Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 26.04.2023 | |
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Aktenzeichen | OVG 1 S 10/23 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2023:0426.OVG1S10.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | Art 56 AEUV, Art 3 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 GG, § 4 Abs 1 GlüStVtr BE 2021, § 21a Abs 1 S 1 GlüStVtr BE 2021, § 24 Abs 1 GlüStVtr BE 2021, § 7 GlüStVtrBek BE 2021, § 9 Abs 2 S 1 GlüStVtrBek BE 2021, § 9b Abs 1 GlüStVtrBek BE 2021, § 15 GlüStVtrBek BE 2021, § 17 Abs 2 S 1 Nr 2 SchulG BE, § 1 Abs 1 SpielhG BE, § 2 Abs 2 S 2 SpielhG BE, § 5 Abs 3 S 4 MindAbstUmsG BE, § 2 Abs 2 S 3 SpielhG BE, § 2 Abs 2 S 4 SpielhG BE, § 2 Abs 2 S 5 SpielhG BE, § 17 Abs 2 S 1 Nr 3 SchulG BE, § 17 Abs 2 S 1 Nr 4 SchulG BE, § 17 Abs 2 S 1 Nr 5 SchulG BE, § 9 Abs 3 S 3 GlüStVtrBek BE 2021, § 9 Abs 3 S 4 GlüStVtrBek BE 2021 |
Das Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 des Landes Berlin sieht für die Erteilung der Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle die Einhaltung von Mindestabständen zu Spielhallen vor, die auch für bisher nur faktisch geduldete Wettvermittlungsstellen gelten. Ein Vertrauen auf den erlaubnisfreien Fortbestand dieser Wettvermittlungsstellen konnten Veranstalter und Vermittler von Sportwetten nicht bilden. Sie mussten schon angesichts der begrenzten Laufzeit des vorangegangenen Glücksspielstaatsvertrages jederzeit mit einer Änderung/Verschärfung der Rechtslage rechnen.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. Januar 2023 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 9.000 Euro festgesetzt.
Die Beschwerde, mit der sich die Antragstellerin im Wege vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gegen die mit einer Zwangsgeldandrohung verbundenen Untersagungen des Antragsgegners wendet, Sportwetten am Standort N... straße in 4...Berlin zu veranstalten und dauerhaft keine Wetten aus der Vermittlungsstelle entgegenzunehmen, hat keinen Erfolg.
1. Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag mit Blick auf die für den Standort unstreitig fehlende Erlaubnis (§ 4 Abs. 1 GlüStV 2021) abgelehnt und wegen der Nichteinhaltung des erforderlichen Mindestabstands von 500 Metern zu der in der N... Straße gelegenen Spielhalle auch keine offensichtliche Erlaubnisfähigkeit angenommen. Der Erlaubnisfähigkeit stehe § 9 Abs. 3 Satz 3 AGGlüStV 2021 entgegen. Danach sei die Erlaubnis für den Betrieb einer Wettvermittlungsstelle nach § 7 AGGlüStV 2021 zu versagen, wenn zu einer erlaubten Spielhalle ein Mindestabstand von 500 Metern unterschritten werde. Maßgeblich für die Ermittlung der Abstände sei nach § 9 Abs. 3 Satz 4 AGGlüStV 2021 der jeweils kürzeste Fußweg zwischen den Eingängen der betreffenden Betriebe oder Örtlichkeiten. Danach betrage der Abstand lediglich ca. 240 Meter (Google Maps). Die Spielhalle sei erlaubt. Sie habe die erforderliche Spielhallenerlaubnis sowie eine zunächst nur bis 30. Juni 2021 befristete und später, am 14. Dezember 2021 bis zum 30. Juni 2031 verlängerte glücksspielrechtliche Erlaubnis gemäß § 24 GlüStV 2021. Dabei sei die von der Antragstellerin gegen die Erlaubnis(se) erhobene Drittanfechtungsklage (VG 4 K 106/22) unstatthaft und entfalte als evident unzulässiger Rechtsbehelf auch keine aufschiebende Wirkung. Weder die vom Bezirksamt neu erteilte Spielhallenerlaubnis noch die Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV seien offenkundig rechtswidrig. Das dagegen gerichtete Beschwerdevorbringen greift nicht durch.
