Gericht | VG Frankfurt (Oder) 5. Kammer | Entscheidungsdatum | 23.03.2023 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 5 K 560/20 | ECLI | ECLI:DE:VGFRANK:2023:0323.5K560.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Bescheid des Beklagten vom 9. Februar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. April 2020 wird insoweit aufgehoben, als darin Gebühren in Höhe von mehr als 58.995,03 € festgesetzt werden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Die Klägerin begehrt die teilweise Aufhebung eines Gebührenbescheides aus einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren für drei Windenergieanlagen.
Als Vorhabenträgerin für die Initiierung, Planung und Errichtung von Windenergieanlagen beantragte die Klägerin unter dem 26. Juni 2015 bzw. 7. Juli 2015 eine Genehmigung nach § 4 BImSchG bei dem Beklagten für die Errichtung und den Betrieb von insgesamt 15 Windkraftanlagen (WEA Nr. 01 bis 15) auf Grundstücken in F... in der Gemarkung G... .
Die Zuwegung zu diesen Windkraftanlagen sollte über fremde Grundstücke führen, die keine öffentlichen Verkehrsflächen sind. Die Klägerin bereitete zu diesem Zweck beschränkt persönliche Dienstbarkeiten vor. Die anschließende behördliche Prüfung erfolgte getrennt nach Geh- und Wegerechten einerseits und Feuerwehrzufahrten andererseits. Nach Abschluss der Prüfung vereinbarten die Untere Bauaufsichtsbehörde des Landkreises und die jeweiligen Eigentümer der betroffenen Grundstücke Dienstbarkeiten zur rechtlichen Sicherung der Geh- und Wegerechte sowie der Feuerwehrzufahrten. Die Vereinbarungen wurden in einer einheitlichen Urkunde je belastetem Grundstück dokumentiert. Dabei stimmten die jeweiligen Eigentümer zu, eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit zugunsten des dienstbarkeitsberechtigten Landkreises Oder-Spree als Untere Bauaufsichtsbehörde zu bestellen. In der Urkunde heißt es unter der Überschrift „Geh- und Fahrrecht, Feuerwehrzufahrt“ unter anderem: „Der Eigentümer verpflichtet sich gegenüber dem Dienstbarkeitsberechtigten den Zugang und die Zufahrt sowie die Feuerwehrzufahrt zu dem Grundstück (…) auf seinem Grundstück zu dulden.“
Die Bauaufsichtsbehörde unterschrieb die Formblätter über den Inhalt der Einigung zur Sicherung der Geh- und Fahrrechte sowie der Feuerwehrzufahrt, bevor die Klägerin diese am 23. Juni 2016 erhielt.
Im Rahmen der Behördenbeteiligung prüfte die untere Bauaufsichtsbehörde des Landkreises O... zudem baurechtliche Abweichungen von Abstandsflächen-regelungen.
Das Genehmigungsverfahren überschnitt sich in zeitlicher Hinsicht mit Bestrebungen der Regionalplanung auf diesem Gebiet. Der von der Regionalen Planungsgemeinschaft O... beschlossene Regionalplan O... , sachlicher Teilplan „Windenergienutzung“, wurde am 16. Oktober 2018 bekannt gemacht (ABl. 2018, [Nr. 41], S. 929) und umfasste auch das Vorhabengebiet der Klägerin in der Gemarkung G... .
Auf den zunächst vollständig ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 20. Dezember 2017 (Nr. 30.043.00/15/1.6.2/RO) erging am 9. Februar 2018 ein Gebührenfestsetzungsbescheid für eine Verwaltungsgebühr in Höhe von insgesamt 458.978,73 Euro. Gegen den Gebührenfestsetzungsbescheid legte die Klägerin am 9. März 2018 Widerspruch ein.
In dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren legte die Klägerin ebenfalls Widerspruch ein und erhielt im Widerspruchsbescheid vom 5. November 2019 die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von 12 Windenergieanlagen. Für diese genehmigten Anlagen ist ein gesonderter Gebührenbescheid ergangen, der nicht Streitgegenstand des hiesigen Verfahrens ist.
Am 5. Juni 2018 erklärte die Klägerin die Rücknahme des Genehmigungsantrags für die übrigen drei Windkraftanlagen (WEA Nr. 04, 12 und 13).
In dem hier interessierenden Gebührenwiderspruchsbescheid vom 8. April 2020 setzte der Beklagte die Verwaltungsgebühr abändernd auf 78.570,03 Euro fest, zusammengesetzt aus den Einzelpositionen:
· Immissionsschutzrechtlicher Gebührenanteil: 31.312,53 Euro
· Baurechtlicher Gebührenanteil: 24.945,00 Euro
· Zulassung von 9 bauordnungsrechtlichen Abweichungen: 3.375,00 Euro
· Sicherung von 101 Dienstbarkeiten: 18.937,50 Euro
Daneben wies der Widerspruchsbescheid eine eigenständige Verwaltungsgebühr für seinen Erlass in Höhe von 5.981,75 Euro aus.
Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die ursprüngliche Gebührenfestsetzung vom 9. Februar 2018 dem Grunde nach ihre Berechtigung für jene drei „verbliebenen“ Windkraftanlagen behalten habe. Für die neun Abweichungen von bauordnungsrechtlichen Vorschriften seien insgesamt 4.500,00 Euro (500,00 Euro je Abweichung) anzusetzen, diese unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 17 GebGBbg um 25 Prozent zu reduzieren. Für die rechtliche Sicherung von 101 Dienstbarkeiten seien 25.250,00 Euro (250,00 Euro je Dienstbarkeit) anzusetzen und diese unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 17 GebGBbg um 25 Prozent zu reduzieren. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass eine Festsetzung auf 75 Prozent der immissionsschutzrechtlichen Gebühr und der baurechtlichen Gebühr vorzunehmen sei, da im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eine umfassende Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen stattgefunden habe, bevor der Antrag zurückgenommen wurde.
