Gericht | OLG Brandenburg 12. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 22.12.2022 | |
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Aktenzeichen | 12 U 121/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:1222.12U121.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Antrag des Klägers, das Verfahren nach § 148 ZPO analog bis zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Bezug auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Vorlagenfragen in dem Vorabentscheidungsverfahren C-100/21 auszusetzen, wird zurückgewiesen.
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 20.05.2022 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az. 12 O 146/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
1.1. Hierzu besteht für den Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
I.
Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem sogenannten „Dieselskandal“ geltend.
Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag von XX.XX.2017 von einem VW-Autohändler einen VW Tiguan Comfortline 2,0 l TDI als Neufahrzeug zu einem Kaufpreis von 38.680,00 €. In dem Fahrzeug ist ein von der Beklagten hergestellter Motor des Typs EA 288 der Abgasnorm Euro6 verbaut.
Der Kläger behauptet, die Beklagte habe in dem Fahrzeug mindestens eine Software verwendet, die dazu führe, dass die Emissionsgrenzwerte nur auf dem Prüfstand, nicht jedoch im Realbetrieb eingehalten würden. Das in dem Fahrzeug unstreitig verbaute Thermofenster sei als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 anzusehen. Das Fahrzeug verfüge über eine Prüfstandserkennung, wonach die Software des Fahrzeuges anhand verschiedener Parameter wie Fahrkurve, Entwicklung der Fahrgeschwindigkeit oder Fehlen von Lenkradbewegungen erkenne, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befinde oder im Realbetrieb fahre mit dem Resultat, dass auf dem Prüfstand weniger Emissionen ausgestoßen würden als im Realbetrieb. Werde die Prüfstandsituation erkannt, aktiviere die Software in Folge eine Aufheizstrategie. Die Beklagte habe zudem das On-Board-Diagnosesystem (OBD) manipuliert und dadurch über die Emissionswerte getäuscht. Die Einstellung des Ladeverhaltens der Batterie führe dazu, dass auf dem Prüfstand weniger Kraftstoff verbraucht und daher die Emissionen gesenkt würden. Die Steuerung der Abgasnachbehandlung sei derart programmiert, dass auf dem Prüfstand und im Realbetrieb eine unterschiedliche Abgasnachbehandlung erfolge.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei im Hauptantrag als Feststellungsklage zulässig. Sie sei jedoch unbegründet. Dem Kläger stehe kein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB zu. Der Kläger habe nicht hinreichend dargelegt, dass ein durch den Kauf eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeuges eingetretener Schaden von der Beklagten in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise herbeigeführt worden sei. Der Kläger habe nicht darzulegen vermocht, dass in seinem Fahrzeug eine Software verbaut sei, die zur objektiven Täuschung der Genehmigungsbehörde mit einer Prüfstandserkennung versehen sei. Die vom Kläger vorgebrachten Vermutungen erreichten nicht das erforderliche Mindestmaß an Tatsachen zum Abgasverhalten des konkreten Fahrzeugs und liefen auf eine Ausforschung des Sachverhalts hinaus. Selbst wenn die Motorsteuerung in dem streitgegenständlichen Fahrzeug vorhanden wäre, ergebe sich daraus nicht ohne weiteres ein vorsätzliches Handeln der Beklagten. Die Gesetzeslage erscheine insoweit nicht unzweifelhaft und eindeutig. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte sei allenfalls von einer fahrlässigen Verkennung der Rechtslage auszugehen. In diesem Falle fehle es an dem notwendigen Schädigungsvorsatz. Dem Kläger stünden auch keine Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB oder §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 4, 5 VO 715/2007/EG zu. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Der Kläger hat gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 02.06.2022 zugestellte Urteil mit einem am Montag, den 04.07.2022 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel – nach auf rechtzeitigen Antrag erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis dahin – mit einem am 02.09.2022 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine Ansprüche unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Er ist der Auffassung, er habe hinreichend substantiiert zum Vorliegen unzulässiger Abschalteinrichtungen vorgetragen. Der Vortrag sei von der Beklagten auch im Wesentlichen bestätigt worden und damit unstreitig. Das Landgericht habe verkannt, dass im Hinblick auf das verbaute Thermofenster eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch die Beklagte vorliege. In diesem Zusammenhang habe es sich mit seinen Ausführungen nicht auseinandergesetzt und keine Prüfung vorgenommen. Gründe des Motorschutzes habe das Landgericht nicht festgestellt. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hätten die Repräsentanten der Beklagten auch vorsätzlich gehandelt. Er habe erstinstanzlich umfassend vorgetragen, dass ihnen die technischen Hintergründe zum Thermofenster und die fehlende technische Notwendigkeit bekannt gewesen seien. Diesen Vortrag habe das Landgericht übergangen. Die Beklagte habe auch nicht vorgetragen, sich über die Zulässigkeit des Einsatzes des Thermofensters geirrt zu haben. Damit stehe das vorsätzliche Handeln der Beklagten fest. Auch eine etwaige offene Rechtslage lasse das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit nicht entfallen. Die Beklagte sei auch verpflichtet gewesen, ein Überwachungssystem einzuführen, was sie nicht getan habe, sodass zumindest ein fahrlässiges Organisationsverschulden vorliege. Zudem sei die Übereinstimmungsbescheinigung fehlerhaft, weil das Fahrzeug nicht mit dem genehmigten Typ übereinstimme. Beide Verstöße unterlägen einem Drittschutz, die zu einer Haftung der Beklagten führe, was das Landgericht nicht berücksichtigt habe.
