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Entscheidung 2 U 2/23


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Zivilsenat Entscheidungsdatum 01.03.2023
Aktenzeichen 2 U 2/23 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0301.2U2.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus – Einzelrichter – vom 14. Dezember 2022 zum Aktenzeichen 3 O 23/20 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt Schadensersatz in Form von vorprozessualen Zinsen und Rechtsanwaltskosten zu ihrer Geltendmachung nach dem Erlass und der Rücknahme eines Kanalanschlussbeitragsbescheides.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks im Gebiet der Beklagten. Diese zog sie mit Bescheid vom 24. Mai 2012 zu einem Kanalanschlussbeitrag von 208.709 € heran. Die Klägerin zahlte den Betrag unter Vorbehalt am 19. Juni 2012 und erhob – erfolglos – Widerspruch. Während des am 23. Februar 2015 eingeleiteten Klageverfahrens nahm die Beklagte den Beitragsbescheid zurück und erstattete der Klägerin den Betrag im Juli 2016.

Mit Anwaltsschreiben vom 13. September 2016 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten Staatshaftungsansprüche in Form von Verzugs- und Prozesszinsen sowie Rechtsanwaltskosten zu ihrer Geltendmachung geltend. Mit Schreiben ihres Haftpflichtversicherers vom 7. April 2017 wies die Beklagte dies zurück.

Das Landgericht hat die auf vorprozessuale Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten beschränkte Klage abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob die Inanspruchnahme in Altanschließerfällen Legislativ-Unrecht gleichstehe, auf das Staatshaftungsrecht keine Anwendung finde. Jedenfalls sei der Beitragsbescheid nicht rechtswidrig gewesen.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 20. Dezember 2022 zugestellte Urteil am 19. Januar 2023 Berufung eingelegt und diese am 19. Februar 2023 begründet. Sie ist der Auffassung, das Bundesverfassungsgericht habe mit gesetzlicher Bindungswirkung für alle Gerichte und Behörden die verfassungswidrige Rückwirkung der Beitragserhebung in Fällen wie dem vorliegenden festgestellt. Nur das vermeide einen Gleichheitsverstoß durch die unterschiedliche Behandlung gleichartiger Fälle. Die rückwirkende Neuauslegung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. durch den Bundesgerichtshof und den erkennenden Senat widerspreche dem verfassungsrechtlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit. Sie ermögliche faktisch eine zeitlich unbeschränkte Beitragserhebung. Die im Wege der vermeintlich verfassungskonformen Auslegung gefundene zeitliche Obergrenze lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen. Die Annahme der hypothetischen Verjährung sei folglich die einzig mögliche verfassungskonforme Auslegung der genannten Vorschrift. Der mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 geschaffene Vertrauensschutz dürfe nicht nachträglich zerstört werden. In jedem Falle bedürfe es der Zulassung der Revision, um dem Bundesgerichtshof die Vorlage an den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes zu ermöglichen. Die erforderliche Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Auslegung von Bundesrecht liege mittlerweile vor.

Die Klägerin hat angekündigt zu beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Cottbus vom 14. Dezember 2022 zum Aktenzeichen 3 O 209/17

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Verzugszinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz von einem Betrag von 208.709 € ab dem 21. Juni 2012 bis 23. Februar 2015, hilfsweise i. H. v. 4 % jährlich ab 19. Juni 2012 bis 23. Februar 2015 und ausgehend von dem sich ergebenden Zinsbetrag ab Rechtshängigkeit Prozesszinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.

2. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 1.358,86 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat angekündigt zu beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung auch aus sonstigen Gründen nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 ZPO).

1.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der hauptsächlich geltend gemachte Zinsschaden steht der Klägerin nicht zu. Er kann weder auf Amts- noch auf Staatshaftung gestützt werden. Weitere Anspruchsgrundlagen bestehen nicht. Für den akzessorischen Anspruch auf Ersatz von Rechtsanwaltskosten gilt nichts anderes.

a)

Ansprüche aus Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG bestehen nicht. Es fehlt schon an dem erforderlichen Verschulden der Bediensteten der Beklagten im Sinne von § 276 BGB.

