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Entscheidung 6 W 71/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 6. Zivilsenat Entscheidungsdatum 07.03.2023
Aktenzeichen 6 W 71/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0307.6W71.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Potsdam vom 30. September 2022 - 4 O 352/18 - aufgehoben. Das Kostenfestsetzungsverfahren wird zur Neufestsetzung der Kosten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an den Rechtspfleger zurückverwiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Eine Gebühr für das Beschwerdeverfahren wird nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Klägerin hat die Beklagte, eine Gemeinde im Land Brandenburg, vor dem Landgericht Potsdam auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten in Anspruch genommen. Gegen die Beklagte ist im schriftlichen Vorverfahren am 14. Januar 2019 ein klagezusprechendes Versäumnisurteil ergangen. Auf Einspruch der Beklagten führte das Landgericht eine mündliche Verhandlung mit Beweisaufnahme durch. Mit Beschluss vom 4. April 2022 stellte das Landgericht auf übereinstimmenden Antrag beider Parteien das Zustandekommen eines Vergleiches zur abschließenden Regelung des Rechtsstreits fest. Dieser enthielt die folgende Kostenregelung:

„Von den Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs tragen die Klägerin 72 % und die Beklagte 28 %. Ausgenommen hiervon sind die Kosten der Säumnis, diese trägt die Beklagte allein.“

Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss hat das Landgericht - Rechtspfleger - 696,16 € an von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten festgesetzt und dabei in den prozentualen Kostenausgleich unter anderem die Gerichtskostenrechnung vom 28.04.2022 eingestellt, die drei Gebühren nach GKG KV Ziff. 1210 berücksichtigt.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie geltend macht, die prozentuale Einbeziehung des dreifachen Satzes der Gerichtskosten nach GKG KV Ziff 1210 lasse außer Acht, dass die Beklagte sich in dem Vergleich verpflichtet habe, die Kosten ihrer Säumnis vollständig zu tragen.

Das Landgericht hat der Beschwerde nach Einholung einer Stellungnahme des Bezirksrevisors beim Landgericht Potsdam nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden,  § 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3, § 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, § 569 ZPO.

Sie ist auch begründet. Die Klägerin kann eine Abänderung des angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlusses verlangen, soweit der Rechtspfleger im Wege des Kostenausgleichs auch drei Gerichtsgebühren prozentual zwischen den Parteien aufgeteilt hat. Richtigerweise hat nach der zwischen den Parteien im Vergleich vom 4. April 2022 getroffenen Regelung die Beklagte zwei Gerichtsgebühren allein zu tragen. Dabei handelt es sich um den Betrag, um den sich die Gerichtsgebühren nach GKG KV Ziff 1211 KV GKG trotz des Vergleiches nicht ermäßigt haben, weil dem Vergleich ein Versäumnisurteil vorangegangen ist.

Nach GKG KV Ziff. 1211 ermäßigt sich der Satz der dreifachen Gebühr nach Ziff. 1210 KV GKG auf die einfache Gebühr, wenn das gesamte Verfahren durch Vergleich beendet wird, es sei denn, dass bereits ein anderes als eines der in Nummer 2 genannten Urteile, eine Entscheidung über einen Antrag auf Erlass einer Sicherungsanordnung oder ein Musterentscheid nach dem KapMuG vorausgegangen ist. Versäumnisurteile sind nach dem Text der Nr. 2 nicht Gegenstand der Ausnahme, so dass in den Fällen, in denen vor Abschluss eines Vergleiches ein Versäumnisurteil erlassen wird, eine Kostenreduzierung nach GKG KV Ziff 1211 nicht stattfindet.

