Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 21.04.2023 | |
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Aktenzeichen | OVG 3 M 20/23 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2023:0421.OVG3M20.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 32 AufenthG, § 5 Abs 1 Nr 1a AufenthG, § 108 FamFG, § 109 Abs 1 Nr 4 FamFG |
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. März 2023 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die erstinstanzliche Versagung von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO biete, ist nicht zu beanstanden.
Die Bejahung hinreichender Erfolgsaussichten setzt grundsätzlich nicht voraus, dass der Prozesserfolg schon gewiss ist. Es genügt vielmehr eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die jedenfalls dann gegeben ist, wenn der Ausgang des Verfahrens offen ist und ein Obsiegen ebenso in Betracht kommt wie ein Unterliegen (BVerwG, Beschluss vom 8. März 1999 - 6 B 121.98 - juris Rn. 8; VGH Mannheim, Beschluss vom 21. November 2006 - 11 S 1918/06 - juris Rn. 7). Prozesskostenhilfe darf demgegenüber verweigert werden, wenn die Erfolgschance lediglich eine entfernte ist (BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 - juris Rn. 26). So liegt der Fall hier.
Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, die Identität der Klägerin sei nicht im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG geklärt. Allerdings weist die Beschwerde zutreffend darauf hin, dass die Klägerin einen im Jahr 2019 ausgestellten Reisepass ihres Heimatstaats vorgelegt hat, an dessen Echtheit die Beklagte keine Zweifel geäußert hat. Damit ist die Identität der Klägerin jedoch dann nicht hinreichend geklärt, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die der Ausstellung zu Grunde liegenden Geburtsurkunde - auch wenn sie ihrerseits echt sein mag - inhaltlich unrichtig ist. Derartige Anhaltspunkte sieht die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommene Stellungnahme der Botschaft Jaunde vom 25. Januar 2022 (Visumvorgang Seite 153 ff.) nachvollziehbar (u.a.) in dem Umstand, dass die dort vorgelegte Geburtsurkunde der Klägerin vom 14. August 2020 fast fünfzehn Jahre nach dem angegebenen Geburtsdatum am 28. März 2006 ausgestellt worden ist. Entsprechendes gilt für die beim Visumvorgang befindliche Geburtsurkunde (samt zugehöriger gerichtlicher Entscheidung) vom März 2019, die zudem inhaltlichen Zweifeln unterliegt, weil sie als Mutter die Referenzperson nennt, die auch nach dem Vortrag der Klägerin nicht ihre leibliche, sondern ihre Adoptivmutter ist. Dass insoweit weitere Aufklärung durch das Gericht im Hauptsacheverfahren möglich und geboten wäre, trägt die Beschwerde nicht vor.
Im Übrigen hat die Klage auch deshalb keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil durchgreifende Zweifel an der Anerkennungsfähigkeit der Adoption bestehen. In der Stellungnahme der Botschaft Jaunde ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die die zentralen Behörden hätten beteiligt werden müssen, wenn eine Adoption durch eine Person erfolgen sollte, die nicht vor Ort wohnhaft ist. Dies war hier der Fall, weil die Referenzperson, Frau U..., sich seit 2018 in Deutschland aufhält. Dementsprechend war sie, worauf die Beschwerde zutreffend hinweist, auch nach dem Inhalt des Gerichtsprotokolls nicht vor Ort anwesend.
Allerdings geht § 108 FamFG vom Grundsatz der Anerkennung ausländischer Entscheidungen aus und ist § 109 FamFG, der Ausnahmen regelt, zurückhaltend auszulegen. Nach § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG kommt die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung aber dann nicht in Betracht, wenn sie zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, dem sog. ordre public, offensichtlich unvereinbar ist (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 7. Januar 2020 - 14 UF 194/19 - juris Rn. 6 m.w.N.; zur Anerkennung einer Sorgerechtsentscheidung BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 - 10 C 4.12 - juris Rn. 19 ff.). Es spricht alles dafür, dass die Adoptionsentscheidung des High Court of U... vom 9... 2020 mit dem ordre public unvereinbar ist. Zum einen dürfte die Prüfung des Kindeswohls, die der High Court vorgenommen hat, dem deutschen ordre public schon deshalb nicht genügen, weil die hierfür erforderliche Prüfung der Elterneignung entsprechend dem hiesigen Recht, die grundsätzlich nur am Lebensmittelpunkt des Annehmenden vorgenommen werden kann, nicht erfolgt ist (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 7. Januar 2020 - 14 UF 194/19 - juris Rn. 7 ff.). Da der Lebensmittelpunkt der Referenzperson in Deutschland liegt, konnte der High Court eine solche Prüfung selbst nicht vornehmen, sondern hat sich nach den Angaben in der Entscheidung auf einen ihm vorgelegten social welfare report und auf die mündlichen Angaben der in der Sitzung anwesenden Großtante der Klägerin verlassen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass eine am Kindeswohl orientierte Sorgerechtsentscheidung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls bei Jugendlichen grundsätzlich eine persönliche Anhörung erfordert, die ihnen Gelegenheit gibt, ihre Interessen auf altersgerechte Weise zu formulieren und in das Verfahren einzubringen (BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 - 10 C 4.12 - juris Rn. 22). Das muss erst recht für eine Adoptionsentscheidung gelten, die viel schwerwiegender in die Rechtsstellung des betroffenen Minderjährigen eingreift. Dass die zu diesem Zeitpunkt 14 Jahre alte Klägerin vom Gericht angehört worden wäre, lässt sich der Adoptionsentscheidung nicht entnehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der gesetzlich bestimmten Festgebühr nicht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).