Der Kläger kündigt an zu beantragen,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 20.05.2022, 12 O 146/21, aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung eine andere Kammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) zurückzuverweisen;
hilfsweise,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 20.05.2022, 12 U 146/21, abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu leisten für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs VW Tiguan 2.0 TDI, FIN („Nummer01“) durch die Beklagte resultieren;
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 39.602,27 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw VW Tiguan 2.0 TDI, FIN („Nummer01“) und abzüglich einer durch richterliches Ermessen festzusetzenden Entschädigung für die Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
Darüber hinaus beantragt der Kläger,
das Verfahren nach § 148 ZPO analog bis zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Bezug auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Vorlagenfragen in den Vorabentscheidungsverfahren C-100/21 auszusetzen.
Die Beklagte kündigt an zu beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen nebst Beweisantritten. Hinsichtlich des zum Einsatz kommenden Thermofensters liege bereits tatbestandlich keine Abschalteinrichtung vor. Einer Fahrkurvenerkennung sei in dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht hinterlegt.
II.
A.
Eine Aussetzung nach § 148 ZPO in analoger Anwendung im Hinblick auf das Vorlageverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof zum Aktenzeichen C-100/21 sowie die dortigen Schlussanträge des Generalanwalts beim Gerichtshof der Europäischen Union vom 02.06.2022 zu dem Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Ravensburg (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts vom 02.06.2022, C-100/21, Celex-Nr. 62021CC0100, juris) hält der Senat in Ausübung seines richterlichen Ermessens nicht für angebracht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, dienen die durch die §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV umgesetzten Vorschriften der Richtlinie 2007/46/EG und die Vorschrift des Art. 5 VO (EG) 715/2007 nicht dem Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts und damit dem Schutz des Käufers vor dem Schluss eines ungewollten Vertrages (vgl. BGH, BGHZ 225, 316 Rn. 72 ff.;BGH, NJW 2020, 2798 Rn. 11 ff.; BGH, Beschluss vom 15.06.2021 – VI ZR 566/20, Rn. 8; BGH, Beschluss vom 13.10.2021 – VII ZR 185/21; Beschluss vom 02.05.2022 – Via ZR 137/21). Hieran ändert sich auch durch die Schlussanträge des Generalanwalts vom 02.06.2022 nichts.
Soweit der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen vom 02.06.2022 vorschlägt, auf die erste und zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 18 Abs. 1, 26 Abs. 1 und Art. 46 der RL 2007/46 dahin auszulegen seien, dass sie die Interessen eines individuellen Erwerbers eines Kraftfahrzeugs schützen, insbesondere das Interesse, kein Fahrzeug zu erwerben, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 ausgestattet ist, führt dies nicht zu einer Einordnung der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV als Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB.
Die Richtlinie 2007/46 selbst kann schon kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB sein, da sie an die Mitgliedstaaten gerichtet ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 10.08.2022 - 5 U 818/22, juris).
Soweit der Generalanwalt betont, das Interesse des individuellen Erwerbers eines Kraftfahrzeugs, kein Fahrzeug zu erwerben, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, sei aus europarechtlichen Erwägungen schutzbedürftig (vgl. Rn. 50, juris), entspricht dies der Rechtsprechung des BGH. Gleiches gilt für das Erfordernis, die seitens der Käufer gegen den Hersteller bei schuldhaftem Agieren bestehenden Ansprüche mit wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen auszugestalten (Rn. 53-55, juris). Soweit vom dort vorlegenden Gericht nach den Ausführungen des Generalanwalts (Rn. 58, juris) angedeutet wird, die Haftung nach § 826 BGB lasse eine Herstellerhaftung gleichsam nicht zu und stelle keinen Anreiz dar, die europarechtlichen Vorgaben zu beachten, widerspricht diese Annahme der aktuellen Rechtsprechung des BGH zur Herstellerhaftung bei der unzulässigen Ausgestaltung von Abgassteuerungen. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die Ausstattung eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung verschuldensunabhängig ausgestaltete Mängelgewährleistungsansprüche des Erwerbers gegen den Verkäufer eines solchen Fahrzeugs begründen kann, die auch dann, wenn der Verkäufer nicht mit dem Hersteller identisch ist, über die Regresshaftung wirtschaftlich den Hersteller treffen (vgl. KG, Beschluss vom 28.07.2022 - 4 U 1/22, juris Rn. 108). Schließlich sind auch die nach deutschem Recht vorgesehenen Strafen und Bußgelder z.B. nach § 37 Abs. 1 EG-FGV und die hoheitlichen Befugnisse der Aufsichtsbehörden in Rechnung zu stellen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 28.06.2022 - 24 U 115/22, juris Rn. 96ff.). Aus diesem Grunde sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber mit den in Rede stehenden Vorschriften (auch) einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezweckte und bereits an die fahrlässige Erteilung einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung einen gegen den Hersteller gerichteten Anspruch auf (Rück-)Abwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrags hätte knüpfen wollen (vgl. BGH, Beschluss vom 12.01.2022 - VII ZR 438/21 -, Rn. 3, juris). Es bedarf daher in der deutschen Rechtsordnung über die bestehenden Institute des Vertrags- und Deliktsrechts nicht der Einordnung der Vorschriften der EG-FGV als Schutzgesetze i.S. des § 823 Abs. 2 BGB (vgl. OLG München, Beschluss vom 25.07.2022 - 24 U 2890/22, juris).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Pressemitteilung des BGH vom 01.07.2022. Dieser lässt sich nicht entnehmen, dass der BGH seine bisherige Rechtsprechung zu der fehlenden drittschützenden Wirkung der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV aufgeben will. Aus der Pressemitteilung folgt daher weder eine Pflicht zur Aussetzung noch zum faktischen Abwarten. Ebenso ändert sich hierdurch nichts an der „acte-clair“-Rechtsprechung des BGH.
