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Ausschluss der Anordnung einer Sicherheitsleistung bei der Aussetzung der Vollziehung eines Gewerbesteuerzerlegungsbescheides


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 4. Senat Entscheidungsdatum 05.04.2023
Aktenzeichen 4 V 4019/23 ECLI ECLI:DE:FGBEBB:2023:0405.4V4019.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 128 AO, § 189 S 3 AO, § 190 AO, § 69 Abs 2 S 6 FGO, § 69 Abs 3 S 1 FGO, § 28 GewStG

Leitsatz

1. Dem Ausschluss der Anordnung einer Sicherheitsleistung bei der Aussetzung der Vollziehung eines Grundlagenbescheides durch das Finanzgericht steht es nicht entgegen, wenn der Ausschluss beim Finanzamt erst beantragt worden ist, nachdem dieses die Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides gewährt hat und die Einspruchsfrist für den Aussetzungsbescheid abgelaufen ist.

2. Sind sich alle Beteiligten einig, dass nur einer einzigen Gemeinde der Gewerbesteuermessbetrag in voller Höhe zusteht, und besteht Uneinigkeit lediglich in der Frage, welche von mehreren in Betracht kommenden Gemeinden die Berechtigte ist, so kommt kein Zerlegungsbescheid, sondern nur ein Zuteilungsbescheid in Betracht.

Tenor

In Bezug auf die bereits erfolgte Aussetzung der Vollziehung der Bescheide für die Jahre 2014, 2015 und 2016 über die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags vom 17.06.2022 wird die Anforderung einer Sicherheitsleistung bei der Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuer-Folgebescheide ausgeschlossen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

I. Die Antragstellerin beantragt, nachdem der Antragsgegner die Vollziehung der
Gewerbesteuerzerlegungsbescheide 2014 bis 2016 ausgesetzt hat, nach § 69 Abs. 3 Satz 1, 2. Hs., Abs. 2 Satz 6 Finanzgerichtsordnung -FGO- die Sicherheitsleistung bei der Folgeaussetzung der Gewerbesteuerbescheide auszuschließen.

Die Antragstellerin behauptet, sie habe ihre Geschäftsleitung und einzige Betriebsstätte in den Streitjahren in B… gehabt. Unter dem 20.05.2016 (2014), 27.09.2017 (2015) und 28.5.2018 (2016) erließ der Antragsgegner für die Streitjahre Gewerbesteuermessbescheide (diese liegen dem Gericht nicht vor), bei denen sowohl der Antragsteller und der Antragsgegner als auch die Stadt B… davon ausgingen, dass die Gewerbesteuermessbeträge einzig der Stadt B… zuzuteilen seien. Die Gewerbesteuermessbescheide und die von der Stadt B… erlassenen Gewerbesteuerbescheide (die dem Gericht ebenfalls nicht vorliegen) wurden bestandskräftig.

Ab dem Jahr 2018 wurde eine Steuerfahndungsprüfung durchgeführt. Die Prüfer kamen im Bericht vom 15.02.2022 (Bl. 13ff. der Gerichtsakte -G-A-) zu der Einschätzung, in
B… habe sich nur eine Scheinadresse befunden, während sich die Geschäftsleitung und einzige Betriebsstätte in Wahrheit im C… befunden habe. Daraufhin erließ der Antragsgegner die hier verfahrensgegenständlichen Zerlegungsbescheide für 2014 bis 2016 vom 17.06.2022 (Bl. 21ff. G-A), in denen er der Stadt C… 100% und der Stadt B… 0% der Gewerbesteuermessbeträge zurechnete.

Unter dem 07.07.2022 erließ die Stadt C… Gewerbesteuerbescheide (diese liegen dem Gericht nicht vor) auf Grundlage der Zerlegungsbescheide vom 17.06.2022, aus denen sich Gewerbesteuerforderungen i. H. v. insgesamt 536.564,75 € ergeben.

Die Antragstellerin legte mit Schreiben vom 12.07.2022 (dieses liegt dem Gericht nicht vor) Einspruch gegen die drei Zerlegungsbescheide für 2014 bis 2016 vom 17.06.2022 ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung -AdV- der Zerlegungsbescheide, wohl ohne dabei den Ausschluss einer Sicherheitsleistung nach § 69 Abs. 3 Satz 1, 2. Hs., Abs. 2 Satz 6 FGO zu beantragen. Auch gegen die Gewerbesteuerbescheide vom 07.07.2022 legte die Antragstellerin Widersprüche ein (diese liegen dem Gericht ebenfalls nicht vor).

