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Entscheidung L 28 BA 59/20


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 28. Senat Entscheidungsdatum 10.02.2023
Aktenzeichen L 28 BA 59/20 ECLI ECLI:DE:LSGBEBB:2023:0210.L28BA59.20.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Leitsatz

1. Ein Betriebsprüfungsbescheid nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV kann als Verwaltungsakt mit Drittwirkung zu qualifizieren sein. Regelt der Bescheid auch statusrechtlich feststellend die Tätigkeit eines Beschäftigten, ist dieser befugt, den Bescheid insoweit teilweise anzufechten.

2. Für die Klagebefugnis des Beschäftigten spielt es keine Rolle, ob die Adressatin des Betriebsprüfungsbescheids ihrerseits einen Rechtsbehelf eingelegt hat.

3. Eine eigene statusrechtliche Feststellung beschwert einen Beschäftigten, auch wenn nach dem Inhalt des Bescheides Beiträge ausdrücklich (nur) von dem Unternehmen nachzuzahlen sind und dem Beschäftigten aus der Nachzahlung auch versicherungsrechtliche Vorteile erwachsen. Als Verwaltungsakt mit Doppel- oder Mischwirkung, der sowohl begünstigend als auch belastend ist, kann die statusrechtliche Feststellung von dem Beschäftigten mit Widerspruch und Klage angefochten werden.

4. Ein an einen einzelnen Beschäftigten gerichtetes Informationsschreiben über den Inhalt eines Betriebsprüfungsbescheids ist seinerseits kein Verwaltungsakt, sondern weist lediglich auf einen Verwaltungsakt hin, den Betriebsprüfungsbescheid.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 4. August 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung der beklagten Deutschen Rentenversicherung Bund, für seine Tätigkeit als Zeitungszusteller für die Beigeladene zu 1. in der Zeit vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2016 habe in allen Zweigen der Sozialversicherung Versicherungspflicht bestanden.

Der 1979 geborene und bei der Beigeladenen zu 2. und 3. kranken- bzw. pflegeversicherte Kläger meldete am 30. April 2001 die Tätigkeit „Dienstleistungen“ als Gewerbe an. Für die Zeit ab Januar 2016 schloss er als Inhaber seiner Firma KHD Dienstleistungen als „Auftragnehmer“ mit der zu 1. beigeladenen MAZ Süd Zeitungs-Vertriebs-Gesellschaft mbH als „Auftraggeber“ einen „Vertrag über freie Mitarbeit“ mit folgendem Inhalt:

Nach § 1 des Vertrages werde er, der Kläger, ab Januar 2016 die Zustellung von Tageszeitungen für die Touren 113, 143, 122 und 124 übernehmen.

Er unterliege nach § 2 Abs. 1 des Vertrages keinen Weisungen des Auftraggebers, müsse aber auf besondere betriebliche Belange im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit Rücksicht nehmen. Er sei in der Gestaltung seiner Tätigkeit (Zeit, Dauer, Art) selbständig tätig und vollkommen frei. Auftragsbezogene Zeitvorgaben sowie fachliche Vorgaben des Auftraggebers seien einzuhalten, soweit diese zur ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung erforderlich seien. Er sei nach § 2 Abs. 2 des Vertrages berechtigt, Aufträge abzulehnen. Gegenüber Angestellten des Auftraggebers habe er keine Weisungsbefugnis (§ 2 Abs. 3).

Nach § 3 Abs. 1 des Vertrages müsse er die ihm übertragenen Aufgaben nicht in Person erfüllen und könne sich Dritter bedienen, die er eigenständig zu entlohnen habe. Für andere Auftraggeber könne er zugleich tätig sein (§ 3 Abs. 2) und er garantiere, dass die gewerberechtlichen Voraussetzungen für eine selbständige Tätigkeit sowie die Berechtigung zum Vorsteuerabzug vorlägen (§ 3 Abs. 3).

Die Vertragsparteien vereinbarten eine Vergütung in Höhe von 13,12 Euro pro Stunde zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) und die Verpflichtung des Klägers zur Rechnungsstellung bis zum 30. des laufenden Monats (§ 6). Die danach vereinbarte Vergütung werde jeweils bis zum 15. des Folgemonats veranlasst (§ 7).

Der Kläger verpflichtete sich, die Beigeladene zu 1. von der Haftung freizustellen, sollte diese aufgrund von ihm erbrachter Leistungen in Haftung genommen werden. Im Übrigen verpflichtete er sich zur kostenlosen Nacharbeit zur Beseitigung von ihm verursachter Mängel (§ 9).

Die Vertragsparteien vereinbarten weiter, dass das Vertragsverhältnis unter Einhaltung einer Frist von 6 Wochen gekündigt werden könne (§ 10).

Unter § 12 des Vertrages wurde ausgeführt, dass die Vertragsparteien von der Möglichkeit des Abschlusses eines Anstellungsvertrages bewusst keinen Gebrauch gemacht hätten. Eine Umgehung arbeitsrechtlicher oder arbeitsgesetzlicher Schutzvorschriften sei nicht beabsichtigt, vielmehr solle dem Auftragnehmer die volle Entscheidungsfreiheit bei der Verwertung seiner Arbeitskraft belassen werden. Eine über den Umfang dieser Vereinbarung hinausgehende persönliche, wirtschaftliche oder soziale Abhängigkeit werde nicht begründet.

Nebenabreden und Änderungen des Vertrages bedürften schließlich zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (§ 13).

