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Entscheidung 13 WF 6/23


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 09.05.2023
Aktenzeichen 13 WF 6/23 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0509.13WF6.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 24.11.2022 und das Verfahren, auf dem er beruht, aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Senftenberg zurückverwiesen.

Von der Erhebung von gerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die familiengerichtliche Genehmigung eines Antrags auf Änderung des Familiennamens ihrer betroffenen Kinder.

Die am … 2011 geborenen Zwillinge („Name 01“) und („Name 02“) sind die Kinder der Beschwerdeführerin. Seit dem … 2014 leben die Kinder bei Pflegeeltern, den Eheleuten („Name 05“). Im Jahr 2012 ist der bis zu diesem Zeitpunkt allein sorgeberechtigten Beschwerdeführerin die elterliche Sorge für die Zwillinge entzogen worden. Der Beschwerdegegner ist zum Vormund für die Kinder bestellt worden.

Mit Schriftsätzen vom 17.12.2021 hat der Vormund beim Familiengericht einen Antrag auf Genehmigung eines Antrags auf öffentlich-rechtliche Änderung des Familiennamens der beiden betroffenen Kinder gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 NamÄndG gestellt.

Das Familiengericht hat das Jugendamt und die Mutter schriftlich und die Kinder, den Vormund und die Pflegeeltern persönlich angehört. Den Vater der Kinder, Herrn („Name 06“), hat das Amtsgericht nicht angehört. Das Jugendamt unterstützt den Antrag ohne Begründung. Die Mutter hat der Namensänderung widersprochen und darauf hingewiesen, dass sich ihre Kinder, ihrem Alter entsprechend, selbst über eine Namensänderung eine Meinung bilden und diese äußern könnten. Bevor sie nicht mir ihren Kindern persönlich hierüber gesprochen habe, sei sie nicht mit einer Namensänderung einverstanden (Bl. 8). Wegen des Ergebnisses der persönlichen Anhörungen wird auf den Sitzungsvermerk vom 21.11.2022 (Bl. 16) Bezug genommen.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 24.11.2022 (Bl. 18 f.) hat das Amtsgericht die Erklärungen des Vormunds als des gesetzlichen Vertreters („Name 01“) und („Name 02“) "mit dem Gegenstand Namensänderung von („Name 01“) zu („Vorname von 01“ und Nachname von („Name 05“) und von („Name 02“) zu („Vorname von 02“ und Nachname von („Name 05“) familiengerichtlich genehmigt".

Zur Begründung hat es ausgeführt, Pflegeeltern und Vormund hätten vorgetragen, die Mutter habe bisher keinen Kontakt zu den minderjährigen Kindern, die Pflegeeltern seien feste Bezugs- und Vertrauenspersonen der Kinder. Die Kinder wünschten sich einen gemeinsamen Familiennamen mit ihnen. Das Amtsgericht entscheide nicht über die Genehmigung, sondern ermögliche es dem Vormund, einen Namensänderungsantrag beim zuständigen Standesamt erst zu stellen, über den die zuständige Verwaltungsbehörde zu entscheiden habe.

Der Beschluss ist den Bevollmächtigten der Mutter am 29.11.2022 formlos per beA übersandt worden.

Mit ihrer hiergegen gerichteten, am 19.12.2022 bei dem Beschwerdegericht eingegangenen (Bl. 1 der elektronischen Akte, im Folgenden: elA) Beschwerde wiederholt die Mutter ihre erstinstanzlich erhobenen Einwände und macht geltend, die Pflegeeltern hätten ihren Kontakt zu den Kindern unterbrochen. Sie behandelten die Kinder nicht gut. Sie sei nicht mit einer Namensänderung einverstanden und nehme das Verfahren als diskriminierend, entwürdigend und abwertend wahr.

Auf den Hinweis des Senats vom 19.1.2023 (Bl. 12 elA) beantragt die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 7.2.2023,

den angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts Senftenberg aufzuheben und die Sache zur Entscheidung an das Ausgangsgericht zurück zu verweisen.

Der Vormund hat mit Schriftsatz vom 5.2.2023 (Bl. 18 elA) beantragt,

den Beschluss aufzuheben und Zurückverweisung an das Amtsgericht Senftenberg zu veranlassen.

Mit Schriftsatz vom 19.4.2023 (Bl. 26 elA) beantragt der Vormund nun,

die Beschwerde der Beschwerdeführerin zurückzuweisen.

Er bezweifle eine Beteiligtenstellung und Beschwerdebefugnis der beschwerdeführenden Mutter. Die Anhörung des Kindesvaters halte er (ausnahmsweise) für entbehrlich, so dass nicht zwingend ein schwerer Verfahrensfehler anzunehmen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die im Beschwerderechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Mutter hat in der Sache einen vorläufigen Erfolg.

