Gericht | OLG Brandenburg 2. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 24.04.2023 | |
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Aktenzeichen | 2 U 37/17 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0424.2U37.17.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 19. Juli 2017 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam, Aktenzeichen 4 O 458/16, abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.614,53 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Januar 2017 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen Schäden zu ersetzen, die sich daraus ergeben, dass die Beklagte bei Veräußerung der Flurstücke …. (vormals Flurstück …) und … (vormals Flurstück „Bb“) durch notariellen Kaufvertrag vom 6. April 2005 (UR-Nr. 64/2005 des Notars F… B… in B..) nicht sichergestellt hat, dass die baurechtlich notwendige Erschließung des Flurstücks „C“ (vormals Flurstück „Cc“) durch grundbuchlich abgesicherte Dienstbarkeiten auf den Flurstücken „A“ und „B“ gewährleistet ist, welche die Bebaubarkeit des Flurstücks „C“ im Umfang der durch den Bebauungsplan 35–1 „Nördliche … Vorstadt“ vorgesehenen Bebauung ermöglichen.
1. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
2. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 230.000,00 € festgesetzt.
I.
Die Klägerin begehrt bezifferten Schadensersatz und die Feststellung der weiteren Schadensersatzpflicht der Beklagten aus Amtshaftung.
Die Klägerin ist im Wege der Erbfolge seit 1995 Eigentümerin des Flurstücks „C“ (vormals „Cc“) der Flur 2 von P…. Auf diesem befindet sich mit dem so genannten M…wohnhaus, errichtet um 1800, das vermutlich älteste noch erhaltene Wohnhaus der … Vorstadt P…. Das Grundstück war zunächst über den 3. …weg erschlossen, der an die südlich verlaufende N… K…straße angebunden war, die heutige … Straße. Im August 1937 beabsichtigte die damalige Residenzstadt P. Straßenbauarbeiten zur Aufschließung des Areals. Der seinerzeitige Rechtsvorgänger der Klägerin ließ der Stadt hierfür ein Trennstück seines Grundstücks auf, das er bis zum Beginn der Arbeiten weiter nutzen durfte. Im September 1988 veräußerte die seinerzeitige Rechtsvorgängerin der Klägerin weitere für die Anlage eines befestigten Fußweges zur … Straße erforderliche Grundstücke an den damaligen Rat der Stadt P….
Im Mai 1994 beschloss die Beklagte die Aufstellung eines Bebauungsplans für die … Vorstadt. Die Klägerin bat die Beklagte im August 1996 um Erteilung einer Grunddienstbarkeit zur Absicherung eines Zufahrtrechts über die gemeindlichen Grundstücke „Bb“ und „Aa“ zur nördlich gelegenen Bö….straße. Das gewohnheitsrechtlich begründete Wegerecht zur B… Straße sei durch Eigentümerwechsel und Grundstücksverkauf erloschen. Anfang 1999 wurde der Entwurf des Bebauungsplans Nr. 35–1 für die Nördliche … Vorstadt öffentlich ausgelegt. Im Juli 1999 wandte sich die Klägerin mit der Bitte um Hilfe bezüglich des von ihr begehrten Wegerechts an die Stadtverordneten der Beklagten.
Im April 2005 veräußerte die Beklagte die von der Klägerin angesprochenen Flurstücke „Bb“ und „Aa“. Die Erwerberin verpflichtete sich, „bauordnungsrechtlich erforderliche Grunddienstbarkeiten (z. B. Wege-, Fahr- und Leitungsrechte) zu Lasten des Kaufgrundstücks auf Anforderung des jeweiligen Eigentümers der Flurstücke „D“ und „E“ eintragen zu lassen“. Im Dezember 2005 wurde ein aktualisierter Bebauungsplanentwurf neu öffentlich ausgelegt. Der Bebauungsplan wurde im Mai 2006 beschlossen. Nach dessen zeichnerischen und textlichen Festsetzungen ist eine darin näher bezeichnete Fläche auf den Grundstücken „Bb“ und „Aa“ in einer Breite von teils 7 m mit einem Gehrecht zugunsten der Allgemeinheit, mit einem Fahrrecht zugunsten der Benutzer und Besucher des Flurstücks „Cc“ sowie mit einem Leitungsrecht zugunsten der örtlichen Versorger zu belasten. In der Begründung zum Plan heißt es diesbezüglich:
„Abweichend von ursprünglichen Bebauungs- und Erschließungskonzepten ist eine vierte, den Blockinnenbereich von der Bö…straße aus erschließende neue Stichstraße nicht mehr vorgesehen, da eine Bebauung in diesem Bereich nur noch auf den ehemaligen Gärtnereiflächen des Flurstücks „Cc“ beabsichtigt ist. Auf der betreffenden Fläche im Anschluss an das denkmalgeschützte Mühlengebäude sollen bis zu drei zwei- bis dreigeschossige Villen oder Landhäuser ermöglicht werden […]. Erschlossen werden die Kleingärten und die neue Wohnbebauung auf dem Flurstück „Cc“ durch einen privaten Erschließungsweg, der zwischen den Grundstücken Bö…straße 3 und 4 als schmaler Privatweg angelegt werden soll.“
Die neue Eigentümerin der Flurstücke „Bb“ und „Aa“ (nun „B“ bzw. „A“) bestellte zulasten dieser Grundstücke ein Gehrecht zugunsten der Beklagten, ein Fahrrecht zugunsten der Benutzer und Besucher der angrenzenden Dauerkleingartenanlage, sowie ein Leitungsrecht zugunsten der Versorgungsträger. Zugunsten des jeweiligen Eigentümers des klägerischen Flurstücks „C“ wurde ohne Beteiligung der Klägerin das Recht eingetragen, die Grundstücke „B“ bzw. „A“ in einer Breite von 3 m zu begehen, zu befahren und Versorgungsleitungen im Erdreich zu verlegen. Mit E-Mail vom 27. November 2012 teilte eine Mitarbeiterin der Beklagten der Klägerin mit:
„Aufgrund Ihres seinerzeitigen Hinweises habe ich veranlasst, dass zugunsten Ihres Flurstücks „C“ (alt: „Cc“) und Zulasten des Flurstücks „A“ eine Grunddienstbarkeit (Geh-, Fahr- und Leitungsrecht) bewilligt und im Grundbuch des Flurstücks „A“ eingetragen wurde. Die Bestellungsurkunde und die Eintragungsnachricht erhalten Sie anliegend. Damit ist Ihr Grundstück nunmehr im Sinne des BauGB erschlossen, d. h. nicht mehr im baurechtlichen Sinne gefangen und somit bebaubar.“