B.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gem. §§ 517 ff. ZPO eingelegte Berufung ist nach einstimmiger Auffassung des Senats offensichtlich unbegründet. Die Rechtssache weist auch weder grundsätzliche Bedeutung auf, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist auch nicht aus sonstigen Gründen geboten. Es ist daher die Zurückweisung der Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss beabsichtigt.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffenden Gründen, auf die Bezug genommen wird, abgewiesen. Das Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung.
1.
Die Klage ist bereits teilweise unzulässig.
Soweit der Kläger in erster Linie die Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht begehrt, um dort feststellen zu lassen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm Schadensersatz zu leisten für Schäden, die aus der Manipulation des streitgegenständlichen Fahrzeuges resultieren, fehlt es für einen solchen allgemeinen Feststellungsantrag an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse, da es dem Kläger zumutbar ist, sich zu entscheiden, ob er das Fahrzeug behalten und Ersatz des Minderwertes verlangen will oder er den Kaufpreis unter Anrechnung der Nutzungsvorteile Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeuges ersetzt verlangen will (vgl. BGH, Urteil vom 05.10.2021 – VI ZR 136/20, Rn. 16 ff.).
Mit dem Hilfsantrag machte der Kläger nunmehr den großen Schadensersatz in Form der Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegenüber Eignung und Rückgabe des Fahrzeuges, abzüglich einer Nutzungsentschädigung, geltend. Er hält jedoch ausdrücklich an dem erstinstanzlich gestellten Feststellungsantrag fest. Welche Schäden darüber hinaus künftig noch eintreten sollen, die von dem weiterhin geltend gemachten Feststellungsantrag umfasst sein sollen, lässt sich dem Vorbringen des Klägers jedoch nicht entnehmen. Künftig entstehende Aufwendungen, die zu den gewöhnlichen Unterhaltungskosten für das Fahrzeug zählen, sind grundsätzlich nicht ersatzfähig (vgl. BGH Urteil vom 05.10.2021 a.a.O. Rn. 32 m.w.N.).
2.
Im Übrigen ist die Klage zulässig, jedoch unbegründet. Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
a)
Ein Schadensersatzanspruch ergibt sich nicht aus den §§ 826, 31 BGB.
aa) Voraussetzung dieses Anspruchs ist ein sittenwidriges Handeln der Beklagten. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19 –, Rn. 15, juris).
Danach kann zwar die heimliche Verwendung einer als unzulässige Abschalteinrichtung zu qualifizierenden Software (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 a.a.O. juris Rn. 17; Beschluss vom 08.01.2019 – VIII ZR 225/17, juris Rn. 6 ff.) sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB sein und daher Ansprüche des gutgläubigen Käufers wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung rechtfertigen. Denn es steht einer bewussten arglistigen Täuschung des Käufers gleich, wenn ein Fahrzeughersteller im Rahmen einer von ihm bei der Motorenentwicklung getroffenen strategischen Entscheidung, die Typgenehmigungen der Fahrzeuge durch arglistige Täuschung des Kraftfahrtbundesamtes zu erschleichen und die derart betroffenen Fahrzeuge alsdann in Verkehr zu bringen, die Arglosigkeit und das Vertrauen der Fahrzeugkäufer hinsichtlich des uneingeschränkten Fortbestands der Typgenehmigung gezielt ausnutzt (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 a.a.O., juris Rn. 25).
bb) Im Streitfall hat der Kläger jedoch nicht substantiiert vorgetragen, dass sein Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung, vergleichbar mit der im Motor EA 189 verbauten Prüfstandserkennung, versehen war, und die Beklagte das Kraftfahrtbundesamt arglistig über das Vorhandensein einer solchen Abschalteinrichtung getäuscht hat. Dabei geht der Senat im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes davon aus, dass eine Behauptung erst dann unbeachtlich ist, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufgestellt worden ist. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur beim Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können. Vom Kläger kann insbesondere nicht verlangt werden, dass er im Einzelnen darlegt, weshalb er vom Vorhandensein einer oder mehrerer Abschalteinrichtungen ausgeht und wie diese konkret funktionieren. Vielmehr ist von ihm nur zu fordern, dass er greifbare Umstände anführt, auf die er den Verdacht gründet, sein Fahrzeug weise eine oder mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen auf (BGH, Beschluss vom 28.01.2020 – VIII ZR 57/19 –, Rn. 8ff, juris). Solche Umstände wie in dem der Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Fall, etwa dass sein Fahrzeug von einer Rückrufaktion betroffen war oder die Einleitung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen gegen die Beklagte hinsichtlich des Motorentyps EA 288, hat der Kläger im Streitfall nicht vorgetragen.
