGB) sind dazu bestimmt, anliegenden Grundstücken (einschließlich gegebenenfalls Hinterliegergrundstücken) das zu gewährleisten, was für Ihre nach dem Bebauungsrecht zulässige Ausnutzbarkeit an verkehrsmäßige Erschließung erforderlich ist. Vermittelt eine Anbaustraße einem Grundstück eine solches bebauungsrechtliches Erschlossensein, wächst ihm durch die damit verbundene Inanspruchnahmemöglichkeit der hergestellten Anbaustraße ein Erschließungsvorteil zu, der die Annahme erlaubt, es werde auch erschließungsbeitragsrechtlich erschlossen und nehme folglich an der Verteilung des für diese Straße entstandenen umlagefähigen Aufwands teil. Das führt zur der Erkenntnis, dass das erschließungsbeitragsrechtliche Erschlossensein „wesentlich“ vom bebauungsrechtlichen Erschlossensein bestimmt wird, also erschließungsbeitragsrechtlich erschlossen grundsätzlich die Grundstücke sind, die durch die abzurechnende Straße bebauungsrechtlich erschlossen sind. Die gekennzeichnete Abhängigkeit des Erschlossenseins von Grundstücken vom Bebauungsrecht zwingt für die Beurteilung, ob ein bestimmtes Grundstück durch die abzurechnende Anbaustraße erschlossen im Sinne des § 131 Abs. 1 S. 1 Bau GB wird, jeweils zur Beantwortung der Frage, ob mit Blick auf gerade diese Anlage im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten den Anforderungen genügt ist, die das Bebauungsrecht - soweit es um die verkehrsmäßige Erschließung geht - an die Bebaubarkeit des betreffenden Grundstücks stellt. In Wohngebieten werden Grundstücke durch eine Anbaustraße in der Regel erschlossen, wenn die Straße - bei Hinterliegergrundstücken gegebenenfalls unter Inanspruchnahme eines vermittelnden (privaten) Zuweg - die Möglichkeit eröffnet, mit Personen- und Versorgungsfahrzeugen an sie heranzufahren und sie von da ab zu betreten. An einer Anbaustraße liegende beitragsrechtlich relevant nutzbare (Anlieger-)Grundstücke in Wohngebieten sind grundsätzlich erschlossen, wenn die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit besteht, auf der Fahrbahn der betreffenden Anbaustraße bis zur Höhe des Grundstücks mit Kraftfahrzeugen zu fahren, dort zu halten und sie von da aus gegebenenfalls über Geh- und/oder Radwege zu betreten. Für Hinterliegergrundstücke ist die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erschlossensein derartige Grundstücke geprägt von den beiden Annahmen, - erstens - „ein durch ein baulich genutztes oder nutzbares Anliegergrundstück von der abzurechnenden Anbaustraße getrenntes Hinterliegergrundstück (wird) grundsätzlich nicht durch diese Erschließungsanlage im Sinne des §§ 131 Abs. 1 S. 1 BauGB erschlossen“ und „die Beurteilung des Erschlossenseins von Hinterliegergrundstücken“ hängt – zweitens - „ausschlaggebend davon ab, ob die Eigentümer der übrigen erschlossenen Grundstücke nach dem im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten bestehenden tatsächlichen Verhältnissen schutzwürdig erwarten können, dass auch das Hinterliegergrundstück an der Verteilung des für die abzurechnende beitragsfähige Erschließungsanlage anfallenden umlagefähigen Aufwand teilnimmt, insbesondere das Vorhandensein einer Zuwegung (Zufahrt) von der Anbaustraße über das Anliegergrundstück zum Hinterliegergrundstück sowie die einheitliche Nutzung von Anlieger- und Hinterliegergrundstück soll eine derartige schutzwürdige Erwartung begründen. (Vgl. Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 11. Aufl., München 2022 § 17 Rn. 14 ff., 78 ff., 83, 91 ff. jeweils m.w.N.).