Für die konkrete Ermittlung dieser Gebühren habe sich der Beklagte auf die Stellungnahme der Unteren Bauaufsichtsbehörde vom 20. Juni 2017 gestützt, die unter anderem verlautbart hatte, dass insgesamt 101 Dienstbarkeiten für die nicht genehmigten Windenergieanlagen WEA 04, 12 und 13 geprüft wurden; davon 47 Dienstbarkeiten für Geh- und Fahrrechte, sowie weitere 47 Dienstbarkeiten für Feuerwehrzufahrten (WEA 04 (jeweils 16), WEA 12 (jeweils 16), WEA 13 (jeweils 15)) und sieben Dienstbarkeiten zur Sicherung der Abstandsflächen von Rotoren. Gemäß Tarifstelle 9.1 der BbgBauGebO 2009 sei ein Betrag von 250,00 Euro je Dienstbarkeit (insgesamt 25.250,00 Euro) anzusetzen und um 25 Prozent zu reduzieren gewesen. Das ergebe eine Gebühr von 18.937,50 Euro.
Für die Zulassung von bauordnungsrechtliche Abweichungen seien neun dieser Abweichungen auf die zurückgenommenen Anträge entfallen (WEA 04 (vier Abweichungen), WEA 12 (eine Abweichung) und WEA 13 (vier Abweichungen)). Gemäß Tarifstelle 1.9.1 der BbgBauGebO 2009 sei ein Betrag von 500,00 Euro je Abweichung (insgesamt 4.500,00 Euro) anzusetzen und dieser um 25 Prozent zu reduzieren gewesen. Daraus ergebe sich die Gebühr von 3.375,00 Euro.
Die Klägerin hat unter dem 20. Mai 2020 Klage gegen denjenigen Teil der Gebühren erhoben, der den Betrag von 58.995,03 Euro übersteigt. Sie wendet sich gegen die Gebührenerhebung für die Zulassung von neun Abweichungen und 101 Dienstbarkeiten. Im Übrigen ficht sie den Gebührenbescheid ausdrücklich nicht an.
Die Klägerin macht geltend, die Dienstbarkeiten seien künstlich in Geh- und Wegerechte einerseits sowie Feuerwehrzufahrten und Löschwasserversorgung andererseits aufgespalten worden. Darin läge eine unzulässige Doppelabrechnung. Tatsächlich sei die Gewährung von Dienstbarkeiten für Geh- und Wegerechte zusammen mit der Sicherung der Feuerwehrzufahrten je bestellendem Grundstück in einer einheitlichen Urkunde erfolgt. Auf diese Art seien insgesamt 48 Dienstbarkeiten für die Zuwegung bestellt worden; und zwar 17 Dienstbarkeiten für WEA 04, 16 Dienstbarkeiten für WEA 12, und 15 Dienstbarkeiten für WEA 13, sowie sieben weitere Dienstbarkeiten für Rotor- und Abstandsflächen (insgesamt 55 Dienstbarkeiten).
Die Klägerin ist der Auffassung, die Gebühr entstehe für den Tatbestand der „Einigung über den Inhalt einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit“ entsprechend der Tarifstelle 9.1 BbgBauGebO 2009. Die Festsetzung der Gebühr je Urkunde rechtfertige lediglich die Abrechnung von 55 Dienstbarkeiten, davon 48 für kombinierte Feuerwehrzufahrten, Geh- und Wegerechte, sowie 7 weitere für Rotor-Überstreichungsflächen.
Zudem sei die Festsetzung der Gebührenhöhe auf 250,00 Euro (je Dienstbarkeit) und 500,00 Euro (je Abweichung) ermessensfehlerhaft und rechtswidrig. Aufgrund der Vielzahl gleicher Dienstbarkeiten und Abweichungen mit geringem behördlichen Prüfungsaufwand entstünde die Gebühr am unteren Ende des Gebührenrahmens in Höhe von 50,00 Euro. Rechtmäßig sei eine Gebühr für 55 Dienstbarkeiten à 50,00 Euro reduziert um 25 Prozent, mithin insgesamt 2.062,50 Euro. Die Dienstbarkeiten seien ein „Massengeschäft“, für das allein auf den geringen Verwaltungsaufwand abzustellen sei, nicht auf die wirtschaftliche oder sonstige Bedeutung der Sache für die Klägerin.
Die bauordnungsrechtlichen Abweichungen seien mit der Mindestgebühr des Gebührenrahmens in Höhe von 100,00 Euro abzurechnen, da der Aufwand auf einer wiederholten Prüfung vergleichbarer Voraussetzungen basiere. Demnach sei eine Gebühr für 9 Abweichungen à 100,00 Euro in Höhe von 900,00 Euro reduziert um 25 Prozent rechtmäßig, mithin insgesamt 675,00 Euro. Zusammen mit den übrigen Gebührenpositionen ergäbe sich ein rechtmäßiger Gebührenanteil von 58.995,03 Euro. Darüber hinaus sei der Bescheid rechtswidrig.
Die Klägerin beantragt,
den Gebührenbescheid des Beklagten vom 9. Februar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. April 2020 aufzuheben, soweit im Widerspruchsbescheid eine Gebühr festgesetzt wurde, die den Betrag von 58.995,03 Euro übersteigt.
Der Beklagte beantragt,
1. die Klage abzuweisen,
2. dem Beklagten im Hinblick auf die in der mündlichen Verhandlung geführte Erörterung des Sach- und Streitstandes eine Schriftsatzfrist von vier Wochen einzuräumen.