(1) Der Umstand, dass die Beklagte im Motortyp EA 189 eine unzulässige Abschalteinrichtung nebst Prüfstanderkennung ("Umschaltlogik") verwendet hat, stellt noch keinen greifbaren Anhaltspunkt dafür dar, dass dies auch beim Motortyp EA 288 der Fall gewesen ist (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 04.12.2020 – 9a U 2074/19, juris Rn. 30; OLG Stuttgart, Urteil vom 19.01.2021, 16a U 196/19, juris Rn. 54; OLG Hamm, Urteil vom 29.06.2021, I-13 U 434/20, juris Rn. 73; OLG Schleswig, Urteil vom 11.01.2022 – 7 U 84/21, juris Rn. 37).
(2) Die Überschreitung der zulässigen Grenzwerte für den Stickoxidausstoß im Straßenbetrieb bei Einhaltung der Grenzwerte im Prüfstandsbetrieb ist als solche ebenfalls nicht geeignet, den Rückschluss auf eine unzulässige Abschalteinrichtung zu ziehen (vgl. OLG Stuttgart a.a.O., juris Rn. 59 ff.; OLG Frankfurt, Urteil vom 07.10.2020, 4 U 171/18, juris Rn. 44; OLG Hamm, a.a.O., juris Rn. 75; OLG Schleswig a.a.O., juris Rn. 38). Denn für Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 6 ist allein der NEFZ-Prüfzyklus maßgeblich, der viele reale Bedingungen im Straßenverkehr (u.a. Drehzahl, Beladung, Außentemperatur, Höhenunterschiede) nicht abbildet. Dieser Umstand ist im Übrigen auch dem KBA bekannt, ohne dass es allein deshalb zu Rückrufen oder gar Fahrzeugstillegungen gekommen ist.
Etwas anderes folgt auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.11.2021 (III ZR 202/20, juris). Im dortigen Fall hatte der Kläger Messwerte der Deutschen Umwelthilfe vorgelegt, aus denen sich ergab, dass ein getestetes Fahrzeug des gleichen Typs wie das klägerische Fahrzeug den Grenzwert für den NOx-Ausstoß im realen Fahrbetrieb um den Faktor 9,7 überschritt. Derartige erheblich erhöhte Messwerte für das im Streitfall gegenständliche Fahrzeug hat der Kläger jedoch nicht vorgelegt. Im Übrigen ist die hier behauptete Grenzwertüberschreitung im realen Fahrbetrieb um den Faktor von max. 5,5 als Indiz für eine Abschalteinrichtung angesichts der gravierenden Unterschiede der Bedingungen, unter denen die Messung erfolgt, ungeeignet (vgl. BGH, Beschluss vom 15.09.2021 - VII ZR 2/21, Rn. 30).
(3) Soweit sich der Kläger auf eine manipulierte Abgasnachbehandlung durch Verwendung einer Fahrkurvenerkennung (auch als Zykluserkennung bezeichnet) stützen will, hat die Beklagte substantiiert in Abrede gestellt, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine Fahrkurvenerkennung verbaut ist. Wie dem Senat aus einer Vielzahl von Parallelverfahren bekannt ist, sieht die Applikationsrichtlinie EA 288 der Beklagten aus November 2015 vor, dass für Neufahrzeuge ab dem Produktionsstart in der 22. Kalenderwoche 2016 eine Fahrkurvenerkennung nicht mehr zum Einsatz kommt. Das Fahrzeug des Klägers ist erstmals im Jahre 2017 zugelassen und fällt damit unter diese Kategorie. Diesem Vortrag der Beklagten ist der Kläger bereits nicht hinreichend entgegengetreten.
Im Übrigen stellt eine Fahrkurvenerkennung nicht per se eine unzulässige Abschalteinrichtung dar, sondern nur dann, wenn sie dazu benutzt wird, um die Funktion eines Teils des Emissionskontrollsystems so zu verändern, dass deren Wirksamkeit im normalen Fahrbetrieb verringert wird (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 26.08.2021 - 22 U 105/20, juris Rn. 80; OLG Oldenburg, Urteil vom 19.03.2021 – 6 U 328/20, juris Rn. 61; OLG Stuttgart, Urteil vom 04.05.2021 – 16a U 202/19, juris Rn. 56; OLG Saarbrücken, Urteil vom 05.01.2022 – 2 U 61/21, juris Rn. 37; OLG Schleswig, Urteil vom 21.01.2022 - 1 U 37/21, juris Rn. 45). Selbst wenn man jedoch unterstellt, dass eine solche Fahrkurvenerkennung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 zu qualifizieren wäre, kann allein daraus ein objektiv sittenwidriges Handeln der Beklagten nicht abgeleitet werden. Der darin liegende Gesetzesverstoß wäre für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz emissionsbeeinflussender Einrichtungen im Verhältnis zum Kläger als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Hierzu bedürfte es weiterer Umstände. Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass die verantwortlich handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der emissionsbeeinflussenden Einrichtungen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt (vgl. BGH, Beschluss vom 21.03.2022 - VIa ZR 334/21, Rn. 19 m.w.N.).
