Gericht | VG Potsdam 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 17.04.2023 | |
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Aktenzeichen | VG 3 K 2977/20 | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2023:0417.VG3K2977.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 5 Abs 2 Nr 5 WaffG, § 5 Abs 1 Nr 2 WaffG, § 45 Abs 2 WaffG |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der als Jäger tätige Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner ihm am 1. Oktober 1992 erteilten Waffenbesitzkarte (Nr. 0...), in der zuletzt sechs Waffen eingetragen waren.
Am 15. Mai 2019 um 1:50 Uhr wurde der Kläger mit einem geladenen Revolver, den er in einem Schulterholster trug, bei einer Verkehrskontrolle in P...angetroffen, ohne dass dieser im Besitz einer Erlaubnis zum Führen einer Schusswaffe war. Er befand sich auf der Rückfahrt von der Jagd, die er in seinem ca. 30 km entfernt liegenden Revier in Z...ausübte. In dem gegen den Kläger geführten Strafverfahren wegen unerlaubten Führens einer Schusswaffe (§ 52 Abs. 3 Nr. 2a WaffG) setzte das Amtsgericht P...mit Strafbefehl vom 30. Dezember 2019 eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen fest. Das Verfahren wurde, nachdem der Kläger gegen den Strafbefehl Einspruch einlegte, gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 5.000 Euro gemäß § 153a Abs. 2 StPO eingestellt.
Mit Bescheid vom 19. Juni 2020 widerrief der Beklagte die Waffenbesitzkarte des Klägers (Ziffer 1) und gab diesem unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, die darin eingetragenen Waffen einschließlich der Munition bis zum 20. Juli 2020 dauerhaft unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen sowie einen Nachweis hierüber zu erbringen (Ziffer 2). Der Kläger wurde ferner verpflichtet, bis zum 27. Juli 2020 die Waffenbesitzkarte abzugeben (Ziffer 4). Zur Begründung des Widerrufs der Waffenbesitzkarte wurde im Wesentlichen ausgeführt, es seien gemäß § 45 Abs. 2 WaffG nachträglich Tatsachen eingetreten, die zur Versagung der waffenrechtlichen Erlaubnis hätten führen müssen. Dem Kläger fehle die erforderliche Zuverlässigkeit. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b WaffG besäßen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwendeten, mit diesen Gegenständen nicht sorgfältig und sachgemäß umgingen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahrten. Der Kläger habe eine schussbereite Waffe ohne die erforderliche Erlaubnis außerhalb des Jagdreviers geführt, was die Annahme der Unzuverlässigkeit trage. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung als Jäger hätte ihm bewusst sein müssen, dass dies eine missbräuchliche und leichtfertige Verwendung einer Schusswaffe darstelle. Auch sei er unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG, weil das in Rede stehende Verhalten einen gröblichen Verstoß gegen Vorschriften des Waffengesetzes begründe. Der Umstand, dass das Strafverfahren nur gegen Zahlung eines Geldbetrags von 5.000 Euro eingestellt worden sei, belege die Schwere des Verstoßes. Die Anordnungen in Ziffer 2 und 4 folgten aus § 46 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 WaffG.