Vorliegend handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Flurstück 2..., das von einer eigenen Anbaustraße (O...) erschlossen wird, um ein atypisches Hinterliegergrundstück. Atypische Hinterliegergrundstücke sind Grundstücke, die durch ein selbstständig bebaubares Grundstück von der Anlage getrennt sind. Derartige Hinterliegergrundstücke sind nur im Ausnahmefall erschlossen, weil der Erschließungsvorteil regelmäßig von dem davor gelegenen Anliegergrundstück „abgeschöpft“ wird. Erschlossen sind diese Hinterliegergrundstücke immer dann, wenn sie durch eine dauerhafte, rechtlich gesicherte Zufahrt mit der Anlage verbunden sind. Zwar erfüllen diese Grundstücke nicht die Voraussetzung, dass auf der Erschließungsanlage an Sie herangefahren werden und Sie von dort aus betreten werden können, sie erfüllen jedoch die baurechtlichen Anforderungen der gesicherten Erschließung (vgl. §§ 30, 34 BauGB), sind also baulich oder gewerblich nutzbar und erhalten damit einen Erschließungsvorteil. Eine bloße Duldung einer Zufahrt oder eines Zugangs stellt in dieser Fallkonstellation keine Sicherung dar. Auch eine bloß schuldrechtliche Gestattung der Nutzung ist nicht ausreichend, da sie bei einem Eigentümerwechsel durch Kauf ihre Geltung verlieren. Unter welchen Voraussetzungen ein Hinterliegergrundstück aber auch ohne rechtlich gesicherte Zufahrt - wie hier - ausnahmsweise als erschlossen im Sinne des § 131 Abs. 1 BauGB anzusehen ist, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt. Zu prüfende Kriterien sind vor allem, ob eine tatsächliche Zufahrt gegeben ist, ob die Grundstücke einheitlich genutzt werden und welche Eigentumsverhältnisse zwischen Anlieger- und Hinterliegergrundstück vorliegen. Stehen das Anlieger- und das Hinterliegergrundstück im Eigentum desselben Eigentümers (Eigentümeridentität) und werden einheitlich genutzt so ist es irrelevant, ob eine Zufahrt besteht. Sie werden durch das Anliegergrundstück erschlossen. Stehen das Anlieger- und das Hinterliegergrundstück nicht im Eigentum desselben Eigentümers, besteht jedoch eine tatsächliche, rechtlich gesicherte, Zufahrt und liegen darüber hinaus weitere Umstände vor, wonach die übrigen Beitragspflichtigen unter dem Gesichtspunkt der schützenswerten Erwartungshaltung damit rechnen können, dass die Erschließungsanlage vom Hinterliegergrundstück aus mit einer erschließungsbeitragsrechtlich relevanten Wahrscheinlichkeit typischerweise in Anspruch genommen wird, dann dürfen die übrigen Anlieger damit rechnen, dass das Grundstück in die Verteilung des beitragsfähigen Aufwands mit aufgenommen wird (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. Juli 2018 - OVG 5 S 49.70 10 -, juris Rn. 6 ff., Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand: Februar 2021, Rn. 853 ff. m.w.N.).
Gemessen an diesen Maßstäben, ist das streitgegenständliche Hinterliegergrundstück zur Überzeugung der erkennenden Einzelrichterin nicht von der abgerechneten Anlage (O...) über das Anliegergrundstück erschlossen. Zum einen stehen beide Grundstücke nicht im Eigentum desselben Eigentümers; des Weiteren besteht keine rechtlich gesicherte Zufahrt vom Anliegergrundstück zum Hinterliegergrundstück und es liegen auch keine besonderen Umstände vor, aus denen ersichtlich wäre, dass das Hinterliegergrundstück, das an eine eigene Anlage angrenzt, aus Sicht der übrigen Beitragspflichtigen mit in die Verteilung des Aufwands für den O...aufgenommen werden müsste.
Das Hinterliegergrundstück verfügt - unstreitig - weder über eine öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt noch über eine tatsächliche Zufahrt über das Anliegergrundstück zum O..., wie es nach § 4 Abs. 1, 2. HS der Brandenburgischen Bauordnung (BbgBO) für eine Bebauung auf dem Hinterliegergrundstück erforderlich wäre. Es besteht zwar eine einheitliche Nutzung unter „Verwischung“ der Grundstücksgrenze durch eine grenzüberschreitende Anlegung eines gepflasterten Weges und einer einheitlichen Nutzung beider Grundstücke als großes Wohngrundstück (vgl. zu dieser Konstellation: BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1997 - 8 C 27.96 -, juris m.w.N.), doch führt diese einheitliche Nutzung hier nicht zu einem „Erschlossensein“ des Hinterliegergrundstücks über das Anliegergrundstück, weil zwischen den Grundstücken Eigentümerverschiedenheit besteht.
