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Entscheidung 1 BV 19/14


Metadaten

Gericht ArbG Brandenburg 1. Kammer Entscheidungsdatum 11.09.2014
Aktenzeichen 1 BV 19/14 ECLI ECLI:DE:ARBGBRA:2014:0911.1BV19.14.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Richterin am Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Dr. Oda H. wird zur Vorsitzenden der bei den Beteiligten zu bildenden Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Änderung der elektronischen Zeiterfassung“ bestellt.

2. Die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer wird auf zwei festgesetzt.

Gründe

A.

Die Betriebsparteien streiten darüber, ob zum Regelungsgegenstand „Änderung der elektronischen Zeiterfassung“ eine Einigungsstelle zu bilden ist und im Weiteren über die Person des Einigungsstellenvorsitzenden sowie über die Anzahl der Beisitzer.

Die Arbeitgeberin (Antragsgegnerin) betreibt in D. einen Einzelhandelsbetrieb, deren neunköpfiger Betriebsrat der Antragsteller ist.

Zwischen den Parteien wurden in der Vergangenheit eine Vielzahl von Betriebsvereinbarungen geschlossen, u.a. die Betriebsvereinbarung über „Arbeitszeit und Pausen vom 6. Februar 2004“. Bezüglich der von der Arbeitgeberin durchzuführenden Personaleinsatzplanung schlossen die Betriebsparteien im Zusammenhang mit der „Betriebsvereinbarung über Anwendung, Einführung, Einsatz und Umgang der IT/EDV-Systeme“ vom 25.11.2009 einen Regelungsbaustein „PEP“, mit dem im Wesentlichen die Anwendung der elektronischen Personaleinsatzplanung vereinbart wurde.

Die auf dieser Grundlage erstellten Personaleinsatzpläne sind regelmäßig Gegenstand der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 BetrVG. Soweit geplante Arbeits- und Pausenzeiten von tatsächlichen Zeiten abweichen, erfassen dies alle Beschäftigten selbst durch manuelles Eintragen in die entsprechenden Formulare „Abweichung Einsatzplanung“. Soweit die tatsächlich geleisteten Arbeits- und Pausenzeiten der Beschäftigten von den geplanten abweichen, werden diese kurzfristig, in der Regel am Folgetag, durch die so genannten Zeitkorrekturbeauftragten in das Personaleinsatzplanungssystem „PEP“ ebenfalls manuell eingepflegt.

Spätestens seit 2011 beabsichtigte die Arbeitgeberin in ihrem Betrieb an verschiedenen Stellen elektronische Zeiterfassungsterminal aufzustellen und ein elektronisches Zeiterfassungssystem zu integrieren, mit dem alle Beschäftigten ihre geleisteten Arbeits- und Pausenzeiten mittels einer Chipkarte erfassen sollten, um somit die bereits praktizierte positive Zeiterfassung durch manuelles Aufschreiben abzulösen. Hierzu legte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat einen Betriebsvereinbarungsentwurf vor. Der Betriebsrat lehnte den Entwurf insbesondere deshalb ab, weil er zumindestens mit dem Standort eines Zeiterfassungsterminals nicht einverstanden war. Nach mehreren Schriftwechseln teilte die Arbeitgeberin durch ihren Hausleiter am 22.03.2012 schriftlich mit, dass man sich entschieden habe, von der Einführung der positiven Zeitwirtschaft abzusehen. Man wolle weiterhin an der manuellen Aufschreibung ggf. auftretender Abweichungen von den geplanten Arbeits- und Pausenzeiten festhalten. Nach weiteren Schriftwechseln in dieser Sache zwischen den Betriebsparteien fasste der Betriebsrat am 08.10.2013 den Beschluss, die jetzigen Verfahrensbevollmächtigten zur Durchsetzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG außergerichtlich als auch gerichtlich gegenüber der Arbeitgeberin durchzusetzen. Nachdem der Betriebsrat die Arbeitgeberin nochmals zu Verhandlungen aufforderte und die Arbeitgeberin dies ablehnte, beschloss der Betriebsrat in seiner Sitzung am 08.04.2014, die Verhandlungen über eine neue Betriebsvereinbarung zur Änderung der elektronischen Zeiterfassung für gescheitert zu erklären und in dieser Angelegenheit die Einigungsstelle anzurufen.

Der Betriebsrat trägt weiter vor: in seiner Sitzung am 01.07.2014 habe er beschlossen, den Regelungsbaustein „PEP“ zur BV IT/EDV zum nächst möglichen Zeitpunkt zu kündigen. Mit Schreiben vom 03.07.2014 habe er dann gegenüber der Arbeitgeberin den Regelungsbaustein gekündigt.

Der Betriebsrat beantragt,

1. Die Richterin am Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Dr. Oda H. wird zur Vorsitzenden der Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Änderung der elektronischen Zeiterfassung“ bestellt.