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Er führt aus, ihm sei bewusst, dass die im Holster getragene Schusswaffe hätte entladen sein müssen. Es habe sich in der besagten Nacht in einer besonderen Stresssituation befunden. Nach dem Ende der Jagd um 1:30 Uhr habe er auf dem Weg zu seinem Fahrzeug beobachtet, dass ein anderes Fahrzeug die Fahrt verlangsamte, die Scheinwerfer ausschaltete, auf Höhe seines Fahrzeugs anhielt, dieses inspizierte und die Fahrt sodann bei ausgeschaltetem Licht fortsetzte, ohne dass er erkannt habe, wohin. Er sei besorgt gewesen, dass ihm am Fahrzeug jemand auflauere, um sich eventuell illegal in den Besitz einer Schusswaffe zu bringen. Er habe sich daher entschlossen, die Kurzwaffe zum Selbstschutz erst im Fahrzeug zu entladen. Er sei an sein Fahrzeug herangetreten, habe sich zunächst vergewissert, dass sich keine Personen in unmittelbarer Nähe befunden hätten, habe seine Langwaffe entladen und ordnungsgemäß im Kofferraum verwahrt. Nachdem er ins Fahrzeug eingestiegen sei, habe er festgestellt, dass das Fahrzeug Startschwierigkeiten habe und nicht anspringe. Er habe daher mehrmals aussteigen und im Motorraum hantieren müssen. Aufgrund der Verkettung dieser Umstände sei er von seinem standardisierten Verhalten abgewichen und habe schlichtweg vergessen, die Waffe zu entladen. Dies sei ihm erst schlagartig bewusst geworden, als er in die Polizeikontrolle geraten sei. Dort habe er dies den Beamten sofort offenbart. Seine Schuld am waffenrechtlichen Verstoß sei so gering, dass das Verfahren gegen Geldauflage eingestellt worden sei. Der Verstoß sei von dem Strafgericht als fahrlässig bewertet worden. Er sei nicht unzuverlässig. Insbesondere habe er seine Schusswaffe nicht unvorsichtig oder unsachgemäß verwendet; dies setze ein vorsätzliches Handeln voraus. Bis 2003 sei es Jägern erlaubt gewesen, im Zusammenhang mit der Jagdausübung und damit auch auf dem Heimweg Kurzwaffen auch während einer Autofahrt geladen an sich zu tragen. Zwar habe sich die Rechtslage geändert, die Tätigkeit sei aber nicht gefährlicher geworden. Der Verstoß sei nicht als gröblich zu bewerten. Hierbei sei zu prüfen, ob die Rechtsverletzung von einer besonders verwerflichen und leichtfertigen Gesinnung des Betroffenen getragen sei oder eine konkrete Gefährdung Dritter dargestellt habe. Dies sei hier zu verneinen. Es sei nicht zu erwarten, dass er erneut vergesse, eine Schusswaffe nach der Jagdausübung zu entladen. Die Differenzierung zwischen dem Führen von Schusswaffen und sonstigen gefahrgeneigten Tätigkeiten sei für ihn nicht nachvollziehbar. Nicht einmal eine fahrlässige Tötung im Straßenverkehr oder das einmalige Führen eines Fahrzeugs unter Alkohol- oder Drogeneinfluss habe den Entzug der Fahrerlaubnis zur Folge, würde aber zum Entzug der Waffenerlaubnis führen. Diese strengere Handhabung im Waffenrecht sei nicht Ausdruck einer gesetzgeberischen Wertung, sondern sei nur Auslegung der Rechtsprechung. Einzustellen sei, dass die Jagdausübung im Interesse der Allgemeinheit sei. So sei ihm auch der Jagdschein letztlich doch nicht widerrufen worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. November 2020 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte ergänzend aus, die Angabe des Klägers, er habe vergessen, seine Waffe zu entladen, verdeutliche, dass er sich nicht jederzeit im Klaren über den Ladezustand seiner Pistole gewesen sei. Dies sei ein unentschuldbarer Verstoß gegen die elementaren Sicherheitsregeln im Umgang mit Waffen. Der Kläger habe damit eine Waffe und Munition missbräuchlich und leichtfertig verwendet und sei mit ihr nicht vorsichtig und sachgemäß umgegangen. Dies begründe seine absolute Unzuverlässigkeit.
