Gericht | OLG Brandenburg 10. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 09.01.2023 | |
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Aktenzeichen | 10 U 120/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0109.10U120.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 30.08.2021, Az. 11 O 366/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
I.
Der Kläger erwarb am 28. September 2015 von einem Autohändler einen am 22. Januar 2015 erstmals zugelassenen PKW VW Typ Passant Variant zum Preis von 28.500 € als Gebrauchtwagen. Der Pkw ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 288 mit Schadstoffklasse Euro 6 ausgestattet. Die Beklagte ist Herstellerin des Motors.
Mit der Behauptung, der Motor sei mit illegaler Motorsteuerungssoftware zur Optimierung des Stickoxidausstoßes im Prüfstandbetrieb, insbesondere einer Zykluserkennung und einem sog. Thermofenster, versehen, hat der Kläger Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung zuzüglich Verzugszinsen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs sowie Ersatz der Kosten vorgerichtlicher Rechtsverfolgung begehrt.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen und erstinstanzlichen Anträge Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Ein Ersatzanspruch nach § 826 BGB sei nicht begründet. Dem klägerischen Vorbringen zum Thermofenster lasse sich nicht entnehmen, dass die insoweit auf Seiten der Beklagten tätig gewordenen Personen dabei in dem Bewusstsein gehandelt hätten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Angesichts der diesbezüglichen Gesetzeslage, die weder unzweifelhaft noch eindeutig sei, komme vielmehr ein Handeln unter vertretbarer Auslegung des Gesetzes in Betracht. Zudem fehle es am Schädigungsvorsatz. Für das Vorhandensein einer Abschalteinrichtung, die der von der Beklagten bei Motoren des Typs EA189 verwendeten Manipulationssoftware entspreche, fehle es an hinreichenden Anhaltspunkten. Die klagegegenständliche Hauptforderung rechtfertige sich auch nicht aus anderen Rechtsgründen. Eine die Haftung nach § 831 BGB auslösende Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten sei nicht dargelegt. Für einen Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 263 StGB fehle es an einer bewussten Täuschung der Beklagten sowie am zumindest bedingten Vorsatz hinsichtlich der Rechtswidrigkeit einer hieraus resultierenden Bereicherung. Eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV bzw. Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 bestehe mangels Schutzgesetzcharakters der betreffenden Normen nicht.
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung rügt der Kläger, das Landgericht habe überspannte Anforderungen an die Substantiierungspflicht gestellt. Er habe unter Verweis auf Medienberichte, Entscheidungen mehrerer Gerichte sowie auf ein internes Dokument der Beklagten, namentlich die „Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien & Freigabevorgaben EEA288“ (im Folgenden auch: Applikationsrichtlinien EA288), hinreichend zum Vorhandensein einer Zykluserkennung vorgetragen. Im Übrigen wiederholt und vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 30.08.2021 (Az. 11 O 366/20) teilweise abzuändern und
2. die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs der Marke Volkswagen, Typ Passat mit der Fahrgestellnummer W... an den Kläger einen Betrag von 28.500 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, unter Anrechnung einer in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs zu erstatten, die sich aus folgender Formel ergibt: Kaufpreis x (aktueller Kilometerstand - Kilometerstand bei Erwerb) / (geschätzte Gesamtlaufleistung - Kilometerstand bei Erwerb) zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von EUR 2.025,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.
4. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in dem Berufungsantrag zu 2. genannten Zug-um-Zug-Leistung in Annahmeverzug befindet.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der überreichten Unterlagen, im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
1. Die statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Nach einstimmiger Überzeugung des Senats hat das Rechtsmittel aber offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger stehen wegen des Erwerbs des Pkw VW Passat keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu.
a) Das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs aus §§ 826, 31 BGB scheitert schon daran, dass der Kläger nicht hinreichend dargelegt hat, von der Beklagten in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise geschädigt worden zu sein.Das Landgericht befindet sich insoweit im Einklang mit der ganz einhelligen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zu vergleichbaren Fallkonstellationen (vgl. statt vieler Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 3. August 2022 – 11 U 146/22, juris ; OLG Bremen, Urteil vom 4. Februar 2022 – 2 U 87/21, juris; OLG Bremen, Urteil vom 21. Januar 2022 – 2 U 62/21, juris; OLG Schleswig, Urteil vom 15. Februar 2022 – 7 U 116/21, juris; OLG Schleswig, Urteil vom 11. Januar 2022 – 7 U 84/21, juris; OLG Schleswig, Urteil vom 13. August 2021 – 17 U 9/21, juris; OLG Saarbrücken Urteil vom 5. Januar 2022 – 2 U 61/21, juris; OLG Dresden, Urteil vom 1. Juli 2021 – 11a U 1085/20, juris; OLG Bamberg, Urteil vom 15. April 2021 - 1 U 328/19, juris; OLG München, Beschl. vom 10. Februar 2021 - 3 U 7524/19, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 19. Januar 2021 - 16a U 169/19, juris; OLG Köln, Beschluss vom 4. Juli 2019 - 3 U 148/18, juris; OLG Brandenburg, Beschl. vom 20. April 2020 - 1 U 103/19, juris und vom 24.September 2020 - 5 U 47/19, juris).