Greifbare Anhaltspunkte für ein derartiges Vorstellungsbild der für die Beklagte handelnden Personen sind nicht ersichtlich. Die Beklagte hat substantiiert unter Vorlage entsprechender Stellungnahmen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) in anderen Verfahren vorgetragen, dass unabhängig von einer Fahrkurvenerkennung die gesetzlich vorgeschriebenen Emissionsgrenzwerte eingehalten werden und nach den vom KBA vorgenommenen Untersuchungen eines vergleichbaren Fahrzeugtyps mit dem Motor EA 288 die Fahrkurvenerkennung keinen Einfluss auf das Emissionsverhalten hat und deshalb eine unzulässige Abschalteinrichtung nicht vorliegt. Die Fahrkurvenerkennung wird danach zur Umschaltung der Betriebsmodi der Abgasrückführung im Rahmen der Typprüfung genutzt, wobei eine Verringerung der Raten der Abgasrückführung durch die Abgasnachbehandlung kompensiert werden kann. Zugleich hat die Beklagte dargelegt, dass sie die Fahrkurvenerkennung gegenüber dem KBA bereits im Oktober 2015 und mit dem Schreiben vom 29.12.2015 offengelegt hat, sodass von einer arglistigen Täuschung des KBA und einem vorsätzlich sittenwidrigen Verhalten der Beklagten keine Rede sein kann (vgl. OLG München, Urteil vom 15.06.2021 – 9 U 5466/20, Rn. 36 ff., juris; OLG Köln, Urteil vom 30.06.2021 – 5 U 254/19, Rn. 38 juris; zum Ganzen auch OLG Schleswig, Urteil vom 11. Januar 2022 – 7 U 84/21; OLG Saarbrücken a.a.O.; OLG Naumburg, Urteil vom 17. Dezember 2021 – 8 U 11/21, juris). Dass die Fahrkurvenerkennung evident unzulässig wäre, woraus womöglich ohne weiteres der Schluss auf ein Rechtswidrigkeitsbewusstsein der für die Beklagte handelnden Personen gezogen werden könnte, ist nicht erkennbar (vgl. BGH, Beschluss vom 21.03.2022 a.a.O. Rn. 22).
Konkrete Umstände, die dafür sprechen könnten, dass das KBA bei seinen Prüfungen nicht alle maßgeblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat, ergeben sich aus dem Klägervorbringen nicht. Es erscheint zudem fernliegend, dass das KBA im Rahmen der durchgeführten Überprüfungen die vom Kläger gerügten Abschalteinrichtungen übersehen und deshalb im Rahmen seiner Beurteilung unberücksichtigt gelassen haben könnte, obwohl es dabei Kenntnis von der auf seine Täuschung ausgerichteten Vorgehensweise der Beklagten im Zusammenhang mit dem Motor EA 189 hatte und es deshalb naheliegt, dass es bei der Untersuchung der nach Bekanntwerden des sogenannten Dieselskandals überprüften Fahrzeuge mit einem Motor des Typs EA 288 besondere Gründlichkeit walten ließ (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 05.01.2022 a.a.O. Rn. 25).
Zudem kann auch ein Schädigungsvorsatz der Beklagten im maßgeblichen Zeitpunkt des Erwerbs des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch den Kläger am 22.03.2017 nicht festgestellt werden.
Da für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln ist, ist nicht allein auf den Zeitpunkt des Zulassungsverfahrens für das streitgegenständliche Fahrzeug abzustellen, sondern der Beurteilung ist das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten (hier Abschluss des Kaufvertrags im März 2017) zugrunde zu legen. Dies wird insbesondere dann bedeutsam, wenn - wie hier - die erste potenziell schadensursächliche Handlung und der Eintritt des Schadens zeitlich auseinanderfallen und der Schädiger sein Verhalten zwischenzeitlich nach außen erkennbar geändert hat (BGH, Urteile vom 30.07.2020 - VI ZR 5/20 und 25.05.2020 - VI ZR 252/19).