(1)

Für die Annahme eines Verschuldens wäre bei Erlass des Beitragsbescheides zumindest eine fahrlässige Unkenntnis der Bediensteten der Beklagten im Hinblick auf eine künftige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erforderlich, die zu verneinen ist. Nach dem im Rahmen des § 839 BGB geltenden objektivierten Sorgfaltsmaßstab kommt es für die Beurteilung des Verschuldens auf die Kenntnisse und Fähigkeiten an, die für die Führung des übernommenen Amtes im Durchschnitt erforderlich sind. Die Anforderungen an ein amtspflichtgemäßes Verhalten sind am Maßstab des pflichtgetreuen Durchschnittsbeamten zu messen. Jeder staatliche Amtsträger muss die zur Führung seines Amtes notwendigen Rechts- und Verwaltungskenntnisse besitzen oder sich verschaffen. Bei der Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung hat er die Gesetzes- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zur Verfügung stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und sich danach aufgrund vernünftiger Überlegung eine Rechtsmeinung zu bilden. Nicht jeder objektive Rechtsirrtum begründet einen Schuldvorwurf. Wenn die nach sorgfältiger Prüfung gewonnene Rechtsansicht des Amtsträgers als rechtlich vertretbar angesehen werden kann und er daran bis zur gerichtlichen Klärung der Rechtslage festhält, kann aus der Missbilligung seiner Rechtsauffassung durch die Gerichte ein Schuldvorwurf nicht hergeleitet werden (BGH, Urteil vom 23. Juli 2020 – III ZR 66/19, NVwZ-RR 2021 = MDR 2020, 1057, Rdnr. 16).

Nach diesen Maßstäben kann den Bediensteten der Beklagten ein Schuldvorwurf nicht gemacht werden. Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im November 2015 entsprach die Beitragserhebung der Beklagten sogar der – vom Landesverfassungsgericht gebilligten – ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte. Zudem musste die Beklagte auch im Zuge der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 2017 – 1 BvR 2406/16 u. a. –, NVwZ-RR 2017, 393 Rn. 10 bei juris) gebotenen kritischen Prüfung der Grundrechtskonformität ihres Handelns keineswegs zwingend zu dem Ergebnis gelangen, die im Mai 2012 erfolgte Veranlagung der Klägerin sei verfassungswidrig. Sie konnte vielmehr in Übereinstimmung mit der sogleich darzustellenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Senats die Beitragserhebung durchaus in vertretbarer Weise für grundrechtskonform halten (vgl. Senat, Urteil vom 4. Oktober 2022 – 2 U 20/22 –, Rdnr. 42 bei juris unter Hinweis u. a. auf BGH, Urteil vom 27. Juni 2019 – III ZR 93/18 –, NVwZ 2019, 1696).

(2)

Nichts anderes gilt für den Umstand, dass die Beklagte den unter Vorbehalt gezahlten Beitrag nicht auskehrte, ehe nicht der Bescheid infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 zurückgenommen wurde. Zwar kann die verzögerte Begleichung einer fälligen öffentlich-rechtlichen Forderung für sich eine zugunsten des Gläubigers bestehende Amtspflicht verletzen und, soweit dies schuldhaft erfolgte, Haftungsansprüche begründen (BGH, Urteil vom 19. Februar 1962 – III ZR 200/60 –, BGHZ 36, 344 = NJW 1962, 1012 = MDR 1962, 462 Rdnr. 46; Urteil vom 1. Oktober 1981 – III ZR 13/80 –, NJW 1982, 1277 = MDR 1982, 210, Rdnr. 24; Beschluss vom 25. Februar 1982 – III ZR 34/81 –, VersR 1982, 497). Den Bediensteten der Beklagten fällt indes auch insofern kein Verschulden zur Last. Insofern gilt das soeben Gesagte auch hier.

b)

Auch aus § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der Staatshaftung in der Deutschen Demokratischen Republik (Staatshaftungsgesetz – StHG) in der Fassung des Ersten Brandenburgischen Rechtsbereinigungsgesetzes vom 3. September 1997 (GVBl. I Nr. 9/1997 S. 104) vermag die Klägerin keine Ansprüche herzuleiten.