Ein Hersteller von Kraftfahrzeugen bzw. Motoren für Kraftfahrzeuge verstößt im Sinne von § 826 BGB gegen die guten Sitten, wenn er in Umsetzung einer grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung der Typgenehmigungsbehörde im Sinne von Art. 6 Abs. 7 VO (EG) 715/2007 systematisch, langjährig und in hohen Stückzahlen Fahrzeuge in Verkehr bringt, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten werden. Denn neben der erhöhten Belastung der Umwelt mit Stickoxiden begründet sich daraus die Gefahr, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen könnte. Ein derartiges Verhalten ist im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Kfz – sei es als Neu- oder Gebrauchtwagen – in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren (s. insb. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 – BGHZ 225, 316).
Zwar kann eine Prüfstandsbezogenheit einer unzulässigen Abschalteinrichtung den Rückschluss auf eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung zulassen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2021 – VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 14; BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20 u.a.; BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20 Rn. 27, VersR 2021, 661; BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19 Rn. 18, ZIP 2021, 297). Die Prüfstandsbezogenheit stellt eines der wesentlichen Merkmale dar, nach denen eine Manipulationssoftware nicht nur eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt, sondern die deutlich höheren Anforderungen an eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung im Sinne des § 826 BGB erfüllen kann (BGH, Beschluss vom 29. September 2021 – VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 18, beck-online). Eine solche Prüfstandsbezogenheit der vermeintlich unzulässigen Abschalteinrichtungen ist für das gegenständliche Fahrzeug jedoch ebenso wenig wie sonstige auf eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung hindeutende Umstände dargelegt.
Ein solches Verhalten der Beklagten bzw. ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter i.S.v. § 31 BGB ist von dem hierfür nach den allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweisbelasteten Kläger nicht hinreichend dargelegt worden.
Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteil vom 17. Dezember 2014 – VIII ZR 88/13 – NJW 2015, 934 m.w.N.). Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2016 – IV ZR 52/14 – NJW-RR 2017, 22). Von daher ist es einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 – IX ZR 283/99 – NJW-RR 2004, 337). Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich – wie hier der Kläger – nur auf vermutete Tatsachen stützen kann, weil sie mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann (BGH, Beschluss vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19 – NJW 2020, 1740).
Unbeachtlich ist der auf Vermutungen gestützte Sachvortrag einer Partei aber dann, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, oder wenn sie zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, aber aufs Geratewohl gemacht, gleichsam „ins Blaue“ aufgestellt, mit anderen Worten, aus der Luft gegriffen sind und sich deshalb als Rechtsmissbrauch darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 – VI ZR 128/20 – NZV 2021, 525). Insoweit ist allerdings Zurückhaltung geboten; in der Regel wird nur das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte die Annahme eines Rechtsmissbrauchs rechtfertigen können (vgl. BGH, Urteil vom 16.09.2021 – VII ZR 190/20 – NJW 2021, 3721 m.w.N.).
aa) Ausgehend von diesen Maßgaben genügt das Vorbringen des Klägers zum Vorhandensein einer Fahrkurven- bzw. Zykluserkennung nicht zur Darlegung einer sittenwidrigen Schädigung durch die Beklagte. Der Kläger behauptet zwar der Sache nach, dass die Motorsteuerung seines Fahrzeugs eine derartige Softwarekomponente enthalte, hierin eine nach Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 unzulässige Abschalteinrichtung zu erkennen sei, und dass die zuständigen Vertreter der Beklagten sich dieses Gesetzesverstoßes bewusst gewesen seien und diesen billigend in Kauf genommen hätten. Jedenfalls im Hinblick auf ein derartiges Vorstellungsbild der für die Beklagte tätigen Personen zeigt er indes keine tatsächlichen Anhaltspunkte auf, die diese Vermutung rechtfertigen.
