Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung
Aufgrund von Wartungsarbeiten konnten seit Januar 2024 keine neuen Entscheidungen veröffentlicht werden. Alle Entscheidungen mit Stand vom 31. Dezember 2023 sind jedoch abrufbar. Zurzeit werden die noch ausstehenden Entscheidungen nachgepflegt.

Entscheidung 4 S 47/21


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 4. Zivilkammer Entscheidungsdatum 08.12.2021
Aktenzeichen 4 S 47/21 ECLI ECLI:DE:LGNEURU:2021:1208.4S47.21.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Auf die Abschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 09.02.2021, Az. 21 C 347/20, teilweise abgeändert und wie folgt ergänzt:

Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 326,31 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 5.11.2020 freizustellen.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das unter Ziff 1. genannte Urteil wird zurückgewiesen.

3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

6. Der Streitwert wird auf 2.335 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Rückzahlung eines Reisepreises.

Der Kläger buchte im Oktober 2019 bei dem Beklagten eine Motorradtour durch Marokko im Zeitraum vom 14.03.2020 bis 21.03.2020 zu einem Preis von 2.335 Euro. Die Anreise und Abreise per Flugzeug wurde von dem Beklagten gesondert gebucht.

Der Kläger und die Mitreisenden W. sowie H. traten den Flug nach Marrakesch am 14.03.2020 nicht an. Der Mitreisende W. teilte dem Beklagten per WhatsApp noch vom Abreiseflughafen aus mit: „Hallo I., ab morgen ist der Flughafen in Marrakesch zu. Haben wir eben beim Boarding erfahren. Wir kommen nicht, da die Ausreise vakant ist. V.G. St. P.S bitte storniere Alles, was noch geht“ Der Beklagte antwortete: „Das ist sehr schade. Hier ist alles bereit. Wir versuchen jetzt so viel wie möglich zu stornieren. Gruß I.“

Der Kläger forderte den Beklagten zur Rückerstattung des bereits geleisteten Reisepreises mit Mail vom 27.03.2020 und mit Mail vom 26.04.2020 zur Kostenaufstellung bis zum 16.05.2020 und zur Rückzahlung bis zum 31.05.2020 auf. Auf den Email-Verkehr in der Anlage K 2 (Bl. 6 ff. d.A.) wird ergänzend verwiesen.

Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 09.02.2021 der Klage auf Rückerstattung des Reisepreises nach § 651I Abs. 2 Satz 2 BGB stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Reise sei mangelhaft. Zur vereinbarten Beschaffenheit gehöre, dass der Reisende unbeschadet und ohne weiteres also ohne zusätzliche Aufwendungen vom Bestimmungsort wieder abreisen könne. Der Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wurde abgewiesen, da es am Verzug und der Benennung eines bestimmten Betrages fehle.

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts. Das Amtsgericht habe verkannt, dass Hin- und Rückflug nicht Teil der zu erbringenden Reiseleistung gewesen seien. Ein Ausfall des Rückfluges könne kein Mangel der Reiseleistung sein und schon gar nicht könne dies den Kern der Reiseleistung berühren. Es habe keine Unzumutbarkeit der Durchführung der Reise aufgrund der Corona-Pandemie bestanden. In Marokko habe es kein großes Risiko bei 18 Fällen am 14.03.2020 und 96 Fällen am 21.3.2020 gegeben. Seitens der Behörden habe es keinerlei Einschränkungen gegeben, Hotels seien bis zum Ende der gebuchten Reise geöffnet gewesen. Es hätten darüber hinaus neben Evakuierungsflügen auch kommerzielle Flüge diverser Fluggesellschaften stattgefunden. In dem Nichtantritt der Reise am 14.03.2020 könne kein Rücktritt gesehen werden, es hätte einer ausdrücklichen Rücktrittserklärung bedurft. Reiseveranstalter, die in einem „No show“ eine Kündigung sahen, seien zu Schadenersatz verpflichtet worden. Der Kläger hätte jederzeit zur Reisegruppe stoßen können. Er -der Beklagte- sei für die Dauer der Reise jederzeit leistungsbereit gewesen. Für ihn sei nicht erkennbar gewesen, dass der Kläger mit Herrn W. zusammen anreisen würde.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 09.02.2021 teilweise abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 09.02.2021 insofern abzuändern, als dass der Beklagte ergänzend verurteilt wird, ihn von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 326,31 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit freizustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Kläger behauptet, dass die Fluggesellschaft bei Antritt des Hinfluges nach Marokko am 14.03.2020 ihm und seinen Mitreisenden nach dem Checkin aber vor dem Abflug mitteilt habe, dass der Flugverkehr von und nach Marokko ab dem 15.03.2020 eingestellt werde. Es sei nicht bekannt gewesen, wann eventuelle Rückflüge durchgeführt werden können. Tatsächlich seien am 15.03.2020 alle Flüge von und nach Marokko gestrichen worden. Ihm stehe ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu, weil sich der Beklagte seit der Fristsetzung in der Mail vom 26.04.2020 im Verzug mit der Rückzahlung des Reisepreises befinde. Zudem sei in der Mail von 15.05.2020 eine endgültige Weigerung der Leistung zu sehen, sodass der Beklagte sich bei Beauftragung des Rechtsanwaltes im Verzug befunden habe.