Das Anliegergrundstück (F...) steht im Eigentum der G.... Das Hinterliegergrundstück (F...) steht im Eigentum der Eheleute G.... Bei der G...handelt es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach §§ 705 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Eine BGB-Gesellschaft ist sowohl eine partei- als auch rechtsfähige Außengesellschaft und kann als solche selbst beitragspflichtig sein (vgl. z.B. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. November 2007 - 9 S 23.07, juris). Allein der Umstand, dass die alleinigen Gesellschafter der BGB-Gesellschaft auch zugleich als Eheleute Eigentümer des Hinterliegergrundstücks sind führt hier nicht dazu, dass von einer Eigentümeridentität auszugehen ist. Denn sowohl nach § 709 Abs. 1 BGB als auch nach § 5 des Gesellschaftsvertrages kann keiner der Eigentümer des Hinterliegergrundstücks (Eheleute G...) dem Hinterliegergrundstück über das Anliegergrundstück ohne die Zustimmung des jeweils anderen Eigentümers eine rechtlich gesicherte Zufahrt zur ausgebauten Anlage (O...) verschaffen.
Anders, als in den Fällen, in dem das Vorderliegergrundstück im Alleineigentum eines der Miteigentümer des Hinterliegergrundstücks steht (vgl. z.B. zu dieser Konstellation: BVerwG, Urteil vom 28. März 2007 - 9 C 4.06 -, juris Leitsatz, OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. Juli 2004 - 6 A 10578/04 -, juris Rn. 20 ff. m.w.N., VGH München, Urteil vom 13. Mai 2004 - 6 B 01. 62 -, Rn. 25, Beck-online) bedarf es hier in jedem Fall der Mitwirkung des anderen Gesellschafters für eine rechtlich gesicherte Zufahrt vom Anliegergrundstück zum Hinterliegergrundstück. Nach § 709 Abs. 1 BGB steht die Führung der Geschäfte der Gesellschaft den Gesellschaftern gemeinschaftlich zu; für jedes Geschäft ist die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich. Diese gesetzliche Regelung deckt sich inhaltlich mit § 5 der Regelung im Gesellschaftsvertrag der G..., wonach die Führung der Geschäfte der Gesellschaft gemeinschaftlich und einvernehmlich erfolgen soll. Dies bedeutet, dass sowohl Frau G... als auch Herr G...jeweils darauf angewiesen wären, dass die BGB-Gesellschaft, deren Gesellschafter beide Eheleute sind, eine einvernehmliche gemeinschaftliche Entscheidung dazu trifft, ob das Hinterliegergrundstück über das Anliegergrundstück zur ausgebauten Anlage eine rechtlich gesicherte Zufahrt erhält. Wenn also einer der beiden Gesellschafter nicht damit einverstanden sein sollte, dass das Hinterliegergrundstück über das Anliegergrundstück eine rechtlich gesicherte Zufahrt erhält, wie es nach § 4 Abs. 1 der BbgBO für die Bebauung des Hinterliegergrundstücks vorgesehen ist, scheitert das baurechtliche Erschlossensein. Daran ändert auch der Umstand, dass die Gesellschafter miteinander verheiratet sind nichts. Denn allein aus der Ehe ist nicht zwingend darauf zu schließen, dass der jeweils andere Ehepartner mit dem Vorhaben einverstanden sein muss bzw. für ihn eine Pflicht zur Duldung einer Zufahrt über das Anliegergrundstück besteht (vgl. VGH München, Beschluss vom 4. Juli 2005 - 6 ZB 03. 591 -, juris).
Überdies sind auch keine weiteren Umstände erkennbar, wonach das Hinterliegergrundstück, das über eine eigene Erschließung zur O...verfügt, auf die Zweiterschließung durch das Anliegergrundstück geradezu angewiesen wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten der Kläger für das Vorverfahren wird gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 der VwGO für notwendig erklärt, weil es den Klägern aus der Sicht einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei nicht zuzumuten war, den Rechtsstreit ohne anwaltliche Hilfe zu führen. Dies gilt insbesondere für das Kommunalabgabenrecht, da hier der Bürger in aller Regel nicht in der Lage ist, seine Rechte gegenüber der Verwaltung ohne rechtskundigen Rat ausreichend zu wahren (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, Beschlüsse vom 6. Dezember 1999 – 2 E 34/99 -, - 2 E 36/99 – und - 2 E 38/99 -).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).