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Entscheidung 13 UF 211/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 27.04.2023
Aktenzeichen 13 UF 211/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0427.13UF211.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 22.11.2022 - 20 F 115/22 (2) - wird als unzulässig verworfen.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Im Übrigen hat die Antragsgegnerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des erstinstanzlichen Verfahrens und des Beschwerdegegenstands wird jeweils auf 4.794,65 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die Abänderung einer im Wege der einstweiligen Anordnung ergangenen Unterhaltsentscheidung.

Mit Antrag vom 24.06.2022 (Bl. 1) hat der Antragsteller die Abänderung des zugunsten der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung ergangenen Unterhaltstitels des Amtsgerichts Nauen vom 18.06.2021 (20 F 92/20) beantragt. Das Amtsgericht hat daraufhin ein neues Verfahren angelegt und ein schriftliches Vorverfahren durchgeführt. Mit Schriftsatz vom 13.10.2022 (Bl. 38) hat der Antragsteller darauf hingewiesen, sein Antrag sei auf Abänderung einer einstweiligen Anordnung gemäß § 54 FamFG gerichtet. In der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2022 hat er den Antrag aus dem Schriftsatz vom 24.06.2022 gestellt und erneut darauf hingewiesen, hiermit eine Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung zu beantragen (Bl. 41). Die Antragsgegnerin hat die Abweisung des ihrer Auffassung nach durch den Antragsteller in der Hauptsache geltend gemachten Antrags als unzulässig beantragt.

Durch die angefochtene Entscheidung vom 22.11.2022 (Bl. 45) hat das Amtsgericht der beantragten Abänderung vollumfänglich stattgegeben, die Entscheidung mit einer Belehrung über eine innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegenden Beschwerde versehen und bei der Festsetzung des Verfahrenswerts durch Beschluss vom 16.12.2022 (Bl. 58) für den laufenden Unterhalt das 12-fache des geltend gemachten monatlichen Unterhalts zugrunde gelegt.

Mit ihrer Beschwerde vom 20.12.2022 (Bl. 64) verfolgt die Antragsgegnerin in der Sache ihr Abweisungsbegehren weiter und trägt zur Statthaftigkeit ihres Rechtsmittels vor, es handele sich bei der angefochtenen Entscheidung ihrer Auffassung nach um eine solche in der Hauptsache. Der Antragsschriftsatz vom 24.06.2022 sei in Ansehung des Abänderungsbegehrens als Antrag in einer Hauptsache zu verstehen. Das Amtsgericht sei selbst von einem Hauptsacheverfahren ausgegangen, weswegen es ein neues Verfahren angelegt und das schriftliche Vorverfahren durchgeführt habe. Ein einstweiliges Anordnungsverfahren hätte unter dem Aktenzeichen geführt werden müssen, das die abzuändernde einstweilige Anordnung trage. Das Amtsgericht habe, wie sich aus der Wertfestsetzung und der Rechtsmittelbelehrung ergebe, eine Entscheidung in der Hauptsache getroffen.

Der Senat hat die Antragsgegnerin mit Verfügungen vom 19.01.2023 (Bl. 11 der elektronischen Akte, im Folgenden: elA) und 26.01.2023 (Bl. 16 elA) auf die Unzulässigkeit ihres Rechtsmittels hingewiesen. Er entscheidet, wie angekündigt, ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung, §§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 FamFG, von der ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten war.

II.

Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin unterliegt der Verwerfung als unzulässig, § 68 Abs. 2 Satz 2 FamFG.

Gegen die im Wege der einstweiligen Anordnung nach §§ 119 Abs. 1, 49 ff. FamFG erlassene, eine Unterhaltsverpflichtung betreffende Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht statthaft, §§ 113 Abs. 1, 57 Satz 1 FamFG. Die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels richtet sich nicht nur in Ansehung erstmals erlassener einstweiliger Anordnungen, sondern auch für solche Entscheidungen, durch die - wie hier - eine bereits erlassene einstweilige Anordnung nachträglich gemäß § 54 FamFG abgeändert worden ist, nach § 57 FamFG (MüKoFamFG/Soyka, 3. Aufl. 2018, § 54 FamFG Rn. 16). Dies gilt auch für Verfahren, deren Gegenstand, wie vorliegend, eine Familienstreitsache (§ 112 Nr. 1 FamFG) ist, (OLG Naumburg, Beschluss v. 27.04.2017, 4 UF 19/17, juris; Prütting/Helms/Dürbeck, FamFG, 6. Aufl. 2023, § 57 FamFG Rn. 3; Sternal/Giers, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 57 FamFG Rn. 2; Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, FamFG, 7. Aufl. 2023, § 246 FamFG Rn. 52). Da Gegenstand des vorliegenden Verfahrens nicht eine von § 57 Satz 2 FamFG aufgeführte Angelegenheit ist, ist ein Rechtsmittel nicht statthaft.