Die Klägerin bat die Beklagte Anfang Januar 2015 um Auskunft zur wegerechtlichen Erschließung ihres Grundstücks, insbesondere zum Inhalt der bestellten Grunddienstbarkeit. Im Folgenden informierte sie die Beklagte, dass die ihr zwischenzeitlich bekannt gewordene Grunddienstbarkeit baurechtlich ungenügend sein dürfte, und bat wiederholt um Klärung. Ende Januar 2015 bat sie um Mitteilung, welche Schritte die Beklagte unternehmen wolle, um die Erschließung des in Rede stehenden Grundstücks sicherzustellen. Die Beklagte erbot sich im April 2015, die Problematik in einem Gespräch mit der Eigentümerin des Nachbargrundstücks anzusprechen, sah aber keinen Rechtsanspruch auf Vollziehung einzelner Festsetzungen des Bebauungsplans. Im Juli 2015 erläuterte die Beklagte gegenüber der Klägerin die unveränderte Sicht der Eigentümerin des Nachbargrundstücks, wiederholte ihre Auffassung zum – fehlenden – Anspruch der Klägerin auf Vollziehung einzelner Festsetzungen des Bebauungsplans und teilte mit, sie habe den Vorgang mit Blick auf eine etwaige Amtspflichtverletzung an ihren Haftpflichtversicherer weitergeleitet. Dieser bat Ende Juli 2015 um nähere Erläuterung einzelner Punkte. Im September 2015 wiederholte die Beklagte ihre Auffassung und bat die Klägerin, eine etwaige Amtspflichtverletzung näher darzulegen. Die Klägerin wandte sich mit der Bitte um Hilfe an den Oberbürgermeister der Beklagten. Im April 2016 erläuterte die Klägerin gegenüber dem Haftpflichtversicherer der Beklagten die von ihr gesehenen Amtspflichtverletzungen. Dieser erklärte unter dem 30. Juni 2016 wunschgemäß Verjährungsverzicht bis Ende 2016 für noch nicht verjährte Ansprüche.
Mit Vorbescheid vom 12. Oktober 2016 erklärte die Beklagte, das Grundstück „C“ bei weder bauplanungsrechtlich noch bauordnungsrechtlich erschlossen. Die zugunsten der Stadt eingeräumten Dienstbarkeiten genügten nicht. Auf den Widerspruch der Klägerin bestätigte die Beklagte die ausreichende bauordnungsrechtliche Erschließung des Flurstücks „C“ infolge der beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten zugunsten der Stadt, wies den weitergehenden Widerspruch der Klägerin indes zurück. Deren Klage zum Verwaltungsgericht und der Zulassungsantrag zum Oberverwaltungsgericht blieben erfolglos. Nach dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist das Grundstück „C“ in Ermangelung einer ausreichenden grundbuchrechtlichen Absicherung des plangerechten Wegerechts auf den Grundstücken „B“ und „A“ nicht bauplanungsrechtlich erschlossen. Ein Notwegerecht genüge nicht, eine Befreiung von dieser Voraussetzung sei weder beantragt worden noch rechtlich zulässig. Eine mögliche, aus Treu und Glauben abzuleitende Erschließungspflicht der Beklagten änderte hieran nichts, da ihre Umsetzung nicht absehbar sei (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. November 2022 – OVG 2 N 67/20 –).
Bereits am 1. Dezember 2016 wies der Haftpflichtversicherer der Beklagten Schadensersatzansprüche der Klägerin zurück.
Die Klägerin begehrt mit der am 30. Dezember 2016 beim Landgericht eingereichten und am 24. Januar 2017 zugestellten Klage neben der Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten den Ersatz materieller Schäden. Als solche sieht sie die Anwaltskosten ihrer Vertretung im Verwaltungsverfahren, ihres Vorgehens gegen den Vorbescheid sowie diejenigen für die außergerichtliche Vertretung gegenüber der Eigentümerin der von der Beklagten veräußerten Nachbargrundstücke, ferner die für den Vorbescheid entstandenen Gebühren.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In dem Urteil, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, heißt es zur Begründung: Die Beklagte habe keine Amtspflichtverletzung zu Lasten der Klägerin begangen. Es obliege der Klägerin, die Erschließung ihres Baugrundstücks sicherzustellen. Daran ändere auch die Festlegung im Bebauungsplan nichts, die im Bebauungsplan mit „E“ gekennzeichnete Fläche sei mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zu belasten. Das müsse nicht die Beklagte realisieren. Sie sei der Klägerin auch nicht zur Erschließung verpflichtet. Der anerkannte Ausnahmefall, in dem sich die allgemeine Erschließungslast zur Erschließungspflicht verdichte, liege nicht vor. Das Grundstück sei vor Erlass des Bebauungsplans nicht gesichert erschlossen gewesen, die rein faktische Zuwegung zur B… Straße genüge nicht. Es könne dahinstehen, ob die Beklagte beim Verkauf der Grundstücke „Bb“ und „Aa“ hoheitlich gehandelt habe und gegen den Gleichheitssatz verstoßen habe, indem sie nicht zugleich Grunddienstbarkeiten zugunsten der Klägerin ausbedungen habe. Denn nach dem Widerspruchsbescheid vom Mai 2017 genüge in bauordnungsrechtlicher Hinsicht die nunmehr eingeräumte Rechtsposition, sodass der Klägerin ein Schaden nicht entstanden sei. Die Beklagte sei auch bei der Veräußerung der Grundstücke „Bb“ und „Aa“ nicht verpflichtet gewesen, die mutmaßlich bereits zu diesem Zeitpunkt avisierte Erschließung über diese Grundstücke abzusichern. Im Gegenteil habe sie das Gebot zur wirtschaftlichen Haushaltsführung zu beachten gehabt. Sie habe deshalb auch nicht weiter auf die neue Eigentümerin einwirken müssen; dass sie es getan habe, begründe nicht die Annahme einer weitergehenden Verpflichtung. Die Amtspflicht zu konsequentem Verhalten sei nicht verletzt. Die Klägerin habe keine Dispositionen mit Blick auf das Vorverhalten der Beklagten getroffen. Angesichts dessen könne die Zulässigkeit des Feststellungsantrags ebenso dahinstehen wie die Fragen der Schadenskausalität, einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit sowie der Verjährung. Der Einräumung einer weiteren Schriftsatzfrist wie beantragt bedürfe es nicht, da alle maßgeblichen Fragen bereits schriftsätzlich erörtert worden seien.