Der Beklagte wiederholt und vertieft seine Begründung aus dem Gebührenwiderspruchsverfahren. Maßgeblich sei die Stellungnahme der Unteren Bauaufsichtsbehörde des Landkreises O... vom 20. Juni 2017 gewesen, aus der sich ergibt, dass auf die drei Windenergieanlagen WEA 04, 12 und 13 insgesamt 101 rechtliche Sicherungen durch Dienstbarkeiten entfallen. Die rechtliche Sicherung der Geh- und Fahrrechte sei zwingende Genehmigungsvoraussetzung und im Zuge der bauordnungsrechtlichen Prüfung ebenso zu bearbeiten gewesen wie die rechtliche Sicherung der Feuerwehrzufahrten. Der Beklagte ist der Auffassung, bei der Gebührenfestsetzung auf Grundlage der Rahmensätze in Ausübung des Ermessens gemäß § 14 Abs. 1 GebGBbg sei nicht allein der mit einer öffentlichen Leistung verbundene Verwaltungsaufwand zu berücksichtigen, sondern auch die Bedeutung, der wirtschaftliche Wert oder sonstige Nutzen der öffentlichen Leistung für den antragstellenden Schuldner. Die Bedeutung und der Nutzen für die Klägerin läge in der rechtlichen Absicherung der Genehmigungsvoraussetzungen. Für die Bestimmung einer konkreten Gebühr Innerhalb des Rahmens gelte grundsätzlich, dass der Mittelwert den durchschnittlichen Fall kennzeichne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.
A. Die Klägerin wendet sich mit dem Klageantrag und in der Klagebegründung ausdrücklich nur gegen die einen Betrag von 58.995,03 Euro übersteigende Gebührenforderung in dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren. Nach Maßgabe dieses Antrags stehen Gebühren in Höhe von 19.575,00 Euro im Streit. Das Rechtsschutzbegehren der Klägerin im Sinne des § 88 VwGO ist laut Klagebegründung darauf gerichtet, die Gebührenerhebung für das Zustandekommen beschränkt persönlicher Dienstbarkeiten und für die Bewilligung baurechtlicher Abweichungen anzugreifen. Der so definierte Streitgegenstand ist in Anwendung des Untersuchungsgrundsatzes gemäß § 86 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten auf die Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Die Kammer ist insbesondere nicht daran gehindert, der Klage aus anderen oder weiteren als den von der Klägerin geltend gemachten Rechtsgründen stattzugeben (Peters/Kujath, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 88 Rn. 8, beck-online).
Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag des Beklagten auf Schriftsatznachlass war nicht zu entsprechen. Neue Tatsachen wurden in dem Termin nicht vorgetragen, § 173 S. 1 VwGO in Verbindung mit § 283 Zivilprozessordnung. Es bestand hinreichend Gelegenheit, sich zu den rechtlichen Hinweisen zu erklären.
B. Die zulässige Klage ist begründet. Der teilweise angefochtene Gebührenbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO; und zwar soweit darin in Anwendung der zutreffenden Ermächtigungsgrundlage (dazu I.) Gebühren für mehr als 54 Dienstbarkeiten abgerechnet werden (dazu II.) und der Gebührenrahmen rechtsfehlerhaft bestimmt wird (dazu III.).
I. Die Gebührenerhebung hat ihre Ermächtigungsgrundlage in §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 Gebührengesetz für das Land Brandenburg in der Fassung vom 7. Juli 2009, zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 10. Juli 2014 – GebGBbg – in Verbindung mit §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 der Verordnung über die Gebühren in bauordnungsrechtlichen Angelegenheiten im Land Brandenburg vom 20. August 2009, zuletzt geändert durch Verordnung vom 5. Oktober 2016 (Brandenburgische Baugebührenordnung – BbgBauGebO) in Verbindung mit dem Gebührenverzeichnis in Anlage 1 zu § 2 Abs. 1 BbgBauGebO in der Fassung vom 20. August 2009 (GVBl.II/09, [Nr. 28], S.562) – Gebührenverzeichnis.
Für die öffentlichen Leistungen der Behörden des Landes sind Gebühren und Auslagen zu erheben, § 1 Abs. 1 GebGBbg. Die Mitglieder der Landesregierung haben für ihren jeweiligen Geschäftsbereich die einzelnen Amtshandlungen, für die Verwaltungsgebühren erhoben werden, sowie die Gebührensätze durch Rechtsverordnung (Gebührenordnung) zu bestimmen. Gemäß § 1 Abs. 1 BbgBauGebO sind durch die Bauaufsichtsbehörden für ihre Amtshandlungen Gebühren und Auslagen zu erheben. Die Gebührenhöhe für Amtshandlungen bestimmt sich nach Anlage 1 zu dem Gebührenverzeichnis, § 2 Abs. 1 BbgBauGebO.
Hierbei ist das Gebührenverzeichnis der Anlage 1 zu § 2 Abs. 1 BbgBauGebO in der Fassung vom 20. August 2009 anzuwenden. Das folgt, da das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren bereits am 26. Juni 2015 bei dem Beklagten eingeleitet wurde, aus den nachstehend aufgeführten Übergangsvorschriften. Gemäß § 6 BbgBauGebO in der aktuellen Fassung der Verordnung vom 12. Mai 2021 in Verbindung mit § 88 Abs. 4 Brandenburgische Bauordnung in der aktuellen Fassung der Bekanntmachung vom 15. November 2018 – BbgBO 2018 – in Verbindung mit § 89 Abs. 4 BbgBO in der Fassung vom 19. Mai 2016 – BbgBO 2016 –, ist die BbgBauGebO in der Fassung vom 20. August 2009, zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 3. August 2015, für die vor dem Inkrafttreten der BbgBO 2016 eingeleiteten Verfahren anwendbar. Der maßgebende Genehmigungsantrag wurde vor dem Inkrafttreten der BbgBO 2016 gestellt. Die demnach anzuwendende BbgBauGebO vom 20. August 2009 umfasst auch das Gebührenverzeichnis BbgBauGebO 2009. Darin sind die Gebührentatbestände für die Einigung über beschränkt persönliche Dienstbarkeiten sowie für die Zulassung bauordnungsrechtlicher Abweichungen näher ausgeführt.
II. Soweit Einigungen für mehr als 47 beschränkte persönliche Dienstbarkeiten für Geh-, Fahr- und Feuerwehrzufahrtsrechte abgerechnet werden, ist die Gebührenfestsetzung dem Grunde nach rechtswidrig. Die Abrechnung weiterer sieben Dienstbarkeiten für Rotorüberstreichungsflächen ist zwischen den Beteiligten dem Grunde nach unstreitig. Insgesamt hätte der Beklagte demnach nur 54 Dienstbarkeiten rechtmäßig abrechnen dürfen.
