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Windkraftanlage; Windenergieanlage; Genehmigung; Nebenbestimmung; schädliche Umwelteinwirkungen; Lärm; Nachtbetrieb; Typvermessung; Abnahmemessung; Nachweismessung; TA Lärm; BindungswirkungErkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik; Berechnungsverfahren; alternatives Verfahren; Interimsverfahren; WKA-Geräuschimmissionserlass Brandenburg 2019


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 3a. Senat Entscheidungsdatum 11.05.2023
Aktenzeichen 3a A 31/23 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2023:0511.3A.A31.23.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 6 BImSchG, TA Lärm, § 5 Abs 1 Nr 1 BImSchG, § 12 Abs 1 S 1 BImSchG, § 28 Abs 1 S 1 BImSchG

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen Nebenbestimmungen in einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin beantragte unter dem 15. November 2018, ihr zur Errichtung und zum Betrieb einer Windkraftanlage in 6 ... eine Genehmigung nach § 4 BImSchG zu erteilen. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens reichte sie mehrere immissionsschutzrechtliche Gutachten für verschiedene Betriebsmodi (Volllast, ohne Nachtbetrieb, reduzierte Betriebsweise nachts) nach dem sog. alternativen Verfahren und nach dem sog. Interimsverfahren ein. Das auf der Grundlage des Interimsverfahren erstellte Gutachten wies an mehreren Immissionsorten Beurteilungspegel aus, die nachts weniger als 15 dB(A) unterhalb der jeweiligen Immissionsrichtwerte lagen (vgl. VV S. 301 ff.).

Mit Bescheid vom 26. Oktober 2020 erteilte das Landesamt für Umwelt der Rechtsvorgängerin der Klägerin die begehrte Genehmigung „unter Berücksichtigung der unter Ziffer IV.“ des Bescheides genannten Inhalts- und Nebenbestimmungen. Unter IV. des Bescheides hieß es u.a.:

„2.1 Die Genehmigung wird unter der aufschiebenden Bedingung erteilt, dass der Nachtbetrieb von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr für die WKA erst aufgenommen werden darf, wenn durch Vorlage eines Berichtes über eine Typvermessung gezeigt wird, dass der maximal zulässige Emissionspegel (Le,max) dieser Genehmigung nicht überschritten wird.

2.2 Die beabsichtigte Aufnahme des Nachtbetriebes ist dem LfU … anzuzeigen. Mit der Anzeige ist zugleich der Bericht über die Typvermessung entsprechend der Bedingung unter NB IV. 2.1 vorzulegen. Sofern der Messnachweis an anderen als der hier gegenständlichen WKA erfolgt, sind die möglichen Auswirkungen der Serienstreuung sowie die Messunsicherheit zu Lasten des Betreibers zu berücksichtigen.

2.3 Die Einstellung der genehmigten Lastkurve im Nachtbetrieb für die WKA ist dem LfU … unverzüglich mit Inbetriebnahme dieser anzuzeigen.

2.4 Die Geräuschemission der WKA ist binnen 12 Monate nach der Inbetriebnahme durch eine nach § 29 b) BImSchG bekannt gegebene Stelle messtechnisch ermitteln zu lassen. Die Messung ist in der jeweils genehmigten Nachtbetriebsweise an der Anlage bei Windgeschwindigkeiten durchzuführen, die im Leistungsbereich der WKA die höchsten Geräuschemissionen hervorrufen. Die Ton- und Impulshaltigkeit sowie das Oktavspektrum des Geräusches sind zu ermitteln und auszuweisen. Ersatzweise kann an Stelle des Messnachweises der Anlagenemission innerhalb der 12-Monatsfrist auch eine Referenz-Dreifachvermessung vorgelegt werden.

2.5 Die Bestätigung der Auftragsvergabe zur Messung nach NB IV. 2.4 ist dem LfU … innerhalb von einem Monat nach der Inbetriebnahme schriftlich anzuzeigen.