Denn selbst wenn zu Gunsten des Klägers unterstellt wird, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer Software ausgestattet ist, die dazu führt, dass – wie es in den Applikationsrichtlinien EA288 heißt: – „die Abgasnachbehandlungsevents (DeNOx-/DeSOx-Events) nur streckengesteuert platziert“ werden, ist ein unterstellter Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 für sich genommen nicht ausreichend, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Denn in Zusammenschau mit dem weiteren Inhalt der Applikationsrichtlinien EA288 lässt sich das Vorbringen des Klägers dahin verstehen, dass die fragliche Software bei entsprechend ausgerüsteten Fahrzeugen insofern Einfluss auf den NOx-Speicherkatalysator (NSK) nimmt, dass dieser innerhalb des Neuen Europäischen Fahrzyklus (im Folgenden auch: NEFZ) stets am Ende der Vorkonditionierung regeneriert werde, wohingegen die Regeneration im Normalbetrieb strecken- und beladungsgesteuert erfolge, wobei die Beladung die führende Größe darstelle. Die Beklagte führt zur Rechtfertigung dieser Applikation im Wesentlichen an, dass sich der Katalysator im Laufe der Fahrt zusetze und daher nach jeweils etwa 5 km zur Erhaltung seiner Funktionalität regeneriert, also unter Einsatz zusätzlichen Kraftstoffs „freigebrannt“ werden müsse, was zu erhöhten Emissionen führe. Um im NEFZ, der einer Fahrstrecke von ca. 11 km entspreche, vergleichbare Ergebnisse zu erzielen, würde der Zähler für die Auslösung des Vorgangs bei Beginn der Prüffahrt stets auf „Null“ gesetzt, sodass die Regeneration nur zweimal und nicht zufällig dreimal ausgelöst werde.
In einer entsprechenden Fallgestaltung hat zwar das Oberlandesgericht Naumburg in der vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung vom 9. April 2021 (Az. 8 U 68/20 – juris) ein sittenwidriges Handeln seitens der Beklagten mit der Begründung angenommen, dass sich die besondere Verwerflichkeit aus dem Profitinteresse sowie dem Charakter der Täuschung unter Ausnutzung des Vertrauens der Käufer in eine öffentliche Institution, nämlich das Kraftfahrt-Bundesamt (im Folgenden auch: KBA), und unter Inkaufnahme nicht nur der Schädigung der Käufer, sondern auch der Umwelt ergebe. Diese Würdigung lässt aber unberücksichtigt, dass die in Rede stehende Software hier – anders als in der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25. Mai 2020 (Az. VI ZR 252/19 – BGHZ 225, 316) zugrunde liegenden Fallgestaltung – nach Intention und Wirkung nicht darauf angelegt ist, schlechthin über die Einhaltung der Grenzwerte zu täuschen. Vielmehr erscheint das hiermit unstreitig verfolgte Anliegen der Beklagten, bei der Prüfung im NEFZ den Zufälligkeiten einer (vor-) beladungsbedingten dritten Regeneration und den hieraus resultierenden erhöhten Emissionswerten vorzubeugen, im Grundsatz nachvollziehbar. Auch dürfte sich hierin keine erhöhte Gleichgültigkeit gegenüber den gesetzlichen Anliegen zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt erkennen lassen. Insgesamt fehlt es daher in Bezug auf diese Applikation an einem derart arglistigen Vorgehen der Beklagten, das die Qualifikation ihres Verhaltens als objektiv sittenwidrig rechtfertigen würde (im Ergebnis ebenso OLG Schleswig, Urteil vom 21. Januar 2022 – 1 U 54/21 – juris; OLG Saarbrücken, Urteil vom 5. Januar 2022 – 2 U 86/21 – juris; OLG Brandenburg, Urteil vom 22. September 2021 – 7 U 91/20 – juris; OLG Hamm, Urteil vom 29. Juni 2021 – 13 U 175/20 – juris; auch der 8. Zivilsenat des OLG Naumburg selbst hält insofern nicht mehr an der in der vorgenannten Entscheidung vertretenen Auffassung fest, s. dessen Urteil vom 20. Januar 2022 – 8 U 46/21 – juris).
Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit gegenüber der Beklagten wäre hinsichtlich dieser Applikation daher nur gerechtfertigt, wenn zu dem – hier unterstellten – Verstoß gegen die Verordnung (EG) 715/2007 weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Solche Umstände vermag der Senat nicht zu erkennen. Insbesondere fehlt es an konkreten Anhaltspunkten dafür, dass die Beklagte die jeweils zuständige Typgenehmigungsbehörde bezüglich derjenigen Fahrzeuge, bei denen die Abgasnachbehandlungsevents mittels der Fahrkurven nur streckengesteuert platziert wurden, über das Vorhandensein und die Funktion dieser Applikation getäuscht bzw. wahrheitswidrig vorgespiegelt habe, dass der NSK sowohl im Realbetrieb als auch auf dem Prüfstand gleichermaßen ohne äußeren Eingriff funktioniere.
Soweit der Kläger schließlich auf ein Schreiben von Dr. H... vom 11. März 2021 (Bl. 359 d.A.) Bezug nimmt, folgt daraus kein anderes Ergebnis. Denn Dr. H... führt in diesem Schreiben lediglich aus, dass „unklar [sei], ob und welche Änderungen im Emissionsverhalten des Motors durch diese Fahrzykluserkennung gesteuert werden.“
bb) Gemäß den dargestellten Maßstäben genügt der Vortrag der Klägerseite auch im Hinblick auf das sog. Thermofenster nicht zur Darlegung einer sittenwidrigen Schädigung im Sinne von § 826 BGB.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Abgasrückführung im Fahrzeug des Klägers durch eine umgebungstemperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems außerhalb eines bestimmten Temperaturbereichs abgeschaltet wird. Nach dem Vorstehenden reicht dies für sich genommen jedoch nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben. Auch wenn zugunsten des Klägers in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt wird, dass eine temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) 715/2007 zu qualifizieren ist, ist ein dahingehender Gesetzesverstoß, selbst wenn die Beklagte mit der Entwicklung und dem Einsatz dieser Steuerung eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinnen erstrebt hat, für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Hierfür bedarf es vielmehr weiterer Umstände. Bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit setzt nämlich voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2021 – III ZR 202/20 – BeckRS 2021, 41003; Urteil vom 23. September 2021 – III ZR 200/20 – BeckRS 2021, 31765; Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19 – NJW 2021, 921).
Derartige Umstände sind vorliegend weder seitens des Klägers vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das applizierte Thermofenster führt unstreitig dazu, dass die Abgasrückführungsrate nur außerhalb eines bestimmten Temperaturbereichs reduziert wird; innerhalb dieses Bereichs hingegen findet sowohl unter Prüfstandsbedingungen als auch im Regelbetrieb eine Abgasnachbehandlung statt. Damit unterscheidet sich das hier in Rede stehende Thermofenster von der Softwareapplikation, mit der das Vorgängermodell des Motors EA288 in einer Vielzahl von Fällen von der Beklagten ausgestattet war. Jene Software war eigens dazu entwickelt worden, im eigenen Kosten- und Gewinninteresse von der Einhaltung der NOx-Grenzwerte im realen Fahrbetrieb vollständig abzusehen und stattdessen dem KBA zwecks Erlangung der Typgenehmigung wahrheitswidrig vorzuspiegeln, dass die betreffenden Dieselfahrzeuge die Grenzwerte einhalten. Die Software war dementsprechend bewusst und gewollt so programmiert, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten wurden (sog. Umschaltlogik), und zielte damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde ab. Die mit einer derartigen – evident unzulässigen – Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeuge hatte die Beklagte sodann unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzten, in den Verkehr gebracht, was einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleichsteht (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 – BGHZ 225, 316). Bei dem Einsatz der vorliegend in Rede stehenden temperaturabhängigen Steuerung der Abgasnachbehandlung, die unstreitig nicht nach Prüfstands- und Regelbetrieb unterscheidet, sondern in beiden Situationen im Grundsatz in gleicher Weise funktioniert, fehlt es an einem derartigen arglistigen Vorgehen der Beklagten, das die Qualifikation ihres Verhaltens als objektiv sittenwidrig rechtfertigen würde.
Eine andere Würdigung ist auch nicht im Hinblick auf den konkreten Temperaturbereich des Thermofensters angezeigt. Zwar kann die Verwendung eines speziellen Prüfstandmodus ein Indiz für ein derartiges Vorstellungsbild sein. Denn der Umstand, dass eine Manipulationssoftware – wie in der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25. Mai 2020 (Az. VI ZR 252/19 – BGHZ 225, 316) zu Grunde liegenden Fallgestaltung – ausschließlich im Prüfstand die Abgasreinigung (verstärkt) aktiviert, indiziert die Absicht einer arglistigen Täuschung der Genehmigungsbehörde (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2021 – VII ZR 72/21 – juris). Vorliegend fehlt es aber an Anhaltspunkten für die Annahme, dass der Temperaturbereich des Thermofensters exakt auf die Bedingungen des NEFZ zugeschnitten ist. Vielmehr ist nach auch dem Vortrag des Klägers in der Berufungsinstanz die Abgasrückführung unter 15°C und über 30°C (Bl. 449 d.A.) und damit auch außerhalb des Prüfstandes, in dem Temperaturen zwischen 20°C und 30 °C herrschen.
