Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 10 N 83/20


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat Entscheidungsdatum 23.05.2023
Aktenzeichen 10 N 83/20 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2023:0523.10N83.20.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 34 Abs 1 S 1 BauGB, § 14 Abs 1 S 1 BauNVO, § 22 BauNVO, § 23 Abs 5 BauNVO

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. September 2020 wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 270.787,50 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheides.

Am 18. April 2018 beantragte die Klägerin einen Vorbescheid für die Erweiterung des Büro- und Geschäftsgebäudes X... 101a mit folgenden Fragen:

„1. Ist die Erweiterung des bestehenden Gebäudes um einen sechsgeschossigen Gebäudeteil samt 2 Verbindungsbauwerke(n) und mit einer maximalen Höhe von 22 m unter Einhaltung der Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken gemäß dem beigefügten Konzept hinsichtlich des städtebaulichen Einfügungsgebots zulässig?

2. Ist die Erweiterung der vorhandenen Bebauung um Gebäudeteile mit einer Grundfläche von ca. 1.231 m² gemäß dem beigefügten Konzept hinsichtlich der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, zulässig?

3. Ist die Erweiterung der vorhandenen Bebauung um Gebäudeteile mit einer Geschossfläche von ca. 7.221 m² gemäß dem beigefügten Konzept hinsichtlich des Nutzungsmaßes zulässig?

4. Darf der Abstand zwischen dem bestehenden und dem neuen Gebäudeteil 10,0 m betragen, sofern die Abstandsflächen gem. § 6 BauO Bln eingehalten werden und sich nicht überdecken?“.

Mit Bescheid des Bezirksamts Pankow von Berlin vom 24. Oktober 2018 verneinte der Beklagte alle vier Fragen. Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 15. November 2018 Widerspruch ein, über den nicht entschieden worden ist. Die am 12. April 2019 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 24. September 2020 abgewiesen.

II.

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Mit den von ihr angeführten und hier allein zu prüfenden Gründen zeigt die Klägerin den einzig geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –) nicht auf.

Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Dezember 2010 – 1 BvR 2011/10 –, juris Rn. 17 m.w.N.) und nicht nur die Begründung, sondern auch die Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung derartigen Zweifeln unterliegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 – BVerwG 7 AV 4.03 –, juris Rn. 9). Ist die Entscheidung der Vorinstanz selbständig tragend auf mehrere Gründe gestützt, müssen die Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO hinsichtlich jedes einzelnen tragenden Entscheidungsgrundes erfüllt sein. Ist hingegen nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund dargelegt und ggf. gegeben, kann diese Begründung hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Januar 2019 – OVG 10 N 74.18 –, juris Rn. 4 m.w.N.).

Vorliegend stellt die Klägerin die Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage. Aus ihren Darlegungen ergibt sich nicht, dass an der Richtigkeit des Ergebnisses der angegriffenen Entscheidung ernstliche Zweifel bestünden.

1. Erfolglos wendet sich die Klägerin gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Vorbescheidanfrage 1. sei negativ zu beantworten, weil das Vorhaben hinsichtlich sowohl hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung als auch hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche den Anforderungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht entspreche.

a. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass sich das Vorhaben hinsichtlich seines Maßes nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge, wird durch das Zulassungsvorbringen nicht durchgreifend in Frage gestellt.

aa. Entgegen der Annahme der Klägerin hat das Verwaltungsgericht in der Sache einen zutreffenden rechtlichen Beurteilungsmaßstab zugrunde gelegt.

(1) Innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile ist ein Vorhaben gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 des Baugesetzbuchs – BauGB – zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Für die Bestimmung der näheren Umgebung im Sinne dieser Norm ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht, der der erkennende Senat folgt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. März 2013 – OVG 10 B 4.12 –, juris Rn. 37, zuletzt: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss des Senates vom 11. Mai 2023 – OVG 10 N 88.20 –, EA 4f.), auf diejenige Umgebung abzustellen, auf die sich die Ausführung des Vorhabens auswirken kann und die ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (BVerwG Urteil vom 20. Dezember 2012 – BVerwG 4 C 11.11 –, juris Rn. 30 m.w.N.). Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich dabei nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist. Diese kann so beschaffen sein, dass die Grenze zwischen näherer und fernerer Umgebung dort zu ziehen ist, wo zwei jeweils einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit voneinander verschiedenen Bau- und Nutzungsstrukturen aneinanderstoßen (BVerwG, Beschluss vom 28. August 2003 – BVerwG 4 B 74.03 –, juris Rn. 2; Urteil vom 26. Mai 1978 – 4 C 9.77 –, juris Rn. 34; Urteil vom 21. November 1980 – BVerwG 4 C 30.78 –, juris Rn. 20; Beschluss vom 16. Juni 2009 – BVerwG 4 B 50.08 – juris Rn. 5).

Nicht jegliche vorhandene Bebauung in der näheren Umgebung bestimmt jedoch ihren Charakter, vielmehr muss die Betrachtung auf das Wesentliche zurückgeführt werden und alles außer Acht gelassen werden, was die vorhandene Bebauung nicht prägt oder in ihr gar als Fremdkörper erscheint. Außer Betracht bleiben daher singuläre Anlagen, die entweder nicht die Kraft haben, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen oder die in einem auffälligen Kontrast zur übrigen Bebauung stehen, weil sie quantitativ oder qualitativ völlig aus dem Rahmen herausfallen und deshalb wegen ihrer Andersartigkeit und Einzigartigkeit den Charakter ihrer Umgebung letztlich nicht beeinflussen können. Derartige Anlagen dürfen bei der Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung aber nur dann als „Fremdkörper" ausgeklammert werden, wenn sie wegen ihrer Andersartigkeit und Einzigartigkeit den Charakter ihrer Umgebung letztlich nicht beeinflussen können. Ob dies der Fall ist, muss unter Würdigung des tatsächlich Vorhandenen ermittelt werden. Wann dies im Einzelfall anzunehmen ist, lässt sich nicht allgemein formulieren, grundsätzlich sprechen indes große Qualitätsunterschiede zwischen einer einzelnen Anlage und ihrer im wesentlichen homogenen Umgebung dafür, dass diese als ein für die Eigenart der Umgebung unbeachtlicher Fremdkörper zu werten ist (BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 – BVerwG 4 C 23.86 –, juris Rn. 13 ff. m.w.N.; Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand: 148. EL Oktober 2022, § 34 Rn. 37 m.w.N)