1. Gemäß Tarifstelle 9.1 Gebührenverzeichnis ist eine Gebühr für die Einigung über den Inhalt einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit je Gegenstand einer rechtlichen Sicherung in einem Gebührenrahmen von 50 bis 1.000 Euro fällig. Die Tarifstelle enthält eine anlass- und eine bemessungsbezogene Tatbestandsvoraussetzung: Der Anlass der kostenpflichtigen Amtshandlung ist die Einigung über den Inhalt einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit. Die Bemessung erfolgt anhand des Gegenstands einer rechtlichen Sicherung.
Weder in der Baugebührenordnung noch in der brandenburgischen Bauordnung ist näher definiert, was unter den Tatbestandsmerkmalen „Einigung über den Inhalt einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit“ und „Gegenstand einer rechtlichen Sicherung“ zu verstehen ist. Maßgebend für die Auslegung der Vorschrift ist daher der darin zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmungen und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist (Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, Urteil vom 20. November 2002 – 3 A 43/99 –, Rn. 37, juris).
In der hier anwendbaren Fassung des Gesetzes hatte sich der brandenburgische Gesetzgeber noch gegen eine ausschließliche öffentlich-rechtliche Sicherung der Zuwegung des Vorhabengrundstücks entschieden. Erst seit der Einführung des § 84 BbgBauO 2016 werden zur rechtlichen Sicherung eines grundstücksbezogenen Tuns, Duldens oder Unterlassens, das sich nicht bereits aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergibt, ausschließlich öffentlich-rechtliche Baulasten in das Baulastenverzeichnis eingetragen.
Der historische Gesetzgeber hatte keine solche ausschließlich öffentlich-rechtliche Sicherung vorgeschrieben, sondern vielmehr zunächst gemäß § 65 Brandenburgische Bauordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. September 2008 – BbgBauO 2008 – für die rechtliche Sicherung der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Anforderungen bestimmt, dass die privatrechtliche Handlungsform der Dienstbarkeit in derartigen Fällen zulässig und erforderlich ist, sodass zur Bewertung des vorliegenden Sachverhaltes auf die Instrumente des Privatrechts, namentlich die Grunddienstbarkeit gemäß §§ 1018 ff. Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – und die beschränkt persönliche Dienstbarkeit gemäß §§ 1090 ff. BGB zurückgegriffen werden kann.
a. Im Sachenrecht ist grundsätzlich anerkannt, dass eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit auch für öffentliche Zwecke bestellt werden kann (Reymann, in: Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, Stand 30. Mai 2019, BGB, § 1090 Rn. 20, beck-online). Durch die beschränkte persönliche Dienstbarkeit wird ein Grundstück in der Weise belastet, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen, oder dass ihm eine sonstige Befugnis zusteht. Bei der Anwendung des Sachenrechts ist dennoch zu beachten, dass auch zur Sicherung öffentlich-rechtlicher Zwecke nur der nach den allgemeinen sachenrechtlichen Bestimmungen der §§ 1018 ff., 1090 ff. BGB zulässige Inhalt vereinbart werden darf und insoweit der privatrechtliche Gestaltungsrahmen zu wahren ist (Reymann, a.a.O., BGB, § 1090 Rn. 20).
Zur Belastung eines Grundstücks mit einem beschränkten dinglichen Recht ist gemäß § 873 BGB die Einigung zwischen dem Eigentümer des belasteten Grundstücks und dem Berechtigten – zumeist die Gebietskörperschaft, die die Aufgabe der Unteren Bauaufsichtsbehörde wahrnimmt – erforderlich. Gegenstand der Einigung ist der konkrete Inhalt der Belastung, die als beschränkte persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen werden soll. Bis zu ihrer Eintragung ist die Dienstbarkeit noch nicht entstanden, womit das bestehende Rechtsverhältnis noch rein schuldrechtlicher Art bleibt (Eckert, in: Hau/Poseck Beck’scher Online-Kommentar zum BGB, 64. Ed., Stand: 1. November 2022, BGB, § 873, Rn. 14, beck-online). Die Einigung umfasst die wesentlichen Eigenschaften der übereinstimmenden Willenserklärungen. Im Fall einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit gehören dazu die Identifizierung des betroffenen Grundstücks, die Benennung der Vertragsparteien, die Bezeichnung der bewilligten Rechte, sowie die Bestimmung des spezifischen Inhalts oder Umfangs des Rechts (Lettmaier, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2023, BGB, § 873 Rn. 62, beck-online). Für den Umfang der Dienstbarkeit gilt, dass sich deren Inhalt nicht aus dem Gesetz, sondern aus der vertraglichen Abrede der Beteiligten ergibt. Die Beteiligten sind in ihrer Einigung über den Inhalt der Dienstbarkeit weitestgehend frei, wobei die rechtsgeschäftliche Einigung den Inhalt des Rechts hinreichend bestimmt festlegen muss und sich danach bei einer Benutzungsdienstbarkeit auf die festgelegte Art der Nutzung – mit dem Wortlaut des § 1090 Abs. 1 BGB: „in einzelnen Beziehungen“ – beschränkt (Mohr, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2023, BGB, § 1090 Rn. 42, beck-online). Die getroffene Einigung der Vertragsparteien ist zur Erforschung des gewollten Sinngehalts anhand des dokumentierten Wortlauts und ergänzend anhand weiterer Begleitumstände auszulegen (Dörner, in: Schulze, Bürgerliches Gesetzbuch, 11. Aufl. 2021, BGB, § 133 Rn. 4f., beck-online).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben sind in dem hier zu entscheidenden Verfahren 47 Einigungen über derartige Dienstbarkeiten anzuerkennen (16 für WEA 04, 16 für WEA 12 und 15 für WEA 13) sowie unstreitig sieben weitere für die Rotorabstandsflächen. Da die gebührenauslösende Einigung nicht zwangsläufig in einer Grundbucheintragung endet, sind die Form und die Anzahl der geplanten oder tatsächlichen Eintragungen nicht entscheidend. Denn zum einen werden Geh-, Fahr- und Feuerwehrzufahrtsrecht in der Regel gemeinsam vermerkt, um eine Überlastung des Grundbuchs durch eine Vielzahl von Eintragungen zu vermeiden. Zum anderen bilden verschiedene Flurstücke mitunter auf einem Grundbuchblatt zusammengefasste Buchgrundstücke und erfordern somit nur eine einzige Eintragung, die sich auf verschiedene laufende Nummern der betroffenen Grundstücke im Bestandsverzeichnis erstreckt.