Unter Berücksichtigung der Ausführungen und Erwägungen des Bundesgerichtshofs in den vorgenannten Entscheidungen, denen der Senat folgt, kann das Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit der Verwendung der Fahrkurvenerkennung bei der gebotenen Gesamtbetrachtung bei dem hier streitgegenständlichen Erwerb eines Fahrzeugs mit einem Motor des Typs EA 288 (EU 6) im März 2017 nicht (mehr) als besonders verwerflich im Sinne des § 826 BGB angesehen werden (OLG Hamm, Urt. vom 14.12.2021 - I-19 U 232/20; OLG Dresden, Urteil vom 16.08.2022 - 17 U 574/22, juris Rn. 35). Nachdem die Beklagte das KBA bereits im Jahr 2015 über die von ihr bei dem Motor EA 288 eingesetzte Fahrkurvenerkennung informiert hatte und das KBA daraufhin nach den von ihr durchgeführten Untersuchungen die Fahrkurvenerkennung nicht als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft hat, kann ein (auch nur bedingter) Schädigungsvorsatz der Beklagten im Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs durch den Kläger nicht festgestellt werden, da mit einer Betriebsuntersagung nicht zu rechnen war (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. vom 26.04.2022 - 8 U 235/21). In dem für die Beurteilung des Verhaltens der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Zeitpunkt des Erwerbs des Pkws im März 2017 ist damit das Verhalten der Beklagten auch unter diesem Gesichtspunkt nicht (mehr) als besonders verwerflich, und damit auch nicht (mehr) als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 BGB anzusehen.
(4) Aus dem Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführung (sogenanntes „Thermofenster“) folgt ebenfalls kein Anspruch aus § 826 BGB.
Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht der Umstand, dass die Abgasrückführung im Fahrzeug des Klägers unstreitig durch eine temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems bei geringeren Außentemperaturen reduziert (und möglicherweise ganz abgeschaltet) wird, für sich genommen nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben. Dabei kann zugunsten des Klägers in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt werden, dass eine derartige temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist. Der darin liegende Gesetzesverstoß wäre auch dann, wenn die Beklagte mit der Entwicklung und dem Einsatz dieser Steuerung eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinnen erstrebt hat, für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Hierfür bedarf es vielmehr weiterer Umstände. Bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit setzt voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 25.11.2021 a.a.O. Rn. 14; BGH, Urteil vom 23.11.2021 - III ZR 200/21, WM 2021, 2153 Rn. 21 ff; BGH, Urteile vom 13.07.2021 - VI ZR 128/20, WM 2021, 1609 Rn. 13 und vom 16.09.2021 - VII ZR 190/20, WM 2021, 2108 Rn. 16; Beschlüsse vom 19.01.2021 - VI ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 19 und vom 09.03.2021 - VI ZR 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 28).
Dafür fehlen vorliegend greifbare Anhaltspunkte. Entgegen der Auffassung des Klägers genügt es nicht, lediglich zu behaupten, die Beklagte habe die entsprechende Software bewusst in die Motorsteuerung eingebaut, um die Typgenehmigung zu Unrecht zu erhalten; sie habe gewusst, dass die Voraussetzungen für deren Erteilung nicht erfüllt gewesen seien. Sie habe das KBA - auch durch Nichtangabe der näheren Parameter der Abgasrückführung - über das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung getäuscht. Aus dem Bericht der vom Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur eingesetzten Untersuchungskommission "Volkswagen" vom April 2016 ergibt sich, dass in dem hier fraglichen Zeitraum Thermofenster von allen Autoherstellern verwendet wurden. Begründet wurde dies mit dem Erfordernis des Motorschutzes, wobei diese Frage vor allem die Auslegung der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 715/2007 betraf. Dementsprechend haben sowohl das KBA als auch das zuständige Fachministerium den Einsatz eines Thermofensters, bei dem die Hersteller die Abgasreinigung temperaturabhängig zurückfahren, jedenfalls dann nicht grundsätzlich in Frage gestellt, wenn die Einrichtung notwendig sei, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen (vgl. BGH, Urteil vom 16.09.2021 a.a.O. Rn. 31). Im Hinblick auf diese nicht eindeutige Rechtslage können allein aus dem Einsatz eines Thermofensters keine Anhaltspunkte dafür hergeleitet werden, dass die für die Beklagte handelnden Personen dies als illegal angesehen und gebilligt haben. Eine möglicherweise fahrlässige Verkennung der Rechtslage durch die Beklagte genügt jedenfalls für die Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit ihres Verhaltens nicht. Auch aus einer etwaig unterbliebenen Offenlegung der genauen Wirkungsweise des Thermofensters ("nähere AGR-Parameter") gegenüber dem KBA folgen entgegen der Auffassung der Beschwerde keine Anhaltspunkte dafür, dass die für die Beklagte handelnden Personen in dem Bewusstsein agierten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Denn dem KBA war die Verwendung von Thermofenstern bei allen Herstellern und die in diesem Zusammenhang geführte rechtliche Diskussion um den Motorschutz bekannt. Es war deshalb zu einer Überprüfung des Emissionsverhaltens des Fahrzeugs - gegebenenfalls nach weiteren Rückfragen beim Hersteller - ohne weiteres in der Lage (vgl. BGH a.a.O Rn. 26). Nach alledem fehlen im vorliegenden Fall greifbare Anhaltspunkte für eine bewusste Täuschung des KBA (vgl. BGH, Beschluss vom 25.11.2021 a.a.O. Rn. 15).