Mit Bescheiden vom 12.09.2022 (auch diese liegen dem Gericht nicht vor) bewilligte der Antragsgegner die AdV der Zerlegungsbescheide vom 17.06.2022, mutmaßlich ohne sich zu der Frage einer Sicherheitsleistung zu äußern.

Mit Schreiben vom 02.11.2022 (welches dem Gericht nicht vorliegt) kündigte die Stadt C… an, die Folge-AdV der Gewerbesteuerbescheide nur gegen Sicherheitsleistung zu gewähren.

Mit Schreiben vom 07.12.2022 (dieses liegt dem Gericht wiederum nicht vor) beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner, nach § 361 Abs. 3 Satz 3 Abgabenordnung -AO- die Anforderung einer Sicherheitsleistung bei der Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuer-Folgebescheide ausdrücklich auszuschließen.

Die Folge-Aussetzungsverfügung der Stadt C…, die die AdV der Gewerbesteuerbescheide nur unter der Auflage der Sicherheitsleistung im Umfang der festgesetzten Steuerschuld gewährt, datiert vom 27.01.2023 (und liegt dem Gericht nicht vor).

Mit Schreiben vom 23.02.2023 (Bl. 27 G-A) teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, er werte das Schreiben vom 07.12.2022 als Einspruch gegen die Aussetzungsbescheide vom 12.09.2022, weil es sich bei der Anordnung, die Anforderung einer Sicherheitsleistung bei der Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuer-Folgebescheide ausdrücklich auszuschließen, um eine Nebenbestimmung zur AdV handele. Allerdings sei die Einspruchsfrist nicht gewahrt worden, sodass die Einsprüche gegen die AdV-Bescheide vom 12.09.2022 als unzulässig zu verwerfen seien. Die Antragstellerin erhalte Gelegenheit, eventuelle Wiedereinsetzungsgründe vorzutragen. Es werde um Mitteilung innerhalb von drei Wochen gebeten, ob die Rechtsbehelfe weiterverfolgt oder zurückgenommen würden.

Unter dem 02.03.2023 (Bl. 21 der Akte des Parallelverfahrens 4 V 4020/23) teilte der
Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass er die Verfahren über die Einsprüche vom 12.07.2022 gegen die Zerlegungsbescheide an das Finanzamt -FA- C… abgegeben habe und diese nunmehr durch das FA C… fortgeführt würden.

Mit Schreiben vom 13.03.2023 (Bl. 29 G-A) kündigte die Stadt C… Vollstreckungsmaßnahmen an, wenn nicht die Gewerbesteuerschulden bis spätestens 31.03.2023 bezahlt werden.

Am 23.03.2023 hat die Antragstellerin den hiesigen Antrag nach § 69 Abs. 3 Satz 1, 2. Hs., Abs. 2 Satz 6 FGO gestellt.

Die Antragstellerin meint, ihr Antrag sei nach § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO zulässig, weil der Antragsgegner den bei diesem gestellten entsprechenden Antrag mit Schreiben vom 23.02.2023 abgelehnt habe. Im Übrigen drohe i. S. d. § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO die Vollstreckung. Der Antrag sei weiter gegen den Antragsgegner zu richten; die Abgabe des Einspruchs an das FA C… sei unwirksam. Die Bescheide seien unter Verstoß gegen die Verbandszuständigkeit ergangen. Es fehle an einem Zerlegungstatbestand, weil auch der Antragsgegner von nur einer hebeberechtigten Gemeinde ausgehe. Auch ein Zuteilungsbescheid nach § 190 AO habe nicht ergehen dürfen, weil kein Streit zwischen den potentiell hebeberechtigten Gemeinden bestehe und die Jahresfrist nach § 189 Satz 3 AO abgelaufen sei. Zudem sei Festsetzungsverjährung eingetreten.

Die Antragstellerin beantragt,

die Gewerbesteuer-Zerlegungsbescheide für 2014 – 2016, jeweils vom 17.06.2022 gem. § 69 Abs. 2 Satz 6 FGO mit der Maßgabe in der Vollziehung auszusetzen, dass die Anforderung einer Sicherheitsleistung bei der Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuer-Folgebescheide ausdrücklich ausgeschlossen wird.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegner meint, die Antragstellerin müsse gegen die Entscheidung der Stadt C… vorgehen, auf Ebene der Gewerbesteuerbescheide eine Sicherheitsleistung angeordnet zu haben. Im Übrigen sei auch in Bezug auf die Zerlegungsbescheide mit der Übernahme nunmehr das FA C… für die Entscheidung über die Einspruchsverfahren und eingehende Anträge zuständig. Ob ein Zerlegungstatbestand gegeben war, die Antragstellerin damit zur Abgabe von Zerlegungserklärungen verpflichtet war und ob die Zerlegungen zutreffend erfolgt sind, sei im Hauptsachverfahren zu klären, weil die Zerlegungsbescheide jedenfalls nicht mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrig seien.