2. Die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer wird auf vier festgesetzt.

Die Arbeitgeberin beantragt,

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Hilfsweise wird beantragt, den Richter am Arbeitsgericht Eberswalde, Herrn André von O., zum Vorsitzenden der Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Neuabschluss einer Betriebsvereinbarung in Bezug auf das bei der Beteiligten zu 2. derzeit verwendete elektronische Personaleinsatzplanungssystem „PEP“ mit seinem derzeitigen Anwendungsbereich“ zu bestellen und die Anzahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer auf zwei Personen festzulegen.

Sie führt aus: Zunächst werde mit Nichtwissen bestritten, dass der Betriebsrat die Betriebsvereinbarung „Regelungsbaustein „PEP““ vom 25.11.2009 mit Schreiben vom 03.07.2014 gekündigt habe. Es werde weiter bestritten, dass diesem Schreiben ein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss zu Grunde liege, dass die Mitglieder des Betriebsrates ordnungsgemäß und vor allem unter ausreichender vorheriger Mitteilung der Tagesordnung, zu deren Sitzung am 01.07. geladen worden sind.

Im Weiteren führt er aus, vorliegend sei die Einigungsstelle auch offensichtlich unzuständig, denn dem Betriebsrat stehe für den begehrten Regelungsgegenstand kein Initiativrecht zu.

Im Hinblick auf die von dem Betriebsrat vorgeschlagene Vorsitzende bestehe kein Einverständnis, auch deshalb nicht weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass Frau Dr. Oda H., Richterin am Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, mit der eventuellen Überprüfung eines Spruchs der Einigungsstelle betraut sein könnte. Nach Auffassung der Arbeitgeberin sei der Richter am Arbeitsgericht Eberswalde, Herr André von O., durchaus geeignet, den Vorsitz des Einigungsstellenverfahrens zu übernehmen. Da der Betrieb in D. nicht zum Zuständigkeitsbereich des Arbeitsgerichts Eberswalde gehöre, bestehe auch nicht die Gefahr, dass er mit der Überprüfung eines etwaigen Spruchs der Einigungsstelle betraut werden könnte. Es bestehe aber auch kein Einverständnis, die Anzahl der Beisitzer auf vier Personen festzulegen. Nach Auffassung der Arbeitgeberin zu der bereits geregelten Thematik sei es ausreichend, die Anzahl der Beisitzer auf zwei Personen festzulegen.

B.

Dem Bestellungsbegehren des Betriebsrates war im Wesentlichen zu entsprechen. Allerdings scheint es ausreichend, dass die Betriebsparteien jeweils zwei Beisitzer für die Einigungsstelle benennen.

I.

Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten u.a. zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden, deren Einsetzung im hier angestrengten Verfahren nach § 99 ArbGG auch gerichtlich durchgesetzt werden kann. Das Gericht kann nach dieser Vorschrift Anträge wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur dann zurückweisen, wenn die Einigungsstelle „offensichtlich unzuständig“ ist. Liegt eine offensichtliche Unzuständigkeit nicht vor, so obliegt es der Einigungsstelle, über ihre Zuständigkeit in eigener Verantwortung selbst zu entscheiden. Die von der Einigungsstelle zu prüfende und zu beschließende Rechtsfrage ist dann allerdings gerichtlich überprüfbar.

II.

1. Nach den oben genannten Grundsätzen war die Einigungsstelle für den beantragten Regelungsgegenstand zu bestellen. Eine offensichtliche Unzuständigkeit in dieser Frage ist nicht erkennbar.

Nach § 99 Abs. 1 Satz 2 ArbGG darf ein Antrag auf Bestellung des Vorsitzenden oder Bestimmung der Zahl der Beisitzer wegen fehlender Zuständigkeit der zu bildenden Einigungsstelle nur zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. An der Zuständigkeit der Einigungsstelle fehlt es in erster Linie dann, wenn der Spruch der Einigungsstelle die Einigung der Betriebspartner nicht wie vom Gesetz vorgesehen ersetzt. Offensichtlich ist die Einigungsstelle dann unzuständig, wenn das vom Betriebsrat in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht nicht gegeben ist (BAG 06.12.1983, AP BetrVG 1972, § 87 Überwachung Nr. 7). Das bedeutet, dass bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in der fraglichen Angelegenheit unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt in frage kommt (LAG Berlin, 18.02.1980, AP ArbGG 1979, § 98 Nr. 1; LAG Düsseldorf, 21.12.1981, EZA § 98 ArbGG 1979 Nr. 4). Offensichtlich kein Mitbestimmungsrecht ist gegeben, wenn sich die beizulegende Streitigkeit zwischen den Betriebspartnern erkennbar nicht unter einem mitbestimmungspflichtigen Tatbestand subsumieren lässt (LAG Hamm 10.09.2007 – 10 TaBV 85/07) oder beispielsweise wenn von einem Mitbestimmungsrecht bereits durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung abschließend Gebrauch gemacht wurde (LAG Hamm 26.05.2008 – 10 TaBV 51/08).