Zwar handelt es sich bei diesem Kostenanteil, um die eine Reduzierung der Gerichtsgebühren nicht stattfindet, dem Wortlaut nach nicht um Kosten der Säumnis, welche die Beklagte nach dem Wortlaut des Vergleiches zu zahlen sich verpflichtet hat. Die im Vergleich getroffene Kostenregelung orientiert sich am Text der Regelung des § 344 ZPO, der zu den Säumniskosten nicht die in dem versäumten Termin entstandenen Kosten zählt, sondern nur diejenigen zusätzlichen Kosten, die durch einen weiteren Termin angefallen sind, der anberaumt worden ist, weil der eigentlich geplante Termin so wie vorgesehen nicht stattgefunden hat. Für die aufgrund des versäumten Termins entstandenen Kosten fehlt es an der notwendigen Kausalität mit der Säumnis, denn diese Kosten wären auch dann angefallen, wenn die säumige Partei erschienen bzw. ordnungsgemäß vertreten gewesen wäre (OLG Köln, Beschlüsse vom 13. November 2017 - 17 W 210/17 - 17 W 210/17, vom 14. April 2008 - 17 W 72/08 - und vom 5. November 2008 - 17 W 227/08; OLG Stuttgart, Beschluss vom 15. November 1988 - 8 W 493/88). Dies gilt insbesondere, wenn, wie vorliegend, das Versäumnisurteil im schriftlichen Verfahren ergangen ist, so dass auf den Einspruch hin kein zusätzlicher, sondern ein erstmaliger Termin stattgefunden hat. Schließen die Parteien nach Ergehen eines Versäumnisurteils einen gerichtlichen Vergleich, in dem sich unter Vereinbarung einer abweichenden Kostenregelung in der Hauptsache die vormals säumige Partei verpflichtet, die Kosten der Säumnis zu tragen, beinhaltet dies deshalb nicht, dass ihr sämtliche Gerichtskosten zur Last fallen, die darauf zurückgehen, dass eine Ermäßigung der Gerichtsgebühr wegen des Versäumnisurteils ausscheidet. Denn die 3,0 Verfahrensgebühr fällt - entsprechend des im Kostenrecht geltenden Veranlasserprinzips - bereits mit der Einreichung der Klage an, § 6 GKG, sie ist keine Entscheidungsgebühr und damit nicht durch die Säumnis und das darauf hin ergehende Versäumnisurteil veranlasst (OLG Köln, Beschluss vom 15. Januar 2019 - 17 W 173/18; OLG Koblenz, Beschluss vom 15. November 2007 - 14 W 789/07; KG, Beschluss vom 6. November 2001 - 1 W 467/01; OLG München, JurBüro 1997, 95; LG Freiburg, JurBüro 2019, 135; BeckOK Kostenrecht, Dörndörfer/Wendtland/Gerlach/Diehn, 39. Ed. Stand 01.01.2021 Rn 16; Haberl, NJW 1997, 2357; Schneider, NJW 2019, 556; a.A.: AG Hannover, JurBüro 2009, 487; Zöller-Herget, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 104 Rn 21.71). Danach hätte der Rechtspfleger grundsätzlich zu Recht die Gerichtskosten insgesamt zwischen den Parteien gequotelt.

Eine abweichende rechtliche Beurteilung kommt allerdings dann in Betracht, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles die im Vergleich getroffene Kostenregelung dahin auszulegen ist, dass die Parteien die Kostentragungspflicht der vormals säumigen Beklagten auf diejenigen Gerichtskosten erstrecken wollten, die sich wegen der in KV GKG Nr. 1211 getroffenen Regelung infolge des Vergleiches nicht reduzieren, weil zuvor gegen die Beklagte ein klagezusprechendes Versäumnisurteil ergangen ist (vgl. KG, Beschluss vom 10.07.2006 - 1 W 105/06). Dass beide Parteien den Vergleichstext in diesem Sinne verstanden haben, ergibt sich aus den zur Akte gereichten Schriftsätzen vom 10. März 2022, 16. März 2022, 17. Oktober 2022 und 11. November 2022, in denen die Parteien wechselseitig ausführen, dass mit der Formulierung das Ziel verfolgt wurde, die Klägerin nicht anteilig mit Gerichtsgebühren zu belasten, die durch das im schriftlichen Vorverfahren ergangene Versäumnisurteil entstanden sein sollten. Da durch die Säumnis der Beklagten im schriftlichen Vorverfahren zusätzliche Anwaltskosten nicht entstanden sind, ergibt die Regelung der Parteien auch nur in dieser Auslegung einen Sinn, sonst wäre die Vereinbarung, dass die Beklagte die Kosten ihrer Säumnis trägt, gegenstandslos. Der Senat hat die Parteien mit Verfügung vom 10. Januar 2023 auf diese Auslegung ihrer Vereinbarung hingewiesen, ohne dass sie ihr entgegen getreten wären.