Der Kläger hat am 3. Dezember 2020 Klage erhoben, zu deren Begründung er sich im Kern auf die Ausführungen im Widerspruchsverfahren bezieht und ergänzend vorbringt, er könne aufgrund seines Jagdscheins Waffen und Munition rechtmäßig ohne Erlaubnis erwerben, vorübergehend besitzen und zur Jagdausübung ohne Erlaubnis führen, § 13 Abs. 3, 4 und 6 i.V.m. § 12 Abs. 1 WaffG. Damit erscheine das Vorbringen des Beklagten, die Waffenbesitzkarte sei zu widerrufen, um ein sich aus dem Umgang mit Waffen ergebendes Restrisiko für die Allgemeinheit im Fall des Klägers auszuschließen, absurd. Denn der Widerruf der Waffenbesitzkarte führe lediglich dazu, dass er die ausgeliehenen Schusswaffen nach Ablauf der Monatsfrist des § 12 Abs. 1 WaffG mindestens für eine juristische Sekunde an den Eigentümer zurückgeben und danach erneut erwerben dürfe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 19. Juni 2020 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 18. November 2020 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er führt ergänzend aus, in Fällen wie dem vorliegenden werde nahezu immer behauptet, ein unbekanntes Fahrzeug habe sich an das abgestellte Jägerfahrzeug genähert; dies sei eine bloße Schutzbehauptung. Aber selbst, wenn die Behauptung des Klägers zuträfe, könne ihn dies nicht entlasten. Denn wenn bereits die vom Kläger beschriebene Nebensächlichkeit zum rechtswidrigen Waffenumgang führe, könne dieser für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden. Die Waffenbehörde prüfe eigenständig und unabhängig von der Jagdbehörde, was zu der vom Kläger beschriebenen Situation führen könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die beigezogenen Akte der Staatsanwaltschaft Potsdam (4...) Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Die Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid des Beklagten vom 19. Juni 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. November 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Der Beklagte hat zu Recht die Waffenbesitzkarte des Klägers in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids widerrufen.
a) Rechtsgrundlage für den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis ist § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 – 6 C 24.06 –, juris Rn. 35).
b) Die Voraussetzungen für den Widerruf sind erfüllt. Es ist ein nachträglicher Versagungsgrund eingetreten. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist u.a. dann zu versagen, wenn der Betroffene die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 5 WaffG nicht besitzt, § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG. So liegt der Fall hier.
aa) Der Kläger ist als waffenrechtlich unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG anzusehen. Danach besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften eines der in Nr. 1 Buchst. c WaffG genannten Gesetze verstoßen haben. Der Kläger hat gröblich gegen die Vorschriften des Waffengesetzes verstoßen.
Ein gröblicher Verstoß setzt eine schuldhafte (vorsätzliche oder fahrlässige), nach objektivem Gewicht und Vorwerfbarkeit schwerwiegende Zuwiderhandlung voraus (vgl. Heller/Soschinka/Rabe, Waffenrecht, 4. Aufl. 2020, Rn. 773a). Die Erfüllung eines Straftatbestandes stellt regelmäßig einen gröblichen Verstoß gegen die Vorschriften des Waffengesetzes dar, wobei auch die fahrlässige Begehung einer Straftat genügt (vgl. VGH München, Beschluss vom 4. März 2021 – 24 ZB 20.3095 –, juris Rn. 17; Beschluss vom 24. Januar 2019 – 21 CS 18.1579 –, juris Rn. 12; vgl. auch OVG Greifswald, Beschluss vom 28. März 2023 – 1 M 254/22 OVG –, juris Rn. 15; VGH München, Urteil vom 2. November 2022 – 24 BV 21.3213 –, juris Rn. 29: Verstoß mit dem Gewicht einer Straftat vergleichbar).
Der Kläger wurde am 15. Mai 2019 auf der Rückfahrt von der Jagdausübung bei einer Verkehrskontrolle mit einem geladenen Revolver in einem Schulterholster angetroffen. Der Kläger hat somit eine schussbereite Waffe (vgl. Ziff. 12 der Anlage 1 zum WaffG) ohne die dazu erforderliche Erlaubnis nach § 10 Abs. 4 WaffG mit sich geführt. Zwar durfte er die Waffe bei sich führen, weil er sich auf der Rückfahrt von der Jagdausübung befand, sie durfte aber nicht geladen sein, vgl. § 13 Abs. 6 Satz 1 Hs. 2 WaffG. Darin sind sich die Beteiligten einig. Damit ist der Straftatbestand des § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a WaffG erfüllt, nämlich das unerlaubte Führen einer Schusswaffe.
