Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 11 U 244/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 11. Zivilsenat Entscheidungsdatum 28.04.2023
Aktenzeichen 11 U 244/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0428.11U244.22.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 17.08.2022 – 15 O 142/22 – wird als unzulässig verworfen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 25.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Prämienanpassungen im Rahmen einer privaten Krankenversicherung und die sich daraus ergebenden Ansprüche auf Rückerstattung sowie Herausgabe von Nutzungen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt, dass es von Anfang an einem Rechtsschutzziel fehle, da u. a. im Tarif MediVita Z90 und MediVita 500 mit der Erhöhung ab dem Jahr 2015 und SEK V ab 2016 in verjährter Zeit eine wirksame Prämienanpassung erfolgt sei. Zudem seien die übrigen streitgegenständlichen Beitragserhöhungen der Beklagten für die Jahre 2015, 2017 und 2018 formell nicht zu beanstanden.

Gegen das ihm zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten am 22.08.2022 zugestellte Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) hat der Kläger mit anwaltlichem Schriftsatz am 13.09.2022 Berufung eingelegt und nach Gewährung einer antragsgemäßen Fristverlängerung bis zum 24.11.2022 mit Faxschreiben vom selben Tag diese begründet sowie mit einem weiteren anwaltlichen Schreiben von diesem Tag unter Verweis auf einen dem Schreiben eingefügten Screenshot mitgeteilt, „dass die Nutzung des bundesweiten elektronischen Anwaltspostfaches „beA“ heute, den 24.11.2022, seit 13.30 Uhr aus technischen Gründen nicht möglich gewesen“ sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens wird auf Bl. 28 eAkteOLG verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung vom 17.02.2023 hat der Senat den Prozessbevollmächtigten des Klägers darauf hingewiesen, dass es bei dem Schriftsatz vom 24.11.2022 an einer wirksamen Ersatzeinreichung mangele und es an der Darlegung und Glaubhaftmachung fehle, soweit vorübergehende technische Gründe vorgebracht würden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.02.2023 (Bl. 88 eAkteOLG), das den Prozessbevollmächtigten am 24.02.2023 zugestellt worden ist, verwiesen.

Mit Schreiben vom 30.03.2023 haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, dass sie mit Datum vom 25.11.2022 sowohl die Berufungsbegründung als auch ein Schreiben über die anwaltliche Versicherung zum Störungsausfall dem OLG per beA übersandt hätten. Derartige Schreiben sind jedoch bei Gericht nicht eingegangen. Der Kläger ist der Ansicht, das Gericht solle eine Datenprüfung veranlassen. Einen Sendebericht könne nicht mehr herausgezogen werden, da diese Möglichkeit auf drei Monate begrenzt sei.

Der Kläger ficht das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens und vertritt insbesondere weiter die Auffassung, dass die streitgegenständlichen Beitragserhöhungen formell nicht wirksam seien, verlangt aber unter Berücksichtigung der eingetretenen Verjährung einen geringeren Zahlbetrag.

Er beantragt sinngemäß die Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen für die Jahre 2012, 2013, 2015 – 2018 und die Zahlung eines Betrages in Höhe von 3548,88 € nebst anteiliger Zinsen sowie durch die Beklagte gezogene Nutzungen aus den Prämienanteilen nebst anteiliger Zinsen und die Freistellung von den außergerichtlichen Anwaltskosten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien verwiesen.

II.

Die Berufung des Klägers war gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil der Kläger die Berufungsbegründungsfrist versäumt hat.

Gemäß § 522 Abs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Demgemäß hätte die Berufungsbegründung des Klägers entsprechend der Vorschrift des § 130d ZPO am 24.11.2022 beim Oberlandesgericht als elektronisches Dokument eingehen müssen, was jedoch mit der Einreichung des Faxschreibens am selben Tag nicht der Fall war.

Die Einreichung der Berufungsbegründung per Fax durch die Prozessbevollmächtigten ist nach dem weiteren klägerischen Vorbringen unter Berücksichtigung der Umstände des Falles auch nicht in Gestalt der Ersatzeinreichung nach § 130d Satz 2 und 3 ZPO ausnahmsweise wirksam.

Danach ist die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften dann nicht zu beanstanden, wenn die elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen.