Bei der Abgrenzung der Reichweite der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist regelmäßig danach zu differenzieren, ob es sich um ein Einfügen nach der Art der baulichen Nutzung oder nach den übrigen in der Norm genannten Kriterien handelt (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. März 2013 – OVG 10 B 4.12 –, juris Rn. 39). Denn die Merkmale, nach denen sich ein Vorhaben im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart dieser näheren Umgebung einfügen muss, sind jeweils unabhängig voneinander zu prüfen (BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 2014 – BVerwG 4 B 38.13 –, juris Rn. 7). Beim Einfügen nach der Art der baulichen Nutzung kommt es z.B. bei Vorhaben, von denen Emissionen ausgehen, über den Nahbereich hinaus auf eine tendenziell weiter zu ziehende Umgebung an, nämlich soweit sich die Ausführung des Vorhabens mit seinen Emissionen auswirkt. Unter dem Blickwinkel der übrigen Kriterien des § 34 Abs. 1 BauGB sind die Auswirkungen des Vorhabens auf die Umgebung und umgekehrt die Wirkung der Umgebung auf das Bauvorhaben in der Regel auf einen engeren Kreis begrenzt. Dies gilt insbesondere in entsprechend differenzierten städtebaulichen Strukturen, insbesondere bei kleinteilig angeordneten und innerhalb dessen homogenen Gebäudestrukturen (BVerwG, Urteil vom 19. September 1969 – BVerwG 4 C 18.67 –, juris Rn. 18; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1. Juni 2022 – OVG 10 B 3.17 –, juris Rn. 36; Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019 § 34 Rn. 34; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand: 148. EL Oktober 2022, § 34 Rn. 36, 45).

Für das Einfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung ist dabei in erster Linie auf solche Maße abzustellen, die nach außen wahrnehmbar in Erscheinung treten und an Hand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung leicht in Beziehung zueinander setzen lassen. Zur Ermittlung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung vorrangig zugrunde zu legen sind daher die absolute Größe der Gebäude nach Grundfläche, Geschoßzahl und Höhe, bei offener Bebauung zusätzlich auch ihr Verhältnis zur umgebenden Freifläche, wohingegen die relativen Ausnutzungszahlen – GRZ, GFZ und BMZ – zurücktreten und nur bei etwa gleichgroßen Grundstücken unterstützend heranzuziehen sind. Insoweit kann auf die Begriffsmerkmale der Baunutzungsverordnung zurückgegriffen werden, die jedoch nicht rechtssatzartig gelten. Auf die Feinheiten der rechtlichen Begrifflichkeiten und Berechnungsregeln kommt es daher nicht an, maßgeblich ist vielmehr eine konkrete, an den tatsächlichen Gegebenheiten ausgerichtete Betrachtung (BVerwG, Urteil vom 23.März 1994 – BVerwG 4 C 18.92 –, juris Rn. 7 ff.). Dabei ist eine kumulierende Betrachtung der die absolute Größe bestimmenden Maßfaktoren geboten, da Gebäude ihre Umgebung nicht durch einzelne Maßbestimmungsfaktoren i.S.d § 16 Abs. 2 BauNVO prägen, sondern ihre optische maßstabbildende Wirkung durch ihr gesamtes Erscheinungsbild erzielen. Die Übereinstimmung von Vorhaben und Referenzobjekten nur in einem Maßfaktor genügt hingegen nicht, weil sie dazu führen könnte, dass durch eine Kombination von Bestimmungsgrößen, die einzelnen Gebäuden in der näheren Umgebung jeweils separat entnommen werden, Baulichkeiten entstehen, die in ihrer Dimension kein Vorbild in der näheren Umgebung haben (BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 2016 – BVerwG 4 C 7.15 – juris Rn. 20; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss des Senates vom 11. Mai 2023 – OVG 10 N 88.20 -, EA 3).

(2) Diesen Maßstab hat das Verwaltungsgericht in der Sache ungeachtet dessen zugrunde gelegt, dass sein Obersatz, dass sich das Vorhaben nicht „in die nähere Umgebung einfügt“ (EA 4), nicht dem Wortlaut des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB heutiger Fassung entspricht.

Denn es hat unter Bezugnahme auf die vorgenannten bzw. entsprechende Fundstellen in Rechtsprechung und Kommentarliteratur ausgeführt, abzustellen sei auf diejenige Umgebung, auf die sich die Ausführung des Vorhabens auswirken könne und die ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks präge bzw. beeinflusse, wobei jedes Tatbestandsmerkmal des § 34 Abs. 1 BauGB für sich zu betrachten sei. Für die Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung sei vorrangig auf die (absolute) Größe nach (kumulativ) Grundfläche, Geschosszahl und Höhe, bei offener Bebauung zusätzlich auch ihr Verhältnis zur Freifläche abzustellen. Eine Straße könne dabei zwei Baukomplexe trennen, die hinsichtlich ihrer Baustruktur jeweils unterschiedlich bebaut seien, wobei die nähere Umgebung umso enger sei, je homogener die Bebauung sei (EA 4).

