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Lehrkraft; Schulleiter; Deutsche Auslandsschule; Aufsichtsbehörde; Anspruch auf Einschreiten; Folgenbeseitigungsanspruch; Treu und Glauben; Beantragung eines ausländischen Visums; Verwaltungsweg


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 4. Senat Entscheidungsdatum 20.04.2023
Aktenzeichen OVG 4 S 10/23 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2023:0420.OVG4S10.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 2 ASchulG, § 17a GVG, § 40 VwGO, § 123 VwGO, § 146 VwGO, § 242 BGB

Leitsatz

Zum Folgenbeseitigungsanspruch und zu Treu und Glauben als Grundlagen für einen Anspruch auf Einschreiten des Staates gegen Dritte.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 20. Februar 2023 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten der Beschwerde.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem erklärten Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Schulträger und die kommissarische Schulleitung ihrer Deutschen Auslandsschule anzuhalten, den Antrag auf Visumsverlängerung an die zuständigen amerikanischen Behörden weiterzuleiten, abgelehnt. Das Verwaltungsgericht führt zur Begründung an, der Antrag sei unzulässig, weil der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet sei. Zwischen der Antragstellerin und der deutschen Auslandsschule sei ein privatrechtlicher Arbeitsvertrag geschlossen worden. Soweit der Schulträger die von der Antragstellerin benötigte Visumsverlängerung nicht bei der ausländischen Behörde beantrage, handele es sich um eine privatrechtliche Auseinandersetzung.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

A. Die Antragstellerin führt in der Beschwerdebegründung allerdings zu Recht an, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei. Sie verweist darauf, dass sich ihr Begehren nicht gegen die Deutsche Auslandsschule, sondern gegen die Aufsichtsbehörde richte und das von dieser begehrte Einwirken auf den Schulträger und die kommissarische Schulleitung verwaltungsrechtlicher Natur sei.

Das Verwaltungsgericht hegt ohne nähere Begründung entgegen der ganz herrschenden Meinung, wonach § 173 VwGO in Verbindung mit §§ 17a f. GVG in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, wenn auch modifiziert, entsprechend anzuwenden sei (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. Juli 2022 – 3 B 31.21 – juris Rn. 8 ff., vom 11. Juli 2013 – 9 VR 5.13 – juris Rn. 3 ff. und vom 15. November 2000 – 3 B 10.00 – juris Rn. 4; Ehlers, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand August 2022, § 41 VwGO, Vorbemerkung § 17 GVG Rn. 17; Wöckel, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 41 Rn. 3 m.w.N.; Wysk, in: Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 41 §§ 17-17b GVG Rn. 7; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 17 GVG Rn. 7), die nur noch vereinzelt geäußerte Auffassung, dass ein nicht auf den Verwaltungsrechtsweg gehörender Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes als unzulässig abzulehnen und nicht etwa auf den für richtig gehaltenen Rechtsweg zu verweisen sei (so noch Ruthig, in: Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, Anh § 41 Rn. 2a). Das Oberverwaltungsgericht hat auch in einem solchen Fall, wenn es den Verwaltungsrechtsweg für eröffnet hält, aufgrund der eingelegten Beschwerde im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht etwa zunächst nur über den Rechtsweg zu befinden, sondern wegen der Eilbedürftigkeit ohne Zurückverweisung in der Sache selbst zu entscheiden (so auch Wöckel, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 41 Rn. 3).

Der Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist eröffnet, weil das Verhältnis zwischen der Antragsgegnerin mit dem für sie handelnden Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten, Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, einerseits und der Deutschen Auslandsschule andererseits als öffentlich-rechtlich in nichtverfassungsrechtlicher Art zu charakterisieren ist. Maßgeblich ist das Gesetz über die Förderung Deutscher Auslandsschulen (ASchulG). Auf dessen Grundlage handelt die Antragsgegnerin gegenüber den Schulträgern im Ausland hoheitlich. Ihnen wird der Status „Deutsche Auslandsschule“ durch Vertrag verliehen (§ 2 Abs. 1 ASchulG). Dieser Vertrag ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, weil der Schulträger auf dem Gebiet des Prüfungsrechts mit innerstaatlichen Hoheitsrechten beliehen wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Juli 2020 – 6 AV 4.20 – juris Rn. 5; OVG Münster, Beschluss vom 22. Juni 2022 – 19 B 233/21 – juris Rn. 7). Die erforderlichen Lehrkräfte werden den Deutschen Auslandsschulen durch den Bund vermittelt, was durch einen Vermittlungsbescheid als Verwaltungsakt gegenüber der Lehrkraft und durch Fördervertrag gegenüber der Schule erfolgt (§ 11 Abs. 2 ASchulG). Die öffentlich-rechtliche Beziehung zwischen dem Staat und dem Schulträger zeigt sich auch insoweit, dass Deutsche Auslandsschulen Zuwendungen im Wege der Festbetragsförderung als nicht rückzahlbaren Zuschuss erhalten können (vgl. §§ 7 ff. ASchulG sowie VwV ASchulG Nr. 30 f.). Die Gewährung einer staatlichen Förderung ist in Ermangelung von Besonderheiten als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren. Der von einem Dritten, hier der Antragstellerin, geltend gemachte Anspruch auf Einschreiten des Staates gegen die Deutsche Auslandsschule, mithin auf Gestaltung dieses öffentlich-rechtlichen Verhältnisses, ist ebenfalls öffentlich-rechtlicher Natur und gegebenenfalls mittels § 123 VwGO durchzusetzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2021 – 9 VR 1.21 – juris Rn. 13; siehe auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. August 2021 – OVG 3 S 6.21 – juris Rn. 7).