Der Kläger stellte der Beigeladenen zu 1. im Streitzeitraum monatliche Rechnungen, und zwar am

· 27. Januar 2016  und 25. Februar 2016 jeweils Höhe von 1.312,34 Euro brutto,

· 23. April 2016, 25. Juni 2016, 25. Juli 2016 und 26. September 2016 jeweils in Höhe von 1.364,83 Euro brutto,

· 24. Mai 2016 in Höhe von 1.259,85 Euro brutto,

· 26. August 2016 in Höhe von 1.417,33 Euro brutto,

· 25. Oktober 2016 in Höhe von 1.464,59 Euro brutto,

· 29. November 2016 und 23. Dezember 2016 jeweils in Höhe von 1.543,33 Euro brutto.

Die Beklagte führte bei der Beigeladenen zu 1. in der Zeit von Mitte Dezember 2017 bis Anfang Mai 2019 eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) durch. Eine Entscheidung der Clearingstelle bzw. der Einzugsstelle zum sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. war zuvor nicht erfolgt.

Die Beigeladene zu 1. äußerte sich aufforderungsgemäß zur Tätigkeit ihrer als selbständig angesehenen Zeitungsausträger unter dem 25. Januar 2018 und gab u. a. an, deren Einsatz erfolge bisher nur als Vertretung; Zustellleistungen würden im Unternehmen auch von abhängig Beschäftigten erbracht.

Mit Schreiben vom 24. April 2018 forderte die Beklagte den Kläger zur Auskunftserteilung auf mit dem Ziel der sozialversicherungsrechtlichen Klärung seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. Unter dem 18. Mai 2018 gab er an, er erbringe seine Tätigkeit in der von ihm einzuhaltenden Zeit von 2.30 Uhr bis 7.00 Uhr morgens. Die Tätigkeit erfolge für ein mündlich abgestimmtes Tourengebiet. Im Falle seines persönlichen Ausfalls würden Familienangehörige die Erledigung des Auftrags übernehmen. Eigene Werbung sei ihm erlaubt, die Preise seien bedingt von ihm selbst zu gestalten gewesen. Er habe mehrere Auftraggeber. Die Bezahlung erfolge monatlich.

Mit einem ohne Rechtsmittelbelehrung versehenen Schreiben vom 23. Mai 2019 gab die Beklagte dem Kläger gegenüber bekannt, dass die Betriebsprüfung ergeben habe, dass für die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. in der Zeit vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016 als Zeitungszusteller Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung bestanden habe. Die im Zusammenhang mit der Betriebsprüfung eingeleitete sozialversicherungsrechtliche Beurteilung habe ergeben, dass er die Tätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe. Es sei eine typische Arbeitnehmertätigkeit ausgeführt worden, die im Unternehmen unter nahezu identischen Rahmenbedingungen auch von abhängig Beschäftigten ausgeübt werde. Es seien Pflichtbeiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung zu entrichten gewesen, die vom Arbeitgeber, d. h. der Beigeladenen zu 1., für die Zeit vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016 nachzuzahlen seien. Die erforderlichen Meldungen zur Sozialversicherung seien von seinem Arbeitgeber zu erstatten.

Der Kläger erhob daraufhin am 21. Juni 2016 der Beklagten gegenüber Widerspruch und führte aus, die Beigeladene zu 1. habe an seine Firma vier Tourengebiete ausgelagert. Die Auftragserteilung sei auf der Basis eines Vertrages über freie Mitarbeit erfolgt. Die Verteilung und Zustellung sei mit eigenen Fahrzeugen (Kleintransporter) und einem Mitarbeiter (MA) erfolgt, den er entlohnt und als geringfügig Beschäftigten geführt habe. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte seinerseits seien der Vertrieb von Büromaterial und Bürotechnik, die Zustellung von Briefsendung sowie Express- und Kurierfahrten gewesen.

In der von der Beklagten eingeholten Stellungnahme ihres Prüfdienstes vom 8. Juli 2019 wurde ausgeführt, der Kläger habe im Betriebsprüfungsverfahren noch erklärt, es habe nur mündliche Vereinbarungen mit der Beigeladenen zu 1. gegeben. Als einzige Mitarbeiterin des Klägers sei dessen Mutter seit dem 2. Mai 2018 gemeldet gewesen; ab dem 1. Januar 2017 habe eine „Betriebsvereinbarung“ mit der Mutter vorgelegen. Es seien zwei Fahrzeuge bekannt gewesen und berücksichtigt worden. Bis 31. Dezember 2016 habe nur ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Klägers zu einem anderen Arbeitgeber bestanden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2019 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der angefochtene Beitragsbescheid entspreche der Sach- und Rechtslage. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die für abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale der Tätigkeit des Klägers als Zeitungszusteller für die Beigeladene zu 1. in der Zeit vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2016 hätten nach der vorzunehmenden Gesamtabwägung überwogen. Zeitungsausträger und -zusteller, die Zeitungen an einen vorgegebenen Personenkreis innerhalb eines bestimmten Bezirks und eines zeitlichen vorgegebenen Rahmens austragen, seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) abhängig Beschäftigte. Sie übten auch dann eine Beschäftigung in persönlicher Abhängigkeit aus und unterlägen der Versicherungspflicht, wenn sie beim Austragen der Zeitungen Hilfskräfte verwenden dürften und neue Bezieher werben könnten.