2.6 Vor der Messdurchführung nach NB IV. 2.4 ist mit dem LfU … die Messplanung abzustimmen und eine termingebundene Messankündigung vorzulegen. Der Messbericht ist dem LfU … spätestens zwei Monate nach dem angekündigten Messtermin in einer Papierfassung sowie digital zu übergeben. Im Messbericht ist die Messunsicherheit auszuweisen.

2.7 Im Anschluss an die Nachweismessung nach NB IV. 2.4 ist mit den ermittelten Oktav-Schallleistungspegeln eine erneute Schallausbreitungsrechnung entsprechend Nr. 5.2 WKA-Geräuschimmissionserlasses des MLUL Brandenburg vom 16.01.2019 durchzuführen.“

Hiergegen erhob die Rechtsvorgängerin der Klägerin Widerspruch. Zur Begründung machte sie geltend, der Beklagte habe der Schallausbreitungsberechnung zu Unrecht das Interimsverfahren zugrunde gelegt. Die TA Lärm verweise als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift mit Bindungswirkung auf die DIN ISO 9613-2 und das dort vorgesehene alternative Verfahren. Darüber hinaus seien die Nebenbestimmungen unverhältnismäßig. Die durch das Vorhaben ausgelösten Zusatzbelastungen seien irrelevant. Dass es aufgrund von Verschleiß im Lauf der Zeit zu höheren Belastungen kommen könne, sei nicht belegt. Ein milderes, im Bescheid nicht vorgesehenes Mittel sei zudem die Vorlage eines Berichts über eine Messung an einer anderen Anlage.

Diesen Widerspruch wies der Beklagte, soweit die o.g. Nebenbestimmungen in Rede standen, mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2022, der Rechtsvorgängerin der Klägerin zugestellt am 27. Januar 2022, zurück. Zur Begründung führte er aus, die fraglichen Nebenbestimmungen beruhten auf der Anwendung des Interimsverfahrens nach der TA Lärm in Verbindung mit dem WKA-Geräuschimmissionserlass des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft vom 16. Januar 2019 (WKA-Geräuschimmissionserlass) sowie in Verbindung mit der DIN ISO 9613-2 und den sog. LAI-Hinweisen. Die Regelungen seien erforderlich, um den in § 5 Abs. 1 BImSchG normierten Schutzanspruch sicherzustellen. Die Anwendung des Interimsverfahrens sei nicht zu beanstanden. Das Interimsverfahren ergebe sich aus dem WKA-Geräuschimmissionserlass als norminterpretierender Verwaltungsvorschrift. Er ersetze das früher angewendete alternative Verfahren, weil davon auszugehen sei, dass „gesicherte Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik" existierten, die dazu führten, dass die Regelungen der TA Lärm im Hinblick auf das alternative Verfahren teilweise keine Bindungswirkung mehr entfalteten. Die Nachweismessung ergebe sich aus Punkt 4.2 des Erlasses, dessen Voraussetzungen vorlägen. Die Anordnung einer Nachweismessung sei auch verhältnismäßig, weil anderenfalls die Gefahr bestünde, dass der Schutz der Anwohner vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche nicht mehr sichergestellt sei. Gleiches gelte für die Aufnahme des Nachtbetriebes. Gefordert werde lediglich der einmalige Nachweis des vom Hersteller prognostizierten Emissionswertes.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der am 25. Februar 2022 erhobenen Klage. Zu deren Begründung beruft sie sich im Wesentlichen auf die Widerspruchsbegründung. Ergänzend verweist sie auf einen als Anlage übersandten Beitrag zur Qualität von Schallausbreitungsberechnungen nach dem Interimsverfahren. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin dargelegt, warum das Interimsverfahren aus ihrer Sicht nicht anwendbar ist.