Dem Gericht haben die Gerichtsakten des hiesigen Verfahrens 4 V 4019/23 und des Parallelverfahrens 4 V 4020/23 vorgelegen.

II. 1. Das Gericht ist örtlich zuständig.

Örtlich zuständig ist nach § 69 Abs. 3 Satz 1, 1. Hs. FGO das Gericht der Hauptsache, und zwar auch dann, wenn der Antrag gem. § 69 Abs. 3 Satz 2 FGO für das Einspruchsverfahren gestellt wird (Stapperfend in Gräber, FGO, 9. Aufl. 2019, § 69 FGO, Rn. 211). Örtlich zuständig in der Hauptsache ist das Finanzgericht -FG-, in dessen Bezirk die Behörde, gegen welche die Klage gerichtet ist, ihren Sitz hat, § 38 Abs. 1 FGO. Die Antragstellerin hat den von einem Rechtsanwalt verfassten Antrag ausdrücklich und unmissverständlich gegen den hiesigen Antragsgegner gerichtet, der seinen Sitz im Bezirk des hiesigen FG hat.

2. Der Antrag ist zulässig.

a) Die Zulässigkeit ergibt sich allerdings nicht aus § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO. Danach ist ein Antrag an das Gericht auf AdV grundsätzlich nur zulässig, wenn die Finanzbehörde einen entsprechenden Antrag ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Wird dem Gericht im Antrag auf AdV ein neuer Problemkreis unterbreitet, über den das FA noch nicht im Verfahren über die AdV entschieden hat, sind die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO nicht erfüllt, da die erforderliche Identität der Verfahrensgegenstände nicht gegeben ist. Beantragt der Antragsteller im AdV-Verfahren vor Gericht erstmals, eine Sicherheitsleistung für die AdV von Folgebescheiden auszuschließen, ist der Antrag vor Gericht vor diesem Hintergrund unzulässig, weil dem FA dieser Problemkreis noch nicht zuvor zur Entscheidung vorgebracht worden ist (FG Münster, Beschluss vom 15.02.2005 11 V 6300/04, Entscheidungen der FG -EFG- 2005, 804). Die Antragstellerin hat einen entsprechenden Antrag zwar bereits am 07.12.2022 beim Antragsgegner gestellt. Entgegen der Einschätzung der Antragstellerin hat der Antragsteller diesen Antrag im Schreiben vom 23.02.2023 aber noch nicht abgelehnt, sondern lediglich seine Rechtsauffassung dargelegt und der Antragstellerin Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen vor einer abschließenden Entscheidung gegeben. Dass es danach bis zum Zeitpunkt des Eingangs des hiesigen Antrags bei Gericht am 23.03.2023 bereits eine Ablehnungsentscheidung des Antragsgegners gegeben hätte, ist dem Sachvortrag der Antragstellerin und den von ihr übersandten Unterlagen nicht zu entnehmen.

b) Die Zulässigkeit ergibt sich allerdings aus § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO, weil im
Zeitpunkt des Antragseingangs bei Gericht am 23.02.2023 eine Vollstreckung drohte. Denn ausweislich des Schreibens der Stadt C… vom 13.03.2023 war mit einer Vollstreckung ab dem 01.04.2023 jederzeit zu rechnen. Vor diesem Hintergrund war es der Antragstellerin nicht zuzumuten, noch länger auf eine Entscheidung des Antragsgegners zu warten, bevor sie den Antrag bei Gericht stellt.

c) Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin beim Antragsgegner erst nach Ablauf der Frist für einen Einspruch gegen den AdV-Bescheid vom 12.09.2022 einen Antrag auf ausdrücklichen Ausschluss der Anordnung einer Sicherheitsleistung bei der Folgeaussetzung gestellt hat. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom
Antragsgegner im Schreiben vom 23.02.2023 zitierten BFH-Beschluss vom 20.06.1979

