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Entscheidung 4 W 40/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 5. Zivilsenat Entscheidungsdatum 10.01.2023
Aktenzeichen 4 W 40/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0110.4W40.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller vom 12. April 2022 werden die Zwischenverfügungen des Amtsgerichts Königs Wusterhausen - Grundbuchamt - Gz.: W... Blatt ...-1, vom 16. Dezember 2021 und 8. April 2022 aufgehoben.

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 5.000 EUR.

Gründe

I.

Mit notariellem Vertrag vom 16. August 2021 übertrugen die Antragsteller zu 1 und 2 (künftig der Veräußerer) ihre hälftigen Miteigentumsanteile an dem im Grundbuch von W... Blatt ... eingetragenen, mit einem Einfamilienhaus und Nebengebäuden bebauten Grundbesitz an ihren Enkel, den Antragsteller zu 4 und erklärten die Auflassung. Unter Ziffer VII. des Vertrages behielt sich der Veräußerer ein Wohnungsrecht auf Lebensdauer des Längstlebenden als Gesamtberechtigte nach § 428 BGB vor, das dahingehend modifiziert wurde, dass kein Berechtigter allein zu Lasten des anderen über die Rechte verfügen kann, nach dem Tod eines Berechtigten die Rechte dem anderen ungeschmälert zustehen und die Leistung an einen Berechtigten allein keine Erfüllungswirkung gegenüber dem anderen Berechtigten hat. Dem Veräußerer wurde an dem Grundbesitz eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnungsrecht) mit dem Inhalt bestellt, dass er berechtigt ist, diese Räume unter Ausschluss des Eigentümers auf seine Lebenszeit als Wohnung zu benutzen und alle dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienenden Einrichtungen und Anlagen einschließlich des Gartens mitzubenutzen. Die Beteiligten bewilligten und beantragten die Eintragung des Wohnungsrechts für den Veräußerer als Berechtigten nach § 428 BGB in vorstehender Modifizierung in das Grundbuch. In Ziffer VIII. des Vertrages behielt sich der Veräußerer den lebzeitigen Widerruf der Überlassung unter bestimmten Voraussetzungen vor. Zur Sicherung des Rückübertragungsanspruches bewilligten und beantragten die Beteiligten die Eintragung einer entsprechenden Vormerkung für den Veräußerer als Gesamtberechtigte nach § 428 BGB in das Grundbuch, bedingt abgetreten an den Antragsteller zu 3.

Den vom Notar am 22. September 2021 eingereichten Vollzugsantrag hat das Grundbuchamt mit Zwischenverfügung vom 16. Dezember 2021 beanstandet. Es vertrat darin und mit weiterer Zwischenverfügung vom 8. April 2022 die Auffassung, dass die beantragte Eintragung der Modifizierung hinsichtlich des Wohnungsrechts nicht möglich sei, und bat insoweit um Antragsrücknahme. Eine analoge Anwendung des § 428 BGB sei nicht möglich.

Hiergegen wenden sich die Antragsteller mit ihrer am 13. April 2022 durch den Notar eingelegten Beschwerde. Sie meinen, die Regelung des Gemeinschaftsverhältnisses unterliege nicht dem sachenrechtlichen Typenzwang. Vielmehr genüge zur Aufrechterhaltung des jeweiligen Gestaltungstyps ein einziges Merkmal, das diesen Gestaltungstyp von anderen Berechtigungsverhältnissen unterscheidet. Vorliegend seien mindestens zwei Typenmerkmale des § 428 BGB vorhanden, weil jeder der Berechtigten die volle Leistung an sich fordern könne und nach dem Tod eines Ehegatten das volle Recht dem überlebenden Ehegatten ungeschmälert zustehe. Die Auswahlfreiheit des Schuldners könne hingegen wirksam abbedungen werden. Sie diene lediglich dem Schutz des Schuldners vor Nachteilen, die sich aus der Belastung mit mehreren selbständigen Forderungen der beteiligten Gesamtgläubiger ergäben. Es stehe dem Schuldner frei, auf diesen Schutz zu verzichten. Auch § 47 GBO werde durch diese Modifizierung des Berechtigungsverhältnisses nicht berührt, da nicht sämtliche Facetten des konkret vereinbarten Berechtigungsverhältnisses im Grundbuch verlautbart werden könnten und müssten. Insoweit reiche ein Bezug auf die Eintragungsmitteilung.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Beschluss vom 19. April 2022 nicht abgeholfen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1.

Die zulässige (§§ 71 Abs. 1, 73 GBO) Beschwerde der Antragsteller führt bereits deshalb zur Aufhebung der Zwischenverfügungen vom 16. Dezember 2021 und 8. April 2022, weil die Verfügungen mit diesem Inhalt nicht den Anforderungen des § 18 Abs. 1 GBO genügen.

§ 18 GBO regelt die Behandlung von Eintragungsanträgen, deren Vollzug ein Hindernis entgegensteht. Vorliegend bezeichnen die Zwischenverfügungen kein Mittel, ein Eintragungshindernis zu beseitigen, vielmehr handelt es sich in der Sache um einen rechtlichen Hinweis, verbunden mit der Bitte um Antragsrücknahme. Die Antragsrücknahme stellt aber gerade kein Mittel zur Behebung des Hindernisses dar.

2.