Daraus, dass das Verwaltungsgericht mit der Formulierung „in die nähere Umgebung einfügt“ den Gesetzeswortlaut von § 34 Abs. 1 BBauG 1960 wiedergegeben hat, folgt nichts anderes, weil der vorgenannte Maßstab bereits unter dessen Geltung entwickelt worden ist (BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 – BVerwG 4 C 23.86 –, juris Rn. 13). Auch dass die Betrachtung dabei auf das Wesentliche – die Eigenart – der Umgebung zurückzuführen ist, hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt, denn es stellt ausdrücklich auf solche Merkmale ab, die die Umgebungsbebauung „auszeichnen“ bzw. „prägen“, wohingegen es solche Faktoren aussondert, die sich wegen ihres auffälligen Kontrastes hierzu als „Fremdkörper“ erweisen (EA 6).

bb. Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin gegen die auf diesem Maßstab beruhende Annahme des Verwaltungsgerichts, hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung werde die (Eigenart der) nähere(n) Umgebung des Bauvorhabens lediglich durch die fünf Bürogebäude auf den Flurstücken 40, 171,172, 173 und 174 – X... 101a, 111, 113, 115 und 115a – bestimmt.

Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die vorgenannten Gebäude wiesen hinsichtlich der vier Maßfaktoren Grundfläche, Geschosszahl, Höhe und Verhältnis zur Freifläche eine von der weiteren Umgebungsbebauung klar abgrenzbare, homogene Baustruktur auf: Sie seien bis auf das nachträglich aufgestockte klägerische Gebäude alle sechsgeschossig, hätten eine absolute Höhe von ca. 22 m und wegen identischer Breiten (ca. 20 m) und Tiefen (ca. 80 m) die gleiche Grundfläche von etwa 1 660 m2 und seien zudem genau auf zwei Baulinien errichtet. Zwischen den in offener Bauweise errichteten Gebäuden befänden sich identisch breite Freiflächen von ca. 38 m. Zwar sei das Vorhaben von dem südlichsten Gebäude X... 115a nicht wahrzunehmen, insoweit werde die den Umgebungszusammenhang begründende wechselseitige Beeinflussung indes durch den Blick von oben vermittelt. Nicht zur näheren Umgebung gehöre dagegen der westlich gelegene, hinsichtlich des Maßes ebenfalls homogen bebaute Gebäudekomplex – die Gebäude X... 103, 105, 107, 109, 119, 121 und 123 –, der im Hinblick auf die deutlich unterschiedliche Kubatur und die überwiegend geschlossene Bauweise eine erkennbar unterschiedliche Baustruktur aufweise. Ebenfalls nicht zur Umgebungsbebauung gehörten die Gebäude X... 101 und 101b, die im Hinblick auf die Geschosszahl und die Freiflächen strukturelle Unterschiede zu dem Referenzgebiet aufwiesen. Die so umgrenzte Umgebung zeichne sich hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung dadurch aus, dass sich zwischen den Gebäuden jeweils etwa 38 m breite unbebaute Flächen befänden. Dies gelte ungeachtet der dort vorhandenen eingeschossigen Nebenanlagen oder Technikgebäude, da diese lediglich einen sehr kleinen Teil der ansonsten unbebauten Fläche zwischen den Gebäuden einnähmen und die restliche Fläche für Parkplätze freiließen. Nichts anderes gelte für den Fall, dass die Gebäude X... 101 und 101b zur näheren Umgebung gehören sollten, denn ersteres halte zum klägerischen Bestandsgebäude ebenfalls einen Abstand von ca. 45 m ein und letzteres stelle sich angesichts der ansonsten durchgängigen und klaren unbebauten Flächen zwischen den übrigen Gebäuden als Fremdkörper dar.

Dementgegen ist die Klägerin der Ansicht, zur Eigenart der näheren Umgebung des Vorhabens gehörten auch die Gebäude nördlich, westlich und östlich des Baugrundstücks – ausweislich des in Bezug genommenen Bildes 3 der Zulassungsbegründung dürften damit jedenfalls die Gebäude X... 97, 99, 99a, 101 und 101b sowie 103, 105, 107, 109, 119, 121 und 123 gemeint sein –, da diese die Vorhabenfläche nach Art und Maß der baulichen Nutzung sowie der überbaubaren Grundstücksfläche prägten und zugleich durch das geplante Vorhaben geprägt seien. Dies verfängt aus den nachfolgenden Gründen nicht.

(1) Entgegen der Annahme der Klägerin vermittelt die Wahrnehmbarkeit des geplanten Bauvorhabens von diesen Flurstücken für sich genommen keine Zugehörigkeit zur näheren Umgebung i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Die Abgrenzung der näheren Umgebung knüpft zwar ausschließlich an äußerlich erkennbare Gegebenheiten der vorhandenen Bebauung und der übrigen Geländeverhältnisse an, maßgeblich ist jedoch deren wechselseitige Beeinflussung bzw. Prägung, die anhand einer wertenden Betrachtung zu bestimmen ist (BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 2014 – BVerwG 4 B 38.13 -, juris Rn. 13).