2. Soweit die Antragstellerin einwendet, der Antrag auf Erteilung der Betriebserlaubnis der Wettvermittlungsstelle sei zeitlich vor der erstmaligen Erteilung der Spielhallenerlaubnis gestellt worden und weiter moniert, es fehle an Feststellungen des Verwaltungsgerichts, welches der beiden Unternehmen den Antrag zuerst vollständig oder prüffähig (§ 9b Abs. 1 AGGlüStV 2021) eingereicht habe, wobei zu berücksichtigen sei, dass eine Antragstellung für die Antragstellerin erst sinnvoll möglich gewesen sei, nachdem sie selbst im November 2020 die Veranstaltungskonzession erhalten hätte, führt dies nicht auf ein anderes Ergebnis.
Die Argumentation übersieht, dass bezogen auf die (ehemalige Bestands-) Spielhalle keine Konkurrenzsituation i.S.v. § 9b AGGlüStV 2021 hinsichtlich einzuhaltender Abstandsvorschriften vorlag, weder bezüglich der Spielhallenerlaubnis (dazu a)) noch bezüglich der glückspielrechtlichen Erlaubnis (dazu b)).
a) Bezüglich der im Rahmen des Sonderverfahrens nach dem Mindestabstandsumsetzungsgesetz (MindAbStUmsG) erteilten unbefristeten Spielhallenerlaubnis nach dem Spielhallengesetz fehlt es schon deshalb an einer Konkurrenzsituation, weil die Spielhallenerlaubnis am 27. Januar 2020 zugunsten der V...GmbH erging und damit vor dem am 2. Juli 2020 gestellten Antrag auf Erlaubnis zum Betrieb der Wettvermittlungsstelle erteilt wurde.
b) Hinsichtlich der am 17. Dezember 2019 zunächst befristet (bis 30. Juni 2021) erteilten und am 14. Dezember 2021 bis zum 30. Juni 2031 verlängerten glückspielrechtlichen Erlaubnis nach § 24 GlüStV 2021 lag ebenso wenig eine konkurrierende Abstandsregel vor. Die näheren glücksspielrechtlichen Erteilungsvoraussetzungen ergeben sich aus § 15 AGGlüStV 2021, wobei sich die ausdrücklichen Versagungsgründe nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGGlüStV 2021 i.V.m. § 25 GlüStV 2021 richten, der für Abstandsregeln weiter auf § 15 Abs. 3 AGGlüStV 2021 verweist. Dieser bestimmt wiederum ausdrücklich, dass (nur) die Abstandsregeln des § 2 Abs. 1 Satz 2 bis 5 des Spielhallengesetzes Anwendung finden (500 m zu anderen Spielhallen und 200 m zu Schulen) sowie bei einer Entscheidung anlässlich eines Sonderverfahrens sowie deren späterer Verlängerung nur die Maßgaben des §§ 5 – 9 MindAbStUmsG gelten (Abstand zu Schulen und anderen Spielhallen, Verbundverbot). Somit war im glücksspielrechtlichen Erlaubnisverfahren kein konkurrierendes Abstandsgebot zwischen der Spielhalle und der Wettvermittlungsstelle zu beachten.
c) Eine ungerechtfertigte „pauschale“ Bevorzugung der Bestandsspielhalle liegt in diesen Bestimmungen schon deshalb nicht, weil sich die Wettvermittlungsstelle –ganz unabhängig von etwaigen Vertrauensaspekten – zum Zeitpunkt ihrer erstmaligen Eröffnung in der Nähe der Spielhalle und damit eines bestehenden, potentiell konkurrierenden Glücksspielbetriebes ansiedelte. Die Wettvermittlungsstelle nahm ihren Betrieb nämlich nicht im Jahr 2006 auf, wie von der Antragstellerin anfänglich behauptet, sondern nach den nicht in Abrede gestellten Angaben des Antragsgegners erst mit Gewerbeanmeldung vom 20. August 2008. Zu diesem Zeitpunkt war die seit dem 24. Oktober 2007 betriebene Spielhalle bereits vorhanden. Etwaige aus dieser vorgefundenen örtlichen Situation resultierende Risiken hat die Antragstellerin zu tragen.
