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Entscheidung 9 UF 95/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 29.03.2023
Aktenzeichen 9 UF 95/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0329.9UF95.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde der (weiteren) Beteiligten zu 3. vom 29.06.2022 wird der Beschluss des Amtsgerichts Eberswalde vom 24.05.2022 (Az. 3 F 83/21) zu Ziffer 5. des Tenors unter Beibehaltung der übrigen Regelungen der angefochtenen Entscheidung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

...

5.

Zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg (Versicherungsnummer …) wird im Wege der internen Teilung zugunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 8,5300 Entgeltpunkten (Ost) auf dessen Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg (Versicherungsnummer …), bezogen auf den 30.09.2007 übertragen.

...

7.

Bezüglich des weiteren Anrechts der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg (Versicherungsnummer …) auf einen Zuschlag an Entgeltpunkten (Ost) für langjährige Versicherung mit einem Ausgleichswert von 0,2358 Entgeltpunkten (Ost) findet der Ausgleich nach der Scheidung statt.

Es bleibt bei der Kostenentscheidung erster Instanz. Gerichtskosten für die Beschwerde fallen nicht an, eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Der Beschwerdewert beträgt 1.860 €.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss nach Wiederaufnahme des ausgesetzten Versorgungsausgleichsverfahrens auf der Basis der zuvor eingeholten Auskünfte den Versorgungsausgleich durchgeführt.

Hierbei hat das Amtsgericht - u. a. - die von den geschiedenen Ehegatten bei der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechte im Wege interner Teilung zum Ausgleich gebracht. Die weitere Beteiligte zu 3. hat in ihrer Auskunft vom 07.01.2022 neben dem Ehezeitanteil der Antragsgegnerin in der allgemeinen Rentenversicherung von 0,0027 Entgeltpunkten und einem vorgeschlagenen Ausgleichswert von 0,0014 Entgeltpunkten einen Ehezeitanteil in der allgemeinen Rentenversicherung (Ost) von 17,0600 Entgeltpunkten (Ost) mitgeteilt und insoweit einen Ausgleichswert von 8,5300 Entgeltpunkte (Ost) vorgeschlagen. Daneben besteht nach dieser Auskunft ein ehezeitlicher Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung in Höhe von 0,4716 Entgeltpunkten (Ost), von denen nach Vorschlag 0,2358 Entgeltpunkte (Ost) zum Ausgleich gebracht werden sollen.

In der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht die letztgenannten beiden Anrechte addiert und – rechnerisch zutreffend – einen Ehezeitanteil von insgesamt 17,5316 Entgeltpunkten (Ost) dem vorgenommenen Ausgleich von 8,7658 Entgeltpunkten (Ost) zugrunde gelegt.

Gegen diese ihr am 08.06.2022 zugestellte Entscheidung hat die weitere Beteiligte zu 3. mit einem am 29.06.2020 bei dem Amtsgericht eingegangen Schreiben Beschwerde mit der Begründung eingelegt, eine Addition der erworbenen Entgeltpunkte (Ost) mit den Entgeltpunkten (Ost) für langjährige Versicherung habe aufgrund der Besonderheit der Entgeltpunkteart für langjährige Versicherung nicht erfolgen dürfen.

Der Senat hat nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ohne mündliche Verhandlung entschieden. Die beteiligten Ehegatten sind dem Beschwerdevorbringen nicht entgegengetreten.

II.

Die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 3. ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und form- und fristgerecht gemäß §§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1, 65 Abs. 1, 228 FamFG eingelegt und begründet worden, mithin zulässig.

Es liegt eine im Versorgungsausgleich wirksame Teilanfechtung bezüglich des Versorgungsanrechts der Antragsgegnerin bei der weiteren Beteiligten zu 3. vor (vgl. Senatsbeschluss vom 05.05.2020 - 9 UF 31/20 - zitiert nach juris). Die übrigen Anrechte der geschiedenen Eheleute sind durch die Beschwerde nicht betroffen.

In der Sache hat das Rechtsmittel auch Erfolg.