Auch die vom Kläger herangezogenen undatierten Ausführungen des Dr. P... vom (Bl. 361 ff. d.A.) sind hierzu unergiebig. Denn sie ergeben keinen Prüfstandsbezug.
Auch im Übrigen vermag der Senat keine Umstände zu erkennen, die den Schluss darauf zuließen, Mitarbeiter der Beklagten seien sich der – hier unterstellten – Rechtswidrigkeit des Thermofensters bewusst gewesen. Das Vorbringen des Klägers, wonach eine Steuerung der Abgasrückführung nach der Umgebungstemperatur technisch entbehrlich, insbesondere nicht zum Motor- oder Bauteilschutz erforderlich sei, lässt jedenfalls nicht erkennen, dass die gegenteilige Auffassung in technischer Hinsicht unvertretbar (gewesen) ist. Stattdessen kann sich die Beklagte zur Begründung der grundsätzlichen technischen Vertretbarkeit dieser Applikation etwa auf die Ausführungen auf Seite 18 des Berichts der Untersuchungskommission „Volkswagen“ (Anlage B1) stützen, in welchem es heißt: „Für das so genannte Ausrampen der AGR-Menge in Abhängigkeit von Umgebungstemperatur/ Temperatur im Ansaugsammler/Kühlwassertemperatur haben alle befragten Hersteller als Grund das Risiko einer Belagbildung im AGR-System angeführt. Dieses Risiko ist zweifelsfrei vorhanden und ist mit herstellerunabhängigen Forschungsprojekten bestätigt. Die Belag- oder auch Lackbildung kann zu einem Versagen des AGR-Ventils führen und den AGR-Kühler zusetzen“.
cc) Soweit der Kläger behauptet, der Motor des hier gegenständlichen Fahrzeugs sei mit einer Software ausgestattet, die – wie die bei dem Motorentyp EA189 verwendete sog. „Umschaltlogik“ – den Betrieb des Fahrzeugs auf dem Rollenprüfstand bzw. im NEFZ erkenne und gegebenenfalls ein anderes, zu geringeren NOx-Emissionen führendes Motorprogramm abrufe als im Normalbetrieb, fehlt es am Vortrag hinreichender tatsächlicher Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer solchen Abschalteinrichtung.
Das Vorbringen des Klägers, das KBA habe bei einigen Fahrzeugen mit dem EA 288 bereits einen Rückruf ausgesprochen ist unerheblich. Zum einen betraf dieser Rückruf ein anderes Fahrzeug. Dass dieses ebenfalls mit einem Motor des Typs EA288 ausgestattet ist, lässt eine andere Würdigung schon deshalb nicht zu, weil für eine Vielzahl anderer Fahrzeuge mit demselben Motortyp bislang kein verpflichtender Rückruf des KBA erfolgt ist. Zudem ist ohne Weiteres zumindest die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass dieser Rückruf durch von der Beklagten nicht verschuldete Abweichungen von der EG-Typgenehmigung veranlasst war (s. OLG Schleswig, Urteil vom 11. Januar 2022 – 7 U 84/21 – BeckRS 2022, 792; OLG Celle, Urteil vom 21. Juli 2021 – 7 U 1705/19 – BeckRS 2021, 42365).Zudem müssten selbst bei Vorliegen eines verpflichtenden Rückrufs noch weitere Umstände hinzutreten, um eine Haftung der Beklagten wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß § 826 BGB auszulösen; nämlich solche, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2021 – VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 14, beck-online). Solche weiteren Umstände liegen nicht vor.