(IV B 20/79, Bundessteuerblatt -BStBI- II 1979, 666). Dort hat der BFH zwar ausgeführt, dass die die Sicherheitsleistung betreffenden Anordnungen unselbständige Nebenleistungen zur AdV sind und deshalb nur im Rahmen eines Rechtsbehelfs-verfahrens gegen den Aussetzungsakt angegriffen werden können, sodass der im dortigen Verfahren gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unzulässig war. Allerdings erwächst das Unterlassen eines ausdrücklichen Ausschlusses der Anordnung einer Sicherheitsleistung bei der Folgeaussetzung nicht in Bestandskraft und kann von daher eine entsprechende gerichtliche Anordnung nicht sperren. Denn die AdV durch das Gericht nach § 69 Abs. 3 Satz 1, 2. Hs., Abs. 2 Satz 2 FGO stellt sich nicht etwa, ähnlich einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage, als gerichtliche Kassation oder Änderung der AdV-Entscheidung des FA dar, sondern ergeht als grundsätzlich eigenständige gerichtliche Entscheidung. Mit dem hier gestellten Antrag verfolgt die Antragstellen ihr Begehren – anders als die Antragstellerin im BFH-Verfahrens IV B 20/79 - nicht gesondert durch einstweilige Anordnung, sondern im Rahmen des AdV-Verfahrens. Für die Zulässigkeit des hiesigen Antrags spricht unter diesem Gesichtspunkt auch der Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz -GG-. Der Antragstellerin ist bei einer rechtsschutzfreundlichen Auslegung der gesetzlichen Regelungen nicht vorzuhalten, dass sie den Antrag auf ausdrücklichen Ausschluss der Anordnung einer Sicherheitsleistung bei der Folgeaussetzung nicht bereits gleichzeitig mit dem AdV-Antrag beim Antragsgegner gestellt hat. Denn ein
konkreter Anlass dafür ergab sich erst daraus, dass die Stadt C… mit Schreiben vom 02.11.2022 die Anordnung einer Sicherheitsleistung bei der Folge-AdV der Gewerbesteuerbescheide angedroht hat.

d) Die Antragstellerin hat den Antrag auch zutreffend gegen den Antragsgegner gerichtet. Dem steht nicht entgegen, dass nach Auffassung des Antragsgegners das FA C… zuständig sein soll und er die Akten auch bereits an dieses abgegeben hat.

Gegen welche Behörde ein gerichtlicher AdV-Antrag zu richten ist, bestimmt sich nach § 63 Abs. 1 FGO (Herbert in Gräber, FGO, 9. Aufl. 2019, § 63 FGO, Rn. 8). Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 FGO ist der Antrag gegen die Behörde zu richten, die den ursprünglichen Verwaltungsakt (hier: die Gewerbesteuerzerlegungsbescheide vom 17.06.2022) erlassen hat (hier: gegen den Antragsgegner). Zwar ist der Antrag gem. § 63 Abs. 2 FGO im Falle eines Übergangs der örtlichen Zuständigkeit auf eine andere Behörde nach Erlass des ursprünglichen Verwaltungsaktes gegen die neu zuständig gewordene Behörde zu richten. Ein solch nachträglicher Zuständigkeitswechsel ist aber nicht eingetreten. Folgt man dem Sachvortrag des Antragsgegners, war das FA C… von Anfang an zuständig. Folgt man dagegen dem Sachvortrag der Antragstellerin, war jederzeit der Antragsgegner zuständig.

3. Der Antrag ist begründet.

Wird die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt, ist nach § 69 Abs. 3 Satz 1, 2. Hs., Abs. 2 Satz 6 FGO über eine Sicherheitsleistung regelmäßig erst bei der Folgeaussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden. Dies gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ein ausdrücklicher Ausschluss der Sicherheitsleistung bei der Aussetzung der Vollziehung eines Grundlagenbescheides kommt nur in Betracht, wenn der gegen diesen gerichtete Rechtsbehelf mit Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein wird (BFH, Beschluss vom 29.07.1997 VIII S 1/97, BFH/NV 1998, 186).

Es bestehen bei summarischer Prüfung so schwerwiegende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zerlegungsbescheide, dass ein Obsiegen im Verfahren über deren Anfechtung überwiegend wahrscheinlich erscheint.

a) Denn der Antragsgegner hätte mit großer Wahrscheinlichkeit keine Zerlegungsbescheide erlassen dürfen.