Der Ausgleich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Anrechte der Antragsgegnerin auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist abweichend von der insoweit angefochtenen Entscheidung zu regeln. Das Amtsgericht hat unzutreffend allgemeine Entgeltpunkte (Ost) sowie solche Entgeltpunkte (Ost), die auf der sogenannten Grundrente beruhen, addiert und insoweit einen einheitlichen Ausgleichswert gebildet.

1.

Nach der fortgeltenden Auskunft der (weiteren) Beteiligten zu 3. vom 07.01.2022 hat die Antragsgegnerin in der gesetzlichen Ehezeit des § 3 Abs. 1 VersAusglG (01.09.1985 bis 30.09.2007) in der allgemeinen Rentenversicherung sowohl Entgeltpunkte (Ost) als auch einen Zuschlag an Entgeltpunkten (Ost) für langjährig Versicherte erworben. Die vorgeschlagenen Ausgleichswerte betragen insoweit an Entgeltpunkte (Ost) 8,5300 (mitgeteilter korrespondierender Kapitalwert: 43.069,18 €) und für den Zuschlag für langjährige Versicherte an Entgeltpunkten (Ost) 0,2358 (mitgeteilter korrespondierender Kapitalwert: 1.190,59 €).

Grundrentenentgeltpunkte bzw. Grundrentenentgeltpunkte/Ost werden wie auch sonstige Entgeltpunkte oder Entgeltpunkte/Ost intern geteilt (§ 10 Abs. 1 VersAusglG). Mit anderen Entgeltpunkten bzw. Entgeltpunkten/Ost sind sie insbesondere nicht gleichartig, § 120f Abs. 2 Nr. 3 SGB VI. Für sie findet deshalb ein gesonderter, im Tenor auszuweisender Teilungsvorgang statt (allg. Ansicht: OLG Braunschweig FamRB 2022, 256 m. zust. Anm. Siede; Adamus/ Götsche, FuR 2022, 602 m. w. N.), wie auch der Senat entschieden hat (vgl. Beschluss v. 28.07.2022 – 9 UF 79/22).

2.

Daher sind zunächst zugunsten des Antragstellers im Wege interner Teilung (§ 10 Abs. 1 VersAusglG) an Entgeltpunkten/Ost der allgemeinen Rentenversicherung 8,5300 zu übertragen.

3.

Von der an sich gebotenen weiteren Übertragung von Grundrentenentgeltpunkten (Ost) ist hingegen im Wertausgleich bei der Scheidung abzusehen. Dieses Anrecht ist im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG nicht ausgleichsreif, weil der ausgleichsberechtigte Antragsteller letztendlich keine Rentenzahlung aus den ihm im Falle der internen Teilung (§ 10 Abs. 1 VersAusglG) zu übertragenden Grundrentenentgeltpunkten (Ost) erhalten würde.

Die sog. Grundrente ist als Zuschlag an Entgeltpunkten konzipiert, wobei der aus dem Zuschlag resultierende Zahlbetrag einer besonderen Einkommensanrechnung unterliegt. Nach § 97a Abs. 1 SGB VI wird auf den Rentenanteil aus dem Zuschlag an Grundrentenentgeltpunkten das Einkommen des Berechtigten (und seines Ehegatten) nach besonderen Einkommensanrechnungsregeln (§ 97a Abs. 4 SGB VI) angerechnet. Die Grundrente wird also nicht stets ausgezahlt, sondern nur, soweit angesichts der anzurechnenden Einkünfte ein Grundrentenbedarf besteht.

Schematisch ist dabei wie folgt vorzugehen:

- Übersteigt das anrechenbare Einkommen monatlich das 36,56fache des aktuellen Rentenwerts, werden 60 % angerechnet (§ 97a Abs. 4 S. 2 SGB VI);

- Anrechenbares Einkommen, das monatlich das 46,78fache des aktuellen Rentenwerts übersteigt, wird in voller Höhe (also zu 100 %) angerechnet (§ 97a Abs. 4 S. 3 SGB VI).