(2) Eine solche wechselseitige Prägung folgt entgegen der Klägerin auch nicht aus ihrer Annahme, das Vorhabengrundstück sei gemeinsam mit den vom Verwaltungsgericht herangezogenen und den von ihr genannten Grundstücken in einem faktischen Gewerbegebiet belegen, welches im Norden von der P... und im Osten von der parallel zu S-Bahn verlaufenden X... begrenzt werde. Mit ihrem Verweis auf das Vorliegen eines Gewerbegebietes nimmt die Klägerin die Art der baulichen Nutzung in den Blick. Die Reichweite der näheren Umgebung bezüglich des Maßes der baulichen Nutzung kann jedoch nicht daraus abgeleitet werden, welche Reichweite diese nähere Umgebung bezüglich der Art der baulichen Nutzung hätte. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, ist der Umkreis der zu beachtenden vorhandenen Bebauung für verschiedenen Tatbestandsmerkmale des § 34 Abs. 1 BauGB vielmehr jeweils unabhängig voneinander zu prüfen. Dementsprechend stellt es die Richtigkeit der Entscheidung auch nicht in Frage, dass das Verwaltungsgericht die Reichweite der näheren Umgebung bezogen auf das Maß der baulichen Nutzung allein nach der Einheitlichkeit der Baustruktur bestimmt und die Einheitlichkeit der Nutzungsstruktur außer Betracht gelassen hat. Nichts anderes folgt aus den von der Klägerin in Bezug genommenen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts, die tatsächliche städtebauliche Situation, in die das Grundstück eingebettet sei, könne so beschaffen sein, dass die Grenze zwischen näherer und fernerer Umgebung dort zu ziehen sei, wo zwei jeweils einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit voneinander verschiedenen Bau- und Nutzungsstrukturen aneinanderstoßen (BVerwG, Beschluss vom 28. August 2003 – BVerwG 4 B 74.03 –, juris Rn. 2). Denn Kontext der vorgenannten Passage ist allein die Fragestellung, ob die Einheitlichkeit bzw. Unterschiedlichkeit einer Bebauung die nähere Umgebung im Sinne des § 34 BauGB auch dann einzugrenzen vermag, wenn keine zusätzliche bauliche oder topografisches Trennlinie vorhanden ist. Diese beantwortet das Bundesverwaltungsgericht bejahend dahingehend, dass die Grenzen der näheren Umgebung sich nicht schematisch festlegen lassen, sondern nach der tatsächliche städtebauliche Situation zu bestimmen sind. Weder stellt es dabei auf ein bestimmtes Kriterium des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ab, noch ergibt sich aus der Entscheidung, dass zur Bestimmung der einheitliche Prägung der näheren Umgebung in Bezug auf jedes dieser Kriterien sowohl die Baustruktur als auch die Nutzungsstruktur in den Blick zu nehmen wäre. Dementsprechend verbleibt es bei dem vorgenannten, in anderen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts statuierten Maßstab, dass die nähere Umgebung für die einzelnen Kriterien jeweils gesondert abzugrenzen und die Merkmale, nach denen sich ein Vorhaben in die Eigenart dieser näheren Umgebung einfügen muss, jeweils unabhängig voneinander zu prüfen sind (BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 2014 – BVerwG 4 B 38.13 –, juris Rn. 7 ff.). Bezogen auf das Maß der baulichen Nutzung ist damit allein auf die Baustruktur abzustellen, die durch die vorgenannten vier Merkmale bestimmt wird, wohingegen die Nutzungsstruktur eine einheitliche Prägung insoweit nicht zu vermitteln vermag.

(3) Ebenso wenig erschüttert die Klägerin die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die fünf Bürogebäude X... 101a, 111, 113, 115 und 115a eine homogene Baustruktur aufweisen. Eine Homogenität der Gebäude bezüglich ihrer Länge, Breite und parallelen Stellung stellt die Klägerin zu Recht nicht in Abrede und ihre bezüglich der Geschosszahl und Höhe bzw. dem Verhältnis von Bebauung und Freifläche erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.

Soweit die Klägerin bezüglich der Geschosszahl und Höhe darauf verweist, dass allein das Gebäude X... 101a über ein nachträglich aufgesetztes Geschoss verfüge und drei Meter höher sei als die Gebäude X... 101a 111, 113, 115 und 115a, hat das Verwaltungsgericht diesen Umstand nicht verkannt, sondern ihm lediglich kein prägendes Gewicht beigemessen. Dass dies unzutreffend wäre, legt die Klägerin nicht dar und liegt bei wertender Betrachtung auch fern, da es sich insoweit um ein Staffelgeschoss handelt, dessen Zurücksetzung zu seiner deutlich verminderten Wahrnehmbarkeit führt und die Erkennbarkeit der darunterliegenden sechsgeschossigen Kubatur erhält, welche derjenigen der vier anderen Bauten entspricht. Der weiter angeführte Umstand, dass das Gebäude X... 101a über ein Souterraingeschoss verfügt, trifft ausweislich der in Google Street View abrufbaren östlichen und westlichen Straßenansichten auch für die Gebäude X... 111, 113, 115 und 115a zu. Ob es sich dabei jeweils um Vollgeschosse handelt, ist für ihre prägende Wirkung ohne Belang, weil nach dem vorgenannten Maßstab nicht auf die Feinheiten der rechtlichen Qualifikation, sondern allein auf die einheitliche tatsächliche Erkennbarkeit einer unterhalb des Straßenniveaus liegenden Etage abzustellen ist.