Schon der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist nicht eröffnet. Auch liegen ihre Voraussetzungen nicht vor, insbesondere war der Beitragsbescheid nicht rechtswidrig. Vor allem aber gehören die geltend gemachten Verzugszinsen nicht zu den nach dieser Vorschrift zu ersetzenden Schäden.

(1)

Das Staatshaftungsgesetz ist auf einen Sachverhalt wie den vorliegenden nicht anwendbar.

Ein vermeintlich rechtswidriger Eingriff in eine als Eigentum geschützte Rechtsposition, der durch eine rechtswidrige beziehungsweise verfassungswidrige gesetzliche Norm oder auf ihrer Grundlage durch Verwaltungsakt oder durch eine untergesetzliche Norm erfolgt (so genanntes legislatives Unrecht), liegt außerhalb des Anwendungsbereiches dieses Gesetzes. Weder § 1 StHG noch das Haftungsinstitut des enteignungsgleichen Eingriffs, an dessen Stelle die Norm in ihrem Anwendungsbereich tritt, vermag eine Haftung für legislatives Unrecht in Gestalt eines mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbarenden formellen Gesetzes zu begründen. Zur Wahrung der Haushaltsprärogative des Parlaments kann die Gewährung von Entschädigungen für legislatives Unrecht angesichts der hiermit verbundenen erheblichen finanziellen Lasten für die öffentliche Hand nur der Entscheidung des Parlamentsgesetzgebers vorbehalten sein. Sie bedarf daher einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung. Dem Gesetzeswortlaut des Staatshaftungsgesetzes lässt sich ein dahingehender Wille des Gesetzgebers – zunächst derjenige der DDR, dann der des Einigungsvertrages, mit dem das Gesetz geändert wurde, und schließlich der Landesgesetzgeber, der es erneut modifizierte – nicht entnehmen, er wolle den Bereich legislativen Unrechts erfasst sehen (vgl. ausführlich Senat, Urteil vom 4. Oktober 2022 – 2 U 20/22 –, Rn. 32 ff). Ebenso wenig haftet die öffentliche Hand für den Vollzug eines verfassungswidrigen Gesetzes, weil anderenfalls der Ausschluss der verschuldensunabhängigen Haftung für legislatives Unrecht in weiten Teilen unterlaufen würde, da Gesetze regelmäßig erst mit der Umsetzung durch die Verwaltung ihre Wirkung entfalten (Senat ebd. Rdnr. 33).

(2)

Auch liegen die Voraussetzungen der Vorschrift nicht vor. Der Beitragsbescheid vom 24. Mai 2012 war nicht rechtswidrig.

Dass im Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war, behauptet die Klägerin selbst nicht. Die von ihr vertretene Annahme einer hypothetischen Verjährung, wie sie von den Verwaltungsgerichten des Landes Brandenburg regelmäßig in Erwägung gezogen wird, lehnt der Senat in ständiger Rechtsprechung ab (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Juli 2022 – 2 U 19/22 –, Rdnr. 4, unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 27. Juni 2019, Az: III ZR 93/18, NVwZ 2019, 1696; Beschluss vom 17. Dezember 2020 – III ZR 82/20 –; BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 2020 – 1 BvR 2838/19 –, NVwZ 2020, 1744).

Die Klägerin vermag diese gefestigte, höchstrichterlich bestätigte und verfassungsgerichtlich gebilligte Auffassung mit der Berufungsbegründung nicht mit Erfolg in Frage zu stellen. Die vermeintliche Diskrepanz in der rechtlichen Beurteilung der den Verfahren 2 U 19/22 und 2 U 20/22 zugrundeliegenden Fälle beruht auf dem durch die Klägerin selbst erwähnten maßgeblichen rechtlichen Unterschied: Nur der das Verfahren 2 U 20/22 letztlich auslösende Beitragsbescheid ist vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig bezeichnet worden, so dass seine Rechtswidrigkeit für den Senat bindend feststand.