Aus Vereinfachungsgründen wird dabei allein an den aktuellen Rentenwert angeknüpft, nicht auch an den aktuellen Rentenwert/Ost (vgl. Kirsch in: LPK-SGBVI § 97a Rn. 18). Aufgrund des zugrunde zu legenden aktuellen Rentenwerts sind die zu ermittelnden Einkommensgrenzen zudem dynamisch (vgl. auch Kisch a.a.O). Die zu rundenden aktuellen Werte betragen (vgl. Adamus/ Götsche, a. a. O., S. 604).

- für die 60 %-Regel des § 97a Abs. 4 S. 2 SGB VI (36,56 x 36,02) 1.317 €;

- für die 100 %-Regel des § 97a Abs. 4 S. 3 SGB VI (46,78 x 36,02) 1.685 €.

Unter Berücksichtigung der danach vorzunehmenden Einkommensberechnung ist jedoch eine Rentenzahlung aus dem zu übertragenden Anrecht der Antragsgegnerin auf einen Zuschlag an Entgeltpunkten (Ost) für langjährige Versicherung nicht zu erwarten. Ein Ausgleich des Anrechts würde sich nicht zugunsten des Antragstellers auswirken und wird somit für ihn unwirtschaftlich im Sinne von § 19 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG sein.

Der Antragsteller bezieht nach Auskunft der (weiteren) Beteiligten zu 3. vom 29.08.2022 (derzeit) eine Rente in Höhe von 2.154,43 € brutto. Infolge des Versorgungsausgleichs verliert er insgesamt 13,8135 Entgeltpunkte (er muss 13,8149 Entgeltpunkte an die Antragsgegnerin abgeben, während er von ihr 0,0014 Entgeltpunkte erhält), so dass sich hieraus bei einem aktuellen Rentenwert (West) von derzeit 36,02 gegenwärtig ein Verlust in Höhe von 497,56 € (13,8135 x 36,02) ergibt. Infolge des Versorgungsausgleichs erhält er dagegen 6,7148 Entgeltpunkte (Ost) (er muss 1,8152 Entgeltpunkte (Ost) an die Antragsgegnerin abgeben, während er von ihr 8,5300 Entgeltpunkte (Ost) erhält), woraus sich bei einem aktuellen Rentenwert (Ost) von derzeit 35,52 ein Rentenanspruch in Höhe von 238,51 € ergibt. Insgesamt verliert der Antragsteller infolge des Versorgungsausgleichs danach einen Rentenanspruch in Höhe von 259,05 € (497,56 € - 238,51 €), so dass sich unter Berücksichtigung der (derzeit) gezahlten Rente von 2.154,43 € gegenwärtig ein Rentenanspruch in Höhe von 1.895,38 € (brutto) ergibt.

Zu erwarten hat der Antragsteller aus den ihm an sich zu übertragenden Grundrentenentgeltpunkten (Ost) von 0,2358 im Grundsatz eine Rente von 8, 37 € (0,2358 x 35,52), die jedoch aufgrund der dargestellten Einkommensanrechnungsregelungen erkennbar nicht ausbezahlt würde.

Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass angesichts des für die Grundrentenentgeltpunkte (Ost) mitgeteilten korrespondierenden Kapitalwerts von 1.190,59 € zwar ein geringer Ausgleichswert im Sinne von § 18 Abs. 2, Abs. 3 VersAusglG wegen Unterschreitung der Geringfügigkeitsgrenze von 2.940 € gegeben ist (Ehezeitende in 2007; Fischer, Tabellen zum Familienrecht, 43. Auflage 2022, S. 35). Da der Ausgleich innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt, besteht jedoch - trotz der Geringfügigkeit des Anrechts - kein Anlass, den Ausgleich deshalb nicht durchzuführen (vgl. OLG Braunschweig FamRB 2022, 256 m. w. N.).

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 150 FamFG, 20 Abs. 1 S. 1, 40, 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Beurteilung des gesonderten Ausgleichs der Grundrentenentgeltpunkte sowie die Frage der Anwendung des § 19 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG in der obergerichtlichen Rechtsprechung - soweit bekannt - bislang einheitlich behandelt wird und der Senat hiervon nicht abweicht.

Die schriftliche Entscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG. Von einer erneuten Durchführung der Anhörung sind neue Erkenntnisse voraussichtlich nicht zu erwarten.