Die Klägerin beantragt,

die Nebenbestimmungen Nr. IV.2.1, IV.2.2, IV.2.3, IV.2.4, IV.2.5, IV.2.6 und IV.2.7 des Genehmigungsbescheides des Landesamts für Umwelt vom 26. Oktober 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2022 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid. In der mündlichen Verhandlung ist er den dort gemachten Ausführungen der Klägerin entgegengetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Streitakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Die angefochtenen Nebenbestimmungen sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Rechtsgrundlage der Nebenbestimmungen Nr. IV.2.1, IV.2.2 und IV.2.3 zum Nachtbetrieb ist § 12 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Danach kann die Genehmigung unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies erforderlich ist, um die Erfüllung der in § 6 BImSchG genannten Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen.

a. Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 1 BImSchG liegen vor. Die in Rede stehenden Nebenbestimmungen zum Nachtbetrieb sollen gewährleisten, dass die Nachbarschaft der genehmigten Windkraftanlage keinen schädlichen Umwelteinwirkungen durch Lärm ausgesetzt wird. Dies ist nicht zu beanstanden. Für die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG nämlich u.a. sicherzustellen, dass die sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt werden. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 Abs. 1 BImSchG Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

aa. Unter welchen Voraussetzungen Geräuschimmissionen von Windenergieanlagen schädlich im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind, bestimmt sich grundsätzlich anhand der TA Lärm als sog. normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 BImSchG). Dieser kommt, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit regelmäßig abschließend, als die TA Lärm bestimmten Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmte Immissionsrichtwerte zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 - 4 A 13/18 - juris Rn. 46).

Nach Nr. 3.2.1 Abs. 1 TA Lärm ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche vorbehaltlich der Regelungen in den Absätzen 2 bis 5 sichergestellt, wenn die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 nicht überschreitet. Die von der Klägerin angefochtenen Nebenbestimmungen zum Nachtbetrieb sind erforderlich, um dies sicherzustellen.

bb. Die angefochtenen Nebenbestimmungen zum Nachtbetrieb sind auf den WKA-Geräuschimmissionserlass des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg vom 16. Januar 2019 zurückzuführen. Darin wird dem Beklagten vorgegeben, bei der Genehmigung von Windkraftanlagen für die Prognose der Geräuschimmissionen die mit Beschluss der 134. Sitzung der Bund-Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz vom 5./6. September 2017 erarbeitete Dokumentation zur Schallausbreitung - Interimsverfahren zur Prognose der Geräuschimmissionen von Windkraftanlagen (Fassung 2015-05.1) - im Zusammenhang mit den neu gefassten LAI-Hinweisen zum Schallimmissionsschutz bei Windkraftanlagen (Stand 30. Juni 2016) anzuwenden. Dabei sollen Klarstellungen in Bezug auf die „Berücksichtigung der Unsicherheit der Emissionsdaten bei Herstellerangaben gemäß Anhang Ziffer 3 a)“, in Bezug auf die „Berechnung der obere(n) Vertrauensbereichsgrenze des Gesamtimmissionspegels mit einer statistischen Sicherheit von 90 % gemäß Anhang, Ziffer 3 e) und f) in Anpassung an die LAI-Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windkraftanlagen (WKA) vom 30.06.2016 sowie“ in Bezug auf die „Rundung des Beurteilungspegels einschließlich der oberen Vertrauensbereichsgrenze nach DIN 1333 Ziffer 4.5.1 gemäß Anhang, Ziffer 2 in Anpassung an die LAI-Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windkraftanlagen … vom 30.06.2016“ berücksichtigt werden. Der Unterschied des danach vorgegebenen Interimsverfahrens zu dem zuvor angewendeten alternativen Verfahren besteht im Wesentlichen im Wegfall der Bodendämpfung, in einer meteorologischen Korrektur sowie in der Umstellung des Berechnungsverfahrens auf eine frequenzabhängige Berechnung (vgl. OVG Münster, Urteil vom 20. April 2022 - 8 A 1575/19 - juris Rn. 130 m.w.N.).