Die Klägerin kann ihr Günstiges auch nicht daraus herleiten, dass die Beklagte den Beitragsbescheid vom 24. Mai 2012 mit Bescheid vom 21. Juli 2016 zurückgenommen und dabei den Standpunkt eingenommen hat, im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 (1 BvR 2961/14 u. a.) sei von der Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Bescheides auszugehen. Diese (unzutreffende) rechtliche Beurteilung durch die Beklagte bindet den Senat nicht. Selbst im Fall des Eintritts der Bestandskraft eines Verwaltungsakts haben die Regressgerichte dessen Rechtmäßigkeit selbständig zu überprüfen (Senat, Beschluss vom 19. Juli 2022 – 2 U 19/22 –, Rdnr. 7).

(3)

Vor allem aber ist der geltend gemacht Zinsschaden nicht vom Schutzzweck des Staatshaftungsgesetzes umfasst. Für den akzessorischen Anspruch auf Ersatz der zu ihrer Geltendmachung aufgewandten Rechtsanwaltskosten gilt nichts anderes.

Der verschuldensunabhängige Anspruch auf Staatshaftung ist zwar eine spezialgesetzliche Kodifizierung des Haftungsinstituts des enteignungsgleichen Eingriffs (Senat, Urteil vom 4. Oktober 2022 – 2 U 20/22 –, Rdnr. 33; BGH, Urteil vom 17. März 2022 – III ZR 79/21 –, BGHZ 233, 107 = NJW 2022, 2252, Rdnr. 66, je m. w. N.). Im Gegensatz zu diesem gewährt das Staatshaftungsgesetz allerdings Schadensersatz nach den zivilrechtlichen Vorschriften (§ 3 Abs. 2 StHG). Der Anspruch ist daher nicht auf eine angemessene Entschädigung des enteignungsgleichen Eingriffs beschränkt und orientiert sich nicht allein am Substanzverlust ohne Rücksicht auf die hypothetische Vermögensentwicklung und den entgangenen Gewinn (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 1981 – III ZR 13/80 –, NJW 1982, 1277, Rdnr. 27 bei juris; Papier/Shirvani, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 839 BGB Rdnr. 64). Der Schadensersatz nach § 1 StHG erfasst vielmehr auch diese Position (vgl. Senat, Urteil vom 17. Juli 2007 – 2 U 26/06 –, Rdnr. 63 bei juris; BGH, Urteil vom 25. Oktober 2007 – III ZR 62/07 –, LKV 2008, 189; Breuer in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 34 GG Rdnr. 157; Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Auflage 2013, 14. III.7; Cornils, LKV 2003, 206). Auch Rechtsanwaltskosten zur Abwehr der primären Rechtsverletzung sind Teil des nach § 1 Abs. 1 StHG zu ersetzenden Schadens (Senat, Urteil vom 22. Juni 2021 – 2 U 6/21 –, Rdnr. 30; BGH, Urteil vom 19. Januar 2006 – III ZR 82/05 –, BGHZ 166, 22 = NJ 2006, 216).

Zinsen auf einen rechtswidrig erhobenen Geldbetrag gehören hierzu aber nicht ohne weiteres. Nach den von § 3 Abs. 2 StHG grundsätzlich für maßgeblich erklärten allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften hat der Schädiger zwar den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Abs. 1 BGB). Das verpflichtet im Falle einer Geldschuld für sich indes erst einmal allein zur finanziellen Kompensation des Geschädigten im Umfang des verursachten Schadens. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung vom Zeitpunkt seiner Entstehung an mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen ist, ist – wie sich aus der Regelung in § 849 BGB herleiten lässt – dem deutschen Recht fremd; dies gilt auch für Amtshaftungsansprüche (BGH, Beschluss vom 28. September 1993 – III ZR 91/92 –, NVwZ 1994, 409 = VersR 1993, 1521; Urteil vom 12. Juni 2018 – KZR 56/16 –, NJW 2018, 2479; Spindler, in: Beck’scher Online-Kommentar zum BGB, 64. Edition mit Stand 1. September 2022, § 849 BGB Rndr. 1; Staudinger/Wöstmann (2020), § 839 BGB Rdnr. 239). Aus dem Staatshaftungsgesetz ergibt sich nichts anderes.

c)

Die für den Ersatz auch von Zinsen mithin erforderliche eigenständige Rechtsgrundlage ist vorliegend nicht ersichtlich. Die Zinszahlungspflicht kann weder auf Verzug noch auf § 849 BGB gestützt werden. Über Ansprüche aus dem Kommunalabgabenrecht ist vorliegend nicht zu entscheiden. Verfassungsrecht gebietet keine verfassungsunmittelbare Verzinsungspflicht.

