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Glücksspielstaatsvertrag 2021 - Wettvermittlungsstelle - Sportwetten - Duldung (faktische) - (Keine) Legalisierungswirkung - Erlaubnisverfahren - Abstandsregelung - Schule - Mindestabstand (200 m) - Kohärenzgebot - (Kein) Vertrauensschutz


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 29.03.2023
Aktenzeichen OVG 1 S 11/23 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2023:0329.OVG1S11.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art 56 AEUV, Art 3 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 GG, § 4 Abs 1 GlüStVtr BE 2021, § 21a Abs 1 S 1 GlüStVtr BE 2021, § 7 GlüStVtrBek BE 2021, § 9 Abs 2 S 1 GlüStVtrBek BE 2021, § 9 Abs 3 S 2 GlüStVtrBek BE 2021, § 17 Abs 2 S 1 Nr 2 SchulG BE, § 1 Abs 1 SpielhG BE, § 5 Abs 3 S 4 MindAbstUmsG BE, § 17 Abs 2 S 1 Nr 3 SchulG BE, § 17 Abs 2 S 1 Nr 4 SchulG BE, § 17 Abs 2 S 1 Nr 5 SchulG BE, § 9 Abs 3 S 4 GlüStVtrBek BE 2021

Leitsatz

Das Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 des Landes Berlin sieht für die Erteilung der Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle die Einhaltung von Mindestabständen zu Schulen vor, die auch für bisher nur faktisch geduldete Wettvermittlungsstellen gelten. Ein Vertrauen auf den erlaubnisfreien Fortbestand dieser Wettvermittlungsstellen konnten Veranstalter und Vermittler von Sportwetten nicht bilden. Sie mussten schon angesichts der begrenzten Laufzeit des vorangegangen Glücksspielstaatsvertrages jederzeit mit einer Änderung/Verschärfung der Rechtslage rechnen.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. Januar 2023 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde, mit der sich die Antragstellerin im Wege vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gegen die mit einer Versiegelung- und Zwangsgeldandrohung verbundene Untersagungs- und Beseitigungsverfügung des Antragsgegners wendet, Sportwetten am Standort P... in Berlin zu vermitteln, hierfür in, am und außerhalb der Wettvermittlungsstelle zu werben sowie den Betrieb binnen zwei Wochen ab Zustellung der Verfügung einzustellen und binnen vier Wochen nach Zustellung die Werbung für Sportwetten am Standort zu beseitigen, hat aus den zutreffenden Gründen des angegriffenen Beschlusses keinen Erfolg.

1. Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag mit Blick auf die für den Standort unstreitig fehlende Erlaubnis (§ 4 Abs. 1 GlüStV 2021) abgelehnt und wegen der Nichteinhaltung des erforderlichen Mindestabstands von 200 Metern zu der in der I... gelegenen M... auch keine offensichtliche Erlaubnisfähigkeit angenommen. Der Erlaubnisfähigkeit stehe § 9 Abs. 3 Satz 2 AGGlüStV 2021 entgegen. Danach sei die Erlaubnis für den Betrieb einer Wettvermittlungsstelle nach § 7 AGGlüStV 2021 unter anderem im Hinblick auf die Belange des Jugendschutzes zu versagen, wenn zu einer Schule i.S.d. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 5 SchulG Bln ein Mindestabstand von jeweils 200 Metern unterschritten werde. Maßgeblich für die Ermittlung der Abstände sei nach § 9 Abs. 3 Satz 4 AGGlüStV 2021 der jeweils kürzeste Fußweg zwischen den Eingängen der betreffenden Betriebe oder Örtlichkeiten. Danach betrage der Abstand zur M... lediglich 187 Meter. Die Messung des Antragsgegners sei nicht zu beanstanden. Nach § 9 Abs. 3 Satz 4 AGGlüStV 2021 sei der Abstand zwischen den Eingängen heranzuziehen. Dem Gesetzeswortlaut sei nicht zu entnehmen, dass die jeweils voneinander am weitest entfernt liegenden Eingänge zu Grunde zu legen seien. Vielmehr sprächen Sinn und Zweck der Norm, nämlich der Schutz von Jugendlichen vor den Gefahren des Glücksspiels, dafür, die kürzeste Strecke heranzuziehen. Diese Auslegung werde auch dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber selbst den kürzesten Fußweg als maßgeblich ansehe. Es wäre widersinnig, den kürzesten Fußweg von den am weitesten voneinander entfernt liegenden Eingänge als relevant anzusehen. Die Effektivität der Gefahrenabwehr gebiete es, die Norm möglichst weit auszulegen. Andernfalls könnte der Wettvermittler durch bloße (angekündigte) bauliche Umgehungsmaßnahmen den Fußweg verlängern, um damit die Mindestabstandsregelung zu umgehen, ohne dass die tatsächliche Gefahr für Jugendliche reduziert werde.