2.

a) Vorliegend bestehen keine Bedenken, dass der begehrte Regelungsgegenstand dem Mitspracherecht des Betriebsrats unterliegt. Denn bei der Frage, ob die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in dem Betrieb der Betriebsparteien für die Personaleinsatzplanung ggf. abweichende tatsächliche Arbeits- und Pausenzeiten manuell oder elektronisch erfassen soll, ist wegen des gekündigten Regelungsbausteines „PEP“ ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG gegeben. Insoweit kann es dahinstehen, ob dem Betriebsrat ein alleiniges Initiativrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG im Hinblick auf die Aufstellung von Zeiterfassungsterminals zusteht. Denn soweit es um Kontrollmechanismen im Rahmen der Festlegung einer Einigungsstelle nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG geht, stellt sich automatisch die Frage der Zeiterfassung (LAG Niedersachsen vom 22.10.2013 – 1 TaBV 53/13 – zitiert nach juris). Hierüber hat die Einigungsstelle mitzuverhandeln. Denn ob die Arbeitszeiterfassung handschriftlich oder elektronisch erfolgt, kann Gegenstand des Einigungsstellenverfahrens und seiner Verhandlung sein. Tatsächlich hat auch nicht der Betriebsrat die Aufstellung der Terminals, sondern die Arbeitgeberin zunächst verlangt. Der Betriebsrat hat lediglich im Hinblick auf ein Terminal Bedenken im Hinblick auf den Aufstellungsort geäußert.

Insoweit ist die Einigungsstelle nicht bereits wegen eines bestehenden fehlenden Initiativrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG offensichtlich unzuständig.

b) Der Regelungsbaustein „PEP“ ist auch tatsächlich wirksam durch den Betriebsrat gekündigt worden. Die Kopien der jeweiligen Beschlüsse des Betriebsrates in diesem Zusammenhang hat dieser mit der Antragsschrift als Anlagen A 22, A 23 und A 24 zur Akte gereicht.

3. Zur Vorsitzenden der Einigungsstelle war antragsgemäß Richterin am Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Frau Dr. Oda H. zu bestellen. Frau Dr. Oda H. ist eine erfahrene Richterin und Einigungsstellenvorsitzende. Die Bedenken der Arbeitgeberin, Frau Dr. Oda H. könne ggf. mit der Überprüfung des Spruchs der Einigungsstelle betraut sein, ist unbegründet. Denn nach der Geschäftsverteilung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg ist für den Fall, dass eine Vorsitzende Richterin oder ein Vorsitzender Richter des Landesarbeitsgerichts zuvor mit dem zu überprüfenden Einigungsstellenverfahren als Vorsitzender befasst war, eine andere Verteilung geregelt ist.

4. Hingegen war, wie auch von der Arbeitgeberin angeregt, die Anzahl der Beisitzer für das Einigungsstellenverfahren für jede Betriebspartei auf zwei festzusetzen. Dies scheint unter Berücksichtigung des Verhandlungsgegenstandes der Einigungsstelle ausreichend. Sollte tatsächlich während des Verfahrens technischer Sachverstand notwendig werden, so kann die Einigungsstelle die Hinzuziehung des Sachverstandes beschließen.

Das Verfahren ist gemäß § 2 Abs. 2 GKG gerichtskostenfrei. Einer Kostenentscheidung bedurfte es deshalb nicht.

Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Beschluss kann von d. Beteiligten zu 1 und 2 Beschwerde eingelegt werden.


Die Beschwerdeschrift muss von einem Rechtsanwalt oder einem Vertreter einer Gewerkschaft bzw. einer Arbeitgebervereinigung oder eines Zusammenschlusses solcher Verbände unterzeichnet sein. Die Beschwerdeschrift muss innerhalb


einer Notfrist von zwei Wochen


bei dem

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg,
Magdeburger Platz 1, 10785 Berlin,


eingegangen und schriftlich begründet sein.


Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Beschwerde gerichtet ist, sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt werde.


Der Schriftform wird auch durch Einreichung eines elektronischen Dokuments im Sinn des § 46 c ArbGG über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) genügt. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz für die verantwortende Person. Rechtliche Grundlage ist die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr im Land Brandenburg vom 14.12.2006, zuletzt geändert durch Verordnung vom 08.09.2010. Die Bekanntgabe der Bearbeitungsvoraussetzungen erfolgt gemäß § 3 der aktuellen Verordnung auf der Internetseite http://www.erv.brandenburg.de.


Die Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgesetzten Beschlusses, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.


Dabei ist zu beachten, dass der Beschluss mit der Einlegung in den Briefkasten oder einer ähnlichen Vorrichtung für den Postempfang als zugestellt gilt.
Wird bei der Partei eine schriftliche Mitteilung abgegeben, dass der Beschluss auf der Geschäftsstelle eines Amtsgerichts oder einer von der Post bestimmten Stelle niedergelegt ist, gilt das Schriftstück mit der Abgabe der schriftlichen Mitteilung als zugestellt, also nicht erst mit der Abholung der Sendung. Das Zustellungsdatum ist auf dem Umschlag der Sendung vermerkt.

 Von der Begründungsschrift werden zwei zusätzliche Abschriften zur Unterrichtung der ehrenamtlichen Richter erbeten.

E.