Das am 19. Juli 2017 verkündete Urteil ist der Klägerin am 28. Juli 2017 zugestellt worden. Sie hat am 28. August 2017 Berufung eingelegt und am 22. September 2017 auf anschließend bewilligte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30. Oktober 2017 angetragen. Ihre Berufungsbegründung ging am 25. Oktober 2017 ein.
Die Klägerin ist der Auffassung, das Landgericht habe eine Überraschungsentscheidung getroffen und ihr die beantragte Schriftsatzfrist zu Unrecht versagt. Es nehme fälschlich an, ihr Grundstück sei erst mit dem Bebauungsplan zu Bauland geworden. Tatsächlich sei das Grundstück seit 200 Jahren bebaut und bewohnt. Diese historische Erschließungssituation, von ihr erstinstanzlich bereits angesprochen, hätte erörtert werden müssen und in der Schriftsatzfrist näher ausgeführt werden können. Die Beklagte habe im Jahr 1937 die vertragliche Pflicht übernommen, die Erschließung des Grundstücks zu ermöglichen. Spätestens mit der Veräußerung der ihr in den Jahren 1937 und 1988 aufgelassenen für die Zuwegung genutzten Grundstücke habe sie ihre Verpflichtung begründet, die Erschließung auf anderem Wege zu ermöglichen. Das unterscheide den Fall von der durch das Landgericht angenommenen Fallkonstellation, in der erst durch eine Bebauungsplanung die Bebaubarkeit eines bislang unbebauten Grundstücks hergestellt werde. Die Beklagte habe zudem nach dem Gleichheitssatz die Bebaubarkeit dieses Grundstücks ebenso sichern müssen wie die der weiteren Grundstücke „D“ und „E“, die sie beachtet habe. Nur dies hätte auch der Amtspflicht zu konsequentem Verhalten entsprochen. Die Klägerin habe umfassende Bemühungen zum Erhalt des M…wohnhauses gezeigt und damit die von dem Landgericht vermissten wirtschaftlichen Dispositionen mit Blick auf die fortbestehende Bebaubarkeit des Grundstücks getroffen.
Die Klägerin beantragt:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Potsdam zum Aktenzeichen 4 O 458/16 verurteilt, an die Klägerin 9.614,53 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die sich daraus ergeben, dass die Beklagte bei Veräußerung der Flurstücke „A“ (vormals Flurstück „Aa“) und „B“ (vormals Flurstück „Bb“) nicht sichergestellt hat, dass die bauplanungsrechtliche und bauordnungsrechtliche Erschließung des Flurstücks „C“ (vormals Flurstück „Cc“) durch grundbuchlich abgesicherte Dienstbarkeiten auf den Flurstücken „A“ und „B“ gewährleistet ist, welche die Bebaubarkeit des Flurstücks „C“ im Umfang der durch den Bebauungsplan 35-1 „Nördliche … Vorstadt“ vorgesehenen Bebauung ermöglichen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Sie habe keine Amtspflicht verletzt. Aus den Festlegungen des Bebauungsplans erwachse ihr keine Erschließungspflicht. Entsprechend habe die Klägerin keinen dahingehenden Anspruch, vielmehr obliege es ihr selbst, die Voraussetzungen für die Bebaubarkeit ihres Grundstücks zu schaffen, nötigenfalls im Verfahren nach § 85 BauGB. Der Bebauungsplan habe für sich nicht die Bebaubarkeit des Grundstücks gesperrt. Denn das Grundstück habe stets nur über einen tatsächlichen Zugang ohne rechtliche Absicherung verfügt. Mit dem nur vorsorglich bestrittenen neuen Vorbringen zur historischen Erschließungssituation sei die Klägerin ausgeschlossen. Aus den von ihr überreichten Dokumenten ergebe sich das daraus von der Klägerin Abgeleitete nicht. Die Amtspflicht zum konsequenten Verhalten sei nicht verletzt, kein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin schadensstiftend enttäuscht worden. Ihre Aufwendungen seien nicht mit Blick auf eine zu erwartende Erschließung erfolgt. Diese sei nie konkret in Aussicht gestellt worden. Die Planungen seien stets konsistent weiterverfolgt worden. Der Verkauf des Grundstücks habe nicht dem Plan widersprochen, der keine Erschließung über städtischen Grund vorsehe, und begründe als privatrechtliche Maßnahme keinen Gleichheitsverstoß. Der Klägerin sei in Ermangelung einer gesicherten Erschließung auch kein Schaden entstanden. Der Plan selber sei nicht rechtswidrig, die darin vorgesehene Erschließung entspreche dem von der Klägerin Gewollten. In jedem Fall seien Ansprüche der Klägerin verjährt. Der Feststellungsantrag sei mangels Rechtschutzbedürfnisses unzulässig, soweit er sich auf die bauordnungsrechtliche Erschließung beziehe, denn diese sei mittlerweile gesichert.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Klägerin steht dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch zu. Er erfasst auch die von ihr bereits konkret geltend gemachten Positionen.
1.
Die Klage ist auch hinsichtlich des Feststellungsantrages zulässig.
Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die behauptete Entschädigungs- bzw. Schadensersatzpflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin ist ein feststellfähiges Rechtsverhältnis in diesem Sinne (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 1991 – VII ZR 245/90 –, N0JW 1992, 697 = MDR 1992, 519; Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Auflage 2022, § 256 ZPO Rdnr. 4). Ein rechtlich geschütztes Interesse an alsbaldiger Feststellung hat die Klägerin bei Verletzung einer Norm zum Schutz des Vermögens wie hier, soweit eine Vermögensgefährdung dargelegt ist, das heißt die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadens (Greger ebd. Rdnr. 9 m. w. N.), die Beklagte die Einstandspflicht aber ernstlich bestreitet (Greger ebd. Rdnr. 7). Das Feststellungsinteresse fehlt, wenn der Klägerin eine bessere Rechtsschutzmöglichkeit offensteht und zumutbar ist, namentlich die Klage auf Leistung. Das ist nicht der Fall, wenn die Klägerin ihren Anspruch zum Beispiel auf Schadensersatz noch nicht oder nicht ohne Durchführung einer aufwendigen Begutachtung beziffern kann. Befindet sich der anspruchsbegründende Sachverhalt wie zum Beispiel der Schaden zur Zeit der Klageerhebung noch in der Fortentwicklung, so ist die Feststellungsklage insgesamt zulässig, auch wenn der Anspruch bereits teilweise beziffert werden könnte; der Geschädigte kann aber auch bezüglich des bereits bezifferbaren Teils des Schadens Leistungsklage und im Übrigen Feststellungsklage erheben (BGH, Urteil vom 19. April 2016 – VI ZR 506/14 –, NJW-RR 2016, 759 = MDR 2016, 786; Greger ebd. Rdnr. 7a).
Diese Voraussetzungen sind hier nach dem maßgeblichen Vortrag der Klägerin gegeben. Sie hat den wahrscheinlichen Eintritt eines Schadens dargetan, kann dessen Höhe aber aus nachvollziehbaren Gründen noch nicht abschließend beziffern. Hierzu gehört die Möglichkeit einer weiteren Wertänderung bezüglich des in Rede stehenden Grundstücks ebenso wie diejenige von Baupreissteigerungen, Zinsverlusten oder entgangenem Gewinn aus dem Verkauf oder der Vermietung der auf dem Grundstück zulässigerweise zu errichtenden Wohnhäuser.
Der Antrag ist hinreichend bestimmt (zu den Maßstäben vgl. nur BGH, Urteil vom 10. Januar 1983 – VIII ZR 231/81 –, NJW 1983, 2247/2250, Rdnr. 39 bei juris). Er benennt mit dem Verhalten der Beklagten bei der Veräußerung der Grundstücke „Bb“ und „Aa“ ein konkretes schädigendes Tun. Dass die im Verkauf ohne eine ausreichende Absicherung der Wege- und Leitungsrechte jedenfalls angelegte Gefährdung auch der bauordnungsrechtlichen Erschließung im Folgenden durch die Beklagte im Zusammenwirken mit der Erwerberin abgewendet werden konnte, betrifft nur den Umfang des der Klägerin aus dem ursprünglichen Verhalten entstandenen Schadens, nicht aber die grundsätzliche Einstandspflicht der Beklagten. Dass der Klägerin hieraus keinerlei Schaden entstanden sein kann, ist jedenfalls nicht offensichtlich.
2.
Die Klage ist begründet. Die Beklagte ist der Klägerin aufgrund einer Amtspflichtverletzung zum Schadensersatz verpflichtet.
Rechtsgrundlage des Anspruchs ist § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG. Voraussetzung der auf die Körperschaft übergeleiteten Haftung ist, dass ein Beamter im haftungsrechtlichen Sinne in Ausübung eines ihm von der Beklagten anvertrauten Amtes schuldhaft eine ihm der Klägerin gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt und ihr so einen Schaden verursacht hat, für den – bei nur fahrlässigem Handeln des Beamten – die Klägerin nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Bediensteten der Beklagten handelten amtspflichtwidrig, als sie im Jahr 2005 die Flurstücke „Aa“(nun „A“) und „Bb“ (nun „B“) veräußerten, ohne für eine grundbuchliche Sicherung der Erschließbarkeit des klägerischen Grundstücks Sorge zu tragen. Hierdurch schädigten sie die Klägerin.
a)
Die Bediensteten der Beklagten handelten in Ausübung eines anvertrauten Amtes.
Durch dieses für die Überleitungsnorm des Art. 34 Satz 1 GG maßgebliche Tatbestandsmerkmal wird der Anwendungsbereich der Amtshaftung auf die Ausübung öffentlicher Gewalt begrenzt. Die durch ein Dienst- oder Amtsverhältnis zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts in den „öffentlichen Dienst“ inkorporierten Amtswalter müssen gerade im öffentlich-rechtlich geordneten Funktionskreis ihrer Körperschaft den schadensbegründenden Pflichtverstoß begangen haben. Wesentlich ist dabei, ob der Amtsträger sein Amt nach Maßgabe des öffentlichen oder des privaten Rechts ausübt, wobei öffentlich-rechtliche Tätigkeit synonym ist mit „hoheitsrechtlicher Tätigkeit“ oder „Ausübung öffentlicher Gewalt“ (vgl. Papier/Shirvani, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 839 BGB Rdnr. 195; Reinert, in: Beck'scher Online-Kommentar zum BGB, 65. Edition mit Stand 1. Februar 2023, § 839 BGB Rdnr. 17).
Anerkanntermaßen wird der Staat bei fiskalischen Hilfsgeschäften der öffentlichen Verwaltung wie dem Einkauf von Bürobedarf privatrechtlich tätig. Maßnahmen im Rahmen der Eingriffsverwaltung gehören dagegen ebenso eindeutig zum hoheitlichen Handeln des Staates wie solche der Leistungsverwaltung, die mit den Mitteln des nur der öffentlichen Hand zustehenden öffentlichen Rechts erbracht werden. Das gilt nicht nur dort, wo hoheitlicher Zwang ausgeübt wird, sondern auch für das schlicht-hoheitliche Handeln durch Gewährung und Ausübung von öffentlichem Schutz und öffentlicher Fürsorge (vgl. Dörr, in: BeckOnline-Großkommentar mit Stand 1. Dezember 2022, § 839 BGB Rdnr. 68).