Der Einwand der Klägerin, der Beklagte habe sich für die Prognose der Geräuschimmissionen nicht auf den genannten Erlass berufen dürfen, er sei vielmehr verpflichtet gewesen, seiner Entscheidung eine Berechnung nach dem in der DIN ISO 9613-2 festgelegten alternativen Verfahren zugrunde zu legen, greift nicht durch. Zwar nimmt - wie oben ausgeführt - grundsätzlich auch das Berechnungsverfahren für Schallimmissionsprognosen nach Nr. A.2.2 und A.2.3.4 des Anhangs der TA Lärm an der Bindungswirkung der TA Lärm teil. Vorliegend war diese Bindungswirkung jedoch zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides in Bezug auf das Berechnungsverfahren entfallen.

(1) Das Berechnungsverfahren nach der DIN ISO 9613-2, auf das im Anhang zur TA Lärm verwiesen wird, war bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides für Windenergieanlagen der hier in Rede stehenden Art mit einer Nabenhöhe von mehr als 160 m nicht (mehr) anzuwenden. Die DIN ISO 9613-2 betrifft ihrem Anwendungsbereich nach nämlich lediglich „bodennahe… Schallquellen“ (vgl. Nr. 1 der DIN ISO 9613-2). Sie erfasst nur Schallquellen bis zu einer mittleren Höhe von 30 m zwischen Quelle und Empfänger (vgl. Nr. 9 Tabelle 5 der DIN ISO 9613-2). Mit Blick auf den so definierten Anwendungsbereich führt eine Heranziehung des dort vorgegebenen Berechnungsverfahrens bei Windenergieanlagen mit einer Nabenhöhe von mehr als 160 m nicht zu realistischen Prognosen.

(2) Unabhängig davon liegen Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik vor, die eine zum Teil fehlende Bindungswirkung der TA Lärm hinsichtlich Windenergieanlagen größerer Höhe im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides bestätigen (ebenso für die dort jeweils maßgeblichen Zeitpunkte: OVG Münster, Urteil vom 20. April 2022 - 8 A 1575/19 - juris Rn. 111 ff. und nachfolgend hierzu BVerwG, Beschluss vom 30. Dezember 2022 - 7 B 15/22 - juris Rn. 6 ff.; vgl. auch VGH Mannheim, Urteil vom 4. Februar 2021 - 5 S 305/19 - juris Rn. 46 f.; Beschluss vom 19. Juni 2017 - 5 S 186/18 - juris Rn. 11; a.A. <für frühere Zeitpunkte>: OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. März 2019 - 12 ME 105/18 - juris Rn. 65 f.; OVG Koblenz, Urteil vom 20. September 2018 - 8 A 11958/17 - juris Rn. 129; OVG Greifswald, Urteil vom 10. April 2018 - 3 LB 133/08 - juris Rn. 99; OVG Saarlouis, Beschluss vom 3. November 2017 - 2 B 584/17 - juris Rn. 20). Grundlage der Bindungswirkung der TA Lärm ist die Annahme, dass diese basierend auf einer entsprechenden Ermächtigung (vgl. § 48 BImSchG) unbestimmte Rechtsbegriffe des Gesetzes durch generelle Standards konkretisiert, die entsprechend der Art ihres Zustandekommens ein hohes Maß an wissenschaftlich-technischem Sachverstand verkörpern und zugleich auf abstrakt-genereller Abwägung beruhende Wertungen des hierzu berufenen Vorschriftengebers zum Ausdruck bringen. Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, die derart an die bei ihrem Erlass bestehenden Erkenntnisse in Wissenschaft und Technik anknüpfen, verlieren ihre rechtliche Außenwirkung, „soweit die ihnen zugrundeliegenden Annahmen durch weitere gesicherte Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik überholt“ sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Dezember 2022 - 7 B 15/22 - juris Rn. 7 und 10; Urteil vom 20. Dezember 1999 - 7 C 15/98 - juris Rn. 11; Urteil vom 21. Juni 2001 - 7 C 21/00 - juris Rn. 14).