Das Berufungsgericht hat eine Auskunft des Auswärtigen Amtes zum Flug- und Fährverkehr von und nach Marokko im März 2020 eingeholt. Auf die Auskunft vom 17.08.2021 (Bl. 134 ff. d.A.) wird verwiesen.

II.

1. Die Berufung und die Anschlussberufung sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

2. Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht den Beklagten zur Erstattung des Reisepreises verurteilt. Der Kläger hat einen solchen Anspruch gemäß §§ 651h Abs. 1, 3 und 5, 346 Abs. 1 BGB.

2.1 Die Parteien haben einen Vertrag über die Durchführung einer geführten Motorradtour geschlossen, mithin einen Pauschalreisevertrag im Sinne des § 651a Abs. 1 BGB. Ein Pauschalreisevertrag ist ein Reisevertrag für die im Voraus festgelegte Verbindung von mindestens zwei Dienstleistungen wie Beförderung, Unterbringung oder anderen touristischen Dienstleistungen, die zu einem Gesamtpreis verkauft oder zum Verkauf angeboten werden, wenn eine Leistung länger als 24 Stunden dauert oder eine Übernachtung einschließt. Danach muss eine Gesamtheit oder Bündelung von Reiseleistungen vorliegen (vgl. Staudinger, BGB, § 651a Rn. 12). Dies ist bei der vereinbarten Motorradtour der Fall. Der Beklagte hat zwar nicht die Beförderung zum Ausgangsort der Motorradtour als Bestandteil der Pauschalreise übernommen. Gleichwohl sind mehrere Reiseleistungen Bestandteil der Reise; hier die Unterbringung und Verpflegung in verschiedenen Hotels an der Strecke, die Vermietung der Motorräder sowie die Führung vor Ort (vgl. Reisebeschreibungen in der Rechnung vom 28.10.2019 Anlage K1, Bl. 5 d.A.).

2.2 Der Kläger ist vor Reisebeginn vom Vertrag zurückgetreten. Der Berufung ist zu folgen soweit darauf verwiesen wird, dass die Flüge nicht zum Umfang der Reiseleistungen gehörten und ein Nichterscheinen am ersten Tag nicht als Rücktritt gesehen werden kann, sondern eine ausdrückliche Erklärung erforderlich ist, dass man überhaupt nicht kommt (vgl. BeckOGK/Harke BGB § 651h Rn. 12). Eine solche Erklärung ist in der WhatsApp Nachricht des Herrn W. (Bl. 139 d.A.) zu sehen, in der dieser dem Beklagten mitteilte, dass sie nicht kommen werden, weil die Rückreise vakant sei und um Stornierung bitten. Aufgrund der Reaktion des Beklagten auf diese Nachricht – er fragt nicht nach wer „wir“ sind - und dem Gesprächston – die Gesprächspartner duzen sich – ist die Behauptung des Beklagten, er habe nicht gewusst, dass der Kläger zusammen mit den Zeugen W. und H. anreist, unzutreffend. Vielmehr hatte der Beklagte Kenntnis davon, dass der Kläger mit den anderen Reisenden anreist und die Erklärung zur Nichtanreise auch für den Kläger erfolgt ist.

2.3 Gemäß § 651h Abs. 1 BGB kann der Kläger als Reisender jederzeit vor Reisebeginn vom Pauschalreisevertrag zurücktreten. Tritt der Reisende vom Vertrag zurück, verliert der Reiseveranstalter den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis. Der Reiseveranstalter kann jedoch eine angemessene Entschädigung verlangen. Gemäß § 651h Abs. § BGB kann der Reiseveranstalter jedoch keine Entschädigung verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen.

2.4 Die Beförderung an den Bestimmungsort der Pauschalreise -also der Hinflug- war zwar nicht durch unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände beeinträchtigt, der Rückflug jedoch schon, worauf der Kläger seinen Rücktritt auch gestützt hat.