Das dagegen gerichtete Beschwerdevorbringen greift nicht durch. Die Antragstellerin trägt unter Hinweis auf das bereits erstinstanzlich eingereichte Bestätigungsschreiben der Firma __ vom 22. Juli 2022 (Vermessungsingenieur X...) vor, das Verwaltungsgericht verkenne, dass „seitens der Behörde offenbar nicht vom richtigen Eingang aus gemessen“ worden sei; maßgeblich sei der Eingang zur Wettvermittlungsstätte, nicht der Hauseingang.

Die Behauptung, das Verwaltungsgericht habe auf den Hauseingang P... abgestellt, trifft ausweislich der schon dem Verwaltungsgericht vorgelegten Messunterlagen des Antragsgegners nicht zu. Der Hauseingang ist ersichtlich von den Eingängen zu den Ladenlokalen der Liegenschaft getrennt (Streitakten Bl. 184 ff.). Gemessen wurde der Fußweg vom Eingang ins Schulgebäude bis zur linken schmalen Eingangstür der Wettvermittlungsstelle (187 m per Messrad von Kante zu Kante der jeweiligen Podeste, Streitakten Bl. 364). Dass es sich dabei um „einen Eingang zu etwaigen Wohnungen oder zu Abstellflächen“ handeln soll, ist nach den Lichtbildern ausgeschlossen (vgl. insbesondere Streitakten Bl. 198). Die Tür ist erkennbar ausschließlich Bestandteil der Wettvermittlungsstelle. Entgegen der Beschwerde hat das Verwaltungsgericht damit keineswegs „jeden Hauseingang eines…Gebäudes“ (Streitakten Bl. 302) einbezogen. Vielmehr hat es in rechtlich nicht zu beanstandender Weise für die Annahme des kürzesten Fußweges zwischen Schule und Wettannahmestelle auf die linke Eingangstür des Ladenlokals abgestellt. Zu der dafür tragenden erstinstanzlichen Erwägung, dass es dem Sinn und Zweck der Norm (Jugend- und Spielerschutz sowie Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht) widerspreche, zwar gesetzlich den kürzesten Fußweg als maßgeblich für die Ermittlung der Abstände anzunehmen (so wörtlich § 9 Abs. 3 Satz 4 AGGlüStV 2021), aber sodann die am weitesten voneinander entfernt liegenden Eingänge zwischen Schule und Wettannahmestelle als relevant anzusehen, verhält sich die Beschwerde ebenso wenig wie zu der im Interesse der effektiven Gefahrenabwehr gebotenen weiten Auslegung der Norm, die es verbiete, nicht umgesetzte Baumaßnahmen zur theoretisch möglichen Verlängerung des Fußweges in die Betrachtung einzubeziehen. Insoweit genügt das Vorbringen schon nicht dem Darlegungsgebot (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Dass die linke Tür nicht als Eingang genutzt werden könnte, macht selbst die Beschwerde nicht geltend.