Der Einsatz von „Thermofenstern“ wird auch heute nicht generell als rechtswidrig angesehen. Vielmehr befindet sich die Beurteilung in der Entwicklung und ist zudem bereits tatbestandlich von verschiedenen Fragen abhängig. Dagegen, dass die Beklagte im Zusammenhang mit der Entwicklung des in seiner Wirkungsweise dargelegten „Thermofensters“ aufgrund der vom Kläger behaupteten und für einen Vorwurf der Sittenwidrigkeit erforderlichen Offensichtlichkeit des Rechtsverstoßes in dem Bewusstsein, möglicherweise einen Gesetzesverstoß zu begehen, gehandelt habe und dies zumindest billigend in Kauf genommen haben könnte, spricht zudem die Einschätzung des KBA im Untersuchungsbericht. Das KBA hat bis heute den bekannten Sachverhalt nicht zum Anlass für einen Rückruf genommen. Der Beklagten kann nicht zum Vorwurf gereichen, die Vorschriften rechtlich ebenso zu bewerten wie das KBA. Jedenfalls aber steht dies dem Schluss auf ein sittenwidriges Handeln der Beklagten entgegen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 04.05.2021 – 16a U 202/19 –, Rn. 70; OLG München, Urteil vom 14.04.2021 – 15 U 3584/20 –, Rn. 71, juris). An dieser Einschätzung ändert auch das zwischenzeitlich ergangene Urteil des EuGH vom 17.12.2020 in der Rechtssache C-693/18 nichts. Selbst wenn man die Ausführungen des EuGH auf den Sachverhalt betreffend das „Thermofenster“ überträgt, folgt daraus nicht, dass die seinerzeitige Auffassung der Beklagten betreffend die Zulässigkeit, die für die Beurteilung des Verhaltens als besonders verwerflich maßgebend ist, offensichtlich unvertretbar war.
(5) Ein Anspruch besteht auch nicht wegen eines fehlerhaft programmierten OBD-Systems. Das OBD-System kann schon per definitionem keine Abschalteinrichtung sein, da es nicht auf das Abgasreinigungssystem einwirkt, sondern lediglich Fehlfunktionen anzeigen soll. Es kann daher offenbleiben, ob das System falsch programmiert worden ist, da weder eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt, noch die Voraussetzungen eines deliktischen Anspruchs gegeben sind (OLG Schleswig, Urteil vom 11.01.2022 a.a.O. Rn. 55). Hat der Hersteller eine aus seiner Sicht zulässige Abschalteinrichtung verbaut, wird das OBD-System, wenn diese greift, folglich eine Fehlfunktion der Abgasreinigung nicht anzeigen und liegt mithin keine Täuschung seitens des Herstellers vor. Hat der Hersteller hingegen bewusst eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut, stellt sich die Programmierung des OBD-Systems dahin, Fehlfunktionen bei Wirksamwerden der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht anzuzeigen, als notwendiger Teilbeitrag zum Verheimlichen der unzulässigen Abschalteinrichtung dar. Eine eigenständige Bedeutung als Indiz für eine bewusste Manipulation des Fahrzeugemissionssystems kommt den behaupteten Eigenschaften des OBD-Systems daher nicht zu (vgl. Brandenburgisches OLG - 4. Zivilsenat, Urteil vom 22. Dezember 2021 – 4 U 19/21 –, juris Rn. 73).
(6) Soweit der Kläger behauptet, im streitgegenständlichen Fahrzeug sei eine „Batteriemanipulation“ verbaut, die eine unterschiedliche Steuerung der Batterie auf dem Prüfstand und außerhalb des Prüfstands bewirke, vermag sein Sachvortrag ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit der behaupteten Manipulation nicht zu begründen. Denn der Kläger behauptet lediglich, dass die von ihm beschriebene Manipulation einen niedrigeren CO2-Ausstoß und einen geringeren Kraftstoffverbrauch auf dem Prüfstand bewirke. Dass die Unterdrückung der Nachladung der Batterie im NEFZ unzulässig ist und dass sie Einfluss auf die Einhaltung des gesetzlichen NOx-Grenzwerts hat, ergibt sich daraus nicht. Für das Treibhausgas CO2 sieht die Abgasnorm EU 6 ebenso wie alle vorausgegangenen Abgasnormen der EU keinen gesetzlichen Grenzwert vor, den jedes einzelne neue Fahrzeug einhalten muss (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.04.2022 - 8 U 235/21, juris Rn. 44).
Weitere in erster Instanz noch behauptete Abschalteinrichtungen, etwa in Form einer Aufheizstrategie, werden mit der Berufung offensichtlich nicht weiterverfolgt.