Auch bezüglich des Verhältnisses von Bebauung und Freifläche erschüttert das Zulassungsvorbringen nicht die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass das Referenzgebiet durch die zwischen den Gebäuden liegenden, etwa 38 m breiten, im wesentlichen unbebauten Flächen geprägt sei. Dass es sich bei dem westseitig zwischen den Gebäuden 115 und 115a belegenen Bau um einen „massiven Verbindungsbau, in dem sich zahlreiche Aufenthaltsräume befinden“, handeln würde, geht aus der von ihr als Bild 9 vorgelegten Luftaufnahme nicht hervor. Die in Google Street View abrufbare Straßenansicht lässt vielmehr erkennen, dass sich auf beiden Seiten des eingeschossigen Baus Durchgänge befinden und die Verbindung zum Gebäude 115a lediglich in einer Überdachung besteht. Nichts anderes folgt aus dem Protokoll, welches dieses Gebäude als Trafohaus bezeichnet, das „mittig zwischen den Gebäuden freistehend und … über eine Überdachung und ein weiteres an das Gebäude 115 angebautes Gebäude mit diesem verbunden“ sei. Ebenso wenig entkräftet der Verweis der Klägerin auf insgesamt drei auf den Freiflächen errichtete (An-)Bauten die vom Verwaltungsgericht gegen deren prägenden Charakter angeführte Erwägung, dass diese lediglich einen sehr kleinen Teil der ansonsten unbebauten Fläche einnähmen. Soweit die Klägerin der vom Verwaltungsgericht verwendeten Bezeichnung „untergeordnete Nebenanlagen“ (EA S. 8) widerspricht und darauf verweist, dass diese (An-)Bauten Aufenthaltsräume enthalten, verkennt sie, dass die Qualifizierung als untergeordnete Nebenanlage (vgl.§ 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO) auf die Art der baulichen Nutzung bezogen und deshalb im Rahmen einer auf das Maß der baulichen Nutzung bezogenen Bestimmung der näheren Umgebung ohne Belang ist. Auch soweit die Klägerin darauf verweist, dass die Freiflächen unterschiedlich genutzt seien – als Stellplätze, Fahrradabstellplätze, für Mülltonnen, als Grünflächen, als Lager, durch die Post – verkennt sie, dass vorliegend nicht die Nutzungsstruktur, sondern allein die Baustruktur in den Blick zu nehmen ist.

(4) Die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Baustruktur der Gebäude X...101a, 111, 113, 115 und 115a sich von derjenigen der westlich gelegenen Gebäude X... 103, 105, 107, 109, 119, 121 und 123 unterscheide, stellt das Zulassungsvorbringen ebenfalls nicht durchgreifend in Frage. Dass diese, wie vom Verwaltungsgericht ausgeführt, eine deutlich unterschiedliche Kubatur aufwiesen, stellt die Klägerin nicht in Abrede. Ebenso wenig erschüttert sie die Annahme, dass diese erstgenannten Gebäude in offener und die letztgenannten Gebäude überwiegend in geschlossener Bauweise errichtet seien. Ihre Annahme, diese Gebäude seien nicht an einer öffentlichen Straße, sondern an einem nichtöffentlichen inneren Erschließungsweg gelegen und könnten deshalb keine Bauweise i.S.d. § 22 BauNVO bilden, geht fehl. Zum einen deutet die Darstellung der das faktische Gewerbegebiet durchziehenden Teilstrecken der Storkower Straße im Amtlichen Liegenschaftskatasterinformationssystem darauf hin, dass es sich bei diesen um öffentliches Straßenland handelt (lt. Legende „Klassifizierung nach Straßenrecht“, vgl. dazu § 1 Abs. 1 der AV Straßenklassifizierung vom 14. Dezember 2021). Vor allem jedoch kommt es für das Einfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht auf die rechtlichen Feinheiten der Regelung in § 22 Abs. 1 der Baunutzungsverordnung an, welche an die straßenrechtliche Widmung anknüpfend bestimmt, ob die Gebäude an der Straße von den seitlichen Nachbargrenzen einen Abstand einhalten – offene Bauweise – oder aber an den seitlichen Nachbargrenzen errichtet werden müssen – geschlossene Bauweise – und dabei die Qualifikation als vordere bzw. rückwärtige Grundstücksgrenze ausgehend von der das Grundstück erschließenden öffentlichen Verkehrsfläche bestimmt (OVG Hamburg, Beschluss vom 10. Februar 2012 – 2 Bs 245/11 –, juris Rn. 12; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. Oktober 2007 – 8 S 1447/07 –, juris Rn. 5). Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Längenbegrenzung des §22 Abs. 2 Satz 2 BauNVO von 50 Metern für eine offene Bauweise eingehalten ist. Vielmehr ist nach dem vorgenannten Maßstab allein darauf abzustellen, ob die betreffenden Gebäude von einer Straße aus betrachtet tatsächlich unmittelbar aneinander grenzen oder einen seitlichen Abstand aufweisen.

(5) Schließlich legt die Klägerin nicht dar, dass die Baustruktur der nördlich gelegenen Gebäude X... 97, 99, 99a, 101 und 101b derjenigen der Gebäude X...101a, 111, 113, 115 und 115a vergleichbar wäre.

Bezüglich der Geschosszahl ist das Verwaltungsgericht entgegen der Annahme der Klägerin zutreffend davon ausgegangen, dass das achtgeschossige Gebäude X...101 und das siebengeschossige Gebäude X...101b einen strukturellen Unterschied nicht nur zu den Gebäuden X...111, 113, 115 und 115a mit sechs oberirdischen Geschossen, sondern auch zu dem Gebäude X...101a aufweist, dessen siebte oberirdische Etage deutlich zurücktretend als Staffelgeschoss ausgestaltet ist. Welche Bedeutung dem weiter herausgestellten Umstand beizumessen wäre, dass die Fassade des Gebäudes X...101a umgebaut worden ist, legt die Klägerin nicht dar.

Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass sich beide Gebäudegruppen bezüglich des Verhältnisses von Bebauung und Freifläche strukturell unterschieden, ist im Hinblick darauf nicht zu beanstanden, dass die Einwendungen der Klägerin gegen eine Prägung des Referenzgebietes durch die Freiflächen aus den vorgenannten Gründen zu (3) nicht durchgreifen.