Im Bereich der schlicht-hoheitlichen Tätigkeit hat die Verwaltung hingegen die Wahl, ob sie in öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Formen handelt. Macht sie von der Möglichkeit Gebrauch, ihre im materiellen Sinne öffentlichen Aufgaben in den Formen des Privatrechts wahrzunehmen, richtet sich auch die Haftung für Pflichtverletzungen nach den Regeln des Privatrechts; die Zurechnungsnorm des Art. 34 GG greift in diesen Fällen nicht. Die Wahl der Rechtsform ist damit ein wichtiger Anknüpfungspunkt für die Frage, ob ein öffentliches Amt ausgeübt wird oder nicht. Dem folgend wurde sowohl die Übernahme einer Bürgschaft durch einen Ortsbürgermeister ebenso als allein privatrechtlich qualifiziert (BGH, Urteil vom 16. März 2000 – III ZR 179/99 –, NJW 2000, 2810, Rdnr. 15 f) wie der Grundstückskauf durch eine Gemeinde anstelle einer möglichen Enteignung (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1980 – V ZR 160/78 –, NJW 1981, 976, Rdnr. 34; vgl. auch Dörr ebd, Rdnr. 69 f) sowie der Verkauf eines Grundstücks durch die Treuhandanstalt in Umsetzung ihres gesetzlichen Privatisierungsauftrags (BGH, Urteil vom 11. März 2004 – III ZR 90/03 –, BGHZ 158, 253 = LKV 2004, 382, Rdnr. 17 ff). Nach diesen Maßstäben ist vorliegend der Abschluss des Grundstückskaufvertrags als solcher ohne weiteres – einheitlich gegenüber allen Betroffenen – als privatrechtlich und damit nicht-hoheitlich einzuordnen.
Hiervon zu trennen ist freilich die der eigentlichen Veräußerung vorgelagerte Entscheidung der Beklagten, ob und zu welchen Konditionen das Grundstück zu veräußern ist und welche Sicherungen für die hiervon betroffenen Nachbarn dabei vorzunehmen sind. Diese Entscheidung bildete gewissermaßen die erste Stufe des zweiaktigen Geschehens im Sinne einer Grundentscheidung einerseits und der ‒ ohne weiteres privatrechtlichen ‒ Umsetzung andererseits (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2004 – III ZR 90/03 –, BGHZ 158, 253 = LKV 2004, 382, Rdnr. 20). Ob diese Entscheidung dem öffentlichen Recht unterliegt, kann sich in Ermangelung einer bestimmten Form nur danach beurteilen, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn die Beklagte tätig wurde, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2020 – VI ZR 281/19 –, NJW-RR 2020, 790; vom 20. Dezember 2016 – VI ZR 395/15 –, NJW 2017, 1745; Urteil vom 6. März 2014 – III ZR 320/12 –, BGHZ 200, 253 = NJW 2014, 1665; Dörr ebd. Rdnr. 72; Reinert ebd. Rdnr. 17). Es bedarf einer wertenden Gesamtbetrachtung des behördlichen Tätigwerdens unter Beachtung auch des damit primär verfolgten Ziels (BGH, Urteil vom 16. März 2000 – III ZR 179/99 –, Rdnr. 16).
Diese Gesamtbetrachtung ergibt vorliegend einen deutlichen Bezug des Grundstücksverkaufs zur Bebauungsplanung der Beklagten und damit zu ihrer öffentlichen Aufgabe einer geordneten städtebaulichen Entwicklung gemäß § 1 Abs. 3 BauGB. Die Beklagte verfolgte mit der Veräußerung der in ihrem Eigentum stehenden Baugrundstücke an Investoren das Ziel einer Entwicklung des Gebietes der … Vorstadt gemäß dem zu dieser Zeit bereits weit gediehenen Entwurf eines Bebauungsplans. Vor allem aber bezweckte sie mit dem Ausbedingen der nach öffentlichem Baurecht notwendigen Dienstbarkeiten zugunsten innenliegender Grundstücke im Kaufvertrag, die plangemäße Bebaubarkeit dieser Grundstücke zu sichern. Allein auf diese Weise konnte das Gebiet den städtebaulichen Vorstellungen der Beklagten entsprechend entwickelt werden, wie sie sich in dem nur wenige Monate später erneut ausgelegten und schließlich beschlossenen Bebauungsplan niederschlugen. Einerseits ermöglichte der Verkauf der städtischen Grundstücke den nötigen Zugriff von Investoren und damit überhaupt die Bebauung, zu der die Stadt selbst anscheinend nicht in der Lage war. Andererseits konnte und kann der Innenbereich des Areals nur entwickelt werden, soweit er ausreichend bauordnungs- und bauplanungsrechtlich erschlossen ist. Insbesondere die Begründung von Ansprüchen zugunsten einzelner Eigentümer im Grundstückskaufvertrag diente daher – in privatrechtlicher Form – der Realisierung der beabsichtigten Bauleitplanung der Beklagten und damit ihrer öffentlichen Aufgabe. Die grundsätzliche Entscheidung, derartige Rechtspositionen zu begründen, beruhte offensichtlich auf den bauplanungsrechtlichen Vorstellungen der Beklagten und sollte ihre Realisierung sichern. Fiskalische Gründe bestanden ersichtlich nicht, standen dem vielmehr eher entgegen. Wäre es der Beklagten nur um die möglichst gewinnbringende Veräußerung ihres Grundvermögens gegangen, hätte ein Verzicht auf jegliche Einschränkungen für die Erwerberin näher gelegen, um gegebenenfalls einen höheren Preis zu erzielen.
b)
Die Bediensteten der Beklagten handelten amtspflichtwidrig.
