Gericht | SG Frankfurt (Oder) 6. Zivilkammer | Entscheidungsdatum | 29.03.2023 | |
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Aktenzeichen | 16 S 134/21 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Strausberg vom 09.06.2021, Az. 23 C 51/21, abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, 18 Lindenbäume auf dem Feldweg des Flurstücks ..., Flur X, Gemarkung ..., welche sich an der Grenze zum Flurstück ..., Flur …, Gemarkung ... im Abstand von unter 8 m befinden, zu entfernen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird für den Berufungsrechtszug auf die Wertstufe bis 3.000,00 Euro festgesetzt.
I.
Die Klägerin verlangt die Beseitigung von Anpflanzungen entlang eines im Eigentum der beklagten Gemeinde befindlichen Feldwegs, eingetragen im Grundbuch Gemarkung ..., Flur X, Flurstück .... Sie betreibt Weide- und Wiesenwirtschaft auf an diesen Weg angrenzenden Grundstücken, nämlich auf dem ihr gehörenden Flurstück ... und weiteren von ihr gepachteten Flächen.
Der Feldweg ist variierend zwischen 7 und 11 m breit, an den von der Klägerin genutzten Grundstücken beträgt die Breite etwa 8 m. Er wird von den Anliegern, so auch von der Klägerin, mit agrarwirtschaftlichem Gerät befahren; zudem wird er teilweise zu Erholungszwecken von PKW- und Radfahrern sowie von Fußgängern genutzt, die dort beispielsweise Hunde ausführen. Für den Kraftfahrzeugverkehr endet der Feldweg in einer Sackgasse; er setzt sich als sog. Wildweg für Radfahrer und Fußgänger fort. Die Oberfläche des Weges weist unregelmäßige Vertiefungen und Fahrspuren auf (Bl. 57-59 d. A. erster Instanz). Der Weg ist nicht straßenrechtlich gewidmet; Verkehrsschilder sind nicht angebracht. Wegen der örtlichen Gegebenheiten wird auf die Kartenauszüge (vgl. Bl. 10-12 und Bl. 52-56 d. A. erster Instanz) verwiesen.
Ab April 2018 bepflanzte die Beklagte rechtsseitig am Weg, den von der Klägerin genutzten Grundstücken zugewandt, im Grenzabstand von ca. 1,5 m ca. 208 Lindenbäume mit einem jeweiligen Pflanzabstand von 5 bis 6 m. Mit Schreiben aus April 2018 und vom Februar 2019 forderte die Klägerin die Beklagte mit der Begründung, dass die Bepflanzung eine Befahrung der Grünlandflächen mit der erforderlichen landwirtschaftlichen Technik verhindere, erfolglos zur Beseitigung von 18 Bäumen an der Grenze zum Flurstück ... auf. Auf Antrag der Klägerin wurde Ende 2020 ein Schlichtungsverfahren durchgeführt. In diesem Rahmen verpflichtete sich die Beklagte dazu, zwecks Vergrößerung der Durchfahrt einen Baum an der Grundstücksgrenze zu entfernen; im Übrigen wurde die Erfolglosigkeit bescheinigt (Bl. 31 f. d. A. erster Instanz).
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Abstandsvorschriften des Brandenburgischen Nachbarrechtsgesetz bei Anpflanzungen auf „öffentlichen Verkehrsflächen“ nicht gelten würden und es sich hier allein aufgrund der Eröffnung der tatsächlichen Nutzung des Weges durch die Beklagte um eine öffentliche Verkehrsfläche im Sinne der Norm handele.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung; sie macht im Wesentlichen geltend, dass die Ausnahmevorschrift des § 38 Nr. 2 BbgNRG nur dann eingreife, wenn eine Verkehrsfläche gewidmet sei oder als gewidmet gelte. Beides sei hier aber nicht der Fall.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts Strausberg vom 09.06.2021, Az. 23 C 51/21, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, 18 Lindenbäume auf dem Feldweg des Flurstücks ..., Flur X, Gemarkung ..., welche sich an der Grenze zum Flurstück ..., Flur X, Gemarkung ... im Abstand von unter 8 m befinden, zu entfernen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung mit umfassenden Rechtsausführungen wie in erster Instanz.
II.
Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere gemäß §§ 517 ff. ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist auch begründet.
1. Die Klägerin hat einen Anspruch aus § 39 Abs. 1 Satz 1 BbgNRG gegen die Beklagte auf Beseitigung der im Tenor bezeichneten Bäume.
Nach dieser Regelung kann ein Nachbar die Beseitigung einer Anpflanzung verlangen, wenn der vorgeschriebene Mindestabstand nicht eingehalten wird. Dies ist − bezogen auf die von der Beklagten auf dem Feldweg gepflanzten Bäume − hier der Fall.
Dass die Bäume den in § 37 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BbgNRG geforderten Abstand nicht einhalten, ist zwischen den Parteien nicht im Streit. Die Beklagte kann sich auch nicht auf die in § 38 Satz 1 Nr. 2 BbgNRG genannte Ausnahmeregelung berufen.
Danach gilt § 37 BbgNRG zwar nicht für Anpflanzungen auf öffentlichen Verkehrsflächen. Bei dem hier in Rede stehenden Feldweg handelt es sich aber nicht um eine öffentliche Verkehrsfläche im Sinne dieser Norm.
Die Ausnahmeregelung in § 38 Nr. 2 BbgNRG trägt dem Umstand Rechnung, dass die Bepflanzung eines Straßenkörpers und der Nebenanlagen den Trägern der Straßenbaulast vorbehalten sind und die Eigentümer und die Besitzer von Grundstücken an öffentlichen Straßen die Einwirkungen von Pflanzungen im Bereich des Straßenkörpers − in Brandenburg nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BbgStrG − zu dulden haben (vgl. Postier, in: Das Nachbarrecht in Brandenburg, 5. Aufl. 2012, § 38 Ziffer 1.2; Schäfer/Fink-Jamann/Peter, in: Nachbarrechtsgesetz Nordrhein-Westfalen, § 45 Rn. 5). Richten sich danach also die durch Anpflanzungen auf öffentlichen Verkehrsflächen hinzunehmenden Einschränkungen nach öffentlichem Recht und insoweit vorrangig dem Straßenrecht (vgl. Postier a. a. O.; Schäfer/Fink-Jamann/Peter a. a. O.), kann − entgegen der von der von der Beklagten in Bezug genommenen Kommentarstelle − die Ausnahmeregelung auch nur dort greifen, wo das Straßenrecht auch Anwendung findet.
Hiervon ausgehend, sind öffentliche Verkehrsflächen öffentliche Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet oder aber − etwa nach § 48 Abs. 7 BbgNRG bzw. kraft unvordenklicher Verjährung − als gewidmet anzusehen sind (vgl. in Bezug auf die vergleichbare Regelung im nordrhein-westfälischen Nachbarrecht Schäfer/Fink-Jamann/Peter, Nachbarrechtsgesetz Nordrhein-Westfalen, § 2 Rn. 21). Beides ist hier aber unstreitig nicht der Fall.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO i. V. m. § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG.