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Entscheidung 6 N 25/23


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 10.05.2023
Aktenzeichen 6 N 25/23 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2023:0510.6N25.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 4 Abs 1 GJPAStVtr BE, Art 24 Abs 1 GG, § 20 JAG BE, § 3 Abs 2 JAO BE, § 21 JAG BE, § 3 Abs 4 Nr 4 JAO BE, § 34 Abs 2 JAO BE, § 4 Abs 3 S 1 GJPAStVtr BE

Leitsatz

Die Berufung der nebenamtlichen Mitglieder des GJPA der Länder Berlin und Brandenburg erfolgt nach dem Willen beider Länder gemäß §§ 20, 21 JAG Berlin.

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 8. Februar 2023 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin wendet sich gegen das Nichtbestehen der staatlichen Pflichtfachprüfung der ersten juristischen Prüfung. Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Es lägen weder die geltend gemachten Verfahrensfehler vor noch seien erfolgreiche Einwendungen hinsichtlich der Korrektur der Aufsichtsarbeiten SR I, ZR II und ZR III erhoben worden.

Der hiergegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung hat nach dem insoweit allein maßgeblichen Vorbringen im Berufungszulassungsverfahrens (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) keinen Erfolg. Ernstliche Richtigkeitszweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zeigt die Berufungszulassungsbegründung nicht auf.

1. Ernstliche Richtigkeitszweifel sind nicht deshalb anzunehmen, weil die Bestellung der Korrektoren der nicht bestandenen Klausuren zu nebenamtlichen Mitgliedern des Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamtes - GJPA - nicht wirksam erfolgt sei.

Die Klägerin meint, der Staatsvertrag über die Errichtung eines Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamtes der Länder Berlin und Brandenburg vom 29. Juni 2004 (GVBl. Bbg 2004, 278) zum 1. Januar 2005 sehe in Artikel 4 Abs. 3 Satz 1 vor, dass für die erste juristische Prüfung das Juristenausbildungsgesetz und die Juristenausbildungsordnung des vertragschließenden Landes gelte, in welchem der Prüfling einer rechtswissenschaftlichen Fakultät immatrikuliert sei oder zuletzt immatrikuliert gewesen sei. Die Klägerin sei an einer Brandenburgischen Fakultät immatrikuliert gewesen, die nebenamtlichen Prüfer hätten daher gemäß § 34 Abs. 2 JAO Brandenburg durch den Präsidenten des GJPA berufen werden müssen; tatsächlich seien sie durch den Abteilungsleiter IV der Berliner Senatsverwaltung für Justiz berufen worden. Die Regelungen im Staatsvertrag verstießen gegen den Gesetzesvorbehalt, das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot und das Demokratieprinzip, weil sie die Zuständigkeit für die Bestimmung und für die Berufung ehrenamtlicher Mitglieder des GJPA für Studenten des Landes Brandenburg nur unzureichend regele.

Diese Auffassung blendet den Regelungskontext aus, in dem das GJPA errichtet wurde. Während die Juristenausbildungsgesetze beider Länder ursprünglich in Abschnitt 5 über das Juristische Prüfungsamt in §§ 20 und 21 jeweils Regelungen über die Berufung der nebenamtlichen Mitglieder und deren Amtsdauer vorsahen, wurden die entsprechenden Bestimmungen im Brandenburgischen JAG mit Inkrafttreten des Staatsvertrages über die Errichtung des GJPA ersatzlos aufgehoben (vgl. GVBl. Bbg I 2004, S. 277 ff. und GVBl. Bbg, I 2003, S. 165 ff.). Bereits dieser Umstand lässt erkennen, dass die Berufung der nebenamtlichen Mitglieder nach dem Willen beider Länder künftig nach den §§ 20, 21 JAG Berlin erfolgen sollte. Hieran knüpft Artikel 4 Abs. 1 des Staatsvertrages an, wonach für das GJPA das Recht des Landes Berlin gelte, soweit im Folgenden nichts Abweichendes bestimmt werde.

Eine abweichende Bestimmung in diesem Sinne ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht in dem bereits zitierten Artikel 4 Abs. 3 Satz 1 des Staatsvertrages zu sehen. Diese Vorschrift bezieht sich nicht, wie Absatz 1 des Artikels 4, auf Abschnitt 5 des JAG beider Bundesländer, sondern auf Abschnitt 2, der sich mit dem Studium und der ersten juristischen Prüfung befasst. Daher geht auch das Verwaltungsgericht zu Recht davon aus, dass es sich bei der Berufung der nebenamtlichen Mitglieder des GJPA nicht um einen Teil der ersten juristischen Prüfung, sondern um einen internen Organisationsakt handelt.

Ein Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt, das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot und das Demokratieprinzip vermag der Senat hierin nicht zu erkennen. Insbesondere fehlt es nicht an der von der Klägerin vermissten „rechtssatzförmigen Festlegung prüfungsrechtlicher Zuständigkeitsregelungen“. Der Einwand, Artikel 4 Abs. 1 des Staatsvertrages könne „für den Rechtskreis des Landes Brandenburg keine unmittelbare Geltung beanspruchen“, ist vor dem dargelegten Hintergrund nicht überzeugend. Insbesondere ist der „Blankettverweis“ in Artikel 4 Abs. 1 des Staatsvertrages auf das Berliner Landesrecht nicht „vollständig unbestimmt“, wie die Klägerin meint. Ebenso wenig ist nachvollziehbar, weshalb es an dem „demokratischen Legitimationszusammenhang zwischen einer Berliner Berufungsregelung und dem Brandenburgischen Gesetzgeber“ fehlen solle. Die Klägerin lässt außer Acht, dass sowohl der Staatsvertrag als auch die mit seinem Inkrafttreten jeweils angepassten JAG von den jeweiligen Länderparlamenten verabschiedet wurden.

Weshalb Artikel 24 Abs. 1 GG, wonach der Bund Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen kann, hätte erfordern sollen, dass die Hoheitsrechte des Landes Brandenburg hinsichtlich der Prüferberufungen und -bestellungen nur auf die zwischenstaatliche Einrichtung - das GJPA - hätten übertragen werden dürfen und nicht auf das andere Bundesland, erschließt sich nicht. Der von der Klägerin hierfür angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 5. November 1965 - VII C 119.64 -, BVerwGE 22, 299 ff., juris Rn. 43) lässt sich eine derartige Aussage nicht entnehmen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich nicht mit der Frage befasst, wie die Aufgabenbereiche und Zuständigkeiten bei Schaffung gemeinsamer Behörden mehrerer Bundesländer verteilt werden können. Vielmehr hat es entschieden, dass der Staatsvertrag über die Errichtung des Zweiten Deutschen Fernsehen nicht gegen Bundesrecht, insbesondere nicht gegen verschiedene Grundgesetzbestimmungen verstoße. In diesem Zusammenhang hat es ausgeführt, dass dem Grundgesetz der Verzicht auf Hoheitsrechte nach Artikel 24 Absatz 1 GG für völkerrechtliche Verträge durchaus bekannt sei, was nach Artikel 32 Abs. 3 GG auch für völkerrechtliche Verträge der Länder gelte; es bestünden deshalb keine grundsätzlichen Bedenken, diese Vorschrift auch auf die Staatsverträge der Länder anzuwenden. Es hat sich mit Artikel 24 Abs. 1 GG und dessen Voraussetzungen mit Blick auf Staatsverträge zwischen Bundesländern demnach nicht im Einzelnen befasst, sondern die Vorschrift lediglich angeführt, um die Offenheit des Grundgesetzes für die Übertragung von Hoheitsrechten aufzuzeigen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt auch aus § 34 Abs. 2 JAO Brandenburg nichts anderes. Nach dieser Vorschrift entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, dass GJPA durch seine Präsidentin oder seinen Präsidenten. Diese Bestimmung enthält aus den dargelegten Gründen hinsichtlich der Berufung der nebenamtlichen Mitglieder des GJPA keine eigenständige Regelung. Dessen ungeachtet sind die nebenamtlichen Mitglieder des GJPA, die an den streitbefangenen Prüfungen der Klägerin mitgewirkt haben, von dessen Präsidenten berufen worden. Dass das Berliner JAG vorsieht, dass nebenamtliche Mitglieder des GJPA durch die für Justiz zuständige Senatsverwaltung berufen werden, ändert daran nichts. Denn diese Aufgabe ist dem Leiter der Abteilung IV der Senatsverwaltung übertragen worden. Leiter der Abteilung IV ist der Präsident des GJPA.

2. Auch mit ihren Einwänden gegen die Bewertung der Klausur ZR II zeigt die Klägerin keine ernstlichen Richtigkeitszweifel auf.

a) Die Klägerin meint, die Korrektoren hätten zu der das Familienrecht berührende Frage 3 der Klausur nicht nur Grundzüge entsprechend § 3 Abs. 2 JAO Brandenburg erwartet, sondern explizit (familienrechtliche) Rechtsprechungs- bzw. Literaturkenntnisse, was über den rechtlich zulässigen Erwartungshorizont hinausgehe. Das Vorbringen verfehlt die Darlegungsanforderungen. Aus ihm erschließt sich nicht, aus welchen Umständen sich der behauptete fehlerhafte Erwartungshorizont ergeben soll.

In seinem Votum formulierte der Erstkorrektor: „Fraglich einzig, ob D Zurückbehaltungsrecht an Kaufpreis auch ggü. F zusteht. Streitig. H.M. nein: Schutz der Ehe hat Vorrang. A.A. zu weitgehende Beschneidung des Schutzes von Rechten Dritter. Beides vertretbar mit Argumentation.“

Inwieweit daraus hergeleitet werden könne, in der Klausur seien familienrechtliche Spezialkenntnisse abgefragt worden, legt die Berufungszulassungsbegründung nicht dar.

b) Die Klägerin meint weiter, mit der auf eine Darstellung des Rechtsinstituts der Prozessstandschaft zielenden Frage 4 der Klausur ZR II sei unzulässiger Prüfungsstoff abgefragt worden, weil nach § 3 Abs. 4 Nr. 4 Buchstabe a) JAO Brandenburg nur Grundzüge des Zivilprozessrechts hätten geprüft werden dürfen. Es kann dahinstehen, ob diese Auffassung zutrifft. Denn jedenfalls versäumt es die Klägerin, sich mit der die Verneinung eines entscheidungserheblichen Prüfungsfehlers selbstständig tragenden Erwägung im angefochtenen Urteil auseinanderzusetzen, wonach es an der Kausalität dieses Fehlers für das Prüfungsergebnis fehle. Hierzu hätte es einer näheren Darlegung bedurft, zumal der Beklagte bereits im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 17. Juni 2021 darauf hingewiesen hat, dass die Klägerin bei der Klausurbearbeitung zutreffend erkannt habe, dass es sich um einen Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft handele.

3. Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die Zusatzfrage bei der Klausur S I sei hinsichtlich der Prüfererwartung unzulässig gewesen. In dieser Frage wurde nach dem Anwesenheitsrecht des Verteidigers bei einer polizeilichen Vernehmung gefragt.

Das Verwaltungsgericht hatte insoweit ausgeführt, die Prüfer hätten weder abstrakte verfahrensrechtliche Ableitungen noch Argumente aus Artikel 6 EMRK gefordert. Die Erwartung der Prüfer sei hinsichtlich der Antwort offen gewesen. Entweder man habe ein Anwesenheitsrecht des Verteidigers bei der polizeilichen Vernehmung durch eine Analogie aus den gesetzlich Regelungen seiner Anwesenheitsrechte bei der richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Vernehmung des Beschuldigten bejaht oder man habe sie mangels entsprechender Regelung abgelehnt.

Mit ihrem Einwand, bei dieser Frage gehe es um abstrakte verfassungsrechtliche Ableitungen oder um Argumente aus Artikel 6 EMRK, die nur mit Verständnis und Methode auf Grundlage des Wissens im 1. Examen nicht entfaltet werden könnten, stellt die Klägerin lediglich ihre eigene Einschätzung der Sach- und Rechtslage derjenigen des Verwaltungsgerichts gegenüber, ohne darzulegen, weshalb diejenige des Verwaltungsgerichts fehlerhaft sein solle.

Überdies schließt sich der erkennende Senat der Einschätzung des Verwaltungsgerichts an, dass eine derartige Frage in der ersten juristischen Prüfung vom zulässigen Prüfungsstoff nach § 3 Abs. 4 Nr. 4 Buchstabe b) JAO Brandenburg erfasst ist. Nach dieser Vorschrift können Grundzüge des Strafverfahrensrechts geprüft werden, die u.a. Verfahrensgrundsätze, den allgemeinen Gang des Strafverfahrens sowie Rechtsstellung und Aufgaben der wesentlichen Verfahrensbeteiligten einschließen. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 JAO Brandenburg erfordern Grundzüge in diesem Sinne das Verständnis der gesetzlichen Systematik und Kenntnis über Sinn und Inhalt der wesentlichen Vorschriften und Rechtsinstitute. Diese Anforderungen wurden durch die von der Klägerin beanstandete Zusatzfrage gewahrt, weil sich ihre Beantwortung aus den bestehenden gesetzlichen Regelungen über die Anwesenheitsrechte des Verteidigers ableiten lässt.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).