Für das weitere Verfahren weist der Senat – freilich ohne Bindungswirkung – auf Folgendes hin:

Soll ein Recht für mehrere gemeinschaftlich eingetragen werden, soll die Eintragung in der Weise erfolgen, dass entweder die Anteile der Berechtigten in Bruchteilen angegeben werden oder das für die Gemeinschaft maßgebende Rechtsverhältnis bezeichnet wird (§ 47 Abs. 1 S. 1 GBO). Da die Verfügungsbefugnis der einzelnen Beteiligten bei den unterschiedlichen Arten der Gemeinschaft verschieden ist, verlangt der das Grundbuchrecht beherrschende Bestimmtheitsgrundsatz, dass sich Art und Inhalt des Gemeinschaftsverhältnisses aus der Eintragung ergeben (BGH Beschluss vom 11. September 1997, Az. V ZB 11/97). Wohnungsrechte nach § 1093 BGB können für mehrere Personen als Gesamtberechtigte entsprechend § 428 BGB bestellt werden (BGHZ 46, 253). Hierbei liegt die vom Grundstückseigentümer „geschuldete Leistung“ im Wesentlichen nicht in einem positiven Tun, sondern in einem bloßen Dulden der Nutzung durch den oder die Berechtigten. Im Fall einer Gesamtgläubigerschaft nach § 428 BGB geht daher das Wohnungsrecht jedes einzelnen Gesamtberechtigten im „Außenverhältnis“ nicht auf Nutzung durch ihn und die übrigen Gesamtberechtigten gemeinsam. Jeder Wohnungsberechtigte kann im Wege des Störungsbeseitigungsanspruchs vom Eigentümer und von jedem Dritten die Besitzeinräumung an sich allein verlangen, und der Eigentümer andererseits kommt bereits durch Herausgabe an einen der Wohnungsberechtigten allein und durch Duldung von dessen Wohnen seiner wohnungsrechtlichen Last nach (BGH a.a.O.).

Die Gesamtgläubigerschaft kann - wovon im hier vorliegenden Fall auszugehen sein dürfte – modifiziert werden, da der sachenrechtliche Typenzwang nur für die eintragungsfähigen Immobiliarrechte gilt, dagegen nicht für die daran bestehenden Gemeinschaftsverhältnisse. Deren Typen sind zwangsläufig dem Schuldrecht entlehnt. Den Anforderungen des § 47 GBO ist grundsätzlich durch die Angabe des Grundmodells genüge getan, also wenn das Gemeinschaftsverhältnis mehrerer Teilhaber durch einen gesetzlichen Typus der Berechtigtenmehrheit gekennzeichnet wird und die Vereinbarungen der Beteiligten mindestens ein Merkmal dieses Typus erfüllen, das ihn von anderen gesetzlichen Modellen der Berechtigtenmehrheit unterscheidet (vgl. hierzu und zum Folgenden: Amann, DNotZ 2008, 324). Sowohl bei Gesamtgläubigerschaft nach § 428 BGB als auch bei Mitgläubigerschaft nach § 432 BGB besteht jeweils ein Anspruch, den zu erfüllen jeder Gläubiger ohne Mitwirkung der übrigen Gläubiger verlangen kann. Der Anspruch richtet sich bei beiden auf eine (zumindest rechtlich) unteilbare Leistung. Zudem braucht der Schuldner die Leistung nur einmal zu bewirken. Sie unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der Frage, an wen der Gläubiger leisten muss. Während bei der Gesamtgläubigerschaft nach § 428 BGB jeder Gläubiger Leistung an sich alleine verlangen bzw. jeder Schuldner nach seinem Belieben befreiend an einen oder mehrere Gläubiger leisten kann, kann ein Mitgläubiger nach § 432 BGB Leistung nicht an sich allein, sondern nur an sämtliche Gläubiger gemeinschaftlich verlangen.

Im vorliegenden Fall dürften die Urkundsbeteiligten in Ziffer VII Nr. 1 des Vertrages eine Kombination der Rechtsfolgen der §§ 428 und 432 BGB vereinbart haben. Das Berechtigungsverhältnis nach § 428 BGB dürfte unter anderem dahingehend modifiziert worden sein, dass die Leistung an einen Berechtigten allein keine Erfüllung gegenüber dem anderen Berechtigten bewirkt. Wäre dies so auszulegen, dass der Schuldner wirksam immer nur an beide Gläubiger leisten könnte, läge Mitgläubigerschaft nach § 432 BGB vor (vgl. auch BGHZ 46, 253; Frank in Anm. zu OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. November 2011, Az. 20 W 439/10, MittBayNot 2012, 386, 389; Amann a.a.O.). Allerdings dürfte auch dies nicht gewollt sein und damit § 432 BGB als Angabe der gemeinsamen Berechtigung nicht uneingeschränkt passen. Es dürfte nicht Inhalt des vereinbarten Rechts sein, dass stets nur alle Berechtigten gemeinsam befriedigt werden. Bei einem Wohnungsrecht geht es gerade nicht darum, dass der Schuldner an einen Gläubiger „leistet“, sondern um die Durchsetzung eines Duldungsanspruches, den aber jeder Gläubiger auch für sich allein durchsetzen kann.

Den Anforderungen des § 47 GBO dürfte damit sowohl durch Angabe des Grundmodells als auch durch Angabe einer Kombination von § 428 und § 432 BGB Genüge getan sein, wobei sich der konkrete Inhalt des schuldrechtlich Vereinbarten ohnehin nur aus der Bewilligung ergibt.

3.

Die Kostenfolge hinsichtlich der Gerichtskosten ergibt sich aus dem Gesetz (§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotGK); eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nicht veranlasst.

4.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.