Es ist die grundlegende Amtspflicht des Beamten, die Aufgaben und Befugnisse des Staates oder der Körperschaft, für die er tätig wird, im Einklang mit dem objektiven Recht wahrzunehmen und auszuüben. Die öffentlich-rechtlichen Rechtspflichten, die die öffentliche Hand dem Bürger gegenüber hat, bestimmen zugleich die persönlichen Amtspflichten, die dem Amtswalter obliegen. Er ist deswegen verpflichtet, sich an Recht und Gesetz zu halten, also die Verfassung, die förmlichen Gesetze, Rechtsverordnungen, Satzungen und sonstige Rechtsvorschriften, auch des Rechts der Europäischen Union, zu beachten. Da die Gerichte letztlich über die Auslegung und Anwendung von Normen zu befinden haben, hat der Beamte auch die Pflicht, die für seine Amtsausübung einschlägige Rechtsprechung zu berücksichtigen (Dörr ebd. Rdnr. 142; Reinert ebd. Rdnr. 53; Papier/Shirvani ebd. Rdnr. 246; Staudinger/Wöstmann (2020) BGB § 839 Rdnr. 121). Das gilt auch bei der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben in privatrechtlicher Form. Vor allem die Grundrechtsbindung der öffentlichen Gewalt ist unabhängig von den gewählten Handlungsformen und den Zwecken, zu denen sie tätig wird. Der Staat ist auch dann an die Grundrechte gebunden, wenn er auf Handlungsformen des Zivilrechts zurückgreift. Eine Flucht aus der Grundrechtsbindung in das Privatrecht mit der Folge, dass der Staat unter Freistellung von Art. 1 Abs. 3 GG als Privatrechtssubjekt zu begreifen wäre, ist ihm verstellt. In jedem Fall ist die öffentliche Hand an das in Art. 3 Abs. 1 GG niedergelegte Willkürverbot gebunden. Ungleichbehandlungen müssen daher durch sachgerechte Gründe gerechtfertigt sein (BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 2016 – 2 BvR 470/08 –, NJW 2016, 3153, Rdnr. 29 ff).
Die Beklagte handelte rechtswidrig, als sie unter Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG zugunsten anderer Grundstückseigentümer die baurechtlich erforderliche Erschließung ihrer Grundstücke sicherte, nicht aber auch zugunsten der Klägerin. Die Beklagte verpflichtete bei der Veräußerung der ihr gehörenden Wegegrundstücke die Erwerberin, den Eigentümern bestimmter Grundstücke die notwendigen Wege-, Fahr- und Leitungsrechte einzuräumen. Zugunsten der Klägerin sieht der Kaufvertrag keine dahingehende Verpflichtung vor, obwohl auch die Klägerin für die bauliche Nutzbarkeit ihres Grundstücks erkennbar einer solchen Absicherung bedurfte, wie auch der im Folgenden erlassene Bebauungsplan ausdrücklich ausführt. Die Klägerin hatte die Beklagte zuvor sogar bereits zweimal, im August 1996 sowie erneut im Juli 1999, auf diese Notwendigkeit hingewiesen. Das seit langem bebaute Grundstück der Klägerin war bis dahin nur faktisch über den Weg erschlossen, der über das Grundstück der Beklagten verlief. Eine rechtliche Absicherung auch für den Fall der Veräußerung des in der öffentlichen Hand befindlichen Grundstücks etwa durch Grunddienstbarkeiten bestand nicht. Während die jeweiligen Eigentümer der Flurstücke „D“ und „E“ beim Verkauf des Grundstücks als Begünstigte eines dahingehenden Vorbehalts berücksichtigt wurden, wurde die Klägerin dies trotz ihrer vergleichbaren Lage nicht. Für diese Ungleichbehandlung sind keine Gründe ersichtlich oder vorgetragen. Sie kann daher nur als willkürlich verstanden werden und ist vor Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu rechtfertigen. Die Bediensteten der Beklagten handelten hierbei wenigstens fahrlässig; Gründe, die ihr Verhalten als vertretbar erscheinen ließen, sind nicht zu erkennen.
c)
Hierdurch wurde die Klägerin geschädigt. Ihr Grundstück verlor mit der Veräußerung des gemeindlichen Grundstücks an die private Investorin die bereits bestehende baurechtlich gesicherte Erschließung.
Bei dem Begriff der gesicherten Erschließung handelt es sich um einen Begriff des Bundesrechts; er kann durch Landesrecht nicht konkretisiert oder ausgefüllt, sondern lediglich ergänzt werden. Die Erschließung in diesem Sinne umfasst regelmäßig einen Anschluss des Baugrundstücks an das öffentliche Straßennetz, der ausreicht, um die von der Nutzung ausgehenden Belastungen weitgehend störungsfrei auffangen und bewältigen zu können. Gesichert ist die wegemäßige Erschließung, wenn damit gerechnet werden kann, dass der Anschluss an das öffentliche Straßennetz bis zur Herstellung des Bauwerks, spätestens bis zur Gebrauchsabnahme, funktionsfähig angelegt ist und wenn ferner – auch in rechtlicher Hinsicht – damit zu rechnen ist, dass dieser Anschluss auf Dauer zur Verfügung stehen wird. Bei einem Baugrundstück, das eine unmittelbare Angrenzung zum öffentlichen Wegenetz aufweist, ist hiervon grundsätzlich ohne weiteres auszugehen. Fehlt dagegen eine unmittelbare Verbindung zu einer öffentlichen Straße, muss die Zugänglichkeit in rechtlicher Hinsicht abgesichert werden. Eine solche Sicherung kann etwa durch eine Baulast oder durch eine Grunddienstbarkeit erfolgen, aber auch darin liegen, dass ein Baugrundstück über ein im Eigentum der Gemeinde stehendes Wegegrundstück, das dem allgemeinen Verkehr jedenfalls tatsächlich zur Verfügung steht, erreichbar ist und die Gemeinde – trotz Fehlens einer förmlichen Widmung – beispielsweise aus Gründen der Gleichbehandlung auf Dauer gehindert ist, den Anliegerverkehr zu dem Baugrundstück zu untersagen (Senat, Beschluss vom 17. März 2023 – 2 U 26/22 –, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerwG im Urteil vom 30. August 1985 – 4 C 48/81, NVwZ 1986, 38/39; Urteil vom 3. Mai 1988 – 4 C 54/85, NVwZ 1989, 353/354; Urteil vom 31. Oktober 1990 – 4 C 45/88, NVwZ 1991, 1076/1077; Urteil vom 8. Mai 2002 – 9 C 5/01, NVwZ-RR 2002, 770; Beschluss vom 30. Juni 2014 – 9 B 6.14, BeckRS 2014, 54725, Rdnr. 13).
Nach diesen Maßstäben war das klägerische Grundstück bis 2005 bauplanungsrechtlich erschlossen. Es konnte über das gemeindliche Wegegrundstück für den Geh- sowie Fahrverkehr erreicht werden, das auch ohne eine bauplanungsrechtliche Festsetzung und auch ohne eine formgerechte Widmung faktisch ein Wegegrundstück war. Die Beklagte als Eigentümerin war jedenfalls nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gehindert, den Anliegerverkehr zu dem klägerischen Grundstück zu untersagen. Denn dieser Weg verblieb als einzige Zuwegung zum klägerischen Grundstück und dem darauf befindlichen denkmalgeschützten Wohngebäude, nachdem die Beklagte die zunächst bestehende Stichstraße von der B… Straße ihrerseits an eine Investorin veräußert und so deren Sperrung ermöglicht hatte.