Der Kläger hat am 19. Dezember 2019 vor dem Sozialgericht Cottbus Klage erhoben, mit der er ausdrücklich die Feststellung begehrt hat, seine Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. als selbständige anzuerkennen. Er habe die Touren für die Beigeladene zu 1. komplett in Eigenregie ausführen können. Ohne Eigenwerbung hätte die Agentur ihn nicht mit der Ausführung der Leistung beauftragt. Seine Betriebsstätte habe einen Carport und einen Büroraum umfasst. Er habe Verbrauchs- und Arbeitsmaterial selbst erwerben müssen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit dem sinngemäß dahingehend ausgelegten Antrag, „den Bescheid vom 23. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.November 2019 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit des Klägers als selbständige Tätigkeit ausgeübt wurde/wird“, mit Gerichtsbescheid vom 4. August 2020 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe die statusrechtliche Feststellung, ob die Tätigkeit als abhängige Beschäftigung oder Selbständige einzustufen sei, zu Recht getroffen. Der Kläger habe einem umfassenden Weisungsrecht seines Arbeitgebers unterlegen und sei in dessen Organisationsstruktur eingebunden gewesen. Er habe seine Touren zwar unabhängig planen und einzelne Aufträge ablehnen können, bezüglich der konkreten Auslieferungen sei er aber an die Vorgaben seines Arbeitgebers gebunden gewesen. Er habe seine persönliche Arbeitskraft eingesetzt und sich nicht der Hilfe Dritter bedient, welches auch stark für eine abhängige Beschäftigung spreche. Die Tatsache, dass der Kläger ein eigenes Fahrzeug verwendet habe, betreffe nur die konkreten Auslieferungsmethoden und sei für die Beurteilung der Abhängigkeit unmaßgeblich. Dass der Kläger im Rahmen eines angemeldeten Gewerbes auch andere Auftraggeber gehabt habe, führe nicht dazu, ihn als Selbständigen bezüglich aller von ihm eingegangenen Geschäftsbeziehungen zu werten.

Mit seiner Berufung vom 23. September 2020 gegen den ihm am 24. August 2020 zugestellten Gerichtsbescheid macht der Kläger geltend, er habe für die Zeitungszustellungen betreffend vier Touren in drei Ortschaften die materiellen, personellen und organisatorischen Aufwendungen in eigener Regie gewährleistet.

Der Kläger beantragt schriftlich sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus sowie teilweise den Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2019 aufzuheben und festzustellen, dass er in seiner Tätigkeit als Zeitungszusteller für die Beigeladene zu 1. in der Zeit vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2016 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend unter Hinweis darauf, dass sich der Streitzeitraum auf die Zeit vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016 beschränke. Sie bleibe trotz gewisser Freiheiten des Klägers bei ihrer Beurteilung, dass die Indizien für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwögen.

Mit Beschluss vom 30. Juni 2021 ist der in dem Vertrag bezeichnete Auftraggeber und mit Beschluss vom 6. Januar 2023 sind die kontoführenden Sozialversicherungsträger beigeladen worden. Die Beigeladenen haben sich sämtlich nicht zum Verfahren geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgemäß eingelegte und wertunabhängig statthafte Berufung des Klägers ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben dem angefochtenen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts der Betriebsprüfungsbescheid der Beklagten vom 23. Mai 2019, soweit er den Kläger betrifft, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2019 in Bezug auf den allein zulässigen Streitzeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2016. Im Übrigen kann der Antrag des Klägers, anders als vom Sozialgericht ausgeführt, neben der Anfechtung des Bescheids zulässigerweise nur auf die Feststellung gerichtet sein, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Zeitungszusteller für die Beigeladene zu 1. in der Zeit vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2016 nicht der Versicherungspflicht unterlegen hat. Das Begehren des Klägers war entsprechend auszulegen (vgl. § 123 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Im Ergebnis hat das Sozialgericht die zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, weil er im gegenständlichen Zeitraum in der Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. abhängig beschäftigt war.

Die Klage vor dem Sozialgericht ist zulässig, insbesondere statthaft (nachfolgend I.), aber in der Sache unbegründet (nachfolgend II.).

I. Die form- und fristgerecht vor dem Sozialgericht Cottbus erhobene Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage statthaft (vgl. § 54 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 56 SGG in der bis zum 31. März 2022 geltenden Fassung; vgl. aber § 55 Abs. 3 SGG in der seit dem 1. April 2022 geltenden Fassung des Gesetzes vom 16. Juli 2021 [BGBl. 2021, S. 2970 ff., 2992] n. F., wonach mit Klagen, die sich gegen Verwaltungsakte der Deutschen Rentenversicherung Bund nach § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – [SGB IV] richten, die Feststellung begehrt werden kann, ob eine Erwerbstätigkeit als Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt wird).

Der Kläger ist auch klagebefugt.

Die Voraussetzungen der Befugnis, einen Verwaltungsakt mit Widerspruch und Klage anzufechten, dürfen nicht überspannt werden (vgl. in diesem Zusammenhang BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. August 2011 – 1 BvR 1764/09 –, juris Rn. 35; BVerwG, Urteile vom 10. Oktober 2002 – 6 C 8.01 – juris Rn. 39 und vom 21. Dezember 1995 – 3 C 34.94 - juris Rn. 36).

Die Zulässigkeit der Anfechtungsklage setzt gemäß 54 Abs. 1 Satz 2 SGG die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten voraus. Da der Kläger nicht Adressat des von ihm teilweise angefochtenen Verwaltungsaktes ist, kommt es darauf an, ob er sich für sein Begehren auf eine öffentlich-rechtliche Norm stützen kann, die nach dem in ihr enthaltenen Entscheidungsprogramm auch ihn als Dritten schützt. Dies ist der Fall.

Der gegenüber der Beigeladenen zu 1. als Beteiligter des Betriebsprüfungsverfahrens auf der Grundlage von § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV ergangene und von dieser nicht angefochtene Betriebsprüfungsbescheid vom 23. Mai 2019 ist als Verwaltungsakt nach § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz [SGB X] – mit Drittwirkung zu qualifizieren. Sein Regelungsinhalt betrifft teilweise auch den Kläger angesichts der hiermit erfolgten statusrechtlichen Beurteilung seiner Tätigkeit, die ihm daher ebenfalls von der Beklagten unter demselben Datum (23. Mai 2019) bekanntgegeben worden ist.