Nach Aktenlage kommen nur zwei Sachverhaltsvarianten in Betracht: Entweder hatte die Antragstellerin in den Streitjahren eine Betriebsstätte ausschließlich in C…, wie der
Antragsgegner behauptet, oder sie hatte dem Vortrag der Antragstellerin entsprechend eine Betriebsstätte ausschließlich in B…. Dass es in beiden Gemeinden oder sonst in mehreren Gemeinden Betriebsstätten gab, behauptet, soweit für das Gericht ersichtlich, niemand. Der Erlass eines Zerlegungsbescheides setzt nach §§ 185, 188 Abgaben-ordnung -AO-, 28ff. Gewerbesteuergesetz -GewStG- aber voraus, dass es mehrere Betriebsstätten gibt, denen jeweils ein Anteil am Gewerbesteuermessbetrag zuzurechnen ist. Ist dagegen klar, dass nur eine Betriebsstätte existiert oder nur einer von mehreren Betriebsstätten ein Anteil am Gewerbesteuermessbetrag zuzurechnen ist, und ist lediglich streitig, wo die einzige Betriebsstätte belegen ist oder welcher von mehreren Betriebsstätten der gesamte Gewerbesteuermessbetrag zuzurechnen ist, sieht § 190 AO einen Zuteilungsbescheid vor. Ergeht in einem solchen Fall dennoch ein Zerlegungs- und kein Zuteilungsbescheid, ist der Zerlegungsbescheid rechtswidrig und deshalb aufzuheben (vgl. FG Niedersachsen, Urteil vom 20.10.2009 15 K 30359/06, BeckRS 2009, 26028360). Es kommt auch keine Auslegung der hier angefochtenen Zerlegungsbescheide in der Weise in Betracht, dass es sich tatsächlich um Zuteilungsbescheide gehandelt haben könnte. Einer solchen Auslegung steht die eindeutige Bezeichnung der drei Bescheide jeweils als „Bescheid über die Zerlegung des Gewerbesteuermess-betrages“ entgegen sowie der Umstand, dass jeweils zwei Berechtigte genannt werden und diesen jeweils ein bestimmter Betrag zugewiesen wird (im Fall der Stadt B… allerdings jeweils 0,00 €). Auch eine Umdeutung der Zerlegungsbescheide in Zuteilungsbescheide nach § 128 Abs. 1 AO scheidet aus. Denn Voraussetzung dafür wäre, dass am 17.06.2022 Zuteilungsbescheide von der erlassenden Finanzbehörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätten erlassen werden können. Es ist jedoch nach Aktenlage schon nicht ersichtlich, dass ein Beteiligter (Antragstellerin, Stadt B… oder Stadt C…) den nach § 190 Satz 1 AO erforderlichen Antrag innerhalb der nach § 190 Satz 2 AO auch im Zuteilungsverfahren zu beachtenden Frist nach § 189 Satz 3 AO (vgl. Wagner in BeckOK AO, 23. Ed. Stand 01.01.2023, § 190 AO, Rn. 18, 24) gestellt hätte. Denn der letzte Steuermessbescheid (derjenige für 2016) ist, soweit ersichtlich, bereits im Jahr 2018 bestandskräftig geworden, sodass die Jahresfrist bereits im Jahr 2019 abgelaufen ist. Bei dem Zerlegungs- und dem Zuteilungsverfahren handelt es sich um jeweils selbstständige Verwaltungsverfahren, die sich strukturell zwar ähneln, aber dennoch voneinander unterscheiden. Besteht zwischen mehreren Gemeinden oder auch zwischen dem Steuerpflichtigen und derjenigen Gemeinde, die auf den Steuermessbetrag Ansprüche erhebt, Streit über die Steuerberechtigung, so kann die Finanzbehörde - anders als im Zerlegungsverfahren - nicht von Amts wegen tätig werden (BFH, Urteil vom 08.11.2000 I R 1/00, BStBl. II 2001, 769, 2. b) der Gründe).

b) Das Gericht kann vor diesem Hintergrund offenlassen, ob darüber hinaus auch ein Verstoß gegen die Verbandszuständigkeit vorliegt und ob dem Erlass der Zerlegungsbescheide auch der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegenstand.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Beschwerde wird nach § 128 Abs. 3, 115 Satz 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Es erscheint nicht ganz zweifelsfrei, ob ein Antrag auf Ausschluss der Sicherheitsleistung zulässig ist, wenn er erstmals gestellt wird, nachdem das FA eine AdV ohne eine solche Anordnung gewährt hat und die Frist für einen Einspruch gegen den AdV-Bescheid bereits abgelaufen ist.