Der entsprechende Vortrag der Klägerin zur historischen Erschließungssituation ist nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO der Entscheidung des Senats schon deshalb zugrunde zu legen, weil er von der Beklagten nicht substantiiert bestritten wurde und deshalb nach § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig gilt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 2008 – GSZ 1/08 –, BGHZ 177, 212 = NJW 2008, 3434; Beschluss vom 31. Mai 2022 – X ZR 41/20 –, GRUR 2022, 1550 Rdnr. 13). Die Klägerin hat detailliert zur Geschichte des Grundstücks und des auf ihm stehenden M…hauses einschließlich seiner wegemäßigen Anbindung vorgetragen und hierfür auch Dokumente herangezogen und vorgelegt, deren Authentizität die Beklagte nicht in Frage gestellt hat. Das betrifft die Grundstücksveräußerungsverträge von 1937 und 1988 ebenso wie den von der Stadt baupolizeilich geprüften Plan von 1948, eine vom Katasteramt der Stadt gefertigte Flurkarte, sowie die Denkmalsatzung der Beklagten vom 4. Mai 2005. All dem konnte die Beklagte nicht erheblich mit – wie geschehen – nur einfachem Bestreiten entgegentreten (vgl. Fritsche, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2020, § 138 ZPO Rdnr. 28).
Der Klägerin und ihren Rechtsvorgängern gegenüber wurde danach immer wieder der Eindruck vermittelt, das klägerische Grundstück solle mitsamt dem darauf stehenden Wohnhaus durch eine Anbindung an das öffentliche Wegenetz erschlossen werden. Zunächst hat die Stadt im Jahr 1937 eine Anbindung an die B… Straße – damals: N…K…straße – geplant und sich das hierfür erforderlichen Teilstück unentgeltlich übertragen lassen. Im Jahr 1988 veräußerte die Rechtsvorgängerin der Klägerin Grundstücke an den Rat der Stadt, die für den Ausbau eines Gehweges erforderlich waren. Weder das eine noch das andere wurde aber im Ergebnis verwirklicht. Die Beklagte hat stattdessen die zur B… Straße hin gelegenen Grundstücke veräußert und so eine Erschließung auf diesem Wege unmöglich gemacht. Im Ergebnis schuf die Stadt durch den Erwerb und die Veräußerung von Grundstücken die für die Klägerin höchst nachteilige Insellage ihres Grundstücks. Zwar ist die Beklagte weder Rechtsnachfolgerin der Residenzstadt P…, die im Jahre 1937 den Grundstücksvertrag mit dem Rechtsvorgänger der Klägerin schloss, noch hat sie für das Handeln des Rates der Stadt im Jahr 1988 einzustehen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 2004 – III ZR 248/03 –, VIZ 2004, 492). Sie war allerdings nach Treu und Glauben gehalten, die durch diese Rechtsträger geschaffene Vertrauensstellung bei der Verwaltung und Verwertung des ihr durch das Kommunalvermögensgesetz vom 6. Juli 1990 (GBl. DDR 1990 I S. 660) übertragenen Grundeigentums zu beachten.
Mit dem Verlust der Erschließung wurde die Nutzbarkeit des klägerischen Grundstücks beeinträchtigt. Schon dies minderte seinen Wert. Noch mehr gilt dies mit Blick auf das baurechtliche Gebot der Erschließung für seine Bebaubarkeit und damit für die wertbestimmende Qualität als Bauland. Hierbei kann dahinstehen, ob auch und gerade das klägerische Grundstück vor dem Erlass des Bebauungsplans Teil eines „Außenbereichs im Innenbereich“ war, wie der Bebauungsplan ihn für den vergleichsweise großen Bereich innerhalb der jeweils am Straßenrand der B…-, Bö…-, R…- und Ri…straße bereits vorhandenen Bebauung angenommen hat. Es bedarf keiner Aufklärung, ob die bei der Veräußerung des in Rede stehenden Wegegrundstücks noch vorhandenen Gewächshäuser auf dem klägerischen Grundstück in der Lage waren, den für einen Innenbereich nötigen Bebauungszusammenhang zu den Straßenrandgrundstücken herzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2015 – 4 C 5/14 –, BVerwGE 152, 275, Rdnr. 13; hierzu auch BGH, Urteil vom 17. Februar 2022 – III ZR 46/20 –, MDR 2022, 845, Rdnr. 23). Denn jedenfalls genießt das dort noch immer vorhandene denkmalgeschützte M…wohnhaus Bestandsschutz und eröffnete seinerzeit der Klägerin die Begünstigungen des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, 4 bzw. 5 BauGB. Auch diese setzen freilich nach § 35 Abs. 2 BauGB die gesicherte Erschließung des Grundstücks voraus, die mit der Veräußerung des gemeindlichen Grundstücks wegfiel.
d)
Die der Klägerin durch die Beklagte zu ersetzenden Schäden umfassen die bezifferten Positionen im Umfang von insgesamt 9.614,53 €.
Zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten gehören grundsätzlich die durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten. Der Schädiger hat all diejenigen adäquat verursachten gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten zu ersetzen, die aus der Sicht des Geschädigten vernünftigerweise zur Wahrung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig erschienen, insbesondere um den Schaden abzuwenden oder gering zu halten, auch um eine anderweitige Ersatzmöglichkeit in Anspruch zu nehmen. Kosten aus erkennbar aussichtslosen Verfahren sind demgegenüber nicht ersatzfähig (BGH, Urteil vom 5. Oktober 2006 – III ZR 283/05 –, NJW 2007, 224 Rdnr. 22; Dörr ebd. Rdnr. 529 ff).