Drittwirkung entfaltet ein Verwaltungsakt, der sich gegenüber mehreren Personen rechtlich unterschiedlich auswirkt. So liegt es etwa bei der statusrechtlichen Feststellung der Versicherungspflicht einer Tätigkeit im Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV gegenüber mehreren Personen. Denn diese wirkt sich rechtlich für Arbeitgeber/Auftraggeber, Arbeitnehmer/Auftragnehmer und Sozialversicherungsträger unterschiedlich aus. Nach herrschender Rechtsprechung kann die Statusentscheidung gegenüber den Beteiligten bzw. Parteien eines Statusfeststellungsverfahrens daher nur einheitlich ergehen. Eine isolierte Betrachtung mit der Gefahr divergierender Entscheidungen würde dem Sinn und Zweck des Statusfeststellungsverfahrens nicht gerecht werden (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 2022 – B 12 R 2/20 R – juris Rn. 25 f.). Entsprechendes gilt, soweit im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens mit dem abschließenden Betriebsprüfungsbescheid, wie hier, zugleich die Tätigkeit eines Auftragnehmers bzw. Arbeitnehmers statusrechtlich von der Beklagten geprüft wird. In diesem Fall greift der Betriebsprüfungsbescheid nicht nur in rechtlich geschützte Interessen des Auftrag- bzw. Arbeitgebers ein, sondern zugleich in diejenigen des Auftrag- bzw. Arbeitnehmers, der von der statusrechtlichen Beurteilung seiner Tätigkeit im Sinne von § 37 Abs. 1 Satz 1, § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X ebenfalls betroffen ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – B 12 R 13/13 R – juris Rn. 22).

Ausreichend ist, dass der Regelungsinhalt des Bescheides neben dem eigentlichen Adressaten – hier der Beigeladenen zu 1. als Beteiligte des Betriebsprüfungsverfahrens (vgl. § 8 SGB X, § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV) – zugleich davon Betroffenen von der Beklagten in der Absicht zugeleitet wird, dass auch diese davon Kenntnis nehmen. So liegt es hier. Unerheblich ist dabei, ob der Übermittlung des Ergebnisses der statusrechtlichen Feststellung auch eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt wird. Denn die Rechtsfolgen des Unterbleibens oder der Fehlerhaftigkeit von Rechtsbehelfsbelehrungen sind gesondert in § 66 SGG geregelt (vgl. BSG, Urteil vom 17. September 2008 – B 6 KA 28/07 – juris Rn. 24 m. w. N.). Der entsprechend (auch) dem Kläger teilweise bekanntgegebene Betriebsprüfungsbescheid der Beklagten vom 23. Mai 2019 ist diesem gegenüber mithin, sofern er hiervon selbst in seinen Interessen betroffen ist, auf der Grundlage des Schreibens selben Datums wirksam geworden (§ 37 Abs. 1 Satz 1, § 39 Abs. 1 SGB X).

Die statusrechtliche Feststellung der Beklagten beschwert den Kläger nach der für das Vorliegen der Klagebefugnis allein maßgeblichen subjektiven Sicht i. S. v. § 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGG, weil diese ihn jedenfalls nicht oder nicht ausschließlich begünstigt. Dabei kann dahinstehen, dass nach dem weiteren Inhalt des Bescheides ausdrücklich nicht von ihm, dem Kläger, sondern von der Beigeladenen zu 1. die Beiträge nachzuzahlen waren, die auch die erforderlichen Meldungen zur Sozialversicherung zu erstatten hatte. Denn nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt begünstigend, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt. Der Bescheid vom 23. Mai 2019 trifft (u. a.) die Feststellung der Versicherungspflicht der Tätigkeit des Klägers im Streitzeitraum des Jahres 2016 in allen Zweigen der Sozialversicherung. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung handelt es sich insofern (darüber hinaus, also neben der Drittwirkung) um einen Verwaltungsakt mit sogenannter Doppel- oder Mischwirkung, weil er, objektiv betrachtet, sowohl begünstigend als auch belastend ist. Das Bundessozialgericht hält es im Hinblick darauf bei Statusfeststellungsentscheidungen für sachgerecht, auf das gegenwärtige subjektive Interesse des Adressaten abzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 2022 – B 12 R 2/20 R – juris Rn. 16 f.). Ausweilich seines Widerspruchs stellt sich die mit der im Betriebsprüfungs- und Widerspruchsbescheid getroffene Statusbeurteilung über die Versicherungspflicht wegen des Vorliegens abhängiger Beschäftigung für den Kläger als Beschwer dar mit der Folge, dass er klagebefugt ist.

Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Tatsache, dass Beschäftigte aus den Ergebnissen früherer Betriebsprüfungen Rechte herleiten können. Soweit Versicherungspflicht und Beitragshöhe personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt worden sind, kann sich daraus eine materielle Bindungswirkung ergeben (BSG, Urteil vom 29. Juli 2003 – B 12 AL 1/02 R – juris Rn. 27).

II. Der auf der Grundlage von § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV ergangene Bescheid der Beklagten ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Er ist formell rechtmäßig (nachfolgend 1.) und auch materiell-rechtlich rechtmäßig (nachfolgend 2.).

