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Besuchsvisum - Schengen-Visum - Hochzeit der Tochter - Rückkehrabsicht - räumlich beschränktes Visum


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 15.05.2023
Aktenzeichen 3 S 11/23 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2023:0515.3S11.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 36 Abs 2 AufenthG, Art 25 Abs 1 EGV 810/2009

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 5. Mai 2023 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde ist weder mit ihrem Haupt- noch mit ihrem Hilfsantrag begründet. Das Beschwerdevorbringen, das nach § 146 Abs. 4 VwGO den Umfang der Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht bestimmt, rechtfertigt keine Aufhebung oder Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses.

Zwar macht die Beschwerde zutreffend geltend, dass ein Anordnungsgrund hier nicht mit einem Hinweis auf das Verhalten des Antragstellers bzw. seiner Tochter verneint werden kann. Der Antragsteller, der – wie die Beschwerde nachvollziehbar einwendet - auf die konkrete Planung der Hochzeitsfeierlichkeiten keinen maßgeblichen Einfluss gehabt haben dürfte, durfte und konnte den Visumantrag bei der zuständigen Auslandsvertretung der Antragsgegnerin erst stellen, als der Hochzeitstermin feststand. Es war ihm im Übrigen schon in zeitlicher Hinsicht nicht zuzumuten, ohne konkreten Termin zunächst ein Klageverfahren durchzuführen, in dem er zudem das Risiko eingegangen wäre, dass man ihm den fehlenden Termin entgegengehalten hätte. Da es sich um ein einmaliges, nicht wiederholbares Ereignis handelt, muss die Eilbedürftigkeit als Voraussetzung für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO hier bejaht werden.

Die Beschwerde zeigt jedoch nicht mit Erfolg auf, dass der Entscheidung der Antragsgegnerin, mit der sie sowohl die Erteilung eines Schengen-Visums als auch eines Visums mit räumlich beschränkter Gültigkeit versagt hat, Beurteilungsfehler anhaften. Abgesehen davon rechtfertigt ein unterstellter Beurteilungsfehler nicht automatisch die Annahme, der der Antragsgegnerin zustehende weite Beurteilungsspielraum (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 – 1 C 37/14 – juris Rn. 18) sei auf Null reduziert. Der aus Jemen stammende Antragsteller lebt aufgrund seiner schweren und unheilbaren Erkrankung in Ägypten, ist auf die Hilfe seiner ebenfalls dort lebenden Nichte angewiesen, ist weitgehend einkommens- und vermögenslos und seine erwachsenen Kinder leben überwiegend im Bundesgebiet. Dass der Antragsteller, wie die Beschwerde geltend macht, einem vorgelegten ärztlichen Attest zufolge auf der Höhe des Meeresspiegels leben sollte, entkräftet die Annahme fehlender Rückkehrabsicht nicht, denn diese Voraussetzung lässt sich – wie die Beschwerde letztlich selbst einräumt - auch im Bundesgebiet erfüllen. Soweit die Beschwerde die Rückkehrabsicht damit begründet, dass bereits seit zwei Jahren die im Einzelnen von der Beschwerde bezeichneten Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 AufenthG vorlägen, der Antragsteller jedoch von dem ihm zu erteilenden Visum zum Familiennachzug keinen Gebrauch gemacht habe, sondern in Ägypten verbleiben wolle, führt auch dies nicht zur Annahme eines Beurteilungsfehlers.

Zum einen ist nicht glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 AufenthG tatsächlich vorliegen, wozu neben der dort geforderten außergewöhnlichen Härte auch die Sicherung des Lebensunterhaltes im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG einschließlich einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung gehört, deren Kosten vor allem im Hinblick auf die fortschreitende unheilbare Erkrankung des Antragstellers konkret nachgewiesen werden müssten. Fehlt eigenes Einkommen des Nachzugswilligen, so ist die Bonität der sich zur Kostenübernahme verpflichtenden Garantiegeber am Maßstab der Pfändungsschutzvorschriften zu prüfen, sodass es ferner nicht ausreicht, (einzelne) Gehaltsnachweise vorzulegen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Mai 2019 – OVG 3 B 64.18 - juris Rn. 48). Dass der Ausländerbehörde eine Verpflichtungserklärung vorliegt, reicht ebenfalls nicht aus, denn das Gericht muss die Tatbestandsvoraussetzungen selbstständig und umfassend prüfen.

Zum anderen kann sich der im gerichtlichen Verfahren erklärte Wille des schwer erkrankten Antragstellers während seines Aufenthaltes in Deutschland jederzeit ändern, insbesondere bei einer plötzlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes. Die angeführten familiären Umstände, die die den Antragsteller pflegende Nichte und deren Tochter betreffen, überzeugen vor diesem Hintergrund und angesichts der fehlenden Verwurzelung des Antragstellers in Ägypten nicht.

Schließlich hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass es nach Art. 25 Abs. 1 Visakodex ausnahmsweise aus humanitären Gründen erforderlich ist, ihm ein Visum mit räumlich beschränkter Gültigkeit zu erteilen. Zwar kann er sich hier auf höherrangiges Recht, nämlich Art. 8 EMRK, Art. 7 GR-Charta und auch auf Art. 6 Abs. 1 GG berufen. Diesen Vorschriften kommt jedoch im Hinblick auf die Eheschließung seiner Tochter im Bundesgebiet kein derart herausragendes Gewicht zu, dass humanitäre Gründe im Sinne von Art. 25 Abs. 1 VK, die eine Visumerteilung erfordern müssen, trotz begründeter Zweifel an der Rückkehrabsicht des Antragstellers zu bejahen wären. Auch wenn der Beschwerde zuzugeben ist, dass eine Teilnahme der Eltern an der Eheschließung ihrer Kinder innerhalb einer Familie regelmäßig als selbstverständlich vorausgesetzt wird, ist die hohe Hürde eines humanitären Grundes im Sinne von Art. 25 Abs. 1 VK hier noch nicht erreicht. Allein die deutsche Staatsangehörigkeit der Tochter erfüllt dieses Tatbestandsmerkmal ebenso wenig wie der Wunsch der Tochter, die Hochzeit im Bundesgebiet zu feiern. Soweit die Beschwerde die Teilnahme an einer Hochzeit visumrechtlich mit der Teilnahme an einer Beerdigung gleichsetzt, kann dahinstehen, ob die Beerdigung eines nahen Familienangehörigen trotz begründeter Zweifel an der Rückkehrbereitschaft die Erteilung eines Visums mit räumlich beschränkter Gültigkeit erfordert. Jedenfalls hat die Tochter des Antragstellers nach der Eheschließung immerhin die Möglichkeit, mit ihrem Ehemann den Antragsteller in Ägypten zu besuchen.

Die Beschwerde zeigt schließlich nicht auf, dass sich aus der von ihr angeführten obergerichtlichen Rechtsprechung anderes ergibt. Die Ablehnung eines Antrags auf Zulassung der Berufung ist nicht per se mit einer obergerichtlichen Bestätigung der angegriffenen Entscheidung gleichzusetzen, weil das Oberverwaltungsgericht nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nur die von dem Rechtsmittel dargelegten Gründe prüft und sich daher nicht zwingend und erst Recht nicht umfassend zu der inhaltlichen Würdigung des erstinstanzlichen Urteils verhalten muss.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).