Der Kläger hat den Verstoß selbst eingeräumt und damit den Straftatbestand zumindest fahrlässig erfüllt. Dass das Strafverfahren (gerichtliches Aktenzeichen 7...]) vom Amtsgericht P...gemäß § 153a Abs. 2 StPO gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt wurde, weil die Schwere der Schuld nicht entgegensteht, steht der Wertung des genannten Verstoßes als gröblich nicht entgegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. März 1996 – 1 C 12/95 –, juris Rn. 24). Die Einstellung nach § 153a StPO entlastet den Kläger nicht, sondern bestätigt das Vorliegen einer Straftat. Außerdem sind die strafrechtlichen und die ordnungsrechtlichen Maßstäbe nicht identisch. Maßgebend für die Anwendung des § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG ist sein ordnungsrechtlicher Zweck (ebd. Rn. 25). Das Gesetz will das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst gering halten. Es soll nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit der Waffe stets und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (ebd. Rn. 25). Hiervon kann mit Blick auf die vom Kläger begangene Straftat nicht mehr ausgegangen werden. Dies führt nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG zur Regelvermutung der Unzuverlässigkeit. Sowohl die Festsetzung einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen mit (nicht rechtskräftig gewordenen) Strafbefehl vom 30. Dezember 2019 als auch die Geldauflage von 5.000 Euro, von der die Einstellung des Strafverfahrens abhängig gemacht worden war, sprechen dafür, dass auch das Strafgericht die Verfehlung des Klägers nicht als unbedeutend eingeschätzt hat.
Ein Ausnahmefall, der ein Absehen von der gesetzlichen Regelvermutung rechtfertigt, ist nicht gegeben. Eine Abweichung von der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG kommt nur in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind. Erforderlich ist danach eine tatbezogene Prüfung in Gestalt einer Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt (BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2008 – 3 B 12.08 –, juris Rn. 5 m.w.N.; VGH München, Beschluss vom 6. Juni 2018 – 21 CS 18.659 –, juris Rn. 19; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. August 2014 – OVG 11 N 116.12 –, juris Rn. 16).
Die tatbezogene Prüfung gibt keinen Anlass, von der gesetzlichen Regelvermutung abzuweichen. Der Einwand des Klägers, er habe schlichtweg vergessen, seine Pistole zu entladen, stellt keinen Ausnahmefall dar. Vielmehr ist ein solcher Geschehensablauf für die fahrlässige Erfüllung des Straftatbestandes des § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a WaffG geradezu typisch.
Aber auch soweit der Kläger das Vergessen des Entladens der Waffe auf eine Verkettung besonderer Umstände zurückführt, lässt dies die Tat nicht in einem besonders milden Licht erscheinen. Denn das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass seine Behauptung, er habe sich in der Nacht des 15. Mai 2019 in einer besonderen Stresssituation befunden, der Wahrheit entspricht. Zwar hat er im verwaltungsgerichtlichen Verfahren übereinstimmende und kohärente Angaben gemacht, insbesondere decken sich seine Ausführungen aus der Klageschrift vom 3. Dezember 2020 mit denen aus der mündlichen Verhandlung. Der Kläger hat im Kern geschildert, die Stresssituation sei zum Teil darauf zurückzuführen gewesen, dass er mehrere Nächte nacheinander zur Jagd gegangen sei. In der fraglichen Nacht sei hinzugekommen, dass er beobachtet habe, wie sich ein Fahrzeug seinem geparkten Fahrzeug genähert und das Licht ausgeschaltet habe. Was dann passiert sei, habe er aufgrund der Entfernung nicht sehen können. Er sei besorgt gewesen, dass ihm jemand an seinem Fahrzeug auflauern würde. Daher habe er, als er an seinem Fahrzeug ankommen sei, bei geöffnetem und beleuchtetem Kofferraum nur die Langwaffe entladen und in einem Futteral im Kofferraum verstaut. Die Kurzwaffe habe er zum Selbstschutz erst nach dem Einsteigen in das Auto entladen wollen. Der Motor sei aber nicht angesprungen. Erst nach wiederholtem Hantieren unter der Motorhaube habe er wegfahren können. Aufgrund der Verkettung dieser Umstände sei er von seinem standardisiertem Verhalten abgewichen, indem er seinen Revolver, anders als sonst, nicht entladen habe. Dies sei ihm schlagartig bewusst geworden, als er in die Verkehrskontrolle geraten sei.