Anders als die Antragsgegnerin meint, hat das Amtsgericht durch die Entscheidung vom 22.11.2022 eine einstweilige Anordnung über den Verfahrensgegenstand getroffen, indem es die ursprünglich von ihm erlassen einstweilige Anordnung abgeändert hat. In den Gründen der angefochtenen Entscheidung wird ausdrücklich auf den in der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2022 gestellten Antrag des Antragstellers vom 24.06.2022 Bezug genommen. Der Antragsteller wiederum hat, worauf er mit Schriftsatz vom 13.10.2022 und mit Erklärung im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2022 klarstellend hingewiesen hat, den Erlass einer abgeänderten einstweiligen Anordnung beantragt.

Ob durch eine gerichtliche Entscheidung über Unterhalt eine Regelung in einer Hauptsache oder im Wege der einstweiligen Anordnung getroffen wird, bestimmt sich angesichts der auch im einstweiligen Anordnungsverfahren in Unterhaltssachen bestehenden Bindung des Gerichts an die Sachanträge nach §§ 112 Nr. 1, 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i. V. m. 307, 308 ZPO (Zöller/Lorenz, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 246 FamFG Rn. 10) in erster Linie nach dem verfahrensgegenständlichen Antrag. Ist dieser, wie vorliegend, auf die Abänderung einer einstweiligen Anordnung gerichtet, und bezieht sich das Gericht, wie vorliegend, in seinen Entscheidungsgründen auf den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, so steht der Qualität der Entscheidung als ihrerseits einstweilige Anordnung weder die unzutreffende Wertfestsetzung entgegen noch der Umstand, dass das Amtsgericht ein neues Verfahren angelegt und zunächst ein schriftliches Vorverfahren angeordnet hat. Im Übrigen ist es für die Statthaftigkeit eines gegen eine Entscheidung gerichteten Rechtsmittels unerheblich, ob die angegriffene Entscheidung in einer den Verfahrensvorschriften entsprechenden Weise ergangen ist oder in dem Verfahren, in dem sie getroffen worden ist, hätte ergehen dürfen (BGH BeckRS 2014, 2199).

Ob eine Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung oder in einer Hauptsache getroffen worden ist, bedarf nur in den Fällen, in denen sich dies der Entscheidungsformel oder den Gründen der Entscheidung nicht eindeutig entnehmen lässt, einer Auslegung, bei der - unter anderem - auch die vom Gericht erteilte Rechtsmittelbelehrung heranzuziehen sein kann (vgl. BGH BeckRS 2021, 15728; 2015, 19221; 2014, 2199; Sternal/Göbel, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 70 FamFG Rn. 57). Vorliegend lässt die unzutreffenderweise erteilte Rechtsmittelbelehrung des Amtsgerichts aber schon keinen Rückschluss darauf zu, dass das Amtsgericht in einem Hauptsacheverfahren über den verfahrensgegenständlichen Antrag entschieden haben könnte. Die Rechtsmittelbelehrung weist vielmehr gerade auf die für die Anfechtung einstweiliger Anordnungen nach § 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG grundsätzlich zutreffende Beschwerdefrist von zwei Wochen hin.

Die unzutreffenderweise vom Amtsgericht erteilte Belehrung über die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels führt schließlich auch nicht dazu, dass der Antragsgegnerin entgegen § 57 FamFG ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung zustehen könnte. Aus dem aus Art. 2 Abs. 1 iVm 20 Abs. 3 GG als allgemeinem Prozessgrundrecht folgenden Recht auf ein faires Verfahren folgt, dass einem Rechtsuchenden der Zugang zum Gericht durch fehlerhaftes Verhalten des Gerichts nicht in unzumutbarer Weise erschwert werden darf (BVerfG NJW 2021, 915 Rn. 27). Deshalb schafft der sich in einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung niederschlagende Verlautbarungsfehler des Gerichts in den Fällen, in denen - anders als vorliegend - gegen eine Entscheidung nach dem Gesetz ein Rechtsmittel gegeben ist, bei den betroffenen Verfahrensbeteiligten einen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass vermutet wird, diese seien ohne Verschulden an einer fristgerechten Einlegung des Rechtsmittels gehindert gewesen (BVerfG a. a. O. Rn. 29; BGH NJW 2017, 3002 Nr. 11; NJW 2012, 1025; OLG Naumburg Beschluss v. 27.04.2017, 4 UF 19/17, juris; BeckOK ZPO/Wendtland, 47. Ed. 1.12.2022, § 233 ZPO Rn. 12). Wenn aber nach dem Gesetz ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung nicht besteht, wird ein davon Betroffener in seinem Recht auf Zugang zu den Gerichten aus Art. 2 Abs. 1 iVm 20 Abs. 3 GG durch eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung von vornherein nicht berührt. In diesen Fällen besteht für einen Vertrauenstatbestand aufgrund eines gerichtlichen Verlautbarungsfehlers keine Grundlage.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 20 Abs. 1 FamGKG, 243 FamFG. Die Nichterhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren rechtfertigt sich aus der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung, die die Antragsgegnerin zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens veranlasst haben mag.

Die Wertfestsetzung des Beschwerdegegenstands und die amtswegige Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung beruhen auf §§ 55 Abs. 3 Satz 2, 41, 51 Abs. 1, 2 FamGKG.

Diese Entscheidung ist mit Rechtsmitteln nicht angreifbar, § 70 Abs. 4 FamFG.