(1)

Ein Anspruch auf Verzugszinsen unmittelbar aus § 288 BGB besteht nicht. Die Vorschriften über den Schuldnerverzug sind im Subordinationsverhältnis zwischen Bürger und Behörde nicht anwendbar.

Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, dass bei der verspäteten Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Forderung diese zu verzinsen ist (BGH, Urteil vom 19. Februar 1962 – III ZR 200/60 –, BGHZ 36, 344, NJW 1962, 1012 = MDR 1962, 462 Rdnr. 37; BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 – 5 C 1/13 D –, NVwZ 2014, 1523, Rdnr. 45). Für Prozesszinsen ist insofern § 291 BGB als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens anerkannt, nicht aber die primär dem Schuldrecht eigene Verzinsungspflicht des § 288 BGB (BVerwG, Urteil vom 13. Juli 1979 – IV C 66.76 –, DÖV 1979, 761; Urteil vom 22. Februar 2001 – 5 C 34/00 –, BVerwGE 114, 61 = NVwZ 2001, 1057). Daher kommt ein Anspruch auf Verzugszinsen in analoger Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Vorschrift des § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB nur ausnahmsweise in Betracht, wenn es sich bei der öffentlich-rechtlichen Forderung um eine Entgeltforderung handelt, das heißt um eine vertragliche Leistungspflicht, die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Leistungspflicht des anderen Vertragspartners steht. Denn insoweit besteht kein entscheidender Unterschied zu bürgerlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen. In allen anderen Fällen können Verzugszinsen bei öffentlich-rechtlichen Geldforderungen wie dem hier in Rede stehenden Entschädigungsanspruch nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage gefordert werden (BVerwG ebd. Rdnr. 44). Eine solche fehlt hier.

Hinzu kommt, dass auch nach § 288 Abs. 1 BGB eine Geldschuld nur während des Verzugs zu verzinsen ist. Das setzt nach § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB das Ausbleiben der fälligen und angemahnten Leistung infolge eines Umstands voraus, den der Schuldner zu vertreten hat. Daran fehlt es – wie hier – bei einem vertretbaren Rechtsirrtum des Schuldners (vgl. nur Hager, in: Erman, Kommentar zum BGB, § 286 BGB Rdnr. 63 ff).

(2)

Auch § 849 BGB ist nicht anwendbar.

Diese Vorschrift, nach der ein Verletzter in bestimmten Fällen Zinsen auf den zu ersetzenden Betrag verlangen kann, erfasst grundsätzlich jeden Verlust einer Sache einschließlich Geldes, der auf einem Delikt beruht (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 354/19 –, BGHZ 226, 322 = NJW 2020, 2796, Rdnr. 18). Zu den erfassten Deliktstatbeständen gehört – wie alle Haftungstatbestände der §§ 823 ff BGB (Eichelberger, in: BeckOnline-Großkommentar mit Stand 1. Dezember 2022, § 849 BGB Rdnr. 13; Staudinger/Vieweg (2015) § 849 BGB Rdnr. 5) – die Amtshaftung (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 1993 – III ZR 91/92 –, NVwZ 1994, 409 = VersR 1993, 1521; Urteil vom 3. Dezember 1964 – III ZR 141/64 –, NJW 1965, 392 = MDR 1965, 193). Die Vorschrift findet ferner Anwendung auf sämtliche außervertraglichen Verschuldens- und Gefährdungshaftungstatbestände außerhalb des BGB, sofern diese in Bezug auf die Nutzungsausfallentschädigung keine abschließende Sonderregelung treffen, sondern insoweit den allgemeinen Vorschriften des Schadensrechts folgen, zu denen auch die §§ 288 und 290 BGB zählen, deren Gedanken § 849 BGB für das Gebiet der unerlaubten Handlungen wiedergibt (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 1983 – VI ZR 191/81 –, BGHZ 87, 38 Rdnr. 8; Vieweg ebd. Rdnr. 5).