So verhält es sich hier. Neue - bei Erlass der TA Lärm noch nicht vorliegende - Forschungsergebnisse (z.B. Schalltechnischer Bericht der erweiterten Hauptuntersuchung zur messtechnischen Ermittlung der Ausbreitungsbedingungen für die Geräusche von hohen Windenergieanlagen zur Nachtzeit und Vergleich der Messergebnisse mit Ausbreitungsberechnungen nach DIN ISO 9613-2, uppenkamp und partner, vom 11. November 2014, veröffentlicht unter https://www.lanuv.nrw.de/ file admin/lanuv/geraeusche/pdf/14144611-2_Erweiterung_Hauptuntersuchung_2014 1111.pdf), haben die Bund-/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz in ihrer 134. Sitzung am 5. und 6. September 2017 dazu veranlasst, den Ländern zu empfehlen, die Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windkraftanlagen mit Stand 30. Juni 2016 anzuwenden, denen das Interimsverfahren zugrunde liegt (vgl. zu weiteren Forschungsergebnissen: OVG Münster, Urteil vom 20. April 2022 - 8 A 1575/19 - juris Rn. 124).

Dass das in der DIN ISO 9613-2 vorgesehene Berechnungsverfahren bei modernen Windenergieanlagen mit großer Nabenhöhe nicht zu realistischen Ergebnissen führt, ergibt sich bereits aus dem eingeschränkten Anwendungsbereich der DIN ISO 9613-2. Dies wird letztlich auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt. Soweit sie darauf hinweist, dass das Interimsverfahren nur ein Provisorium sei, und geltend macht, es führe seinerseits nicht zu vollständig zutreffenden Ergebnissen, rechtfertigt dies kein Festhalten am alternativen Berechnungsverfahren der TA Lärm. Für den Wegfall der Bindungswirkung einer normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift kommt es nicht darauf an, ob die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu brauchbaren Alternativen für eine Normanwendung oder gar Normkonkretisierung geführt haben. Entscheidend ist allein der Erkenntnisfortschritt, dass ein bestimmtes Verfahren überholt ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. März 1996 - 7 B 164/95 - juris Rn. 19).

(3) Der Beklagte durfte danach die Prognoseberechnung auf der Grundlage des alternativen Verfahrens der DIN ISO 9613-2 durch das Interimsverfahren modifizieren. Die Annahme des Beklagten, dass dieses Verfahren einen brauchbaren Ansatz für eine „auf der sicheren Seite“ liegende Schallausbreitungsberechnung biete, die dem Umstand Rechnung trägt, dass es sich bei modernen Windenergieanlagen nicht um bodennahe Schallquellen handelt, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden (in diesem Sinne ebenfalls: OVG Münster, Urteil vom 20. April 2022 - 8 A 1575/19 - juris Rn. 112 f.).

(a) Fehlt es in den einschlägigen Fachkreisen und der einschlägigen Wissenschaft - wie hier - an allgemein anerkannten Maßstäben und Methoden für die fachliche Beurteilung, so kann die gerichtliche Kontrolle des behördlichen Entscheidungsergebnisses mangels besserer Erkenntnis der Gerichte an objektive Grenzen stoßen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2018 - 1 BvR 2523/13 u.a. - juris Rn. 20 zum naturschutzrechtlichen Tötungsverbot). Die Verwaltungsgerichte sind insoweit auf eine Vertretbarkeits- bzw. Plausibilitätskontrolle der behördlichen Einschätzung beschränkt. Dabei ist die gerichtliche Kontrolldichte zwar nicht aufgrund einer der Behörde eingeräumten Einschätzungsprärogative begrenzt. Ein eingeschränkter gerichtlicher Kontrollmaßstab folgt aber aus dem Umstand, dass es an einem Maßstab für eine sichere Unterscheidung von richtig und falsch fehlt. Insoweit besteht eine nach Dauer und Umfang vom jeweiligen Erkenntnisstand der einschlägigen Wissenschaft abhängige faktische Grenze verwaltungsgerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2018 - 1 BvR 2523/13 u.a. - juris Rn. 23; vgl. auch OVG Greifswald, Urteil vom 24. August 2021 - 1 LB 21/16 - juris Rn. 64).