Das Gericht hält die Schilderungen des Klägers in einem wesentlichen Punkt für nicht plausibel. So ist nicht nachvollziehbar, dass der Kläger, als er sein geparktes Fahrzeug erreichte, zunächst bei geöffneten Kofferraum seine Langwaffe entlud und in einem Futteral im Kofferraum verstaute, obwohl er befürchtete, ihm würde jemand auflauern. Zwar mag der Kofferraum beleuchtet gewesen sein, gleichwohl konzentrierte sich der Kläger auf das Entladen seiner Langwaffe, zumal er sich hierzu – zumindest während er die Langwaffe in dem Futteral verstaute – in den Kofferraum gebeugt haben musste. In dieser Situation hätte der Kläger umso größere Angst davor haben müssen, dass er überwältigt und ihm die Waffe entwendet würde. Es ist nicht plausibel, dass der Kläger die angenommene Gefahr durch sein eigenes Verhalten noch intensivierte. Wäre er tatsächlich in der von ihm beschriebenen Notsituation gewesen, so wäre vielmehr zu erwarten, dass er sich umgehend in Sicherheit bringt, indem er mit beiden geladenen Schusswaffen direkt in sein Fahrzeug steigt, dieses von innen verriegelt und wegfährt (bzw. dies zumindest beabsichtigt), um nach ausreichender Entfernung auszusteigen und beide Schusswaffen ordnungsgemäß zu entladen und zu verstauen.
Ferner weichen die Schilderungen des Klägers im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in wesentlichen Punkten von seinen Angaben im Strafverfahren ab: Während er im hiesigen Verfahren den waffenrechtlichen Verstoß von Anfang an einräumte und vortrug, ihm sei bewusst gewesen, dass der Revolver hätte entladen sein müssen, hat er mit Schutzschrift seines Prozessbevollmächtigten vom 23. Dezember 2019 (S. 2 f., Bl. 43 f. der Strafakte) im Strafverfahren (anfangs) behauptet, ihm sei nicht bekannt gewesen, dass nach derzeit gültigem Waffenrecht Schusswaffen im Zusammenhang mit der Jagdausübung auch entladen sein müssten. An dieser Behauptung hat er im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erkennbar nicht mehr festgehalten.
Darüber hinaus widerspricht sich der Kläger auch, soweit er angibt, in der besagten Nacht von seinem standardisierten Verhalten abgewichen zu sein. So hat er hierzu in der o.g. Schutzschrift im Strafverfahren vorgetragen, die Abweichung bestünde darin, seine Kurzwaffe schon lange nicht mehr zur Jagdausübung bei sich zu führen. Da in der Vergangenheit in der Nähe seines Jagdbezirks wiederholt Fälle der Jagdwilderei, ungeklärte Schüsse und ohne Beleuchtung nachts durch Revier fahrende Fahrzeuge festgestellt worden seien, habe er gegen seine sonstige Gewohnheit die Kurzwaffe in der besagten Nacht bei sich gehabt. Demgegenüber trägt er im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor, die Abweichung von seinem sonst üblichen Verhalten habe darin bestanden, die Kurzwaffe vor Betreten des Fahrzeugs nicht entladen zu haben.
Diese in maßgeblichen Punkten widersprüchlichen Angaben sprechen gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers. Das Gericht geht nach alledem davon aus, dass die beschriebene Notsituation am 15. Mai 2019 nicht auf Tatsachen beruht, sondern frei erfunden ist. Es kann daher offen bleiben, ob diese Einschätzung auch durch weitere Unstimmigkeiten, die sich in zeitlicher Hinsicht möglicherweise ergeben, bestärkt wird. So gab der Kläger an, der in Rede stehende Vorfall habe sich am 15. Mai 2019 nach seinem Schichtende um 1:30 Uhr ereignet. Ausweislich der Strafanzeige vom gleichen Tag (S. 2, Bl. 2 der Strafakte) und des abschließenden polizeilichen Ermittlungsberichts vom 2. September 2019 (S. 2, Bl. 28 der Strafakte) fand die Verkehrskontrolle um 1:50 Uhr statt. Da die Fahrt von Z..., wo sich das Jagdrevier befindet, in das ca. 30 km entfernte P...laut dem Routenplaner auf Google Maps ca. 30 Minuten dauert, ist fraglich, inwieweit der Kläger zeitlich in der Lage gewesen ist, mehrere Male aus seinem Fahrzeug auszusteigen und unter der Motorhaube zu hantieren.