Unabhängig davon ist die Ungleichbehandlung der Bestandsspielhalle gegenüber der Wettvermittlungsstelle sachlich gerechtfertigt, da ihr Betrieb durchgehend erlaubt und damit legal war, während der Betrieb der Wettvermittlungsstelle nicht legal (sh. nachfolgend Ziffer 3 b)), sondern nur faktisch geduldet war und die Antragstellerin kein Vertrauen auf den andauernden erlaubnis- und abstandsfreien Fortbestand entwickeln konnte.
3. Die weiteren Ausführungen der Beschwerde zur verfassungs- und unionsrechtwidrigen Rechtslage im Bereich des Angebots von Sportwetten mit Blick auf die aktuell geltenden Erlaubnisverfahren im Land Berlin führen ebenso wenig zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass weder das Erlaubnisverfahren noch die Mindestabstandsregelungen zwischen Spielhallen und Wettvermittlungsstellen nach §§ 7, 9 AGGlüStV 2021 bei summarischer Prüfung gegen Unionsrecht (Art. 56 AEUV) oder Verfassungsrecht (Art 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen und sich auch kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Weiterbetrieb der nur faktisch geduldeten Wettvermittlungsstelle bilden konnte.
a) Auf eine (erneut mögliche) Verfassungs- und/oder Unionsrechtwidrigkeit des Konzessionsverfahrens für Veranstalter von Sportwetten kann sich die Antragstellerin schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil sie nach ihren eigenen Angaben Inhaberin einer noch Ende 2022 vom Regierungspräsidium Darmstadt um 5 Jahre verlängerten Erlaubnis ist (Streitakten Bl. 209). Ist damit das Konzessionierungsverfahren für die Antragstellerin erfolgreich beendet, kann sie die erforderliche Erlaubnis für eine Wettvermittlungsstelle – wie auch geschehen – nach § 9 Abs. 2 Satz 1 AGGlüStV 2021 beantragen, so dass ihr – anders als früher – die formelle Illegalität ohne Weiteres entgegengehalten werden kann. Da der Betrieb einer Wettvermittlungsstelle bei Nichteinhaltung des nach § 9 Abs. 3 Satz 3 AGGlüStV 2021 erforderlichen Mindestabstands unzulässig und die Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten deshalb zu versagen ist, entspricht es dem Gesetzeszweck, im Rahmen der Ermessensausübung die weitere Durchführung eines formell illegalen und materiell nicht erlaubnisfähigen Glücksspiels im Regelfall zu untersagen (ebenso OVG Bautzen, Beschluss vom 17. Oktober 2022 - 6 B 62/22 - juris Rn. 25; VGH München, Beschluss vom 21. März 2023 - 23 CS 22.2677 - Anhang Pressemitteilung vom 21. März 2023, BA S. 8). Anders als die Beschwerde meint wäre es deshalb rechtlich gerade nicht konsequent, sondern inkonsequent, einen Betrieb ohne Erlaubnis weiterhin passiv zu dulden (wie vor Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages 2021), obwohl inzwischen Erlaubnisse erlangt werden können und müssen.