Es kommt allein auf den materiellen Gehalt der Einigung zur rechtlichen Sicherung an, wie er sich aus den vorgelegten Urkunden und unter Berücksichtigung des verfolgten Sicherungszwecks ergibt. Die Einigungsurkunde zwischen Grundstückseigentümern und der begünstigten Unteren Bauaufsichtsbehörde umfasst eine einheitliche Zuwegung. Die Kammer hat sich dafür beispielhaft und ohne Einwände der Beteiligten, die Einigungsunterlagen für die WEA 04, deren Errichtung auf dem Grundstück der Gemarkung G... , Flur 3, Flurstück 32 beabsichtigt war, vorlegen lassen und diese in Augenschein genommen. Die bewilligten Rechte sind in der Überschrift „Geh- und Fahrrechte, Feuerwehrzufahrt“ gemeinsam als „Inhalt der Einigung (…) zur Sicherung der Erschließung des Grundstücks“ benannt. Inhalt und Umfang der Rechte sind dahingehend festgelegt, dass der Eigentümer sich gegenüber dem dienstbarkeitsberechtigten Landkreis O... als Untere Bauaufsichtsbehörde verpflichtet, den Zugang und die Zufahrt sowie die Feuerwehrzufahrt zu der Windenergieanlage auf seinem Flurstück zu dulden. Damit ist nicht nur die bauordnungsrechtliche Erschließung des geplanten Standortes der Windenergieanlage durch eine befahrbare Zufahrt zu einer öffentlichen Verkehrsfläche rechtlich gesichert, sondern zugleich die Zuwegung für Rettungsfahrzeuge. Aus Sicht der dienstbarkeitsgewährenden Eigentümer ist davon auszugehen, dass eine einheitliche Willensbildung dahingehend stattgefunden hat, die öffentliche Zuwegung über das eigene Grundstück zu erlauben, unabhängig von der baurechtlichen Frage, ob diese den allgemeinen Verkehr oder Rettungsfahrzeuge oder beide betrifft.
Dafür spricht auch, dass die in § 1090 Abs. 1 BGB genannten verschiedenen Arten der Belastung in einer Dienstbarkeit zusammengefasst werden können (Mohr, a.a.O., BGB vor § 1018 Rn. 8; Schöner/Stöber, in: Schöner/Stöber Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 1138, beck-online), sofern diese sich dergestalt auf eine gleichartige Tätigkeit beziehen, dass sie den gleichen Wesenskern teilen (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22. September 1961 – V ZB 16/61 –, Rn. 16, juris). Wenn mehrere Belastungsarten zusammengefasst werden können, ist es erst recht möglich, verschiedene Belastungen einer Art mit derselben Dienstbarkeit zu bewilligen. Selbst wenn man entgegen der Grundbucheintragung und Einigungsurkunde annehmen wollte, dass die Wege qualitativ verschiedene Belastungen bedeuteten, ist es zulässig, diese in einer Einigung miteinander zu verbinden, damit sie gemeinsam den Inhalt einer einheitlichen Dienstbarkeit bilden mögen (Schöner/Stöber, a.a.O., Rn. 1138, beck-online), weil beiden als gemeinsamer Wesenskern innewohnt, dass die Zuwegung des Windenergiestandortes gleichermaßen durch die Gestattung der Geh- und Fahrrechte realisiert wird wie durch die Gewährleistung der Rettungswege.
b. Dennoch sind hierfür nicht allein zivilrechtliche Erwägungen ausschlaggebend, da mit der Einigung über eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit neben der Erschließung des Grundstücks zugleich bezweckt ist, die im öffentlichen Interesse gebotene Brandbekämpfung und das ordnungsgemäße Funktionieren des Rettungswesens sicherzustellen (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. Mai 1988 – 4 C 54/85 –, Rn. 16, juris). Der Zweck der rechtlichen Sicherung dieser Zuwege ist die dauerhafte Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus den öffentlich-rechtlichen Anforderungen für bauliche Vorhaben ergeben. Die so gewonnene Erschließung muss auf Dauer zur Verfügung stehen (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. Mai 1988 – 4 C 54/85 –, Rn. 14, juris; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30. August 1985 – 4 C 48/81 –, Rn. 20, juris).
Die Vorgaben des öffentlichen Rechts stehen der Annahme einer einheitlichen Dienstbarkeit im vorliegend zu entscheidenden Fall nicht entgegen, weil die bauordnungsrechtlich erforderliche Erschließung der Windenergieanlagenstandorte ausreichend gesichert ist. Die bauordnungsrechtliche Nutzungserschließung des Grundstücks mit einer befahrbaren Zufahrt zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche regeln § 4 Abs. 1 Nr. 2 BbgBO 2008 bzw. § 4 Abs. 1 BbgBO 2016 (2018). Demnach dürfen Gebäude und bauliche Anlagen nur errichtet werden, wenn das Grundstück in angemessener Breite an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegt oder die Nutzung einer befahrbaren Zufahrt zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche gesichert ist. Der Schutzzweck dieser Regelung zielt darauf ab, den von dem Erschließungsgrundstück ausgelösten Ziel- und Quellverkehr ohne Schaden für den sonstigen Verkehr aufzunehmen und Rettungsdienst, Polizei-, Gesundheits- und Brandschutz ebenso zu gewährleisten wie die Unterhaltung von Ver- und Entsorgungsleitungen (Verwaltungsgericht Cottbus, Urteil vom 31. März 2004, 3 K 609/01, nicht veröffentlicht; Rehm, in: Reimus/Semtner/Langer, Die neue Brandenburgische Bauordnung, 4. Aufl. 2017, § 4 Rn. 5). Führt diese Zuwegung über fremde Grundstücke, muss als Ersatz für die fehlende Angrenzung des Baugrundstückes an die öffentliche Verkehrsfläche eine Verbindung vorhanden sein, die grundsätzlich als öffentliche Zuwegung rechtlich gesichert ist (vgl. Verwaltungsgericht Cottbus, Urteil vom 31. März 2004, 3 K 609/01, nicht veröffentlicht), sei es in Form einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit gemäß § 65 BbgBO 2008 oder durch eine Baulast gemäß § 84 BbgBO 2016 (2018). Beide Arten der rechtlichen Sicherung sollen sicherstellen, dass die Zufahrt auf Dauer genutzt werden kann und ohne behördliche Mitwirkung der Rechtsanspruch auf die Nutzung der Zufahrt nach Errichtung der baulichen Anlage nicht aufgehoben werden kann (Otto, Brandenburgische Bauordnung, Kommentar für die Praxis, 1. Aufl. 2007, § 4 Rn. 12).