1. Der angefochtene Bescheid ist trotz unterbliebener Anhörung des Klägers formell rechtmäßig. Er war als Drittbetroffener nicht zuvor gemäß § 24 Abs. 1 SGB X anzuhören (vgl. auch Scheer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Auflage 2021, § 28p SGB IV Rn. 223), weil er insofern nicht zu den Beteiligten i. S. v. § 24 Abs. 1 SGB X des in der Zeit vom 12. Dezember 2017 bis 6. Mai 2019 bei der Beigeladenen zu 1. durchgeführten Betriebsprüfungsverfahrens zählt. Am Verfahren beteiligt sind (nur) die in § 12 Abs. 1 und 2 SGB X aufgeführten Personen, während gegebenenfalls hinzuziehende Personen i. S. v. § 12 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 SGB X als verwaltungsverfahrensrechtliches Pendant zur (notwendigen) gerichtlichen Beiladung nicht ihrerseits anzuhören sind.

2. Der Bescheid ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlage des Bescheides ist § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Denn ist anlässlich einer Betriebsprüfung auch eine versicherungsrechtliche Beurteilung nach § 7 SGB IV zu treffen, hat die gemäß § 28p Abs. 1 SGB IV zuständige Beklagte nach Außerkrafttreten von § 7b SGB IV bereits seit dem 1. Januar 2008 als Ergebnis auch festzustellen, ob in Bezug auf einen vermeintlich als Selbständigen angesehenen Mitarbeiter Versicherungspflicht in allen oder einzelnen Zweigen der Sozialversicherung besteht und insofern dem Arbeitgeber gegenüber einen abschließenden Bescheid zu erteilen (vgl. § 28p Abs. 1 Satz 5 1. Halbsatz SGB IV; Scheer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Auflage 2021, § 28p SGB IV Rn. 162). Hiernach war die Beklagte berechtigt, auch gegenüber dem Kläger das Vorliegen von Versicherungspflicht in seiner Tätigkeit als Zeitungszusteller in der Zeit vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016 festzustellen, weil dieser nach ihrer Prüfung gemäß § 7 SGB IV abhängig Beschäftigter der Beigeladenen zu 1. war (vgl. in diesem Zusammenhang auch BSG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – B 12 R 13/13 R – juris Rn. 20).

Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid keine materiell unzulässige, isoliert nur ausnahmsweise anfechtbare Elementenfeststellung getroffen. Vielmehr hat sie ausdrücklich das Bestehen von Versicherungspflicht im Hinblick darauf festgestellt, dass nach ihrer im Betriebsprüfungsverfahren eingeleiteten sozialversicherungsrechtlichen Prüfung die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden sei. Insofern sind mit dem Bescheid zwar Ausführungen zum Vorliegen von Beschäftigung nur als ein Tatbestandsmerkmal der Versicherungspflicht erfolgt, die nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung indes alleiniger Gegenstand einer Statusfeststellung nach § 7a SGB IV a.F. ist. Dagegen kann bzw. konnte nach bisheriger Rechtslage die hiermit einhergehende sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit im Grundsatz nicht isoliert angefochten werden (vgl. BSG, Urteile vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 – juris Rn. 12 m.w.N.). Eine solche Feststellung – hier wie vom Sozialgericht als Antrag nach Auslegung des klägerischen Begehrens zugrunde gelegt – kann daher ebenso wenig vom Kläger selbst beansprucht werden, weshalb der Feststellungsantrag abweichend zu fassen war.

Die Feststellung der Beklagten, für die Tätigkeit des Klägers als Zeitungszusteller im Streitzeitraum habe in der gesamten Sozialversicherung Versicherungspflicht bestanden, ist rechtmäßig. Der Kläger war in der von ihm im Jahr 2016 für die Beigeladene zu 1. ausgeübten Tätigkeit als Zeitungszusteller bei dieser abhängig beschäftigt und damit kraft Gesetzes in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig.

Nach § 7a Abs. 1 SGB IV (in der noch bis zum 31. März 2022 geltenden Fassung [a. F.] der Bekanntmachung vom 12. November 2009 [BGBl. I S. 636] und nicht in der ab dem 1. April 2022 geltenden neuen Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie [EU] 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen und zur Änderung anderer Gesetzes vom 16. Juli 2021 [BGBl. 2021, S. 2970 ff., 2990] – n. F.) hat die Beklagte – hier im Rahmen der bei der Beigeladenen zu 1. von Mitte Dezember 2017 bis Anfang Mai 2018 durchgeführten Betriebsprüfung – auch über das Vorliegen von Versicherungspflicht in einer Tätigkeit zu entscheiden (vgl. dagegen § 7a SGB IV „Feststellung des Erwerbsstatus“ sowie BT-Drs. 19/29893 S. 27 zu Art. 2c Nr. 2 Buchst. a, wonach mit der Änderung der Überschrift klargestellt wird, dass in dem Verfahren über den Erwerbsstatus als Element einer möglichen Sozialversicherungspflicht entschieden wird und nicht über die Versicherungspflicht). Eine entgegenstehende Entscheidung der Clearingstelle bzw. der Einzugsstellen zum sozialversicherungsrechtlichen Status bezüglich der konkreten Tätigkeit liegt nicht vor.

Die Beklagte hat auf dieser Grundlage für die gegenständliche Zeit zu Recht festgestellt, dass der Kläger aufgrund abhängiger Beschäftigung für die Beigeladene zu 1. der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Ob sich aufgrund der ab 1. April 2022 ergebenden Rechtslage zum Umfang oder Inhalt der Feststellungen Abweichendes ergäbe, kann dahinstehen. Das Gesetz entfaltet für den Streitzeitraum keine Rückwirkung, so dass dann, wenn es an einer speziellen Regelung mangelt, nach dem vom Bundessozialgericht so bezeichneten Geltungszeitraumprinzip das Recht anzuwenden ist, das zu der Zeit galt, in der die maßgeblichen Rechtsfolgen eingetreten sind (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 – B 14 AS 53/15 R – juris Rn. 15 m. w. N.).