b) Die wiederholt vorgetragene Annahme der Beschwerde, der Betrieb sei bisher – mindestens unter ausgelaufener Rechtslage – „erlaubnisfrei“ und „rechtmäßig“ geführt worden, ohne dass es einer legalisierenden Duldung bedurft hätte (etwa Streitakten Bl. 213, 219, 237 ff.), trifft ebenfalls nicht zu. Der Betrieb war nicht legal, denn er bedurfte mindestens seit den Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag 2012 einer Erlaubnis. Der Umstand, dass diese Erlaubnis wegen eines fehlenden unionsrechtskonformen Konzessionsverfahrens zur Veranstaltung von Sportwetten von der Antragstellerin zunächst nicht erlangt werden konnte – die entsprechenden Konzessionsvergabeverfahren wurden wiederholt gerichtlich beanstandet (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 17/12 -, VGH Kassel, Beschluss vom 29. Mai 2017 - 8 B 2744/16 -, OVG Münster, Urteil vom 23. Januar 2017 - 4 A 3244/06 -, VG Darmstadt, Beschluss vom 1. April 2020 - 3 L 446/20.DA -, jeweils juris) – führte nicht zur Legalität, sondern nur dazu, dass den Betreibern von Wettvermittlungsstellen das Fehlen der Erlaubnis (formelle Illegalität) nicht entgegengengehalten werden konnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2016 - 8 C 5/15 - juris Rn. 27 f.; EuGH, Urteil vom 4. Februar 2016 - C-336/14, Ince - juris Rn. 63). Dass das bloße Absehen von einem repressiven Einschreiten gegen ein – möglicherweise – rechtswidriges Verhalten sich nicht mit einer behördlichen Genehmigung, die eine Legalisierungswirkung für die von ihr erlaubte Tätigkeit entfaltet, gleichsetzen lässt, ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Der Mitgliedstaat ist lediglich gehalten, Entscheidungen über Anträge, die auf die Erteilung einer Genehmigung gerichtet sind, auf der Grundlage objektiver und nichtdiskriminierender Kriterien zu treffen (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - C-186/11 und C-209/11, Stanleybet International - juris Rn. 45). Einen bestimmten Inhalt dieser Entscheidungen gibt ihm das Unionsrecht nicht vor (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. November 2018 - 8 B 29/18 - juris Rn. 14).
c) Auch der pauschale Einwand der „Länderblindheit“ des Unionsrechts greift nicht durch. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union obliegt die Entscheidung darüber, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Tätigkeit im Bereich des Glücksspielmarkts durch eine Genehmigung legalisiert werden kann, den Mitgliedstaaten. Dass in der förderal verfassten Bundesrepublik Deutschland hierfür die Länder zuständig sind, steht im Einklang mit dem Unionsrecht (EuGH, Urteil vom 12. Juni 2014 - C-156/13, Digibet Ltd. - Rn. 32 ff.). Auf dieser Grundlage haben sich die Länder mit dem Glücksspielstaatsvertrag im Bereich der Sportwetten für eine begrenzte Öffnung des Glücksspielmarkts zugunsten einer limitierten Zahl von konzessionierten Anbietern und gegen die Möglichkeit einer Legalisierung eines potentiell unbegrenzten Kreises von Anbietern entschieden. Die Regelung der Glücksspiele gehört zu den Bereichen, in denen beträchtliche sittliche, religiöse und kulturelle Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen, deren Sache es daher ist, im Einklang mit ihrer jeweils eigenen Werteordnung zu beurteilen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der betroffenen Interessen ergeben. Vor diesem Hintergrund kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass die Ablehnung der Erteilung einer Erlaubnis durch den Beklagten und die verwaltungsgerichtliche Bestätigung dieser Entscheidung mit der Zuständigkeitsverteilung zwischen der Union und den Mitgliedstaaten vereinbar ist und insoweit den Anforderungen des Unionsrechts entspricht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. November 2018 - 8 B 29/18 - juris Rn. 12 f. m.w.N.).