B. Hat die Antragstellerin – wie gezeigt – mit ihrer Beschwerde gegen die Begründung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes Recht, ist das Oberverwaltungsgericht zu einer Überprüfung der Sache ohne die Einschränkung aus § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO berufen und hat die Beschwerde zurückzuweisen, wenn sich die angefochtene Entscheidung aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. Juni 2017 – OVG 4 S 17.17 – juris Rn. 3 f.).

So ist es hier. Wer einen Anspruch auf Einschreiten des Staates gegen einen Dritten geltend gemacht, kann das oder zumindest eine ermessensfehlerfreie Entscheidung darüber nur dann mit Erfolg verlangen, wenn es eine (vom Gesetzgeber geschriebene oder ungeschriebene, aber anerkannte) Befugnisnorm zum Einschreiten gibt, die auch dem Schutz von dessen Individualinteressen zu dienen bestimmt ist (Pünder, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Band 3, 4. Aufl. 2021, § 69 Rn. 175 f.).

1. Wie die Antragstellerin selbst einräumt, lässt sich für ihr Begehren keine im Gesetz über die Förderung Deutscher Auslandsschulen geregelte Weisungsbefugnis der Antragsgegnerin gegenüber dem Schulträger oder der Schulleitung heranziehen. Sie hält vielmehr allein die Deutsche Auslandsschule für verpflichtet, auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ihrer Lehrkraft hinzuwirken. Die Antragstellerin versteht denn auch das von ihr angestrebte Einwirken der Antragsgegnerin auf ihre Beschäftigungsstelle ausdrücklich als Empfehlung. Eine Empfehlung kann man erbitten, grundsätzlich nicht erstreiten.

2. Der einhellig in seiner Existenz anerkannte Folgenbeseitigungsanspruch des Verwaltungsrechts bietet ebenfalls keine Grundlage für das Begehren, der Antragsgegnerin ein Einwirken auf die Deutsche Auslandsschule zu gebieten. Die Antragsgegnerin hatte mit Widerrufsbescheid vom 1. August 2022 deren Vermittlungsbescheid vom 17. Dezember 2019 widerrufen und die sofortige Vollziehung des Widerrufs angeordnet. Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels der Antragstellerin wiederhergestellt und zur Begründung angeführt, bei summarischer Prüfung lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Widerruf nicht vor (Beschluss vom 4. Oktober 2022 – VG 11 L 644/22 –). Das Prozessrecht ermöglicht es dem Verwaltungsgericht mit § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO, bereits in Verbindung mit einer Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels die Beseitigung von Vollzugsfolgen anzuordnen, schließt indes einen erst später bei Gericht gestellten isolierten Antrag auf einstweilige Anordnung nicht generell aus. Das Verwaltungsgericht hatte nicht über einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO zu entscheiden.

Der Folgenbeseitigungsanspruch setzt nach allgemeiner Auffassung voraus, dass durch einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist, der noch andauert. Seinem Inhalt nach ist der Anspruch auf die Wiederherstellung des Zustandes gerichtet, der im Zeitpunkt des rechtswidrigen Eingriffs bestand (BVerwG, Urteil vom 19. September 2019 – 9 C 5.19 – juris Rn. 13). Es ist denkbar, dass der Folgenbeseitigungsanspruch auch ein Einschreiten gegen Dritte nach sich zieht (z.B. die Exmittierung von zuvor in Privaträume eingewiesenen Obdachlosen; siehe Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, S. 369). Die Anspruchsgrundlage führt allerdings nur zur Beseitigung unmittelbarer Folgen hoheitlichen Handelns (Ossenbühl/Cornils, a.a.O., S. 368 f.).

Davon kann hier nicht die Rede sein. Die Untätigkeit der Deutschen Auslandsschule ist eine allenfalls mittelbare Folge des behördlichen Handelns. Die Antragsgegnerin war nach dem Vorbringen der Antragstellerin damals, als ihre Aufenthaltserlaubnis noch galt, wie heute nicht verpflichtet, sich um deren Verlängerung zu kümmern. Die dazu berufene Beschäftigungsstelle der Antragstellerin ist derzeit von Rechts wegen nicht gehindert, eine weitere Aufenthaltserlaubnis zu beantragen. Sie darf die Vermittlung der Antragstellerin als ihre Schulleiterin durch den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. Dezember 2019 mit Wirkung bis zum 31. Juli 2026 gegenwärtig nicht als vorzeitig beendet ansehen. Denn die aufschiebende Wirkung des Widerrufs des Vermittlungsbescheids bewirkt, dass gegenwärtig weder behördliches noch privates Handeln rechtliche oder tatsächliche, unmittelbare oder mittelbare Folgerungen aus dem suspendierten Verwaltungsakt ziehen darf (Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 12; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 80 Rn. 23).