1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist die Mutter beschwerdebefugt, § 59 Abs. 1 FamFG. Nach dieser Vorschrift steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch den angefochtenen Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist, wobei es sich um die unmittelbare Beeinträchtigung eines eigenen materiellen Rechts handeln muss. In Kindschaftssachen ist das Recht der leiblichen Eltern grundsätzlich immer dann unmittelbar beeinträchtigt, wenn in das elterliche Sorgerecht eingegriffen wird. Darauf kann eine Beschwerdeberechtigung im vorliegenden Fall allerdings nicht gestützt werden, weil der Kindesmutter die elterliche Sorge für die beiden betroffenen Kinder nicht (mehr) zusteht.

Auch der nicht oder nicht mehr sorgeberechtigte rechtliche Elternteil kann sich indessen gegen solche Entscheidungen beschweren, die unmittelbar in seine verfassungsrechtlich geschützten Elternrechte eingreifen.

Danach ist die Beschwerdebefugnis im vorliegenden Fall zu bejahen. Obwohl die Beschwerdeführerin nicht mehr Inhaberin des Sorgerechts ist, wird durch die beantragte Genehmigung in ihre Elternstellung eingegriffen (BGH NJW 2020, 1220; OLG Stuttgart BeckRS2019, 38056; OLG Koblenz Beschluss vom 20.10.2014 - 13 WF 914/14 - juris Rn. 9 mwN). Das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG schützt – ebenso wie das Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK (vgl. EGMR NJW 2003, 1921) – das Interesse eines nichtsorgeberechtigten Elternteils an der Beibehaltung der namensmäßigen Übereinstimmung als äußeres Zeichen der persönlichen Bindung zu seinem Kind (vgl. VGH München Beschl. v. 8.1.2019 – 5 C 18.2513, BeckRS 2019, 258; OVG Münster StAZ 2017, 185 = BeckRS 2016, 52137 und Beschl. v. 13.7.2007 – 16 B 224/07, BeckRS 2007, 26041). Mit der beabsichtigten Namensänderung wird das nach der Entziehung des Sorgerechts allein noch nach außen wirkende Band zur Kindesmutter durchtrennt und dadurch die ohnehin bestehende räumliche, soziale und rechtliche Trennung zwischen Kind und Kindesmutter weiter vertieft, was Folgen auch für das Wohl des Kindes haben kann, an dem die Genehmigungsfähigkeit des vom Vormund angestrebten Namensänderungsantrags zu messen ist (vgl. OLG Brandenburg BeckRS 2011, 25146). Eine Befugnis des nichtsorgeberechtigten Elternteils zur Beschwerde gegen die familiengerichtliche Genehmigung einer vom Vormund beabsichtigten Antragstellung im öffentlich-rechtlichen Namensänderungsverfahren ist deshalb bei vorliegender Namensübereinstimmung mit dem Kind grundsätzlich gegeben (NJW 2020, 1220 Rn. 13). Ob sich die Kindesmutter unter den hier obwaltenden Umständen auf ein berechtigtes Interesse an der Aufrechterhaltung des namensrechtlichen Bandes berufen kann, ist keine im Rahmen der Zulässigkeit der Beschwerde zu erörternde Frage.

2. Die Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des ihm zugrundeliegenden Verfahrens und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung, § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG.

Das Verfahren leidet an einem schwerwiegenden Verfahrensmangel.

Das Amtsgericht hat verfahrensfehlerhaft gegen seine Pflicht zur Anhörung des Vaters der Kinder verstoßen. Nach § 160 Abs. 1 S. 1 FamFG soll das Gericht in Verfahren, welche die Person des Kindes betreffen, die Eltern persönlich anhören. Personenbezogene Kindschaftssachen im Sinne des § 160 Abs. 1 FamFG sind alle im Katalog des § 151 Nr. 1 – 5 FamFG aufgeführten Verfahren, soweit diese die Lebensführung und Lebensstellung eines Kindes und nicht ausschließlich dessen Vermögen betreffen (Hammer in Prütting/Helms, § 160 Rn. 6; Stößer FamRZ 2009, 656 [660]; vgl. auch BT-Drs. 16/6308, 241 zum gleichlautenden Begriff in § 162 FamFG). In personenbezogenen Kindschaftssachen kann von einer persönlichen Anhörung der Eltern nach § 160 Abs. 1 S. 1 FamFG nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen (BT-Drs. 16/6308, 240) abgesehen werden, in denen der Zweck der persönlichen Anhörung – nämlich die Gewährung rechtlichen Gehörs und die Aufklärung des Sachverhalts – auch auf andere Weise erreicht werden kann.