Auch auf die Applikationsrichtlinien EA288 kann der Kläger den Vorwurf des Vorhandenseins einer der Umschaltlogik entsprechenden Abschalteinrichtung nicht stützen. Diese deuten allenfalls darauf hin, dass eine Funktion zur Erkennung des Prüfstandsbetriebs vorhanden war. Dass diese Funktion auch zur Steuerung emissionsmindernder Einrichtungen verwendet worden ist, ist den Applikationsrichtlinien EA288 hingegen nicht zu entnehmen und auch sonst nicht ersichtlich. Im Übrigen ist unstreitig, dass bei den vom KBA vielfach durchgeführten Untersuchungen von Motoren des Typs EA288 keine der bei dem Vorgängertyp EA189 vielfach verwendeten „Umschaltlogik“ vergleichbare Steuerung festgestellt worden ist.
dd) Auch der weitere Vortrag des Klägers begründet keine sittenwidrige Schädigung durch die Beklagte. Nach diesem Vortrag handelt es sich bei dem On-Board-Diagnosesystem getäuscht (nachfolgend OBD-System) schon nicht um eine (unzulässige) Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007, weil es unstreitig die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems selbst weder aktiviert, verändert, verzögert noch deaktiviert (vgl. Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007).
Eine - von einer etwaig unzulässigen Abschalteinrichtung - unabhängige, eigenständige Funktion ist auch nicht darin begründet, dass das OBD-System so programmiert worden sein soll, dass es fälschlicherweise gemeldet hätte, die Abgassysteme funktionierten ordnungsgemäß. Das OBD-System soll Fehlfunktionen der Emissionskontrollsysteme erkennen und melden. Seine Funktionsweise ist mithin stets unmittelbar verknüpft mit dem Vorhandensein einer - zulässigen oder unzulässigen - Abschalteinrichtung. Hat der Hersteller eine aus seiner Sicht zulässige Abschalteinrichtung verbaut, wird das OBD-System, wenn diese greift, eine Fehlfunktion der Abgasreinigung nicht anzeigen; hat der Hersteller bewusst eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut, stellt sich die Programmierung des OBD-Systems dahin, Fehlfunktionen bei Wirksamwerden der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht anzuzeigen, als notwendiger Teilbeitrag zum Verheimlichen der unzulässigen Abschalteinrichtung dar. Eine eigenständige Bedeutung kommt den behaupteten Eigenschaften des OBD-Systems nicht zu (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 12. Mai 2021 – 4 U 34/20 –, Rn. 67 - 68, juris).
ee) Dem klägerischen Vortrag sind auch ansonsten keine Umstände zu entnehmen, die den Vorwurf des sittenwidrigen Handelns der Beklagten zulasten des Klägers rechtfertigen.
Für die vom Kläger geäußerte Vermutung, die Beklagte habe das KBA bezüglich des Vorhandenseins (unzulässiger) Abschalteinrichtungen getäuscht, fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten. Insbesondere ist nichts für wissentlich unterbliebene oder unrichtige Angaben der Beklagten in dem der Erteilung der EG-Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug zu Grunde liegenden Verfahren, die noch dazu auf ein heimliches und manipulatives Vorgehen oder eine Überlistung der zuständigen EG-Typgenehmigungsbehörde und damit auf einen bewussten Gesetzesverstoß hindeuten würden (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19 – NJW 2021, 921), ersichtlich. Auch aus einer etwaig unterbliebenen Offenlegung der genauen Wirkungsweisen der bemängelten Funktionen folgen keine Anhaltspunkte, dass für die Beklagte tätige Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Selbst wenn die Beklagte dabei – nach den einschlägigen Vorschriften auch erforderliche – Angaben zu den Einzelheiten von Thermofenster, KSR und SCR unterlassen haben sollte, wäre die Typgenehmigungsbehörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG gehalten gewesen, diese zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug zu prüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2021 – VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 14). Anhaltspunkte für wissentlich unterbliebene oder unrichtige Angaben der Beklagten im Typgenehmigungsverfahren, die noch dazu auf ein heimliches und manipulatives Vorgehen oder eine Überlistung des KBA und damit auf einen bewussten Gesetzesverstoß hindeuten würden, liegen danach nicht vor (BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 286/20 –, Rn. 26, juris; BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19 Rn. 24, ZIP 2021, 297; siehe auch BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2021 – VII ZR 50/21 –, Rn. 21, juris).
Der Vorwurf, für die Beklagte tätige Personen hätten bewusst unzulässige Abschalteinrichtungen verwendet und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen, rechtfertigt sich schließlich nicht bei einer Gesamtbetrachtung des Verhaltens der Beklagten. Insbesondere ergibt sich auch bei dieser Betrachtungsweise kein Anhaltspunkt für die Annahme einer arglistigen Täuschung der Typgenehmigungsbehörde über die Funktion des Emissionsminderungs- bzw. -kontrollsystems.