Die für den Eintritt von Versicherungspflicht Voraussetzung bildende Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV definiert. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Insofern stehen die Voraussetzungen der Weisungsgebundenheit und der Eingliederung in den Betrieb weder in einem Rangverhältnis zueinander, noch müssen sie kumulativ vorliegen. Vielmehr handelt es sich hierbei um nicht abschließend vom Gesetz genannte typische Merkmale einer Beschäftigung (vgl. BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 25/19 R – juris Rn. 14 m. w. N.).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, die auch der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, setzt das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der oder die Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann, und zwar vor allem bei Diensten höherer Art, die hier indes nicht gegenständlich sind, eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet (vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 2021 – B 12 R 18/18 R – juris Rn. 14). Ob jemand beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr. vgl. BSG, Urteil vom 19. Juli 2019 – B 12 R 2/18 R – juris Rn. 13 m. w. N.; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 – 1 BvR 21/96 – juris Rn. 7). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d. h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (stRspr. vgl. BSG, Urteile vom 28. Juni 2022 – B 12 R 3/20 R – juris Rn. 11, vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 14 und vom 23. Mai 2017 – B 12 KR 9/16 R – juris Rn. 24, jeweils m. w. N.).

Auszugehen ist bei der Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status, wenn, wie vorliegend, zwingende gesetzliche Rahmenvorgaben fehlen, regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen. Liegt, wie es hier der Fall ist, eine schriftliche Vereinbarung vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit vorzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2022 – B 12 R 3/20 R – juris Rn. 12 m. w. N.).

Ausgehend von der zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. getroffenen und durch mündliche Abreden ergänzten Vereinbarung (nachfolgend a), war der Kläger nach dem Gesamtbild der Tätigkeit weisungsgebunden in die Betriebsorganisation der Beigeladenen zu 1. eingegliedert (nachfolgend b). Überwiegend für eine selbstständige Tätigkeit des Klägers sprechen auch nicht die sonstigen Indizien der Vertragsdurchführung, wie etwa ein nennenswertes Unternehmerrisiko (nachfolgend c). In der Abwägung und einer auf dieser Basis vorgenommenen Gesamtschau überwiegen die für eine abhängige Tätigkeit sprechenden Gesichtspunkte deutlich (nachfolgend d).

a) Der für die zu beurteilende Tätigkeit als Zeitungszusteller vom Kläger mit der Beigeladenen zu 1. für die Zeit ab Januar 2016 geschlossene „Vertrag über freie Mitarbeit“, mit dem die Vertragsparteien neben den vom Kläger zu übernehmenden „Touren“ ausdrücklich seine Weisungsfreiheit und Berechtigung zur Leistungserbringung durch Erfüllungsgehilfen vereinbart und darüber hinaus betont haben, eine über den Umfang der auf der Grundlage der Vertragsfreiheit getroffenen Vereinbarung hinausgehende persönliche, wirtschaftliche oder soziale Abhängigkeit werde nicht begründet, spricht für den Willen der Vertragsparteien, eine selbständige „freie“ Mitarbeit des Klägers vereinbart haben zu wollen. Auch weitere Inhalte der vertraglichen Vereinbarung deuten überwiegend auf diesen Willen hin, wie die Vereinbarung der Rechnungsstellung mit Ausweisung der gesetzlichen Mehrwertsteuer, die Berechtigung des Klägers, einen Erfüllungsgehilfen mit der Zustellung der Tageszeitungen zu beauftragen und zugleich für andere Auftraggeber tätig sein zu können. Die vertraglichen Regelungen enthalten jedoch auch Indizien, die für einen Arbeitsvertrag typisch sind, so die genaue Beschreibung der vom Kläger zu übernehmenden Zustelltouren, die offenbar mündlich gegenüber der Beigeladenen zu 1. eingegangene Verpflichtung, auftragsbezogene Zeitvorgaben des Auftraggebers einzuhalten, die monatliche Bezahlung der Dienstleistung nach einem festgelegten Stundensatz und das beidseitige Kündigungsrecht binnen einer sechswöchigen Frist.

Die von den Vertragsparteien hiernach auch nach dem klägerischen Vorbringen offensichtlich beabsichtigte Vereinbarung einer selbständigen Tätigkeit als Zeitungszusteller kann indes nicht auf der Grundlage der auch von den Vertragsparteien in der Vereinbarung angeführten Privatautonomie zugleich der Sozialversicherung bindend vorgegeben werden. Denn der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung schließt es aus, dass über die rechtliche Einordnung einer Person als selbstständig oder beschäftigt allein die Vertragsschließenden entscheiden. Über zwingende Normen kann nicht im Wege der Privatautonomie verfügt werden. Vielmehr kommt es entscheidend auf die tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung der Vertragsverhältnisse an. Die grundrechtlich geschützte und vom Kläger in Bezug genommene Vertragsfreiheit wird durch die sozialversicherungsrechtliche Einordnung einer konkreten Tätigkeit auch nicht erkennbar beschnitten. Maßstab ist insoweit Art. 12 Abs. 1 GG, während das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG im Bereich beruflicher Betätigung als Prüfungsmaßstab zurücktritt (BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2013 – 1 BvR 1842/11 – juris Rn. 67). Denn welchen vertraglichen Inhalt ein Arbeitsverhältnis haben soll, wird durch die Frage nach der Beitragspflichtigkeit der vereinbarten und praktizierten Tätigkeit nicht berührt (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 42). Darauf, dass die Vertragsparteien hier bewusst vom Abschluss eines Anstellungsvertrages keinen Gebrauch gemacht haben, wie es in dem Vertrag heißt, kommt es demzufolge nicht ausschlaggebend an. Allenfalls dann, wenn nach der Gesamtabwägung aller Umstände diese gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine abhängige Beschäftigung sprechen, kann im Einzelfall dem Willen der Vertragsparteien eine gewichtige indizielle Bedeutung zukommen (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2022 – B 12 R 3/20 – juris Rn. 12 m. w. N.). Solches ist hier jedoch nicht der Fall.