cc) Ein Schadensersatzanspruch des Klägers scheitert letztlich auch daran, dass nicht ersichtlich ist, dass er überhaupt einen Schaden erlitten hat. Der Kläger macht als Schaden die Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit geltend. Die Bejahung eines Vermögensschadens unter diesem Aspekt setzt jedoch voraus, dass die durch den unerwünschten Vertrag erlangte Leistung nicht nur aus rein subjektiv willkürlicher Sicht als Schaden angesehen wird, sondern dass auch die Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände den Vertragsschluss als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig ansieht (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, a.a.O. Rn. 46). Der BGH hat betreffend Fahrzeuge mit EA 189-Motoren, bei denen eine unzulässige Abschalteinrichtung vorlag, einen Schaden deshalb bejaht, weil das Fahrzeug im Zeitpunkt des Erwerbs für die Zwecke des Geschädigten nicht voll brauchbar war, weil die Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung bestand und deshalb ein vernünftig handelnder Käufer von dem Erwerb des Fahrzeuges abgesehen hätte. Damit ist der vorliegende Fall jedoch nicht vergleichbar. Eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung drohte zu keinem Zeitpunkt, denn das KBA hatte zum Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeuges durch den Kläger umfangreiche Untersuchungen betreffend den EA 288-Motor durchgeführt und war zu dem Ergebnis gekommen, dass unzulässige Abschalteinrichtungen nicht vorliegen, und hat deshalb keinen Rückruf angeordnet. Der Kläger hat das Fahrzeug auch bis heute uneingeschränkt nutzen können. Es ist auch nicht ansatzweise erkennbar, dass ein Rückruf oder eine Betriebsuntersagung in naher Zukunft unmittelbar bevorstehen könnten. Nachdem mittlerweile mehr als 6 Jahre vergangen sind, ohne dass die Gefahr des Entzugs der Betriebserlaubnis für das streitgegenständliche Fahrzeug substantiell im Raum stehen würde, ist für den Senat nicht erkennbar, aus welchen Gründen das Fahrzeug für den Kläger für den bestimmungsgemäßen Gebrauch untauglich sein und auf dieser Grundlage ein Schaden vorhanden sein soll (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 20.06.2022 – 3 U 51/22, juris Rn. 17).
Insoweit kann sich der Kläger auch nicht auf den Beschluss des BGH vom 28.01.2020 (a.a.O.) stützen, wonach greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen von Abschalteinrichtungen nicht erst nach Anordnung eines Rückrufs vorlägen, denn damit war lediglich der Fall gemeint, dass das KBA den betreffenden Motor noch nicht auf unzulässige Abschalteinrichtungen untersucht hatte, nicht aber der vorliegende umgekehrte Fall, dass bei diesbezüglichen Untersuchungen keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt worden sind (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 14.05.2021 - 6 U 310/20, juris Rn. 74). Auf den lediglich wegen einer Konformitätsabweichung erfolgten Rückrufs von Modellen des Typs T6 kann sich der Kläger in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg berufen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 01.06.2021 - 34 U 81/20, juris Rn. 62ff.; Thüringer OLG, Urteil vom 23.08.2022 - 7 U 771/21, juris Rn. 64).
b)
Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bestehen ebenfalls nicht. Abgesehen davon, dass eine Täuschungshandlung der Beklagten nicht vorliegt, fehlt es an der erforderlichen Stoffgleichheit des erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils mit einem etwaigen Vermögensschaden (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020 a.a.O. Rn. 19 ff.).
c)
Ebenso wenig bestehen Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV, da es sich bei den genannten Normen nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 a.a.O. Rn. 76; Urteil vom 30.07.2020 a.a.O. Rn. 11ff.; Beschluss vom 04.05.2022 - VII ZR 656/21). Die Schlussanträge des Generalanwaltes Rantos vom 02.06.2022 in der Rechtssache C-100/21 führen zu keiner anderen Bewertung. Insoweit wird auf die Ausführungen unter I. verwiesen. Selbst wenn man jedoch einen Charakter der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV als Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB bejahen würde, führt dies im Streitfall nicht zu einer Haftung der Beklagten. Unabhängig davon, ob unter den konkreten Umständen ein fahrlässiges Handeln der verantwortlichen Vertreter der Beklagten gem. § 276 Abs. 2 BGB zu bejahen wäre, was zweifelhaft erscheint, wenn das KBA als zuständige Typgenehmigungsbehörde nach eigener gründlicher Prüfung von der Zulässigkeit sowohl des „Thermofensters“ als auch der Fahrkurvenerkennung ausgeht und der Beklagten keine andere Einschätzung abverlangt werden kann (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 20.06.2022 a.a.O. Rn. 15), fehlt es jedenfalls - wie vorstehend unter 1 c) ausgeführt - an einem Schaden. Das Fahrzeug des Klägers ist zugelassen und verfügt über eine gültige Übereinstimmungsbescheinigung, die es ihm erlaubt, das Fahrzeug innerhalb der EU zuzulassen und zu veräußern. Es ist nicht ersichtlich, dass insoweit eine Änderung zu erwarten wäre (vgl. Thüringer OLG, Urteil vom 23.08.2022 a.a.O., juris Rn. 77).
d)
Vertragliche oder vorvertragliche Ansprüche aus §§ 311 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3, 241 Abs. 2, 280 BGB kommen ebenfalls nicht in Betracht, da der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug nicht von der Beklagten, sondern von einem Autohaus erworben hat. Die ausschließlich im Bereich der Kapitalanlage entwickelten und angewandten Grundlagen der Prospekthaftung sind auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar (vgl. OLG München, Urteil vom 30.07.2021 - 24 U 5540/20, juris Rn. 16 m.w.N.). Im Übrigen ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte ein besonderes Vertrauen des Klägers in Anspruch genommen haben soll, nachdem im Jahre 2017 der Diesel-Abgasskandal bereits allgemein bekannt war.
III.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt der Senat aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).