Diese Erwägungen sind mit der Gebührenerhebung für eine einheitliche Einigung über den Gegenstand der rechtlichen Sicherung vereinbar. Zwar könnten reine Geh- und Wegerechte nach Art und Umfang anders ausgestaltet sein als die zu schaffenden Feuerwehrzugänge und -zufahrten. Erstere dienen der Herstellung und Aufrechterhaltung einer ausreichenden Verkehrsanbindung des herrschenden Grundstückes an die öffentliche Erschließungsstraße, insbesondere zum Fahren und Gehen von und nach dem herrschenden Grundstück. Die Feuerwehrzugänge haben spezielle bauordnungsrechtliche Voraussetzungen zu erfüllen; insbesondere müssen Zu- und Durchfahrten, Aufstellflächen und Bewegungsflächen für Feuerwehrfahrzeuge ausreichend befestigt und tragfähig sein; sie sind als solche zu kennzeichnen und ständig freizuhalten; die Kennzeichnung von Zufahrten muss von der öffentlichen Verkehrsfläche aus sichtbar sein, vgl. § 5 Abs. 2 BbgBO 2016 (2018). Dass eine Zufahrt für den allgemeinen Verkehr und diejenige für Rettungsfahrzeuge verschieden ausgestaltet oder gar gesondert angelegt seien, hält einer rechtlichen Überprüfung jedenfalls nicht stand, wenn entsprechende Anhaltspunkte gänzlich fehlen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Verkehrsflächen ohnehin eine ausreichend stabile Befestigung und hohe Tragfähigkeit aufweisen, um sich sowohl für Transport- und Wartungsfahrzeuge des Anlagenbetreibers als auch für Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge zu eignen. Der von der Klägerin eingereichte Lageplan der WEA 04 zeigt dementsprechend eine einheitliche Zuwegung zu dem Vorhabengrundstück. Der Beklagte vermag in diesem Verfahren nicht mit seinem Vortrag durchzudringen, die Vorbereitung und Bestellung von Dienstbarkeiten erfordere mit Blick auf §§ 4, 5 BbgBO 2008 (2018) separate Prüfungsvorgänge vonseiten der Behörde. Der Gebührentatbestand wird dem Grunde nach nicht durch den Prüfungsaufwand ausgelöst, sondern durch den Tatbestand der Einigung über beschränkt persönliche Dienstbarkeiten.
c. Dieses Ergebnis hat ebenfalls unter dem Gesichtspunkt Bestand, dass die schuldrechtliche Einigung über den Inhalt der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit und die notariell beurkundete Dienstbarkeitsbewilligung mit Eintragungsantrag in separaten Urkunden dokumentiert wurden. Auf eine rein formale Betrachtung der Urkundenanzahl kommt es jedenfalls dann nicht an, wenn diese lediglich Ausfluss des zivilrechtlichen Prinzips ist, dass Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft getrennte rechtliche Vorgänge sind.
III. Die Gebühr ist auch der Höhe nach rechtswidrig, da bereits der anzuwendende Gebührenrahmen rechtsfehlerhaft ermittelt und angewendet wurde. Den Rechtsanwendungsfehler sieht die Kammer darin, dass § 17 GebGBbg erst nach Festsetzung der konkreten Gebühr angewendet wurde statt den gesamten Rahmen zu reduzieren. Nach dieser Regelung beträgt die Gebühr mindestens 25 Prozent, höchstens jedoch 75 Prozent der vorgesehenen Gebühr, wenn ein Antrag auf Vornahme einer öffentlichen Leistung nach Beginn, aber vor Beendigung der sachlichen Bearbeitung zurückgenommen oder ein Antrag aus anderen Gründen als wegen Unzuständigkeit abgelehnt wird (§ 17 S. 1 GebGBbg). Bei Rahmensätzen reduzieren sich daher der Mindestsatz auf 25 Prozent und der Höchstsatz auf 75 Prozent (§ 17 S. 2 GebGBbg).
Vorliegend ist § 17 GebGBbg anwendbar, weil der Beklagte den Antrag auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung ablehnte (dazu a.). Die Vorschrift bewirkt, dass sich der gesamte Gebührenrahmen gemäß Tarifstellen 1.9.1 und 9.1 reduziert; und zwar indem der Mindest- und der Höchstsatz sich „nach unten“ verschieben (dazu b.). Erst im Anschluss war das Ermessen gemäß § 14 GebGBbg auszuüben (dazu c.).
a. Der Anwendungsbereich des § 17 GebGBbg ist eröffnet, weil der Beklagte den Antrag auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung „aus anderen Gründen als wegen Unzuständigkeit“ mit Bescheid vom 20. Dezember 2017 ablehnte. In dem streitgegenständlichen Bescheid geht der Beklagte davon aus, dass die Gebührenreduzierung aus der Antragsrücknahme folge. Zwar nahm die Klägerin den Antrag auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die hier interessierenden Windenergieanlagen mit Erklärung vom 8. Juni 2001 zurück. Die Rücknahme erfolgte jedoch erst nachdem die sachliche Bearbeitung mit Erlass des Ablehnungsbescheids bereits beendet war.