Nach den konkreten Umständen des vorliegenden Lebenssachverhalts, hinsichtlich derer der Senat eine Gewichtung und sodann Gesamtwürdigung vorzunehmen hatte (stRspr; vgl. BSG, Urteile vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 16-19 m. w. N.), war der Kläger in seiner Tätigkeit als Zeitungszusteller für die Beigeladene zu 1. zu Erwerbszwecken gegen Entgelt (vgl. § 14 SGB IV) und damit sozialversicherungsrechtlich abhängig beschäftigt.

b) Der Kläger war entgegen der anderslautenden vertraglichen Vereinbarung in einer seine Tätigkeit prägenden Weise in die Organisationsabläufe der Beigeladenen zu 1. eingegliedert und deren Weisungsrecht unterworfen.

Die Weisungsgebundenheit (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV) geht nicht zwingend mit einem umfassenden, arbeitgeberseitigen Weisungsrecht einher. Eine Tätigkeit kann  dennoch fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung eines fremden Betriebs her erhält. So liegt es hier. Auch in typischen Arbeitsverhältnissen werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern immer mehr Freiheiten zur zeitlichen, örtlichen und teilweise auch inhaltlichen Gestaltung ihrer Arbeit eingeräumt. Werden sogar lediglich Rahmenvorgaben vereinbart, spricht dies erst dann für Selbstständigkeit, wenn die Tätigkeit durch typische unternehmerische Freiheiten geprägt ist, die den Betroffenen eigenes unternehmerisches Handeln mit entsprechenden Chancen und Risiken erlauben. Eine selbstständige Tätigkeit ist erst dann anzunehmen, wenn bei ihrer Verrichtung eine Weisungsfreiheit vorhanden ist, die sie insgesamt als eine unternehmerische kennzeichnet. Dafür bestehen im Falle der Tätigkeit des Klägers keine Anhaltspunkte.

Wie vom Bundessozialgericht in einem vergleichbaren Fall (vgl. BSG, Urteil vom 26. Februar 1960 – 3 RK 41/57 – juris Rn. 20) ausgeführt wurde, erfordert der (seinerzeit noch stets analoge) Zeitungsbetrieb die Beförderung der Zeitung an ihre Besteller mit der Folge, dass die Zusteller von einem Zeitungsverlag „regelmäßig in den Betrieb der Zeitung – als letztes Glied – eingebaut“ sind. Sie sind daher entsprechend der „Eingliederungstherorie“ im „wesentlichen – aus betriebsorganisatorischen Gründen rein unternehmerischer Art – nicht kraft eigener Bestimmung, sondern im Rahmen der Organisation des Zeitungsunternehmens fremdbestimmt und somit abhängig als Arbeitnehmer“ tätig. So lag es auch im Streitzeitraum bei dem Kläger, der in den ihm zugewiesenen Zustelltouren die Zeitungen den nach Listen geführten Abonnenten in der Zeit von 2.30 Uhr bis 7.00 Uhr morgens auszuliefern hatte. Entsprechend hatte die Beigeladene zu 1. bereits im Verwaltungsverfahren mitgeteilt, dass die Zustellleistungen im Unternehmen auch von abhängig Beschäftigten erbracht würden. Darauf, dass es dem Kläger im Übrigen freigestellt war, seine Tour zu planen, kommt es nicht maßgeblich an, da sich eine solche Freiheit im Rahmen der üblichen Arbeitsgestaltung hinsichtlich der durchzuführenden Zeitungslieferung auch bei den von der Beigeladenen zu 1. (geringfügig) Beschäftigten bewegte. Der Kläger war insbesondere nicht berechtigt, den Kreis seiner Kunden selbst auszuwählen. Soweit es im Vertrag heißt, er sei berechtigt gewesen, Aufträge abzulehnen, ist nicht ansatzweise ersichtlich, dass ihm im Rahmen der ihm angedienten Touren nach seinem Ermessen frei gestanden hätte, wen er von den listenmäßig aufgeführten Abonnenten belieferte und wen nicht. Für das tatsächliche Vorhandensein einer entsprechenden unternehmerischen Weisungsfreiheit bestehen hiernach insgesamt keine Anhaltspunkte.

c) Sonstige Indizien, die für eine Selbstständigkeit des Klägers sprechen könnten, liegen allenfalls in unwesentlichem, nicht maßgeblich ins Gewicht fallendem Umfang vor.

Der Kläger hatte insbesondere kein nennenswertes eigenes Unternehmerrisiko zu tragen. Zwar verfügte er nach seinem Vortrag über einen Kleintransporter, einen Carport und eigene, neutrale Arbeitskleidung. Letzteres ist indes weder eindeutig typisch für Selbständige noch für abhängig Beschäftigte. Auch das Vorhalten eines Kfz nebst Carport ist für die Tätigkeit als selbständiger Zeitungszusteller nicht erkennbar ausschlaggebend, da die Zeitungen nach der Einlassung der Beigeladenen zu 1., die bisher ohnehin lediglich als Vertreter eingesetzt worden seien, den jeweiligen Zustellern „zu Ort und Zeit“ angeliefert worden seien.