Zudem fehlt es an dem erforderlichen Schädigungsvorsatz. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen. In einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15 – NJW 2017, 250). Allein aus einer – hier unterstellten – objektiven Unzulässigkeit der behaupteten Abschalteinrichtungen folgt daher noch kein Vorsatz hinsichtlich der Schädigung der Fahrzeugkäufer (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2021 – VII ZR 72/21 – BeckRS 2021, 38621; Beschluss vom 13. Oktober 2021 – VII ZR 50/21 – BeckRS 2021, 38656).
Soweit der Kläger über mehrere Seiten zu SCR-Katalysator und AdBlue Technologie vorträgt, fehlt auf das Bestreiten der Beklagten jeder Anhaltspunkt dafür, dass das Fahrzeug über diese Systeme verfügt.
Sonstige Umstände, welche den Einsatz vermeintlich unzulässiger Abschalteinrichtungen als besonders verwerflich erscheinen lassen, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Vielmehr spricht die hinsichtlich der Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen ohnehin unsichere Rechtslage, die insbesondere zum Zeitpunkt der Erteilung der Typgenehmigung für das hier gegenständliche Fahrzeug bestand, gegen die Annahme eines sittenwidrigen Gebarens. Denn eine möglicherweise nur fahrlässige Verkennung der Rechtslage genügt für die Feststellung der besonderen Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten nicht (BGH, Beschluss vom 29. September 2021 – VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038). Entgegen der Auffassung des Klägers war die Frage der Zulässigkeit der behaupteten Abschalteinrichtungen vorliegend jedenfalls im Zeitpunkt der Erteilung der Typgenehmigung auch nicht eindeutig und unzweifelhaft zu beantworten. Denn die in Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) 715/2007 vorgesehenen Ausnahmen von dem Verbot der Verwendung von Abschalteinrichtungen weisen nur ein geringes Maß an Bestimmtheit auf und waren bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 17. Dezember 2020 (C-693/18 – NJW 2021, 1216) durch die Rechtsprechung wenig konkretisiert.
b) Die Schadensersatzforderung des Klägers rechtfertigt sich auch nicht aus anderen Gründen.
aa) Die Beklagte haftet dem Kläger nicht nach § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 263 Abs. 1, § 25 Abs. 1 Fall 2 StGB. Ungeachtet der Frage, ob und gegebenenfalls durch welches Verhalten im Zusammenhang mit der vermeintlichen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in strafrechtlich relevanter Weise getäuscht und bei dem Kläger ein strafrechtlich relevanter Irrtum erregt worden ist, fehlt es jedenfalls an der Bereicherungsabsicht und der in diesem Zusammenhang erforderlichen Stoffgleichheit des erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils mit einem etwaigen Vermögensschaden (s. hierzu BGH, Hinweisbeschluss vom 14. September 2021 – VI ZR 491/20 – BeckRS 2021, 29971 m.w.N.).
bb) Die Beklagte haftet auch nicht gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder den Normen der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Wie der BGH in seinen Urteilen vom 25. Mai 2020 (VI ZR 252/19 Rn. 72 ff., BGHZ 225, 316) und 30. Juli 2020 (VI ZR 5/20 Rn. 10 ff., ZIP 2020, 1715) ausgeführt hat, liegt das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Schutzbereich dieser Bestimmungen (siehe auch BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 190/20 –, Rn. 35 - 36, juris und Beschluss vom 4. Mai 2022 - VII ZR 733/21, BeckRS 2022,14779, Rn.1).
Daran hält der Senat auch im Hinblick auf die Schlussanträge des Generalanwalts Rantos vom 2. Juni 2022 in der Rechtssache C-100/21 fest (so etwa auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. August 2022 – I-10 U 217/21 –, Rn. 8, juris; OLG Bamberg, Beschluss vom 26. August 2022 – 3 U 161/22 –, Rn. 8, juris; OLG Dresden, Urteil vom 16. August 2022 – 17 U 574/22 –, Rn. 59, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 15. August 2022 – 12 U 19/22 –, Rn. 5, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 4. August 2022 – 21 U 106/21 –, Rn. 8, juris; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25. Juli 2022 – 12 U 241/21 –, Rn. 3, juris; OLG Dresden, Urteil vom 19. Juli 2022 – 10a U 975/21 –, Rn. 11, juris; OLG Koblenz, Urteil vom 14. Juli 2022 – 6 U 1721/21 –, Rn. 55, juris; OLG München, Beschluss vom 12. Juli 2022 – 27 U 1635/22 –, Rn. 1, juris; OLG Nürnberg, Beschluss vom 11. Juli 2022 – 2 U 3838/21 –, Rn. 23, juris; OLG München, Beschluss vom 1. Juli 2022 - 8 U 1671/22, Rn. 26 ff.; OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2022 – 16 U 260/20 –, Rn. 77, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 28. Juni 2022 – 24 U 115/22, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 16. Juni 2022 – 7 U 386/22 –, Rn. 4, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 20. Juni 2022 – 15 U 2169/21 –, juris; OLG Bamberg, Beschluss vom 14. Juni 2022 – 3 U 77/22 –, Rn. 52, juris; OLG Celle, Beschluss vom 10. Juni 2022 – 16 U 51/22 –, Rn. 9, juris).