Im Ergebnis ist der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluß deshalb dahingehend abzuändern, dass in den Kostenausgleich eine Erstattung in Höhe von zwei von der Klägerin als Vorschuss verauslagten drei Gerichtskosten durch die Beklagte an die Klägerin einzustellen ist. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass sie nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BbgJKG grundsätzlich gebührenbefreit ist, führt dies weder dazu, dass die 2,0 Gerichtsgebühren, um die sich die Kostenrechnung nicht nach Vergleichsschluss entsprechend KV GKG 1211 reduziert, weil zuvor ein Versäumnisurteil erlassen worden ist, in die prozentuale Gebührenteilung einzubeziehen sind noch dazu, dass sie vollständig unberücksichtigt bleiben können. Denn die Beklagte kann sich vorliegend auf die Gebührenbefreiung nach § 7 Abs. 2 BbgJKostG nicht berufen. Die Vorschrift bestimmt, dass eine Gebührenbefreiung nicht von der Verpflichtung zur Zahlung von Kosten befreitet, zu deren Zahlung der oder die Befreite sich Dritten gegenüber vertraglich verpflichtet hat. Der Vergleich vom 4. April 2022 stellt eine entsprechende vertragliche Regelung dar, durch die sich die Beklagte gegenüber der Klägerin verpflichtet, die Kosten, die infolge ihrer Säumnis mehr entstanden sind, zu tragen. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass § 7 Abs. 2 BbgJKostG in Widerspruch zu § 2 Abs. 5 Satz 2 GKG stehe und der bundesrechtlichen Vorschrift Vorrang zukomme, verkennt sie, dass § 2 Abs. 5 Satz 2 GKG eine Gebührenbefreiung nur vorsieht für den Bund, die Länder sowie die nach Haushaltsplänen des Bundes oder eines Landes verwalteten öffentlichen Anstalten und Kassen. Kommunen, wie die Beklagte, werden nicht erfasst (vgl. Toussaint, Kostenrecht, 52. Aufl. 2022 § 2 GKG Rn 12). Diese genießen deshalb - nur - die Privilegierung des § 7 BbgJKostG und dies beschränkt auf den Umfang, den diese Vorschrift vorsieht.

Im Ergebnis hat deshalb von den Gerichtskosten in Höhe von insgesamt 564,75 € (Gebühren nach dem dreifachen Satz gemäß KV GKG Ziff. 1210 gerechnet nach Maßgabe eines Gegenstandswerts bis zu 6.000 € von 495 € zzgl. Zeugenauslagen von 35,75 € und 34 €) die Beklagte Gerichtsgebühren in Höhe des zweifachen Satzes (330 €), sowie von den restlichen Kosten in Höhe von 234,75 € weitere 28 % (65,73 €) zu tragen. Die Klägerin hat nach der Kostenentscheidung des Vergleiches 72 % der Kosten in Höhe von 234,75 €, mithin an Gerichtskosten noch 169,02 € zu tragen. Diese Beträge wird der Rechtspfleger unter Berücksichtigung erstatteter Überschüsse in den Kostenausgleich einzustellen haben.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über das Absehen von Gebühren für das Beschwerdeverfahren gründet sich auf Nr. 1812 KV GKG.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.