Unabhängig davon hat der Antragsgegner am 31. August und am 9. Dezember 2022 ergänzend den Abstand zwischen Schuleingang und der rechten (Haupt)Eingangstür der Wettvermittlungsstelle vermessen, die als maßgebliche Eingänge der von der Antragstellerin eingereichten Messung zu Grunde gelegt worden sein sollen. Zu den vom Antragsgegner detailliert dargelegten Ermittlungswegen (194 bzw. 196 m per Messrad von Kante zu Kante der jeweiligen Podeste, vgl. im Einzelnen Streitakten Bl. 184 ff., 364 ff.) lässt sich der Beschwerde jedoch nichts Substantielles entnehmen, obwohl dazu angesichts der verbleibenden Differenz zu der im Beschwerdeverfahren nicht näher spezifizierten Messmethode des Vermessungsingenieurs X... (200 m bzw. 203 m) Anlass bestanden hätte. Allein der Hinweis auf die „Übersichtsbilder der Eingänge mit den Punktbezeichnungen“ in der Lagebescheinigung vom 22. Juli 2022 ist vor dem Hintergrund der nachgereichten Messradmessung durch den Antragsgegner keine hinreichende Erläuterung der behaupteten „zwei verschiedenen Messmethoden“ und des „fachgerecht festgestellte(en)“ Ergebnisses (Streitakten Bl. 301 f.), sondern diese verdeutlichen lediglich Ausgangs- und Endpunkte der Messungen. Offen bleiben hingegen die Modalitäten der Messung, welcher konkrete Fußweg angenommen und an welcher Stelle die I...straße wie überquert wurde. Der allgemein gehaltene Verweis auf den „direkte(n) Fußweg von Eingang zu Eingang“ bleibt ohne Substanz.

Die mit Schriftsatz vom 27. März 2023 – eingegangen bei Gericht am 28. März 2023, 16:28 Uhr – nachgereichte Messung der Antragstellerin vom 10. März 2023 führt zu keiner abweichenden rechtlichen Beurteilung. Sie vermag die Annahme des Verwaltungsgerichts bereits deshalb nicht zu entkräften, weil der Messung ein Überschreiten der I...an der Ampel und die Wegstrecke bis zur rechten Eingangstür zugrunde liegt. Das Verwaltungsgericht hat demgegenüber als kürzesten Weg zutreffend die Strecke bei einer diagonalen Überquerung der I... bis zur linken, näher gelegenen Eingangstür angenommen (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Dezember 2020 – OVG 1 S 87/20 – n.V., BA S. 3 f.). Selbst wenn man auf die rechte (Haupt)Eingangstür abstellen wollte, zeigt die Beschwerde nicht auf, dass bei einer diagonalen Überquerung der I... die Mindestabstandsgrenze von 200 Metern gewahrt wäre.

2. Ebenso wenig führen die Ausführungen der Beschwerde zur verfassungs- und unionsrechtwidrigen Rechtslage im Bereich des Angebots von Sportwetten mit Blick auf die aktuell geltenden Erlaubnisverfahren im Land Berlin zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass weder das Erlaubnisverfahren noch die Mindestabstandsregelungen zwischen Schulen und Wettvermittlungsstellen nach §§ 7, 9 AGGlüStV 2021 bei summarischer Prüfung gegen Unionsrecht (Art. 56 AEUV) oder Verfassungsrecht (Art 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen und sich auch kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Weiterbetrieb der nur faktisch geduldeten Wettvermittlungsstelle bilden konnte.

a) Auf eine (erneut mögliche) Verfassungs- und/oder Unionsrechtwidrigkeit des Konzessionsverfahrens für Veranstalter von Sportwetten kann sich die Antragstellerin schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil die Veranstalterin nach ihren eigenen Angaben Inhaberin einer noch Ende 2022 vom Regierungspräsidium Darmstadt um weitere 5 Jahre erteilten Erlaubnis ist. Ist damit das Konzessionierungsverfahren für die Veranstalterin erfolgreich beendet, kann sie die erforderliche Erlaubnis für eine Wettvermittlungsstelle – wie auch geschehen – nach § 9 Abs. 2 Satz 1 AGGlüStV 2021 beantragen, so dass ihr und der Antragstellerin – anders als früher – die formelle Illegalität ohne Weiteres entgegengehalten werden kann. Da der Betrieb einer Wettvermittlungsstelle bei Nichteinhaltung des nach § 9 Abs. 3 Satz 2 AGGlüStV 2021 erforderlichen Mindestabstands unzulässig und die Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten deshalb zu versagen ist, entspricht es dem Gesetzeszweck, im Rahmen der Ermessensausübung die weitere Durchführung eines formell illegalen und materiell nicht erlaubnisfähigen Glücksspiels im Regelfall zu untersagen (ebenso OVG Bautzen, Beschluss vom 17. Oktober 2022 – 6 B 62/22 – juris Rn. 25; VGH München, Beschluss vom 21. März 2023 – 23 CS 22.2677 – Anhang Pressemitteilung vom 21. März 2023, BA S. 8). Anders als die Beschwerde meint wäre es deshalb rechtlich gerade nicht konsequent, sondern inkonsequent, einen Betrieb ohne Erlaubnis weiterhin passiv zu dulden (wie vor Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages 2021), obwohl inzwischen Erlaubnisse erlangt werden können und müssen.