Auch wenn unterstellt wird, dass Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46 dahin auszulegen sind, dass sie die Interessen eines individuellen Erwerbers eines Kraftfahrzeugs schützen, insbesondere das Interesse, kein Fahrzeug zu erwerben, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestattet ist, besagt dies jedoch nichts für die hier interessierende Frage, ob damit auch der Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts und damit der Schutz des Käufers vor dem Abschluss eines ungewollten Vertrages erfasst sein soll. Es sind auch im vorliegenden Verfahren keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber mit den vorgenannten Vorschriften (auch) einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezweckte und an die (auch fahrlässige) Erteilung einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung einen gegen den Hersteller gerichteten Anspruch auf (Rück-)Abwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrags hätte knüpfen wollen (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, juris Rn.11; Beschluss vom 4. Mai 2022 - VII ZR 733/21 Beck RS 2022,14779, Rn.14). Die EG-Übereinstimmungserklärung soll den Käufer nicht dagegen schützen, dass der Hersteller seiner Verpflichtung, Fahrzeuge in den Verkehr zu bringen, die den geltenden Unionsvorschriften entsprechen, nicht nachkommt, sondern soll im Gegenteil den Käufer eines Fahrzeugs davor schützen, dass die Behörden eines Mitgliedstaats ihm die Zulassung eines in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Fahrzeugs mit der Begründung verwehren, dass das Fahrzeug der Typgenehmigung bzw. der Verordnung Nr. 715/2007 nicht entspricht. Erst die Übereinstimmungsbescheinigung macht das Fahrzeug in allen Mitgliedstaaten verkehrsfähig, ohne dass der zulassende Staat eine erneute Typgenehmigung verlangen könnte. Es bedarf deshalb weder einer Aussetzung entsprechend § 148 ZPO bis zu einer Entscheidung durch den EuGH, noch einer Vorlage gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV an den EuGH. Auch die angeregte Zurückstellung der Bearbeitung ist nicht angezeigt.
cc) Aufgrund der vorstehenden Erwägungen kann der Kläger sein Schadensersatzbegehren schließlich nicht mit Erfolg auf § 831 BGB stützen. Die Bejahung eines Anspruchs nach §§ 826, 831 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt Feststellungen dazu voraus, dass eine nach diesen Grundsätzen als Verrichtungsgehilfe der Beklagten zu qualifizierende Person in Ausführung der Verrichtung den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat (BGH, Urteil vom 08. März 2021 – VI ZR 505/19 – NJW 2021, 1669). Hieran fehlt es aus den dargelegten Gründen. Ebenso wenig ist nach dem Vorstehenden die Verwirklichung eines anderen Deliktstatbestandes durch einen Verrichtungsgehilfen der Beklagten erkennbar, der deren Haftung als Geschäftsherrin gemäß § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB auslösen könnte.
2. Der Senat ist des Weiteren einstimmig davon überzeugt, dass auch die übrigen Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 ZPO gegeben sind.
Die vom Streitfall aufgeworfenen Rechtsfragen sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt, sodass die vorliegende Sache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und eine Entscheidung des Senats weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Ebenso wenig liegen besondere Gründe vor, aufgrund derer in der Berufungsinstanz eine mündliche Verhandlung angezeigt ist. Die in erster Instanz abgehaltene mündliche Verhandlung ist verfahrensfehlerfrei durchgeführt worden und hat den Beteiligten ausreichend Gelegenheit zur mündlichen Erörterung der wesentlichen Aspekte des Sach- und Streitstandes gegeben. Auch ist das entscheidungserhebliche Vorbringen nicht derart umfangreich oder komplex, dass eine mündliche Erörterung erforderlich oder geboten wäre.