Ausgehend davon vermag der Umstand, dass beide Häusergruppen in derselben – nach Ansicht der Klägerin als geschlossen, nach dem vorgenannten Maßstab hingegen als offen anzusehenden – Bauweise errichtet sind, für sich genommen eine Homogenität nicht zu begründen. Soweit die Klägerin rügt, dass allein die strukturellen Unterschiede im Hinblick auf Geschosszahl und Freiflächen nicht geeignet seien, eine Inhomogenität zu belegen, verkennt das nach dem eingangs dargestellten Maßstab die Reichweite der näheren Umgebung ebenso wie den Umstand, dass das Einfügen in deren Eigenart von einer kumulativer Übereinstimmung der relevanten Maßfaktoren abhängt (BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 2016 – BVerwG 4 C 7.15 –, juris Rn. 20).

Dringt die Klägerin damit bereits mit ihren Einwendungen bezüglich der selbständig tragenden Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die nähere Umgebung allein durch die Gebäude X...101a, 111, 113, 115 und 115a bestimmt wird, nicht durch, so kommt es für die Ergebnisrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht mehr darauf an, ob ihre gegen die weitere Begründung – erstrecke man die nähere Umgebung auf die Gebäude X... 101 und 101b, sei letzteres als Fremdkörper anzusehen – erhobenen Einwendungen durchgreifen.

cc. Auch die weitere Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, dass das Vorhaben sich weder in diesen Rahmen einfüge noch ausnahmsweise zulässig sei, erschüttert die Klägerin nicht.

Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, das Bauvorhaben, mit dem die unbebaute Fläche zwischen Bestands- und Nachbargebäude X... 101a und 111 mit einem Abstand von jeweils ca. 10 m mit einem weiteren Gebäude und zwei sechsgeschossigen Gebäudeübergängen bebaut werden solle, würde dem die nähere Umgebung prägenden großzügigen Verhältnis von Gebäuden und Freiflächen widersprechen. Es füge sich auch nicht ausnahmsweise trotz dieser Rahmenüberschreitung in die nähere Umgebung ein, sondern sei geeignet, bodenrechtlich beachtliche, ausgleichsbedürftige Spannungen zu begründen, die die bauplanungsrechtliche Situation gleichsam in Bewegung brächten und potentiell ein Planungsbedürfnis nach sich zögen. Es habe eine negative Vorbildwirkung, da die nicht nur abstrakte und entfernt gegebene Möglichkeit bestehe, dass dann auch die restlichen Freiflächen auf den anderen unbebauten Flächen zwischen den Bürogebäuden bebaut und die vorhandene unbebaute Fläche unangemessen dadurch vermindert werde. Die hiergegen erhobenen Einwendungen greifen nicht durch:

Darauf, ob der NeubauS...101b die städtebauliche Situation bereits in Bewegung gebracht habe, kommt es nicht an, weil dieses Gebäude sich nach den nicht durchgreifend in Frage gestellten erstinstanzlichen Feststellungen außerhalb der maßgeblichen näheren Umgebung des Vorhabens befindet.

Soweit die Klägerin weiter meint, dass bereits der „Verbindungsbau“ zwischen den GebäudenL...115 und 115a die städtebauliche Situation in Bewegung gebracht habe, kommt diesem Anbau nach den nicht durchgreifend in Frage gestellten erstinstanzlichen Feststellungen keine prägende Wirkung für die nähere Umgebung zu.

Dass im Genehmigungsfall eine Bebauung auch der übrigen Freiflächen in der näheren Umgebung zu befürchten wäre, stellt die Klägerin zu Recht nicht in Abrede. Bereits darin erweist sich, dass das Vorhaben eine negative Vorbildwirkung hat und geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen bzw. zu erhöhen und potentiell ein Planungsbedürfnis nach sich zu ziehen. Darauf, ob der Beklagte ein solches Planungsbedürfnis bereits unabhängig von der Beantragung des Vorhabens erkannt hat – wie es vorliegend ausweislich eines im Jahr 1995 gefassten Beschlusses über die Aufstellung eines Bebauungsplans jedenfalls in der Vergangenheit der Fall gewesen sein dürfte –, kommt es nicht an, denn allein der Aufstellungsbeschluss vermag das bodenrechtliche Spannungsverhältnis nicht zu beenden. Dieses besteht solange fort, bis die widerstreitenden städtebaulichen Belange mit dem Beschluss des Bebauungsplans ihren Ausgleich i.S.d. § 1 Abs. 7 BauGB erfahren. Vorliegend war der Beklagte auch nicht gehalten, seine ggf. weiter verfolgte Planungsabsicht mittels einer Veränderungssperre nach § 14 BauGB bzw. Zurückstellung nach § 15 BauGB zu sichern, weil das klägerische Vorhaben sich, unabhängig davon, ob es eine künftige Planung erschweren würde, bereits in die gegenwärtigen Verhältnisse des Maßes der Bebauung nicht einfügt.

b. Die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, dass sich das Vorhaben hinsichtlich der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, nicht in die (Eigenart der) nähere(n) Umgebung einfüge, wird durch das Zulassungsvorbringen ebenfalls nicht durchgreifend in Frage gestellt.

aa. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Reichweite der näheren Umgebung hinsichtlich des Maßes der Bebauung der überbauten Grundstücksfläche derjenigen entspricht. Dagegen wendet sich die Klägerin nicht.