b) Die wiederholt vorgetragene Annahme der Beschwerde, der Betrieb sei bisher – mindestens unter ausgelaufener Rechtslage – erlaubnisfrei „rechtmäßig und zulässiger Weise geführt“ worden, ohne dass es einer legalisierenden Duldung bedurft hätte („legales Angebot“, vgl. etwa Streitakten Bl. 304 ff., 308 ff.), trifft ebenfalls nicht zu. Der Betrieb war nicht legal, denn er bedurfte mindestens seit den Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag 2012 einer Erlaubnis. Der Umstand, dass diese Erlaubnis wegen eines fehlenden unionsrechtskonformen Konzessionsverfahrens von Sportwettenveranstaltern zunächst nicht erlangt werden konnte – die entsprechenden Konzessionsvergabeverfahren wurden wiederholt gerichtlich beanstandet (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 17/12 -, VGH Kassel, Beschluss vom 29. Mai 2017 - 8 B 2744/16 -, OVG Münster, Urteil vom 23. Januar 2017 - 4 A 3244/06 -, VG Darmstadt, Beschluss vom 1. April 2020 - 3 L 446/20.DA -, jeweils juris) – führte nicht zur Legalität, sondern nur dazu, dass den Betreibern von Wettvermittlungsstellen das Fehlen der Erlaubnis (formelle Illegalität) nicht entgegengengehalten werden konnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2016 - 8 C 5/15 - juris Rn. 27 f.; EuGH, Urteil vom 4. Februar 2016 - C-336/14, Ince - juris Rn. 63). Dass das bloße Absehen von einem repressiven Einschreiten gegen ein - möglicherweise - rechtswidriges Verhalten sich nicht mit einer behördlichen Genehmigung, die eine Legalisierungswirkung für die von ihr erlaubte Tätigkeit entfaltet, gleichsetzen lässt, ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Der Mitgliedstaat ist lediglich gehalten, Entscheidungen über Anträge, die auf die Erteilung einer Genehmigung gerichtet sind, auf der Grundlage objektiver und nichtdiskriminierender Kriterien zu treffen (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - C-186/11 und C-209/11, Stanleybet International – juris Rn. 45). Einen bestimmten Inhalt dieser Entscheidungen gibt ihm das Unionsrecht nicht vor (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. November 2018 – 8 B 29/18 – juris Rn. 14).

c) Auch der pauschale Einwand der „Länderblindheit“ des Unionsrechts greift nicht durch. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union obliegt die Entscheidung darüber, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Tätigkeit im Bereich des Glücksspielmarkts durch eine Genehmigung legalisiert werden kann, den Mitgliedstaaten. Dass in der förderal verfassten Bundesrepublik Deutschland hierfür die Länder zuständig sind, steht im Einklang mit dem Unionsrecht (EuGH, Urteil vom 12. Juni 2014 - C-156/13, Digibet Ltd. - Rn. 32 ff.). Auf dieser Grundlage haben sich die Länder mit dem Glücksspielstaatsvertrag im Bereich der Sportwetten für eine begrenzte Öffnung des Glücksspielmarkts zugunsten einer limitierten Zahl von konzessionierten Anbietern und gegen die Möglichkeit einer Legalisierung eines potentiell unbegrenzten Kreises von Anbietern entschieden. Die Regelung der Glücksspiele gehört zu den Bereichen, in denen beträchtliche sittliche, religiöse und kulturelle Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen, deren Sache es daher ist, im Einklang mit ihrer jeweils eigenen Werteordnung zu beurteilen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der betroffenen Interessen ergeben. Vor diesem Hintergrund kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass die Ablehnung der Erteilung einer Erlaubnis durch den Beklagten und die verwaltungsgerichtliche Bestätigung dieser Entscheidung mit der Zuständigkeitsverteilung zwischen der Union und den Mitgliedstaaten vereinbar ist und insoweit den Anforderungen des Unionsrechts entspricht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. November 2018 – 8 B 29/18 – juris Rn. 12 f. m.w.N.).