Von einer besonders milden Verfehlung des Klägers, die die Regelvermutung für die Annahme der Unzuverlässigkeit entkräften könnte, ist nicht auszugehen.
Auch der Umstand, dass der Kläger in der Vergangenheit beim Umgang mit Waffen und Munition nicht negativ aufgefallen ist, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung, da die Prüfung des Ausnahmefalles in erster Linie tatbezogen erfolgt und bereits ein einziger gröblicher Verstoß die Regelvermutung begründet (vgl. BverwG, Urteil vom 13. Dezember 1994 – 1 C 31.92 –, juris Rn. 32).
bb) Das Führen einer geladenen Schusswaffe außerhalb der Jagdausübung rechtfertigt auch die Annahme, dass der Kläger als waffenrechtlich unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG einzustufen ist. Danach besitzen u.a. Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig umgehen. Vorsichtig ist der Umgang mit Schusswaffen nur dann, wenn alle zur Verfügung stehenden und zumutbaren Maßnahmen vom Waffeninhaber ergriffen werden, dass eine möglichst geringe Gefahr von der Waffe ausgeht. Das erfordert, dass die Waffe nach dem Gebrauch gesichert und entladen ist. Eine Kontrolle, ob sich noch Munition in der Waffe befindet, ist ebenfalls unerlässlich (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. März 2015 – OVG 11 S 9.15 –, juris Rn. 5 m.w.N.; Steindorf/Papsthart, WaffG, 11. Aufl. 2022, § 5 Rn. 37). Daran fehlt es hier. Gerade von einem erfahrenen Jäger ist zu erwarten, dass er nach der Jagd alle Waffen sichert und vor dem Besteigen des Fahrzeugs die Schusswaffen entlädt. Es ist deshalb von einer groben Pflichtverletzung auszugehen, die der Kläger zu verantworten hat. Er befand sich nach Überzeugung des Gerichts nicht in einer Stresssituation, die ggf. zu einer anderen Einschätzung hätte führen können.
Die Pflichtverletzung trägt die Prognose, dass der Kläger auch zukünftig mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht vorsichtig mit Waffen umgehen wird. Insoweit genügt auch eine einmalige Verfehlung (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. März 2015 – OVG 11 S 9.15 –, juris Rn. 7 m.w.N.). Dies gilt umso mehr, als der Kläger den Eindruck erweckt, sein strafbewehrtes Verhalten nachträglich verharmlosen zu wollen, indem er auf die Rechtslage vor April 2003 verweist und anmerkt, dass das Führen geladener Schusswaffen „an sich nicht gefährlicher“ geworden sei.
Im Übrigen ist die jagdrechtliche Beurteilung für die Waffenbehörde nicht verbindlich (BverwG, Urteil vom 16. Mai 2007 – 6 C 24/06 –, juris Rn. 6), sodass auch die positive jagdrechtliche Entscheidung vom 19. August 2020, für die ebenfalls die Zuverlässigkeit des Klägers Voraussetzung war, ohne Auswirkung auf die hiesige Bewertung ist.
c) Da der Kläger nach alledem als waffenrechtlich unzuverlässig anzusehen ist, sind die waffenrechtlichen Erlaubnisse gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG zu widerrufen, ohne dass ein behördliches Ermessen besteht.
2. Die in Ziffer 2 und 4 des angefochtenen Bescheids angeordneten und auf § 46 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 WaffG beruhenden Verpflichtungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Es wird auf die zutreffende Begründung im Bescheid verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 8.750 Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. In Anlehnung an Ziffer 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit werden für den Widerruf der Waffenbesitzkarte einschließlich einer Waffe ein Betrag von 5.000 Euro angesetzt sowie für jede weitere darin eingetragene Waffe jeweils 750 Euro hinzugerechnet. Die Verpflichtungen in Ziffer 2 des Streitwertkatalogs wirken sich nicht streitwerterhöhend aus.