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Entscheidung 3 W 147/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 3. Zivilsenat Entscheidungsdatum 18.04.2023
Aktenzeichen 3 W 147/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0418.3W147.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 07.10.2022, Az. 52 VI 1020/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Beschwerdewert: 5.000 €

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin ist die Tochter des Erblassers und seiner vorverstorbenen Ehefrau. Der Antragsteller und die Beteiligte zu 2 sind die Kinder der Beschwerdeführerin, also die Enkel des Erblassers. Die Beteiligte zu 3 ist eine weitere Enkelin des Erblassers.

In dem gemeinschaftlichen Testament vom 03.05.1988 haben sich der Erblasser und seine Ehefrau gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und zu Schlusserben die Beschwerdeführerin mit einer Quote von 2/3 und die Beteiligten zu 1 bis 3 mit einer Quote von jeweils 1/9 eingesetzt.

Ferner heißt es unter Ziffer 2.:

„Ersatzerben unserer Tochter A… P… sollen ihre Nachkommen nach gesetzlicher Erbfolge sein.“

Ziffer 3. Lautet:

„Der überlebende Ehegatte wird ermächtigt, von diesem Testament abweichende Verfügungen zu machen.“

Der Erblasser errichtete am 28.07.2014 nach dem Tod seiner Ehefrau am 02.05.2014 ein weiteres Testament, in dem es unter anderem heißt.

„ Meine Tochter A… B…, geb... schließe ich für das zustehende Pflichtteil bei meinem zu vererbenden Vermögen aus. ...“

Es folgen weitere Anordnungen zur Verteilung seines Vermögens.

Der Antragsteller begehrt die Erteilung eines Erbscheins, beschränkt auf das im Inland befindliche Vermögen des Erblassers - dahingehend, dass der Erblasser beerbt wird von ihm selbst und der Beteiligten zu 2 zu je 4/9 und der Beteiligten zu 3 zu 1/9. Er beruft sich hierfür auf das gemeinschaftliche Testament des Erblassers und seiner Ehefrau vom 03.05.1988 und das Testament des Erblassers vom 28.07.2014. Er vertritt die Auffassung, der Erblasser habe das gemeinschaftliche Testament abändern und die Beschwerdeführerin wirksam vom Erbe ausschließen können. Durch die Enterbung der Beschwerdeführerin im Testament vom 28.07.2014 seien entsprechend der - weiterhin gültigen - Regelung im gemeinschaftlichen Testament deren Kinder ihre Ersatzerben geworden. Daraus ergebe sich die im Erbscheinsantrag genannte Erbquote. Bei den weiteren Regelungen im Testament des Erblassers handele es sich nur um die Anordnung von Vermächtnissen bzw. Teilungsanordnungen.

Die Beschwerdeführerin hat die Auffassung vertreten, der Erblasser habe das gemeinschaftliche Testament nicht wirksam abändern können, da die Regelungen im gemeinschaftlichen Testament, das eine Einsetzung der Beschwerdeführerin als Schlusserbin mit einer Quote von 2/3 enthalte wechselbezüglich seien.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 07.10.2022 die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags erforderlich sind, für festgestellt erachtet.

Der Erblasser habe aufgrund des Änderungsvorbehalts im gemeinschaftlichen Testament abweichende Verfügungen treffen dürfen. Hiervon habe er Gebrauch gemacht und die Beschwerdeführerin mit dem Testament von 28.07.2014 von der Erbfolge ausgeschlossen. Dadurch komme die Ersatzerbenregelung im gemeinschaftlichen Testament der Ehegatten zum Zuge, nach der die Kinder der Beschwerdeführerin deren Ersatzerben sein sollten.

Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde. Sie wendet ein, sie sei aufgrund der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments nicht wirksam von der Erbfolge ausgeschlossen worden. Zudem enthalte das Testament des Erblassers vom 28.07.2014 eine neue Verteilung des Vermögens und eine Einsetzung weiterer Personen als Erben, so dass der Erbscheinsantrag bereits aus diesem Grund die Erbfolge nicht zutreffend wiedergebe.

II.

Die nach §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Der vom Antragsteller beantragte Erbschein gibt die Erbquoten richtig wieder. Erben des Erblassers sind der Antragsteller und die Beteiligte zu 2 zu je 4/9 und die Beteiligte zu 3 zu 1/9 geworden.