bb. Das Verwaltungsgericht hat weiter angenommen, dass das geplante Bauvorhaben den aus dieser Umgebung ableitbaren Rahmen überschreite, indem es auf einer nicht überbaubaren Grundstücksfläche liege. Unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des erkennenden Senates hat es ausgeführt, eine Wohnbebauung auf einer unbebauten Fläche, die sich ihrer Art und Zweckbestimmung nach als endgültig darstelle und die Eigenart der Umgebung präge – wie es bei öffentlichen Parkplatzflächen i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB der Fall sei –, sei regelmäßig nicht zulässig (Senatsbeschluss vom 16. November 2010 – OVG 10 S 31.10 –, juris Rn. 11, dort betreffend Grünflächen i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB). Wegen der damit verbundenen Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums bedürfe es jedoch deutlicher Anhaltspunkte für eine entsprechende bauliche Verfestigung der Parkplatzfläche, solche seien ihre baulichen Arrondierung mit abschließendem Charakter, weiter ablesbare städtebauliche Bezüge oder ihre erkennbare Notwendigkeit bzw. Nützlichkeit für die Erschließung des Gebäudes. Daran gemessen seien die Freiflächen innerhalb des Referenzgebietes hier als faktische Parkplatzflächen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB anzusehen. Dies ergebe sich bereits aus der planvollen und nach einem einheitlichen Erschließungskonzept erfolgten Anordnung der Gebäude im Verhältnis zu den Parkplätzen. Diese unmittelbar zwischen den Gebäuden befindlichen Flächen seien entsprechend der Sechzehn Grundsätze des Städtebaus der DDR als Parkplatzflächen und untergeordnet als Grünflächen angelegt worden, um den Beschäftigten der Bürogebäude die Möglichkeit zu geben, mit dem eigenen Kraftfahrzeug zur Arbeit zu fahren. Diese Planungsabsicht sei weiterhin optisch ablesbar, da die Parkplatzflächen bisher allenfalls durch untergeordnete Nebenanlagen überbaut seien. Die Freiflächen seien baulich durch die Gebäudekanten und die asphaltierten und markierten Flächen zwischen den Gebäuden baulich klar umrissen und damit hinreichend bestimmt und hätten schon im Hinblick auf den beschränkten Platz zwischen den Gebäuden ersichtlich abschließenden Charakter.

Die hiergegen erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.

Soweit die Klägerin zutreffend darauf hinweist, dass das Verwaltungsgericht auf eine vorliegend nicht beabsichtigte „Wohnbebauung“ Bezug nimmt, stellt dies die Richtigkeit der erstinstanzlichen Argumentation nicht in Frage, deren maßgeblicher Bezugspunkt nicht die Art des Vorhabens, sondern die planersetzende Verfestigung des unbebauten Zustands der Vorhabenfläche ist.

Ihr Einwand, dass aufgrund der zwischenzeitlich auf den Freiflächen errichteten (An-)Bauten keine „klaren Baugrenzen“ mehr gegeben seien, verfehlt die erstinstanzliche Argumentation, die aus der Geringfügigkeit der (An-)Bauten auf den Fortbestand der historischen Prägung als Parkplatzflächen schließt, wohingegen sie deren klare Abgrenzbarkeit unter dem Gesichtspunkt hinreichender Eingriffsbestimmtheit für erforderlich und durch die Gebäudekanten, Asphaltierung und Markierung für gewahrt erachtet. Beide Erwägungen stellt die Klägerin nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage. Weder stellt sie die Geringfügigkeit der (An-)Bautenfläche im Verhältnis zur verbleibenden Parkplatzfläche in Abrede noch legt sie dar, warum der von ihr angeführte Umstand, dass es sich um eigenständige Gebäude handele, einer fortbestehenden Prägung der verbleibenden Flächen als Parkplatzfläche entgegenstünde. Ob diese (An-)Bauten ihrerseits nach § 23 Abs. 5 BauNVO i.V.m. § 14 BauNVO genehmigungsfähig wären, ist ohne Belang, da es für die Eigenart der näheren Umgebung auch bezüglich der bebaubaren Grundstücksfläche nicht auf Feinheiten der rechtlichen Begrifflichkeit ankommt, sondern eine konkrete, am tatsächlich Vorhandenen ausgerichtete Betrachtung vorzunehmen ist. Ebenso wenig hebt der Umstand, dass ein Teil der Freiflächen durch Begrünung untergliedert ist (Bildern 5 und 9 der Zulassungsbegründung), deren Zweckbestimmung als Parkplatzfläche auf.

Die Annahme der Klägerin, dass bereits der siebengeschossige Neubau bzw. der von ihm ersetzte dreigeschossige Altbau X...101b das System aus Freifläche und bebauter Fläche „gesprengt“ habe, geht fehl, weil diese Gebäude sich nach den nicht durchgreifend in Frage gestellten erstinstanzlichen Feststellungen außerhalb der maßgeblichen näheren Umgebung des Vorhabens befinden bzw. befanden.

cc. Auch die weitere Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, dass das Vorhaben sich auch nicht ausnahmsweise gemäß § 34 Abs. 1 BauGB in die nähere Umgebung einfüge, erschüttert die Klägerin nicht.

Dieses hat ausgeführt, bei der Prüfung, ob Nebenanlagen, die eine faktische Baugrenze im unbeplanten Innenbereich überschritten, bodenrechtliche Spannungen hervorriefen, seien die städtebaulichen Folgen ihrer Zulassung am Maßstab des § 23 Abs. 5 BauNVO zu prüfen; dies gelte entsprechend für die Vorhaben auf unbebauten Parkplatzflächen. Daran gemessen habe das Vorhaben hier eine negative Vorbildwirkung, da konkret zu befürchten sei, dass dann auch die restlichen Parkplatzflächen innerhalb des Baublocks bebaut und dadurch die vorhandenen Flächen unangemessen vermindert würden.