Umstände sind unvermeidbar und außergewöhnlich im Sinne § 651h Abs. 3 BGB, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich hierauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären. Die Covid-19-Pandemie an sich kann grundsätzlich als unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstand zu bewerten sein. Allein die Tatsache der Pandemie reicht jedoch nicht aus, um jeglichen Rücktritt von allen Pauschalreisen zu jedem Zeitpunkt ohne Anfall von Entschädigungszahlungen zuzulassen. Es kommt vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Hierbei sind neben dem Reiseziel und den Umständen vor Ort auch Einreise- und Quarantänebestimmungen zu berücksichtigen. Ein starkes Indiz für eine erhebliche Beeinträchtigung wird dabei den Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes beigemessen (Führich, NJW 2020, 2137). Im Rahmen von § 651h Abs. 3 BGB kommt es auf eine Prognoseentscheidung an (BeckOK, § 651 BGB, Rz. 47; Schmidt, COVID 19, § 7 Rz. 24; Staudinger/Ruks, DAR 2020, 314). Es ist zu prüfen, inwieweit die konkrete Reise aus einer ex-ante Betrachtung heraus erheblich beeinträchtigt sein wird. Bloße Unwohl- und Angstgefühle des Reisenden reichen nicht aus (Schmidt, COVID 19, § 7 Rz. 25).

Die allgemeine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für Reisen in das gesamte Ausland erfolgte erst am 17.03.2020 und ist mithin in die im Zeitpunkt des Rücktritts am 14.03.2020 zu treffende Prognoseentscheidung nicht mit einzubeziehen. Zum Zeitpunkt des Rücktritts war jedoch bekannt, dass es sich bei dem SARS-CoV 2 Virus um einen neuartigen Krankheitserreger handelt, der akute Atemwegserkrankungen hervorruft, die im schlimmsten Fall tödlich verlaufen können und gegen den es weder eine Therapiemöglichkeit noch einen Impfstoff gibt (vgl. Merkblatt-covid19-data.pdf vom Gesundheitsdienst des Auswärtigen Amtes, Stand 10.3.2020; Täglicher Lagebericht des Robert Koch Instituts [RKI] zur Coronavirus-Krankheit-2019 [COVID-19] vom 12.3.2020). Hinzu kommt, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO), deren Warnungen im Rahmen der Prognoseentscheidung ebenfalls von Bedeutung sind (vgl. AG Stuttgart NJW-RR 2021, 53; jurisPK-BGB/Steinrötter, 9. Aufl., § 651 h Rn. 22; Staudinger/Ruks; Rechtsfragen zu Pauschal- und Flugreisen in Zeiten der Corona-Krise DAR 2020, 314) am 30.01.2020 einen internationalen Gesundheitsnotstand wegen der Infektionsgefahr ausgerufen und COVID-19 am 11.03.2020 zur weltweiten Pandemie erklärt hatte (vgl. https://www.euro.who.int/de/health-topics/health-emergencies/coronavirus-covid-19/news/news/2020/3/who-announces-covid-19-outbreak-a-pandemic, allgemeinkundig iSd § 291 ZPO). Damit stand im Zeitpunkt der Erklärung der Nichtanreise am 14.03.2020 fest, dass es sich nicht um ein kurzfristiges Ereignis handelte, sondern um eine „sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation“ (vgl. Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 [COVID19] vom 12.3.2020), bei der angesichts der bisherigen Entwicklung des weltweiten Infektionsgeschehens mit einem weiteren Anstieg der Fallzahlen zu rechnen und ein Schutz vor Ansteckung nur durch strenge Hygienemaßnahmen, soziale Distanzierung und Quarantänemaßnahmen zu erreichen war (vgl.http://www.euro.who.int/de/health-topics/health-emergencies/coronavirus-covid-19/news/news/2020/3/who-announces-covid-19-outbreak-a-pandemic, allgemeinkundig iSd § 291 ZPO).

Das Infektionsgeschehen in Marokko im März 2020 war aufgrund der Anzahl der Fälle verhältnismäßig unbedeutend (laut WHO Coronavirus Disease (Covid-19) Daschboard 18 Fälle am 14.03.2020 und 96 Fälle am 21.03.2020)- worauf der Beklagte zutreffend verweist. Die marokkanische Regierung hat dennoch den internationalen Flugverkehr ab dem 15.03.2020 eingeschränkt. Einzelne kommerzielle Flugverbindungen eingehend und ausgehend fanden noch am 15.03.2020 und 16.03.2020 statt. Eine Einreise nach Marokko war ab dem 16.03.2020 bis zum 15.07.2020 nicht mehr möglich. Eine Ausreise per Flugzeug musste vom marokkanischen Außenministerium genehmigt werden. Eine Rückholaktion der Bundesregierung fand vom 18.03.2020 bis 20.03.2020 statt. Ab dann galt auch der Ausnahmezustand verbunden mit einer allgemeinen Sperrung des marokkanischen Luftraumes (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17.08.2021, Bl. 139 d.A.).

Zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung am 14.03.2020 war dem Kläger bekannt, dass sein Rückflug aus Marokko wegen der Geschehnisse um Covid 19 nicht sichergestellt ist. Die ihm bei der Anreise gegebene Mitteilung der Fluggesellschaft steht in Übereinstimmung mit der Information der marokkanischen Behörden, die das Auswärtige Amt bereits am 13.03.2020 erhalten hatte (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17.08.2021, Bl. 139 ff. d.A.).

Das Risiko der Anreise zum Ausgangspunkt und der Abreise vom Endpunkt einer gebuchten Rundreise trägt zwar grundsätzlich der Kläger als Reisender, da er die An- und Abreise nicht über den Reiseveranstalter gebucht hat. Die Beeinträchtigung einer Reise durch unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände fällt aber weder in den Risikobereich des Reiseveranstalters noch in den des Reisenden (BGH in BGHZ 109, 224 damals noch zum Begriff „höhere Gewalt“).

Der Anspruch des Beklagten auf Entschädigung entfällt hier gemäß § 651h Abs. 3 BGB, da der Kläger sich auf unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände beruft, die die Anreise vom Bestimmungsort und Durchführung der Reise betreffen. § 651h Abs. 3 BGB ist eine Ausnahmevorschrift und daher nur eingeschränkt analogiefähig, aber nach Auffassung der Kammer vorliegend anzuwenden, da sich der Reisende auf das Vorliegen unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstände hinsichtlich der Möglichkeit der Rückreise beruft, obwohl dies nicht Teil der Reiseleistung war, die der Beklagte als Reiseveranstalter zu erbringen hatte. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung entfällt bei unzumutbarer Anreise zum Ausgangsort einer Kreuzfahrt, ein Entschädigungsanspruch des Reiseveranstalters, auch wenn die Anreise zum Ausgangsort der Kreuzfahrt nicht zu den zu erbringenden Reiseleistungen des Reiseveranstalters gehören (vgl. BGH in NJW 2013, 1674). Die Anreise war dem Kläger zwar noch möglich, sie war ihm jedoch unzumutbar, wegen der in hohem Maße bestehenden Ungewissheit der Möglichkeit der Abreise aus Marokko. Diese Ungewissheit ergab sich für den Kläger zwingend aus der Erklärung der ihn auf den Hinflug befördernden Fluggesellschaft. Die vom Kläger auf dieser Grundlage zu treffende Prognoseentscheidung fußt auf dieser -wie sich zudem unmittelbar im Anschluss herausstellte - zutreffenden Auskunft der Fluggesellschaft.

Der Reiseveranstalter kann eine Entschädigung auch dann nicht verlangen, wenn die Beförderung zum Bestimmungsort nicht Vertragsbestandteil der Pauschalreise ist (vgl. BGH NJW 2013, 1674). Der Regelung in § 651k Abs. 4 BGB, nach der der Reiseveranstalter bei Unmöglichkeit der Rückbeförderung aufgrund unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstände die Kosten für eine notwendige Beherbergung des Reisenden für einen höchstens drei Nächte umfassenden Zeitraum zu tragen hat, kann zudem entnommen werden, dass unvermeidbare und unvorhersehbare Umstände in den Risikobereich des Reiseveranstalters fallen.

3. Der Kläger hat einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 280, 286, 288 BGB. Nachdem der Kläger am 14.03.2020 vom Pauschalreisevertrag zurückgetreten ist, ist nach Ablauf der 14 Tage Frist des § 651 h Abs. 5 BGB bereits Verzug gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB eingetreten. Der Kläger konnte einen Rechtsanwalt einschalten, um seiner Rückzahlungsforderung Nachdruck zu verleihen.

4. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. § 713 ZPO ist nicht einschlägig.

5. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO zuzulassen. Die Fortbildung des Rechts ist bezüglich der Frage, ob die Gefahr einer nicht bestehenden Rückreisemöglichkeit, also nicht die Beförderung an den Bestimmungsort, sondern die Beförderung vom Bestimmungsort, den Entschädigungsanspruch des Reiseveranstalters entfallen lässt, erforderlich.