Der Erblasser war nicht gehindert, das gemeinschaftliche Testament nach dem Tod seiner Ehefrau abzuändern und die Beschwerdeführerin vom Erbe auszuschließen. Zwar ist die Einsetzung der Beschwerdeführerin als Schlusserbin im gemeinschaftlichen Testament als wechselbezüglich zur gegenseitigen Erbeinsetzung anzusehen (§ 2270 Abs. 2 BGB) und kann eine wechselbezügliche Verfügung regelmäßig nach dem Tod des anderen Ehegatten nicht mehr widerrufen werden (§ 2271 Abs. 2 BGB). Der Umfang der Wechselbezüglichkeit und der erbrechtlichen Bindung obliegt aber den Beteiligten. Da es den Ehegatten freisteht, zu bestimmen, ob und inwieweit ihre Anordnungen wechselbezüglich sein sollen, sind sie auch befugt, die Widerruflichkeit wechselbezüglicher Verfügungen über dem vom Gesetz vorgesehenen Rahmen hinaus zu erweitern, zu beschränken oder auszuschließen und dem Überlebenden sogar ein freies Widerrufsrecht einzuräumen. Es steht ihnen frei, zu bestimmen, ob die Änderbarkeit einer Verfügung über die in § 2271 BGB vorgesehen Möglichkeiten erweitert wird (OLG Rostock, Beschluss vom 25.08.2020, 3 W 94/19).

Genau dies ist vorliegend erfolgt. Ziffer 3. des gemeinschaftlichen Testaments enthält nach seinem eindeutigen Wortlaut eine umfassende Abänderungsklausel. Dem Wortlaut der Klausel, der Längstlebende werde ermächtigt, nach dem Tod des Erstversterbenden „von diesem Testament abweichende Regelungen zu treffen“, kann nur so verstanden werden, dass diesem die Befugnis eingeräumt wird, frei von einer Bindung an die Regelungen des gemeinschaftlichen Testaments anderweitige Verfügungen über den beiderseitigen Nachlass zu treffen. Dazu gehört auch die Befugnis, die Einsetzung der Schlusserben abzuändern (OLG Rostock a.a.O. m.w.Nachweisen; Burandt/Rojahn, Braun/Schuhmann, 4. Aufl. 2022, BGB, § 2271, Rn 28 ff).

Durch das Testament vom 28.07.2014 hat der Erblasser die Beschwerdeführerin vom Erbe ausgeschlossen und sie enterbt (§ 1938 BGB). Dies ergibt sich aus der Formulierung auf Seite 1 des Testaments einschließlich der Begründung zum Pflichtteilsentzug. Der Erblasser wollte die Beschwerdeführerin ersichtlich - soweit rechtlich möglich - vom Erbe ausschließen. In dem Pflichtteilsentzug kommt damit auch der Wille einer Enterbung zum Ausdruck (vgl. Beck OGK, § 1938, Rn 16). Durch die Enterbung der Beschwerdeführerin wurde ihre Einsetzung als Schlusserbin aus dem gemeinschaftlichen Testament wirksam widerrufen. Damit sind nach der Regelung in Ziffer 2 des gemeinschaftlichen Testaments ihre Kinder als deren Ersatzerben in die Stellung der Beschwerdeführerin eingetreten. Ein Widerruf auch der weiteren Verfügung aus dem gemeinschaftlichen Testament ergibt sich aus dem Testament des Erblassers nicht. Dieses enthält keine Erbeinsetzung, sondern nur Teilungsanordnungen bzw. Vermächtnisse.

Die übereinstimmende Auslegung eines Testamentes, die hier darin zum Ausdruck kommt, dass keiner der weiteren im Testament des Erblassers erwähnten Personen ein Erbrecht für sich in Anspruch nimmt, das von dem gestellten Erbscheinsantrag abweicht und die Beteiligten zu 1 bis 3 übereinstimmend den Erbschein so wie beantragt für richtig halten, bindet das Nachlassgericht zwar, ebenso wie ein nur schuldrechtlich wirkender Auslegungsvertrag, nicht. Es kann dem zumindest aber indizielle Wirkung zukommen, wenn nach den Umständen angenommen werden kann, dass die vereinbarte Auslegung dem Erblasserwillen entspricht (KG, Beschluss vom 16.09.2003, 1 W 48/02). Dies ist hier der Fall. Auch der Senat geht davon aus, dass es bei der Verteilung des Erbes, so wie sie im gemeinschaftlichen Testament vorgesehen war, bleiben sollte, mit Ausnahme der Enterbung der Beschwerdeführerin. Ersichtlich kam es dem Erblasser in erster Linie auf die Enterbung der Tochter an. Dass er darüber hinaus von der Einsetzung der Erben, wie im gemeinschaftlichen Testament erfolgt, abweichen wollte und die Ersatzerbenregelung nicht zum Zuge kommen sollte, lässt sich dem Testament nicht sicher entnehmen. Es ist davon auszugehen, dass der Erblasser eine Abweichung von der gemeinsamen Einsetzung der Schlusserben im gemeinschaftlichen Testament nur insoweit wollte, als er erhebliche Gründe für eine Änderung der gemeinsam getroffenen Regelung hatte. Dieser lag im Zerwürfnis mit der Beschwerdeführerin.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG; die Festsetzung des Beschwerdewerts richtet sich mangels anderer Erkenntnisse nach der Auffangvorschrift des § 36 Abs. 3 GNotKG.