d) Entgegen der Beschwerde verstößt das Abstandsgebot des § 9 Abs. 3 Satz 2 AGGlüStV 2021 voraussichtlich weder gegen die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) noch gegen Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG. Insbesondere folgt aus dem von dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin in Parallelverfahren vorgelegten Beschluss des VGH München vom 21. März 2023 – 23 CS 22.2677 – (Anhang der Pressemitteilung vom 21. März 2023) nichts Abweichendes. Vielmehr ist auch der Verwaltungsgerichtshof in der angegriffenen Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass „der EuGH sowohl Mindestabstände zwischen Wettannahmestellen (vgl. U.v. 16.2.2012 – C-72/10 u.a., Costa und Cifone – juris Rn. 65 f.; U.v. 12.9.2013 – C-660/11 u.a., Biasci u.a. – juris Rn. 32) als auch Abstandsgebote von Spielhallen und anderen Spielstätten zu Schulen (vgl. EuGH, U.v. 11.9.2003 – C-6/01, Anomar – juris Rn. 25; U.v. 19.7.2012 – C-470/11, Garkalns – juris Rn. 10) als mit Unionsrecht vereinbar angesehen (hat), sofern die Regelung verhältnismäßig ist und tatsächlich das Ziel hat, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen oder die öffentliche Ordnung zu gewährleisten (vgl. EuGH, U.v. 19.7.2012 – C-470/11, Garkalns – juris Rn. 48; ebenso zu Mindestabständen zwischen Betrieben in anderen Wirtschaftsbereichen auch EuGH, U.v. 11.3.2010 – C-384/08, Attanasio – juris Rn. 51 <Tankstellen>; U.v. 1.6.2010 – Rs. C-570/07 u.a., Pérez und Gómez – juris Rn. 94 <Apotheken>; U.v. 26.9.2013 – Rs. C-539/11, Ottica New Line – juris Rn. 56 <Optiker>; allgemein siehe auch EuGH, U.v. 10.3.2009 – C-169/07, Hartlauer – juris Rn. 55).“

Zudem sei – so der Verwaltungsgerichtshof – „in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. B.v. 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12 u.a. – BVerfGE 145, 20 juris Rn. 118 ff.) und des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 16.12.2016 – 8 C 6.15 – BVerwGE 157, 126 juris Rn. 41 ff.; 59 ff. und 8 C 4.16 – juris Rn. 17 ff.; U.v. 5.4.2017 – 8 C 16.16 – juris Rn. 30 ff., 36 ff.; B.v. 1.8.2022 – 8 B 15.22 – juris Rn. 5 ff.) geklärt, dass sowohl Abstandsregelungen zwischen Spielhallen als auch Abstandsgebote von Spielhallen zu Kinder- und Jugendeinrichtungen mit höherrangigem Recht im Einklang stehen. Sie sind mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und dem Eigentumsgrundrecht des Art. 14 Abs. 1 GG sowie mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar (BVerfG a.a.O. Rn. 119) und werden auch den unionsrechtlichen Anforderungen an die staatliche Bekämpfung von Spielsucht im nicht monopolisierten Bereich gerecht (BVerfG a.a.O. Rn. 124). Sie dienen mit der Vermeidung und Abwehr der vom Glücksspiel in Spielhallen ausgehenden Suchtgefahren und dem Schutz von Kindern und Jugendlichen einem besonders wichtigen Gemeinwohlziel, da Spielsucht zu schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen, ihre Familien und die Gemeinschaft führen kann (BVerfG a.a.O. Rn. 133).“