Die Anhörung war auch nicht, wie der Vormund meint, "(ausnahmsweise) entbehrlich" (Bl. 27 elA). Die Vorschrift des § 160 Abs. 2 S. 2 FamFG, die es in „sonstigen Kindschaftssachen“ ermöglicht, von der Anhörung eines nichtsorgeberechtigten Elternteils abzusehen, wenn von dessen Anhörung keine Aufklärung für die zu beurteilende Frage erwartet werden kann, ist auf das vorliegende Verfahren zur Genehmigung eines Namensänderungsantrags nicht anwendbar. Denn § 160 Abs. 2 FamFG regelt allein die Anhörungspflicht gegenüber Eltern in nicht-personenbezogenen Kindschaftssachen (BT-Drs. 16/6308, 240), mithin in solchen Verfahren, die ausschließlich die Vermögenssorge zum Gegenstand haben (Prütting/Helms/Hammer, FamFG, 6. A., 2023, § 160 FamFG Rn. 14; Stößer FamRZ 2009, 656 [660]). Dies rechtfertigt den Umkehrschluss, dass auch nichtsorgeberechtigte Eltern in Verfahren, die persönliche Angelegenheiten ihres Kindes betreffen, stets nach Maßgabe des § 160 Abs. 1 S. 1 FamFG anzuhören sind, ohne dass es dafür darauf ankäme, ob von ihrer Anhörung eine Aufklärung zu erwarten ist (vgl. Zorn in Dutta/Jacoby/Schwab, FamFG, 4. Aufl., 2021, § 160 FamFG Rn. 2).

Für die Anhörung von Eltern im familiengerichtlichen Verfahren betreffend die Genehmigung eines Namensänderungsantrags gelten keine grundsätzlich anderen Maßstäbe. Der Umstand, dass § 2 Abs. 2 NamÄndG bei minderjährigen Antragstellern nach Vollendung ihres 16. Lebensjahres abweichend von § 159 Abs. 1 S. 1 FamFG keine persönliche Anhörung durch das Gericht vorschreibt, mag zwar als gewisser Anhaltspunkt dafür herangezogen werden können, dass familiengerichtliche Genehmigungsverfahren nach § 2 Abs. 1 NamÄndG zu den „besonders gelagerten Ausnahmefällen“ des § 160 Abs. 1 S. 1 FamFG gehören können, in denen auf eine persönliche Anhörung der Eltern verzichtet werden kann. Doch selbst wenn das Gericht von einer persönlichen Anhörung im familiengerichtlichen Genehmigungsverfahren Abstand nehmen will, ändert dies nichts daran, dass die Eltern zumindest zur Gewährung rechtlichen Gehörs schriftlich oder auf sonstige geeignete Weise anzuhören sind. Schwerwiegende Gründe im Sinne des § 160 Abs. 3 FamFG, die unter den hier obwaltenden Umständen ein Absehen von der Anhörung des Kindesvaters rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

Insoweit ist es auch unerheblich, dass der Familienname des Kindesvaters nicht mit dem Familiennamen der Kinder übereinstimmt und die durch den Vormund angestrebte Namensänderung in Bezug auf den Kindesvater deshalb nicht zur Durchtrennung eines namensrechtlichen Bandes führen würde. Die Anhörungspflicht nach § 160 Abs. 1 FamFG knüpft an die rechtliche Elternstellung und nicht an eine unmittelbare Rechtsbetroffenheit an. Ein Elternteil ist in Kindschaftssachen deshalb auch dann anzuhören, wenn er nicht Verfahrensbeteiligter im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG ist, während er umgekehrt allein durch eine im Gesetz vorgesehene Anhörung auch nicht Verfahrensbeteiligter wird, § 7 Abs. 4 FamFG (BGH NJW 2020, 1220 Rn. 30-33).

3. Die angefochtene Entscheidung ist auf den Antrag der Beschwerdeführerin daher aufzuheben und die Sache zur Nachholung der (persönlichen) Anhörung von Mutter und Vater der Kinder an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, § 160 Abs. 1 S. 1 FamFG. Die Aufhebung und Zurückverweisung ist angezeigt, weil die Beschwerdeführerin dies beantragt hat und die Sache - wie oben dargelegt - nur durch umfangreiche und aufwändige weitere Ermittlungen zur Entscheidungsreife geführt werden kann (§ 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG). Durch deren Nachholung in der Beschwerdeinstanz würde den Beteiligten im Übrigen eine Tatsacheninstanz genommen, was unter den gegebenen Umständen nicht sachdienlich erscheint. Im weiteren Verfahren wird auch zu prüfen sein, ob nicht die Bestellung eines Verfahrensbeistandes für die Kinder (§ 158 FamFG) angezeigt ist (Sternal/Schäder, FamFG, 21. A., 2023, § 158 Rn 5).

4. Der die Gerichtskosten betreffende Ausspruch beruht auf § 20 FamGKG, die Festsetzung des Verfahrenswertes richtet sich nach §§ 42 FamGKG.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 70 Abs. 2 FamFG.