d) Entgegen der Beschwerde verstößt das Abstandsgebot des § 9 Abs. 3 Satz 3 AGGlüStV 2021 voraussichtlich weder gegen die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) noch gegen Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG. Insbesondere folgt aus dem von dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin in Parallelverfahren vorgelegten Beschluss des VGH München vom 21. März 2023 – 23 CS 22.2677 – nichts Abweichendes. Vielmehr ist auch der Verwaltungsgerichtshof in der angegriffenen Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass „der EuGH sowohl Mindestabstände zwischen Wettannahmestellen (vgl. U.v. 16.2.2012 - C-72/10 u.a., Costa und Cifone - juris Rn. 65 f.; U.v. 12.9.2013 - C-660/11 u.a., Biasci u.a. - juris Rn. 32) als auch Abstandsgebote von Spielhallen und anderen Spielstätten zu Schulen (vgl. EuGH, U.v. 11.9.2003 - C-6/01, Anomar - juris Rn. 25; U.v. 19.7.2012 - C-470/11, Garkalns - juris Rn. 10) als mit Unionsrecht vereinbar angesehen (hat), sofern die Regelung verhältnismäßig ist und tatsächlich das Ziel hat, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen oder die öffentliche Ordnung zu gewährleisten (vgl. EuGH, U.v. 19.7.2012 - C-470/11, Garkalns - juris Rn. 48; ebenso zu Mindestabständen zwischen Betrieben in anderen Wirtschaftsbereichen auch EuGH, U.v. 11.3.2010 - C-384/08, Attanasio - juris Rn. 51 <Tankstellen>; U.v. 1.6.2010 - Rs. C-570/07 u.a., Pérez und Gómez - juris Rn. 94 <Apotheken>; U.v. 26.9.2013 - Rs. C-539/11, Ottica New Line - juris Rn. 56 <Optiker>; allgemein siehe auch EuGH, U.v. 10.3.2009 - C-169/07, Hartlauer - juris Rn. 55).“
Zudem sei – so der Verwaltungsgerichtshof – „in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. B.v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 juris Rn. 118 ff.) und des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 16.12.2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 126 juris Rn. 41 ff.; 59 ff. und 8 C 4.16 - juris Rn. 17 ff.; U.v. 5.4.2017 - 8 C 16.16 - juris Rn. 30 ff., 36 ff.; B.v. 1.8.2022 - 8 B 15.22 - juris Rn. 5 ff.) geklärt, dass sowohl Abstandsregelungen zwischen Spielhallen als auch Abstandsgebote von Spielhallen zu Kinder- und Jugendeinrichtungen mit höherrangigem Recht im Einklang stehen. Sie sind mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und dem Eigentumsgrundrecht des Art. 14 Abs. 1 GG sowie mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar (BVerfG a.a.O. Rn. 119) und werden auch den unionsrechtlichen Anforderungen an die staatliche Bekämpfung von Spielsucht im nicht monopolisierten Bereich gerecht (BVerfG a.a.O. Rn. 124). Sie dienen mit der Vermeidung und Abwehr der vom Glücksspiel in Spielhallen ausgehenden Suchtgefahren und dem Schutz von Kindern und Jugendlichen einem besonders wichtigen Gemeinwohlziel, da Spielsucht zu schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen, ihre Familien und die Gemeinschaft führen kann (BVerfG a.a.O. Rn. 133).“
Diese Rechtsprechung lässt sich im Grundsatz auf Abstandsgebote zwischen Wettvermittlungsstellen und Spielhallen übertragen (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Dezember 2020 – OVG 1 S 83/20 – BA S. 14 n.v.), so dass auch das Abstandsgebot des § 9 Abs. 3 Satz 3 AGGlüStV 2021 keinen durchgreifenden unions- und verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt, auch nicht hinsichtlich des Fehlens einer von der Beschwerde geforderten Ausnahmeregelung zur Unterschreitung des Mindestabstandes. Insoweit übersieht die Antragstellerin mit ihrem Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in den Parallelverfahren (OVG 1 S 6/23, OVG 1 S 11/23 und OVG 1 S 9/23) die unterschiedlichen Schutzzwecke der jeweiligen Mindestabstandsregelungen. In den Referenzfällen des Europäischen Gerichtshofs ging es um Mindestabstandsregelungen zwischen Apotheken (Urteil vom 1. Juni 2010 - Rs. C-570/07 u.a., Pérez und Gómez - juris) und zwischen Optikern (Urteil vom 26. September 2013 - Rs. C-539/11, Ottica New Line - juris). Beide Abstandsvorschriften zielten auf eine gleichmäßige landesweite Verteilung der Betriebe, um eine ausreichende Versorgungsdichte mit medizinischen Hilfsmitteln zu gewährleisten (vgl. Urteil vom 26. September 2013 - Rs. C-539/11, Ottica New Line - juris Rn. 35, 44 f.). Angesichts dieser Zielrichtung ist es evident, dass Ausnahmevorschriften für Sonderfälle unerlässlich sind, wenn der Schutzzweck des Gesetzes anders nicht erreicht werden kann. Umgekehrt liegt es jedoch bei den hiesigen Mindestabständen, die weder eine gleichmäßige Versorgung mit Glücksspielgelegenheiten noch die Erhaltung eines zahlenmäßigen Mindestkontingents an Wettvermittlungsstellen bezwecken, sondern im Gegenteil auf die Reduzierung der Glücksspielmöglichkeiten zum Spieler- und Jugendschutz gerichtet sind. Ausnahmevorschriften zur Unterschreitung des Mindestabstands liefen diesem Gesetzeszweck zuwider und dienten allenfalls dem Schutz der unternehmerischen Berufsfreiheit. In der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist jedoch geklärt, dass das Mindestabstandsgebot eine mit Art. 12 GG vereinbare und verhältnismäßige Berufsausübungsregel darstellt (BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 119).
e) Ein Verstoß der Bestimmung gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot ist ebenfalls nicht feststellbar, denn – anders als in dem der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs München zugrunde liegenden Sachverhalt – wird der Zweck des Abstandsgebots durch die Regelungen im Land Berlin nicht durch eine gegenläufige Glücksspielpolitik in einem anderen Bereich mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial unterlaufen. Das Gegenteil ist der Fall. Wettvermittlungsstellen müssen ebenso wie Spielhallen und ähnliche Unternehmen im Sinne des § 1 Abs. 1 des Spielhallengesetzes Berlin (SpielhG Bln) vom 20. Mai 2011 (GVBl. S. 223) in der Fassung vom 27. September 2021 (GVBl. S. 1117) – anders als in Bayern – nach § 5 Abs. 3 Satz 4 MindAbstUmsG auch einen Mindestabstand von 200 Metern zu Schulen in öffentlicher und freier Trägerschaft der Schularten des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 und § 17a des Schulgesetzes (SchulG Bln) vom 26. Januar 2004 (GVBl. S. 26), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Februar 2023 (GVBl. S. 66), einhalten.
Dass sich nach summarischer Prüfung auch mit Blick auf – in Berlin ohnehin keine ODDSET-Sportwetten anbietende – Lotterieannahmestellen (insbes. sog. „Rubbellose“) und das Onlineglücksspiel keine Kohärenzbedenken ergeben, hat der Senat bereits in seinen Beschlüssen vom 8. Dezember 2020 - OVG 1 S 82/20 - n.V., BA S. 11 ff. und - OVG 1 S 87/20 - n.V., BA S. 4 f. (bzgl. Lotterien) und seinem Urteil vom 22. Juni 2022 - OVG 1 B 21/17 - juris (bzgl. Onlineglücksspiel) entschieden. Insbesondere die Zulassung des Onlineglückspiels stellt sich nicht als inkohärente gegenläufige Glücksspielpolitik in einem anderen Bereich mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial dar. Zwar sehen die Bestimmungen zum Onlineglücksspiel naturgemäß kein vergleichbares Abstandsgebot vor. Der Glücksspielstaatsvertrag 2021 etabliert jedoch für die Kategorie des nicht stationären Spiels ein vollkommen eigenständiges bereichsspezifisches Regulierungssystem, das die Zwecke der Suchtprävention und des Spielerschutzes gleichermaßen verfolgt (im Einzelnen vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 2022 - OVG 1 B 21/17 - juris Rn. 68 ff.). Dies ist ausreichend, denn das Kohärenzgebot verlangt weder eine Uniformität der Regelungen noch eine Optimierung der Zielverwirklichung oder eine föderale Zuständigkeiten übergehende Gesamtkohärenz glücksspielrechtlicher Maßnahmen (BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 17.12 - juris Rn. 42 m.w.N.; VGH München, Beschluss vom 21. März 2023 - 23 CS 22.2677 -, BA S. 24 m.w.N.).