Die sachliche Bearbeitung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem die Behörde erste sachliche Überlegungen in Richtung auf die zu treffende Entscheidung anstellt, die bloße Befassung der Posteingangsstelle oder der Registratur mit der Angelegenheit genügt nicht (Benedens, in: Kommunalpraxis kompakt, Band 5, Stand: April 2019, GebGBbg, § 17). Die Amtshandlung ist als beendet anzusehen, wenn die Sachentscheidung getroffen und unterschrieben ist, sowie dem Adressaten mitgeteilt werden kann oder bekannt gegeben ist (Benedens, in: Kommunalpraxis kompakt, Band 5, Stand: April 2019, GebGBbg, § 17). Vorliegend endete die sachliche Bearbeitung demzufolge mit der ablehnenden Entscheidung des Beklagten vom 20. Dezember 2017 (Nr. 30.043.00/15/1.6.2/RO) im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren. Das sich anschließende Widerspruchsverfahren, welches wiederum einen gesonderten Gebührentatbestand auslöst, war nicht mehr Teil der sachlichen Bearbeitung im Sinne des § 17 GebGBbg, sodass eine Antragsrücknahme in diesem Verfahrensstadium nicht mehr die Rechtsfolge einer Gebührenreduzierung auslösen konnte. Die Frage, ob das Verwaltungsverfahren im Sinne des § 9 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes abgeschlossen ist, oder mit dessen Erlass bzw. der Bekanntgabe das Ende des Verwaltungsverfahrens markiert wird, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung (vgl. zum Meinungsstand Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 23. Aufl. 2022, § 9 Rn. 61), weil der Wortlaut des § 17 GebGBbg nicht auf das Verwaltungsverfahren, sondern die sachliche Bearbeitung abstellt.
b. Nach Maßgabe des § 17 S. 2 GebGBbg kommt es zu einer Verschiebung des Gebührenrahmens. Demnach reduziert sich der Rahmensatz im Mindestsatz auf 25 Prozent und im Höchstsatz auf 75 Prozent. Die Vorschrift ist dahingehend auszulegen, dass sich der gesamte Gebührenrahmen im Mindest- und Höchstsatz vermindert. Das bedeutet für die konkrete Tarifstelle 9.1 des o. g. Gebührenverzeichnisses, dass sich der dort vorgegebene Rahmen von 50 Euro (Mindestsatz) bis 1.000 Euro (Höchstsatz) dergestalt reduziert, dass der entsprechend verminderte Mindestsatz 12,50 Euro und der verminderte Höchstsatz 750 Euro beträgt. Mit derselben Auslegung ist für die Tarifstelle 1.9.1 der im Gebührenverzeichnis vorgegebene Rahmen von 100 bis 2.500 Euro zu reduzieren auf 25 bis 1.875 Euro.
§ 17 GebGBbg folgt dabei dem Regelungsgedanken, dass die Gebühr bei der Antragsablehnung zwischen 25 und 75 Prozent der Sachentscheidungsgebühr beträgt (vgl. LT-Bbg, Drs. 4/6974, S. 34). Der Landesgesetzgeber hat dafür die Regelungsmethode einer Gebührenrahmenverschiebung gewählt und sich gegen eine der Festsetzung nachgelagerte Gebührenermäßigung entschieden. Demgegenüber erfolgte die Gebührenfestsetzung durch den Beklagten im konkreten Fall dergestalt, dass zuerst eine konkrete Gebühr nach dem Gebührenverzeichnis festgesetzt und diese anschließend unter Anwendung des § 17 S. 1 GebGBbg reduziert wurde. Diese Gebührenbestimmung des Beklagten findet nach Auffassung der Kammer keine ausreichende Grundlage im hier anzuwendenden Gesetz. Der Gesetzgeber hat mit § 17 S. 2 GebGBbg einen Gebührenermäßigungstatbestand geschaffen, für den im Ausgangspunkt die Rahmengebühren zu reduzieren sind und sodann in einem zweiten Schritt aus diesem reduzierten Rahmen für den Einzelfall eine angemessene Gebühr unter Berücksichtigung von § 14 GebGBbg gebildet wird (a.A. ohne nähere Begründung: Benedens, a.a.O., § 17 S. 3).
Der brandenburgische Landtag hat dazu in den Gesetzgebungsmaterialien festgehalten, die vorherige Vorschrift habe in der Praxis wiederholt zu Auslegungsproblemen geführt, wenn für die Gebühr ein Rahmensatz vorgegeben war, mit der Folge, dass der neue Satz 2 der Klarstellung diene (LT-Bbg, Drs. 5/6023, S. 34). Die vom Gesetzgeber angestrebte Klarstellung nimmt Bezug auf § 17 S. 1 GebGBbg, dem eine Reduzierung der Gebühren nach festen Sätzen (vgl. § 5 Abs. 2 GebGBbg) zu entnehmen ist: Wird demnach ein Antrag zurückgenommen oder abgelehnt, so beträgt die Gebühr mindestens 25 Prozent, höchstens jedoch 75 Prozent der vorgesehenen Gebühr. Daraus ergibt sich auch für Gebühren nach festen Sätzen, dass sich die vorgesehene Gebühr reduziert, bevor sie im konkreten Einzelfall festgesetzt wird.