Darüber hinausgehend setzte der Kläger eigenes Kapital nicht ersichtlich in nennenswertem Umfang für Sachmittel mit der Gefahr des Verlustes ein. Auch bestand für ihn nicht durch einen effizienten Einsatz seiner Arbeitskraft die Chance, das Verhältnis von Aufwand und Ertrag zu seinen Gunsten entscheidend zu beeinflussen. Für die Zustelltätigkeit erhielt er eine nach Stunden berechnete Vergütung in Höhe von 13,12 Euro, die monatlich zum jeweils 15. des Folgemonats im gegenständlichen Jahr teilweise in identischer Höhe von der Beigeladenen zu 1. zu veranlassen war, wie es für Beschäftigte typisch ist. Ein Inkassorisiko bestand für ihn insofern von vornherein nicht. Dass er im Streitzeitraum noch für einen anderen Auftraggeber tätig war und mit Visitenkarten für seine Firma geworben habe, fällt daneben ebenso wenig erheblich ins Gewicht.

Hinsichtlich der Berechtigung, Erfüllungsgehilfen einzusetzen, hat bereits das Bundessozialgericht zu dem bereits zitierten ähnlichen Sachverhalt aus den 60er Jahren in Bezug auf Zeitungszusteller entschieden, dass die Möglichkeit der Beschäftigung von Hilfskräften, deren Kosten aus der vom Austräger zustehenden Vergütung zu decken sind, das Gesamtbild der Beschäftigung nicht entscheidend beeinflusse. Dieser Umstand habe nur dann von Bedeutung sein können, wenn nach den tatsächlich vorliegenden Verhältnissen die Möglichkeit bestanden hätte, den Umfang der eigenen Tätigkeit der Zeitungsausträger durch die Einstellung von Hilfskräften wesentlich zu erweitern (vgl. BSG, Urteil vom 26. Februar 1960 – 3 RK 41/57 – juris Rn. 24). Hierfür bestehen vorliegend ebenso wenig Anhaltspunkte wie dafür, dass der Kläger im gegenständlichen Zeitraum überhaupt eine Hilfskraft eingesetzt hat. Vielmehr wurde seine Mutter nach den Ermittlungsergebnissen der Beklagten als geringfügig Beschäftigte frühestens ab Januar 2017, mithin außerhalb des hiesigen Streitzeitraums für seine Einzelfirma tätig.

Die fehlende Vereinbarung von Urlaubs- und Krankheitsleistungen entspricht der vertraglichen Behandlung des Klägers als Soloselbständiger, indes, wie ausgeführt, ohne sozialversicherungsrechtliche Verbindlichkeit. Denn der Umstand, dass jemand von seinem Vertragspartner keinen für Beschäftigte typischen sozialen Schutz zur Verfügung gestellt erhält, führt nicht ohne Weiteres zur Annahme eines unternehmerischen Risikos. Einem solchen Risiko müssen vielmehr – um sozialversicherungsrechtlich relevante Folgen auslösen zu können – auch erkennbare größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen (vgl. BSG, Urteil vom 24. März 2016 – B 12 KR 20/14 R – juris Rn. 21 m. w. N.). Solche sind hier indes, wie bereits ausgeführt, nicht erkennbar.

Die Anmeldung eines Gewerbes genügt bei – wie hier – nicht wesentlich vorhandenem Unternehmerrisiko nicht, um ein wesentliches Indiz für Selbständigkeit zu begründen (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 – B 12 KR 5/97 R – juris Rn. 24). Denn die Gewerbeanmeldung beruht allein auf der jeweiligen Willenserklärung der anmeldenden Person und bekundet nur die Tatsache, dass der Betreffende der zuständigen Behörde angezeigt hat, er habe ein (nicht zulassungspflichtiges) Gewerbe aufgenommen (vgl. § 15 Abs. 1 Gewerbeordnung).

Schließlich begründet auch die Höhe der vom Kläger auf der Grundlage des vereinbarten Stundensatzes gestellten Rechnungen kein wesentliches Indiz für eine Selbständigkeit, abgesehen davon, dass die Honorarhöhe nur eins von vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Umständen ist (vgl. BSG, Urteil vom  4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 36 f. m.w.N.).

Darauf, wie nach Ablauf des vorliegenden Streitzeitraums die Zustelltätigkeit des Klägers sozialversicherungsrechtlich zu bewerten ist, kommt es im Verfahren nicht an. Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die statusrechtliche Beurteilung von Zeitungszustellern auch in von Obergerichten entschiedenen Fällen vergleichbar erfolgt ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. Juli 2006 – L 17 U 54/07 – juris, wonach Zeitungsausträger bzw. Zusteller in der Sozialversicherung „grundsätzlich“ anzusehen seien und mit einer Synopse der hierzu vorhandenen Literatur und Rechtsprechung unter Rn. 34-35).

d) Die erkennbaren Indizien der gegenständlichen Tätigkeit sprechen hiernach weit überwiegend für eine abhängige Beschäftigung des Klägers für die Beigeladene zu 1., von der entsprechend ausweislich des angefochtenen Bescheides die Nachzahlung der Pflichtbeiträge für das gesamte Jahr 2016 zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung für den Streitzeitraum gefordert wurde, weil grundsätzlich die Arbeitgeber für versicherungspflichtig Beschäftigte den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen haben (vgl. § 28d Satz 1 und 2, § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Dafür, dass dies vorliegend abweichend zu beurteilen sein könnte, bestehen keine Anhaltspunkte.

Weitere Ermittlungsmöglichkeiten von Amts wegen haben sich dem Senat nicht aufgedrängt (vgl. § 103 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits. Der Kläger zählt zu den in § 183 SGG genannten Personen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. waren nicht aus Gründen der Billigkeit dem Kläger aufzuerlegen, nachdem sie sich selbst nicht aktiv am Verfahren beteiligt hat. Für die Beigeladenen zu 2. bis 5. folgt dies aus § 193 Abs. 4 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (vgl. § 160 Abs. 2 SGG).