4. Die Untersagungsverfügung enthält auch keine unangemessene Fristsetzung. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die sofortige Einstellung der Veranstaltung von Sportwetten angeordnet hat, wie das Verwaltungsgericht mit zutreffenden Gründen festgestellt hat (BA S. 20 ff.), die sich der Senat zu eigen macht (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Die Beschwerde wiederholt insofern nur ihr erstinstanzliches Vorbringen und geht davon aus, es handele sich um die Schließung „einer seit vielen Jahren rechtmäßig betriebenen Wettvermittlungsstelle“. Indes waren die Betriebe, wie unter Ziffer 3.b) erläutert, nicht legal, sondern lediglich faktisch geduldet. Ein Vertrauen auf den weiteren, längerfristigen oder gar zeitlich unbefristeten Betrieb der Wettvermittlungsstellen konnten die Betreiber bzw. Veranstalter damit von vornherein nicht bilden. Vielmehr mussten sie jederzeit, insbesondere auch bei der aufgrund der begrenzten Laufzeit absehbaren Verabschiedung eines neuen Glücksspielstaatsvertrags, mit einer Änderung der Rechtslage und einer Verschärfung rechnen (vgl. VGH München vom 21. März 2023 - 23 CS 22.2677 -, BA S. 22). Dies gilt umso mehr als die zurückliegenden Regulierungsversuche und die zahlreichen Rechtsstreitigkeiten verdeutlichten, dass die Bundesländer die Wettvermittlung auf jeden Fall einem restriktiven Erlaubnisverfahren unterziehen würden, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat. Auf dessen nähere Begründung (S. 15 f.) nimmt der Senat insoweit ebenfalls Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Vor diesem Hintergrund stellt es sich für die Antragstellerin vielmehr als Vorteil dar, dass die Wettvermittlungsstelle gleichwohl über einen Zeitraum von gut 6 Jahren betrieben werden konnte.
5. Schließlich begründet der Einwand, die Abstandsregelung führe im Ergebnis dazu, „dass etwa 90 % aller seit Jahren bestehenden und bis dato rechtmäßig und zulässig erlaubnisfrei geführten Betriebe keine Erlaubnis erhalten können“ auch keine Unverhältnismäßigkeit. Wie unter Ziffer 3.b) dargelegt, waren die Betriebe weder rechtmäßig noch erlaubnisfrei. Die Unionsrechtswidrigkeit des Konzessionsvergabeverfahrens führte nicht dazu, dass der Erlaubnisvorbehalt ordnungsrechtlich unanwendbar gewesen wäre, sondern nur dazu, dass allein wegen der fehlenden Erlaubnis (d.h. aus formalen Gründen) keine ordnungsrechtlichen Sanktionen wie eine Betriebsuntersagung verhängt werden durften (VGH München vom 21. März 2023 – 23 CS 22.2677 –, BA S. 10 m.w.N.). Zudem ist die Begrenzung der Anzahl der Wettvermittlungsstellen gerade das in § 21a Abs.1 Satz 1 GlüStV 2021 ausdrücklich angestrebte Ziel des Glücksspielstaatsvertrages, um so die Entstehung von Glücksspiel- und Wettsucht zu verhindern und den Jugend- und Spielerschutz zu gewährleisten. Deshalb verkennt der sinngemäße Einwand, dass es praktisch nahezu unmöglich sei, überhaupt eine angemessene Anzahl von Wettvermittlungsstellen zu erlauben, den erklärten Gesetzeszweck. Unabhängig davon handelt es sich im Ergebnis nicht um ein Totalverbot, sondern eine örtliche Entzerrung, die den Betreibern die Öffnung einer Wettvermittlungsstelle an einer anderen geeigneten Stelle ohne Weiteres ermöglicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 54.2.1 und 1.7.2. sowie 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (2013).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).