3. Die Grundlage für einen Anspruch der Antragstellerin darauf, dass die Antragsgegnerin auf die Beschäftigungsstelle einwirke, ergibt sich schließlich nicht aus der entsprechenden Anwendung des § 242 BGB auf das zwischen den Beteiligten dieses Gerichtsverfahrens gemäß § 11 Abs. 2 ASchulG bestehende besondere Verwaltungsrechtsverhältnis. Das auch im öffentlichen Recht geltende Gebot, im wechselseitigen Verhältnis Treu und Glauben zu beachten, kann eine eigenständige Anspruchsgrundlage sein (so BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 – 2 C 28.02 – juris Rn. 19). Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit einen billigen Ausgleich beiderseitiger Interessen herbeigeführt, wenn die Benachteiligung einer Seite ansonsten kompensationslos wäre und mit dem Zweck des jeweils einschlägigen Rechts schwer vereinbar erschiene (Urteil vom 28. Mai 2003 – 2 C 28.02 – juris Rn. 21).

Diese Erwägungen treffen hier nicht zu. Die Antragstellerin hält die Antragsgegnerin für verpflichtet, alles zu unterlassen, was zu der wenn nicht rechtlichen, dann faktischen Ablösung der Antragstellerin von der Schulleitung der Deutschen Auslandsschule führe. Ihr Vorbringen läuft darauf hinaus, die Antragsgegnerin erwarte von der Deutschen Auslandsschule, auf den Verlängerungsantrag zu verzichten, und setze als Druckmittel deren finanzielle Abhängigkeit ein. Sie verweist zudem auf den Änderungsantrag der Antragsgegnerin gemäß § 80 Abs. 7 VwGO, der mit dem Ablauf des Visums der Antragstellerin begründet wurde und auf die sofortige Vollziehung des Widerrufs zielte. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 3. April 2023 – VG 11 L 128/23 – ab.

Das Stellen eines Änderungsantrags durch die Antragsgegnerin war, wenn auch erstinstanzlich erfolglos, legal und belegt kein Verhalten wider Treu und Glauben. Es bleibt ihr unbenommen, bis zur Entscheidung in der Hauptsache an ihrer vom Verwaltungsgericht nicht geteilten Rechtsposition festzuhalten. Die Antragstellerin hat mit ihren Darlegungen weder ein kollusives Zusammenwirken der Antragsgegnerin mit der Beschäftigungsstelle noch eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung glaubhaft gemacht. Der von der Antragstellerin angedeutete Druck auf den Schulträger wäre von diesem auszuhalten. Denn ein Ende der Förderung der Deutschen Auslandsschule, wenn sie zugunsten der Antragstellerin einen Verlängerungsantrag stellte, wäre nicht zu befürchten. Vor dem Hintergrund der Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Potsdam wäre die Kündigung bzw. Nichtverlängerung des Verleihungsvertrages und der Förderung wegen des Einsatzes der Schule für die Antragstellerin unhaltbar. Es ist für den Senat nach dem Vorbringen der Beteiligten in diesem Verfahren nicht erkennbar, ob neben der Antragsgegnerin auch die Deutsche Auslandsschule aus eigener Überzeugung das Interesse an der weiteren Verwendung der Antragstellerin als Schulleiterin verloren hat. Dann wäre die Empfehlung an die Beschäftigungsstelle, auf die sich das Begehren der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin beschränkt, nicht erfolgversprechend. Die Antragsgegnerin müsste vielmehr gegenüber der Schule den Druck aufbauen, dass sie wegen der Unterlassung des Antrags auf Aufenthaltserlaubnis ihre nach dem Gesetz über die Förderung Deutscher Auslandsschulen bestehende Rechtsposition auf das Spiel setze. Auch das wäre haltlos.

Letztlich spricht gegen einen unmittelbar aus Treu und Glauben hergeleiteten Anspruch auf Einwirken des Antragsgegners auf die Beschäftigungsstelle auch, dass die Benachteiligung für die Antragstellerin nicht kompensationslos ist. Aufgrund des derzeit für die Antragsgegnerin unverändert beachtlichen Vermittlungsbescheides dürfte kein Raum für die Vermittlung einer anderen Person als Schulleitung bestehen. Wenn die gegen die Antragstellerin gerichteten Vorwürfe im Hauptsacheverfahren ausgeräumt werden und sich der Widerrufsbescheid als rechtswidrig erweist, dürfte der Fortsetzung ihres Dienstes praktisch nichts im Wege stehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG (halber Auffangwert).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).