Die Reduzierung der Rahmengebühr rechtfertigt sich unter dem Gesichtspunkt, dass ein abgelehnter Antrag einen geringeren Wert oder sonstigen Nutzen für den Antragsteller bietet. Damit wird einem Umstand pauschal Rechnung getragen, der sich nur schwerlich in konkreten Zahlen abbilden lässt: Bei Ablehnung des Antrags gelangt das ursprüngliche Interesse des Antragstellers an der begehrten Verwaltungstätigkeit nicht zum angestrebten Erfolg. Die Bedeutung, der wirtschaftliche Wert oder der sonstige Nutzen der versagten öffentlichen Leistung sind von vorneherein vermindert. Im Fall einer Antragsrücknahme bildet die Gebührenreduzierung ab, dass ein vor Beendigung der sachlichen Bearbeitung zurückgenommener Antrag für einen verminderten Verwaltungsaufwand sorgt, da nicht mehr das gesamte Spektrum der öffentlich-rechtlichen Vorschriften geprüft werden muss, deren Einhaltung Voraussetzung für die Vornahme der beantragten Amtshandlung ist (Verwaltungsgericht Halle (Saale), Urteil vom 28. Mai 2013 – 4 A 241/11 –, Rn. 49, juris). Aus Gründen der Verfahrensökonomie, insbesondere um einen weiteren Abwägungsprozess zu vermeiden (vgl. LT-Bbg, Drs. 4/6974, S. 34), ist der Gebührenrahmen als Ganzes nach unten zu verschieben. Dafür spricht auch, dass der Behörde in diesem Punkt kein Ermessen eingeräumt ist („reduzieren sich“), anders als es die Gebührenbemessungsvorschrift des § 14 GebGBbg („so sind … im Einzelfall zu berücksichtigen“) vorsieht.
Etwas Anderes kann nach Wortlaut und Systematik der hier auszulegenden Norm legislativ nicht gewollt sein. Zum einen hat der Landesgesetzgeber gerade nicht die Sprachfassung der Reduzierung der festgesetzten Gebühr, sondern (bei Rahmen- sätzen) die des reduzierten Mindest- und Höchstsatzes gewählt. Zum anderen käme es zu Auslegungs- und Rechtsanwendungsproblemen des § 17 GebGBbg, wenn eine in das behördliche Ermessen gestellte Reduzierung angenommen würde. Anders als die Befugnis zum Treffen einer Billigkeitsentscheidung beispielsweise in § 12 Abs. 3 Verwaltungskostengesetz des Landes Sachsen-Anhalt („… kann die Gebühr bis auf ein Viertel des vollen Betrages ermäßigt werden“) für den Fall einer Antragsrücknahme oder –ablehnung, ist der Behörde im Land Brandenburg gerade kein Ermessen eingeräumt. Der tatsächliche Verwaltungsaufwand im konkreten Einzelfall wird bereits in Anwendung des § 14 GebGBbg berücksichtigt, sodass allein Raum für eine pauschale Berücksichtigung im Wege der Gebührenrahmenverschiebung bleibt, zumal weder die Norm selbst vorgibt noch das Gesetz an anderer Stelle erkennen lässt, nach welchen Grundsätzen eine bereits festgesetzte Gebühr nachträglich verringert werden solle.
Im vorliegenden Fall hat der Beklagte den Gebührenrahmen von 50 bis 1 000 Euro anhand des Gebührenverzeichnisses (Tarifstelle 9.1 Gebührenverzeichnis) ermittelt und die Einzelfallgebühr nach Ermessensabwägung in Höhe von 250 Euro je Dienstbarkeit festgesetzt. Anschließend wurde diese Gebühr entsprechend § 17 S. 1 GebGBbg um 25 Prozent reduziert und daraus der finale Gebührenanteil für diese Verwaltungstätigkeit errechnet. Die sachliche Rechtfertigung für den Gebührenanteil von 75 Prozent wurde darin gesehen, dass die im Genehmigungsverfahren bis zu diesem Zeitpunkt vorgesehenen Prüfschritte dem entsprachen, was auch im Fall der Genehmigungserteilung erfolgt wäre. Der Unterschied zur Erteilung der Genehmigung habe allein darin bestanden, dass das Vorliegen sämtlicher Genehmigungsvoraussetzungen nicht festgestellt werden konnte. Entsprechend ist der Beklagte bei Anwendung der Tarifstelle 1.9.1 Gebührenverzeichnis vorgegangen.
Dieser Rechtsanwendungsfehler führt in den Grenzen des maßgeblichen Klagebegehrens zur Aufhebung des Bescheids, soweit darin Gebühren von mehr als 58.995,03 Euro festgesetzt werden.
c. Das behördliche Festsetzungsermessen gemäß § 14 GebGBbg bezog sich auf einen fehlerhaft ermittelten Gebührenrahmen. Die Kammer merkt ergänzend an, dass im Übrigen keine Rechtsfehler in der Ausübung des behördlichen Ermessens gemäß § 114 VwGO erkennbar sind. Die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind nicht bereits deshalb überschritten, wie die Klägerin vorträgt, weil der mit der öffentlichen Leistung verbundene Verwaltungsaufwand gemäß § 14 Abs. 1 GebGBbg zu hoch angesetzt worden sei. Da das Gesetz ein festes Verhältnis der abzuwägenden Gesichtspunkte nicht vorschreibt, sondern nur deren „Berücksichtigung“ hat die Behörde einen relativ breiten Entscheidungsspielraum (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. September 2017 – 12 B 11.16 –, Rn. 19, juris). Bleibt die Gebührenfestsetzung im mittleren Bereich, aber noch weit unterhalb des Mittelwertes des Gebührenrahmens, wird darin der möglicherweise verhältnismäßig geringe Verwaltungsaufwand – wie er sich für die rechtliche Sicherung mittels Grunddienstbarkeiten oder Zulassung bauordnungsrechtlicher Abweichungen darstellen kann – ebenso berücksichtigt, wie die wirtschaftliche Bedeutung der öffentlichen Leistung für die Klägerin.
C. Über die Kostentragung war gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu entscheiden. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung basiert auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
Die Berufung wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 S. 1 VwGO. Der rechtssicheren und -klaren Auslegung der landesrechtlichen Vorschrift des § 17 S. 2 GebGBbg kommt erhebliche praktische Bedeutung zu. Im Interesse einer einheitlichen Anwendung des Rechts erscheint die Klärung der Rechtsfrage, ob § 17 GebGBbg eine Gebührenrahmenreduzierung in den Fällen des § 17 S. 1 GebGBbg vorschreibt oder eine „einfache“ Gebührenreduzierung ausreichen lässt, geboten. Weder in der Kommentarliteratur noch in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist diese Frage bisher in ausreichendem Maß aufgegriffen worden.