Nach diesen Maßstäben wurden zunächst die Kosten zur außergerichtlichen Vertretung der Klägerin gegenüber der Beklagten von 6.012,48 € durch das schädigende Verhalten veranlasst. Die Zugrundelegung eines Mindestschadens von 200.000 € für den Gegenstandswert ist hierbei ebenso unbedenklich wie der Ansatz einer höheren Gebühr als 1,3 nach Nr. 2300 VV zum RVG. Mit Blick auf die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin erscheint selbst die Ausschöpfung des vollen Gebührenrahmens hier nicht unbillig im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG.
Auch die Kosten des Vorbescheides nebst den Rechtsanwaltskosten für das Widerspruchsverfahren von 1.000 € und 1.430,38 € sind zurechenbar durch die Amtspflichtverletzung der Beklagten veranlasst. Aus Sicht der Klägerin war es nicht von vornherein aussichtslos, die ausreichende Erschließung aufgrund der ihr bereits zukommenden Rechte feststellen zu lassen. Nicht zuletzt hatte die Beklagte ihr im November 2012 die – letztlich fehlerhafte – Auskunft erteilt, das Grundstück sei nunmehr „im Sinne des BauGB erschlossen“. Es ist nachvollziehbar, dass die Klägerin diese Auskunft durch einen rechtlich belastbaren Vorbescheid absichern wollte.
Gleiches gilt für die Kosten der Verhandlungen mit der Eigentümerin der benachbarten Grundstücke in Höhe von 1.717,67 €. Das Vorgehen, mit dem die Klägerin sich bemühte, einen Schaden zu vermeiden oder – mit Blick auf den zeitlichen Ablauf – wenigstens abzumildern, war nicht von vornherein aussichtslos. Zudem hat die Beklagte sie in ihren Schreiben vom April und Juli 2015 auf genau diesen Weg gelenkt. Angesichts dessen ist es ihr jedenfalls unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben versagt, die Veranlassung dieser Kosten in Frage zu stellen.
e)
Der Anspruch ist nicht verjährt.
Die Verjährung des klägerischen Anspruchs richtet sich einerseits nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB und andererseits nach § 199 Abs. 3 Satz 1 BGB. Danach verjährt der Anspruch auf Schadensersatz in der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Kenntnisunabhängig verjährt der Anspruch in 10 Jahren von seiner Entstehung an. Bei einer Amtspflichtverletzung, die sich allgemein gegen das Vermögen richtet, ist ein Schaden entstanden, wenn die Vermögenslage des Betroffenen infolge der Handlung im Vergleich mit dem früheren Vermögensstand schlechter geworden ist. Hierzu genügt es, dass die Verschlechterung sich wenigstens dem Grunde nach verwirklicht hat, mag ihre Höhe auch noch nicht beziffert werden können; in diesem Falle ist gegebenenfalls eine Feststellungsklage zu erheben. Ferner muss nicht feststehen, ob der Nachteil auf Dauer bestehen bleibt und damit endgültig wird. Ist dagegen noch offen, ob pflichtwidriges, ein Risiko begründendes Verhalten zu einem Schaden führt, ist ein Ersatzanspruch noch nicht entstanden, so dass eine Verjährungsfrist nicht in Lauf gesetzt wird. Es handelt sich dann erst um eine bloße Gefährdung einer Rechtsposition, die noch nicht einem Schaden gleichsteht. Dabei schlägt sich die risikobehaftete Lage regelmäßig noch nicht in der Bewertung des Gesamtvermögens negativ nieder, solange jene sich nicht rechtlich verfestigt hat (BGH, Urteil vom 15. Oktober 1992 – IX ZR 43/92 –, NJW 1993, 648; Urteil vom 6. Juni 2019 – IX ZR 104/18 –, NJW 2019, 2390; Piekenbrock, in: BeckOnline-Großkommentar mit Stand 1. November 2022, § 199 BGB Rdnr. 57 m. w. N.).
Mit Blick hierauf kann dahinstehen, ob die Veräußerung der Flurstücke „Bb“ und „Aa“ ohne Sicherung der Erschließung des klägerischen Grundstücks im April 2005 das Vermögen der Klägerin nur gefährdete oder schon rechtlich verfestigt schädigte. Selbst wenn anzunehmen ist, dass damit schon ein Schaden im Sinne einer negativen Auswirkung auf die Vermögenslage der Klägerin deshalb begründet wurde, weil damit unmittelbar der Wert des Grundstücks gemindert wurde, ist Verjährung nicht eingetreten. Die kenntnisunabhängige Verjährung des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB begann danach zwar im April 2005. Sie lief aber nicht im April 2015 ab. Denn die Parteien verhandelten ab dem Beginn des Jahres 2015 über den Anspruch und die den Anspruch begründenden Umstände im Sinne des § 203 BGB, so dass die Verjährung insoweit gehemmt war. Die Parteien verhandelten anfangs über die ausreichende Erschließung des Grundstücks, dann über das Vorliegen einer Amtspflicht der Beklagten, diese zu sichern, und schließlich über die der Klägerin aus der von ihr angenommenen Verletzung resultierenden Schäden und die Möglichkeit der Bereinigung. Die Verhandlungen endeten erst mit der klaren und eindeutigen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2018 – XII ZR 116/17, MDR 2019, 294 = BeckRS 2018, 35511, Rdnr. 38) Erklärung des Haftpflichtversicherers der Beklagten im Dezember 2016, der Klägerin stünden keine Amtshaftungsansprüche zu. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte indes bereits auf die Erhebung der Verjährungseinrede bis Ende 2016 verzichtet. Die am 30. Dezember 2016 mit einem Scheck für den Gerichtskostenvorschuss eingereichte Klage wurde am 24. Januar 2017 noch „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO zugestellt und hemmt damit ihrerseits seitdem die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
Die kenntnisabhängige dreijährige Verjährung des § 199 Abs. 1 BGB konnte dagegen erst im Jahr 2015 zu laufen beginnen, als die Klägerin vom Fehlen einer ausreichenden Erschließung ihres Grundstücks erfuhr. Dass sie hiervon zu einem früheren Zeitpunkt hätte Kenntnis erlangen müssen, ist nicht vorgetragen und beruhte schon im Hinblick auf die Mitteilung der Beklagten vom 27. November 2012 jedenfalls nicht auf grober Fahrlässigkeit.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 709 und 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO bestehen nicht.
Die Streitwertentscheidung folgt §§ 39 Abs. 1, 47 und 48 GKG sowie § 3 ZPO.