Dass sich diese Rechtsprechung im Grundsatz auf Abstandsgebote von Wettvermittlungsstellen zu Schulen und Kinder- und Jugendeinrichtungen übertragen lässt, hat der Senat bereits mehrfach entschieden (vgl. Beschlüsse vom 8. Dezember 2020 – OVG 1 S 82/20 – n.V., BA S. 15 ff., und – OVG 1 S 87/20 – n.V., BA S. 4 ff.). Daran hält er fest. Demgemäß begegnet auch das Abstandsgebot des § 9 Abs. 3 Satz 2 AGGlüStV 2021 keinen durchgreifenden unions- und verfassungsrechtlichen Bedenken, auch nicht hinsichtlich des Fehlens einer von der Beschwerde geforderten Ausnahmeregelung zur Unterschreitung des Mindestabstandes. Insoweit übersieht die Antragstellerin mit ihrem Hinweis im nachgereichten Schriftsatz vom 27. März 2023 auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die unterschiedlichen Schutzzwecke der jeweiligen Mindestabstandsregelungen.

e) Ein Verstoß der Bestimmung gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot ist ebenfalls nicht feststellbar, denn – anders als in dem der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs München zugrunde liegenden Sachverhalt – wird der Zweck des Abstandsgebots durch die Regelungen im Land Berlin nicht durch eine gegenläufige Glücksspielpolitik in einem anderen Bereich mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial unterlaufen. Im Gegenteil: Spielhallen und ähnliche Unternehmen im Sinne des § 1 Abs. 1 des Spielhallengesetzes Berlin (SpielhG Bln) vom 20. Mai 2011 (GVBl. S. 223) in der Fassung vom 27. September 2021 (GVBl. S. 1117) müssen – anders als offenbar in Bayern – nach § 5 Abs. 3 Satz 4 des Gesetzes zur Umsetzung des Mindestabstands nach dem Spielhallengesetz Berlin für Bestandsunternehmen (Mindestabstandsumsetzungsgesetz Berlin - MindAbstUmsG Bln) vom 22. März 2016 (GVBl. S. 117) ebenfalls einen Mindestabstand von 200 Metern zu Schulen in öffentlicher und freier Trägerschaft der Schularten des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 und § 17a des Schulgesetzes (SchulG Bln) vom 26. Januar 2004 (GVBl. S. 26), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Februar 2023 (GVBl. S. 66), einhalten.

Dass sich nach summarischer Prüfung auch mit Blick auf Lotterieannahmestellen (insbes. sog. „Rubbellose“) und das Onlineglücksspiel keine Kohärenzbedenken ergeben, hat der Senat bereits in seinen Beschlüssen vom 8. Dezember 2020 – OVG 1 S 82/20 – n.V., BA S. 11 ff. und – OVG 1 S 87/20 – n.V., BA S. 4 f. (bzgl. Lotterien) und seinem Urteil vom 22. Juni 2022 – OVG 1 B 21/17 – juris (bzgl. Onlineglücksspiel) entschieden. Insbesondere die Zulassung des Onlineglückspiels stellt sich nicht als inkohärente gegenläufige Glücksspielpolitik in einem anderen Bereich mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial dar. Zwar sehen die Bestimmungen zum Onlineglücksspiel naturgemäß kein vergleichbares Abstandsgebot vor. Der Glücksspielstaatsvertrag 2021 etabliert jedoch für die Kategorie des nicht stationären Spiels ein vollkommen eigenständiges bereichsspezifisches Regulierungssystem, das die Zwecke der Suchtprävention und des Spielerschutzes gleichermaßen verfolgt (im Einzelnen vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 2022 – OVG 1 B 21/17 – juris Rn. 68 ff.). Dies ist ausreichend, denn das Kohärenzgebot verlangt weder eine Uniformität der Regelungen noch eine Optimierung der Zielverwirklichung oder eine föderale Zuständigkeiten übergehende Gesamtkohärenz glücksspielrechtlicher Maßnahmen (BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 C 17.12 – juris Rn. 42 m.w.N.; VGH München, Beschluss vom 21. März 2023 – 23 CS 22.2677 –, BA S. 24 m.w.N.).