Die hiergegen erhobenen Einwendungen greifen nicht durch: Im Hinblick auf die bereits eingeleitete Bebauungsplanung gilt das oben Gesagte. Auch steht der Annahme einer „unangemessenen Verminderung“ von Parkplatzflächen nicht entgegen, dass es in Berlin keine Stellplatzpflicht gebe, es genügt vielmehr, dass die bestehende Erschließungssituation bereits gegenwärtig den Anforderungen kaum noch genügt und eine weitere Verdichtung die Situation weiter verschärfen würde, wie die Beklagte ausführt. Nichts anderes folgt daraus, dass eine Nachverdichtung vom Bundesgesetzgeber in § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB zum Planungsziel erklärt worden und deshalb städtebaulich positiv zu beurteilen sei. Denn für den Fall, dass das Vorhaben bodenrechtlich beachtliche bewältigungsbedürftige Spannungen zur Folge hat, kann der insoweit gebotene Ausgleich widerstreitender städtebaulichen Belange nur im Rahmen eines Bebauungsplans erfolgen. Im Rahmen von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist für eine entsprechende Abwägung hingegen kein Raum (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand: 148. EL Oktober 2022, § 34 Rn. 31).

2. Erfolglos wendet sich der Kläger gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Vorbescheidanfragen 2. und 3. negativ zu beantworten seien. Denn insoweit verweist sie allein auf ihre Ausführungen zu 1., die aus den vorgenannten Gründen nicht durchgreifen.

3. Erfolglos wendet sich der Kläger schließlich gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Vorbescheidanfrage 4. negativ zu beantworten sei.

Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die Frage Nr. 4 unklar und vom objektiven Empfängerhorizont im Hinblick auf das erkennbare Interesse dahin auszulegen sei, dass nicht nach der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit, insbesondere der Einhaltung der Abstandsflächen gemäß § 6 BauO Bln, sondern nach der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit, insbesondere zur überbaubaren Grundstücksfläche, gefragt sei. Aus dem in Bezug genommenen Bebauungskonzept ergäben sich keine konkreten und prüfbaren Abstandsflächenmaße, deren Zulässigkeit werde vielmehr unterstellt, und es sei nach der Zulässigkeit der Position des Baus auf dem Grundstück („Abstand zwischen dem bestehenden und dem neuen Gebäudeteil 10,0 m“) gefragt. Die so ausgelegte Frage sein negativ zu beantworten, da sich das Bauvorhaben hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche nicht in die nähere Umgebung einfüge.

Die Klägerin meint hingegen, die Frage Nr. 4 ziele auf die bauordnungsrechtlich bedeutsame Frage, ob der Abstand zwischen dem bestehenden und dem neuen Gebäudeteil zehn Meter betragen dürfe, oder ob der Beklagte für das Bürogebäude als Sonderbau i.S.d. § 51 Abs. Satz 1 BauO Bln besondere Anforderungen stelle, beispielsweise für den Einsatz von Rettungsfahrzeugen oder Hubrettungsgeräten einen größeren Abstand fordere. Dieser Bedeutungsgehalt ihrer Frage ergebe sich aus der Eintragung dieses Maßes in dem ihrem Antrag beigefügten Lageplan („Bebauungskonzept“) sowie daraus, dass sie die bereits als Nr. 2 gestellte Frage nach der Zulässigkeit der überbaubaren Grundstücksfläche ersichtlich nicht ein weiteres Mal habe aufwerfen wollen.

Eine solche bauordnungsrechtliche Fragestellung mag von der Klägerin subjektiv intendiert gewesen sein, sie hat jedoch in den im Verfahren abgegebenen Erklärungen keinen Anhalt gefunden, der nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont eine entsprechende Auslegung geboten hätte. Insbesondere folgt dies nicht aus dem zeichnerischen „Bebauungskonzept“, welches die bereits im Wortlaut der Fragestellung zu 4. bezifferte Abstandsangabe von 10,0 Metern lediglich um die Angabe ergänzt, dass sich in diesem Bereich ein Lichthof und zwei Eingänge befinden sollen, aber nicht aufzeigt, unter welchem Gesichtspunkt die Klägerin diesen Angaben Relevanz beimisst, wie dies an anderen Stellen des Dokumentes erfolgt ist („Bauflucht eingehalten“). Ebenso gibt die aus der Auslegung des Verwaltungsgerichts folgende Doppelung der Fragen Nr. 2 und 4 nach der überbaubaren Grundstücksfläche – ebenso wie die in den Fragen Nr. 1 und 2 angelegte und von der Klägerin insoweit nicht hinterfragte Doppelung derselben Frage – dem objektiven Empfänger keinen Anhaltspunkt dafür, welche andere Fragestellung statt dessen hätte geklärt werden sollen. Schließlich ist im Vorfeld der erstinstanzlichen Entscheidung keine objektive Klarstellung des subjektiv Gewollten erfolgt. Die Klägerin hat den Umstand, dass der Beklagte die Frage Nr. 4 im Bescheid unter Verweis auf die planungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens verneint hatte, nicht zum Anlass genommen, einen von ihr ggf. intendierten bauordnungsrechtlichen Klärungsbedarf zu konkretisieren. Vielmehr hat sie sich in ihrer Widerspruchsbegründung vom 13. Dezember 2018 der bauplanungsrechtlichen Frageauslegung des Beklagten angeschlossen, in dem sie ausschließlich zur planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens ausgeführt und daraus die Schlussfolgerung gezogen hat, dass „alle gestellten Fragen, also auch … die Frage nach dem Abstandsflächenrecht“ positiv zu beantworten seien (S. 14). Nichts anderes ergibt sich aus ihrer Klagebegründung, die sich in einem Verweis auf diese Widerspruchsbegründung erschöpft. Welche Veranlassung das erstinstanzliche Gericht angesichts dessen gehabt haben sollte, in der mündlichen Verhandlung auf den Inhalt der Fragestellung einzugehen, wie dies von der Klägerin als geboten erachtet wird, ist weder dargetan noch ersichtlich.

Unabhängig davon legt die Klägerin nicht dar, dass die Fragestellung, ihre subjektive Klärungsintention zugrunde gelegt, positiv zu beantworten wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG, sie folgt der erstinstanzlichen Festsetzung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).