Die verschuldensunabhängige Staatshaftung nach § 1 StHG kann hierunter nicht gefasst werden. Zwar enthält das Staatshaftungsgesetz keine abschließende Sonderregelung des Schadensrechts, sondern verweist insoweit auf die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften und damit auch auf die §§ 288 und 290 BGB. Diese begründen aber mit dem Erfordernis des Verzuges eine verschuldensabhängige Haftung für die rechtzeitige Geldleistung (§ 288 BGB) oder die Unversehrtheit der herauszugebenden Sache (§ 290 BGB). Diese weitere Voraussetzung würde unterlaufen, wenn in jedem Fall der rechtswidrigen Vorenthaltung einer Sache oder eines Geldbetrages Zinsen aus § 849 BGB geschuldet würde, ohne dass es auf den – durch den Schädiger zu vertretenden – Verzug oder die deliktisch-vorwerfbare Entziehung ankäme. Dem Staatshaftungsgesetz ist ein dahingehender Regelungswille nicht zu entnehmen.

(3)

Abgabenrechtliche Prozesszinsen nach § 236 AO und § 12 Abs. 1 Nr. 5 lit. b KAG macht die Klägerin – anders als noch vorprozessual – nicht mehr geltend. Über einen eventuellen Anspruch der Klägerin auf Verfahrenszinsen nach § 233a AO hat der Senat nicht zu entscheiden; eine hierauf gerichtete Klage wäre unzulässig. Dieser Anspruch müsste im Verwaltungsrechtsweg bei der Beklagten geltend gemacht und von dieser zusprechend beschieden werden; erst dann wäre eine auf Geldzahlung gerichtete Leistungsklage zulässig (BGH, Urteil vom 16. November 2000 – III ZR 1/00 –, NJW 2001, 1067= MDR 2001, 451, Rdnr. 11). Angesichts dessen kann dahinstehen, dass – worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat – eine Verzinsung nach dieser Norm schon deshalb ausscheiden dürfte, weil sie in § 12 Abs. 1 Nr. 5 lit. b KAG ausdrücklich nicht als anwendbar benannt ist.

(4)

Auch Verfassungsrecht gebietet die Verzinsung aller zu Unrecht erhobener Steuern und Abgaben nicht.

Zwar ist die Haftung für staatliches Unrecht Ausfluss der jeweils betroffenen Grundrechte. Diese gewährleisten grundsätzlich angemessene Sekundäransprüche nach Grundrechtsverletzungen. Art und Umfang grundrechtlich radizierter Sekundäransprüche bedürfen allerdings der Ausgestaltung und Konkretisierung durch den Gesetzgeber, dem insofern ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zukommt. Dieser lässt Typisierungen und Pauschalisierungen nicht nur zu, sondern erfordert sie, um die Sekundäransprüche operationalisierbar zu machen. Verfassungsrecht verpflichtet den Gesetzgeber nicht, sämtliche Folgen verfassungswidriger Eingriffe rückwirkend zu beseitigen. Es gibt auch keine verfassungsrechtliche Pflicht, nach Nichtigerklärung eines Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht alle Eingriffsfolgen mit Wirkung für die Vergangenheit zu beheben (BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 2 BvR 737/20 –, NVwZ 2022, 1722).

2.

Der Senat ist des Weiteren einstimmig davon überzeugt, dass auch die übrigen Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 ZPO gegeben sind.

Die vom Streitfall aufgeworfenen Rechtsfragen insbesondere zur Reichweite der Zinszahlungspflicht für öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche sind in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ebenso geklärt wie der prinzipielle Umfang eines – hier auf § 1 StHG gestützten – Schadensersatzanspruchs. Die vorliegende Sache besitzt daher keine grundsätzliche Bedeutung, so dass eine Entscheidung des Senats weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

Nach allem ist für die beantragte Zulassung der Revision kein Raum (vgl. nur Heßler, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Auflage 2022, § 522 ZPO Rdnr. 39).