Diese Voraussetzungen sieht der Senat nicht als gegeben an. Denn es fehlt sowohl an der umfassenden Darlegung als auch an der unverzüglichen Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung aus technischen Gründen. Dem Schreiben vom 24.11.2022 kann lediglich die Mitteilung entnommen werden, dass aufgrund einer Störung an diesem Tag eine Übersendung per beA nicht möglich sei, nicht aber, dass diese Störung zum Zeitpunkt der Fax-Übersendung noch andauerte, noch ob sämtliche Anwaltspostfächer der Kanzlei betroffen waren. Ihm kann man noch nicht einmal entnehmen, dass das Anwaltspostfach des unterzeichnenden Rechtsanwalts nicht zur Verfügung stand. Der Screenshot hat insofern keine Aussagekraft.

Abgesehen davon mangelt es auch an der erforderlichen Glaubhaftmachung im Sinne des § 294 ZPO. Fehlt die Glaubhaftmachung oder leidet sie selbst an einem Wirksamkeitshindernis, ist auch die Ersatzeinreichung unwirksam. Zwar kann die Schilderung von Vorgängen durch einen Rechtsanwalt die mitgeteilten Tatsachen in gleicher Weise glaubhaft machen, wie dies sonst durch eine eidesstattliche Versicherung der Fall ist, wenn der Anwalt die Richtigkeit seiner Angaben unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichert. Hierzu bedarf es aber jedenfalls einer Versicherung der Richtigkeit dieser. Ein einfacher Schriftsatz genügt hierfür nicht. Ausreichend ist eine anwaltliche Versicherung über das Scheitern der Übermittlung (vgl. zum Ganzen OLG Braunschweig, Beschluss v. 28.10.2022 – 4 U 76/22 m.w.N., juris). Daran fehlt es jedoch, da es sich um eine bloße Mitteilung handelt.

Es kann dahinstehen, ob der anwaltliche Schriftsatz vom 25.11.2022 diesen Anforderungen genügt. Jedenfalls ist dieser erst mit dem anwaltlichen Schriftsatz vom 30.03.2023 bei Gericht eingegangen und damit nicht mehr unverzüglich. Die Prozessbevollmächtigten haben auch die Frist von zwei Wochen zu den Hinweisen des Gerichts verstreichen lassen, ohne dass hierfür ein Grund erkennbar war. Die Prozessbevollmächtigten hätten nach den Hinweisen im Termin am 17.02.2023 den vermeintlichen Nachweis für die Übersendung des Schriftsatzes innerhalb des vom ihm behaupteten Drei-Monats-Zeitraums durchaus verschaffen können. Dies gilt selbst dann, wenn man auf den Zeitpunkt der Übersendung des Protokolls am 24.02.2023 abstellt. Abgesehen davon entspricht es nicht den anwaltlichen Sorgfaltspflichten, bei derartigen Situationen auf die Sicherung von Nachweisen zu verzichten. Es ist nicht Sache des Gerichts, für den Rechtsanwalt Nachforschungen anzustellen, die ohnehin ohne große Mühen innerhalb angemessener Frist von ihm hätten bewerkstelligen können.

Abgesehen davon wäre auch die Nachreichung am 25.11.2023 nicht mehr unverzüglich im Sinne des § 130d ZPO. So heißt es in der Gesetzesbegründung: „Die Glaubhaftmachung soll möglichst gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung erfolgen. Jedoch sind Situationen denkbar, bei denen der Rechtsanwalt erst kurz vor Fristablauf feststellt, dass eine elektronische Einreichung nicht möglich ist und bis zum Fristablauf keine Zeit mehr verbleibt, die Unmöglichkeit darzutun und glaubhaft zu machen. In diesem Fall ist die Glaubhaftmachung unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) nachzuholen“ (BT-Drs. 17/12634, S. 28). Es ist hier nicht ersichtlich und auch nicht dargetan, warum erst nach Fristablauf die anwaltliche Versicherung erfolgte, zumal dem Prozessbevollmächtigten diese Situation schon vor dem Zeitpunkt der Versendung des Faxschreibens bekannt war und ihm auch die Abfassung des Schreibens unter Einfügung des Screenshots möglich war. Inwiefern hierzu eine anwaltliche Versicherung unterblieb, kann vom Senat nicht nachvollzogen werden.

Dem Kläger war auch nicht von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Es ist nicht erkennbar, dass der Prozessbevollmächtigte die versäumte Prozesshandlung nachgeholt hat. Im Übrigen wäre die Fristversäumung nicht ohne Verschulden des Klägers im Sinne des § 233 Satz 1 ZPO erfolgt, nachdem sich dieser das Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, zumal er innerhalb der Frist zur Stellungnahem nichts Entsprechendes vorgetragen hat.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.