f) Die Untersagungsverfügung enthält auch keine unangemessene Fristsetzung. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die sofortige Einstellung der Veranstaltung von Sportwetten angeordnet hat, wie das Verwaltungsgericht mit zutreffenden Gründen (BA S. 14 f.), die sich der Senat zu eigen macht (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), festgestellt hat. Die Beschwerde wiederholt insofern nur ihr erstinstanzliches Vorbringen und geht davon aus, es handele sich um die Schließung „einer seit 20 Jahren rechtmäßig betriebenen Wettvermittlungsstelle“. Indes waren die Betriebe, wie unter Ziffer 2.b) dargelegt, nicht legal, sondern lediglich faktisch geduldet. Ein Vertrauen auf den weiteren, längerfristigen oder gar zeitlich unbefristeten Betrieb der Wettvermittlungsstellen konnten die Betreiber bzw. Veranstalter damit von vornherein nicht bilden. Vielmehr mussten sie jederzeit, insbesondere auch bei der aufgrund der begrenzten Laufzeit absehbaren Verabschiedung eines neuen Glücksspielstaatsvertrags, mit einer Änderung der Rechtslage und einer Verschärfung rechnen (vgl. VGH München vom 21. März 2023 – 23 CS 22.2677 –, BA S. 22). Dies gilt umso mehr als die zurückliegenden Regulierungsversuche und die zahlreichen Rechtsstreitigkeiten verdeutlichten, dass die Bundesländer die Wettvermittlung auf jeden Fall einem restriktiven Erlaubnisverfahren unterziehen würden, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat. Auf dessen nähere Begründung (S. 11 f.) nimmt der Senat insoweit ebenfalls Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Vor diesem Hintergrund stellt es sich für die Antragstellerin vielmehr als Vorteil dar, dass die Wettvermittlungsstelle gleichwohl über einen Zeitraum von etwa 6 bis 7 Jahren betrieben werden konnte.

g) Schließlich begründet der Einwand, die Abstandsregelung führe im Ergebnis dazu, „dass etwa 90 % aller seit Jahren bestehenden und rechtmäßig geführten Betriebe keine Erlaubnis erhalten können“, auch keine Unverhältnismäßigkeit. Wie unter Ziffer 2.b) dargelegt waren die Betriebe weder rechtmäßig noch erlaubnisfrei. Die Unionsrechtswidrigkeit des Konzessionsvergabeverfahrens führte nicht dazu, dass der Erlaubnisvorbehalt ordnungsrechtlich unanwendbar gewesen wäre, sondern nur dazu, dass allein wegen der fehlenden Erlaubnis (d.h. aus formalen Gründen) keine ordnungsrechtlichen Sanktionen wie eine Betriebsuntersagung verhängt werden durften (VGH München vom 21. März 2023 – 23 CS 22.2677 –, BA S. 10 m.w.N.). Zudem ist die Begrenzung der Anzahl der Wettvermittlungsstellen gerade das in § 21a Abs.1 Satz 1 GlüStV 2021 ausdrücklich angestrebte Ziel des Glücksspielstaatsvertrages, um so die Entstehung von Glücksspiel- und Wettsucht zu verhindern und den Jugend- und Spielerschutz zu gewährleisten. Deshalb verkennt der Einwand, es sei „praktisch nahezu unmöglich …, überhaupt eine angemessene Anzahl von Wettvermittlungsstellen zu erlauben“, den erklärten Gesetzeszweck. Unabhängig davon handelt es sich im Ergebnis nicht um ein Totalverbot, sondern eine örtliche Entzerrung, die den Betreibern die Öffnung einer Wettvermittlungsstelle an einer anderen geeigneten Stelle ohne Weiteres ermöglicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 54.2.1 und 1.7.2. sowie 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (2013).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).