(b) Vor diesem Hintergrund ist dagegen, dass der Beklagte für die Geräuschimmissionsprognose das Interimsverfahren entsprechend dem WKA-Geräuschimmissionserlass herangezogen hat, nichts einzuwenden. Denn weder ist dem Vorbringen der Klägerin zu entnehmen, dass die Anwendung des WKA-Geräuschimmissionserlasses, der auf den LAI-Hinweisen beruht, für die Prognose der zu erwartenden Geräuschimmissionen unplausibel wäre, noch ist Derartiges ansonsten ersichtlich. Ein einzelner Aufsatz, der die Rechenergebnisse des Interimsverfahrens für bestimmte Fallkonstellationen kritisiert, reicht hierfür nicht aus.

(aa) Soweit die Klägerin geltend macht, der WKA-Geräuschimmissionserlass enthalte zahlreiche Sicherheitszuschläge und führe insoweit zu unzulässigen Einschränkungen des Betriebs von Windkraftanlagen, vermag sie hiermit nicht durchzudringen. Grund und Höhe der verschiedenen Sicherheitszuschläge sind im Anhang des WKA-Geräuschimmissionserlasses im Einzelnen aufgeführt und nachvollziehbar erläutert (vgl. Nr. 3 WKA-Geräuschimmissionserlass). Es ist weder hinreichend dargetan noch ersichtlich, dass die einzelnen dort genannten Werte nicht auf technisch-wissenschaftlicher Grundlage beruhen könnten oder der WKA-Geräuschimmissionserlass wegen dieser Sicherheitszuschläge ungeeignet sein könnte, eine „auf der sicheren Seite“ liegende Schallausbreitungsberechnung zu produzieren.

(bb) Soweit der WKA-Geräuschimmissionserlass die Anordnung von Nebenbestimmungen im Genehmigungsbescheid davon abhängig macht, dass der Beurteilungspegel einer Windkraftanlage den zulässigen Immissionsrichtwert an den maßgeblichen Immissionsorten um weniger als 15 dB(A) unterschreitet (vgl. Nr. 4.2 des WKA-Geräuschimmissionserlass), ist dies ebenfalls nicht zu beanstanden. Die sachverständigen Mitarbeiter des Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert, dass erst bei Prognosewerten, die die zulässigen Immissionsrichtwerte um mehr als 15 dB(A) unterschreiten, verlässlich davon ausgegangen werden könne, dass die zu beurteilende Geräuschquelle keine relevante Zusatzbelastung an einem Immissionsort bewirkt. Der vom Beklagten gewählte Wert entspricht dem Wert, der hierfür in den im Internet veröffentlichten LAI-Hinweisen (vgl. dort Nr. 4.2) sowie - nach dem von der Klägerin nicht beanstandeten Vorbringen des Beklagten - in der DIN 45691-Geräuschkontigentierung genannt wird. Dass insoweit andere Bundesländer lediglich eine Unterschreitung von weniger als 12 dB(A) fordern mögen, ist unerheblich. Dies steht angesichts des fehlenden fachwissenschaftlichen Standards der Plausibilität des vom Beklagten gewählten Werts von 15 dB(A) nicht entgegen.

cc. Darf der Beklagte danach einen ausreichenden Lärmschutz für die Nachbarschaft der Windenergieanlage nur dann für sichergestellt halten, wenn sich bei Anwendung des WKA-Geräuschimmissionserlasses ergibt, dass die Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Schall hervorruft, erweisen sich die angefochtenen Nebenbestimmungen zum Nachtbetrieb als rechtmäßig. Sie entsprechen in nicht zu beanstandender Weise den Vorgaben des Anhangs zum WKA-Geräuschimmissionserlass 2019.

(1) Dies gilt zunächst für die Untersagung des Nachtbetriebs bis zur Vorlage eines Berichts über eine Typvermessung.

(a) Nach Nr. 4.2 des Anhangs zum WKA-Geräuschimmissionserlass ist - sofern die Planung auf Basis von Angaben des Herstellers einer neuen Windkraftanlage beruht und der Beurteilungspegel der jeweiligen Windkraftanlage an den maßgeblichen Immissionsorten den zulässigen Immissionsrichtwert, wie hier an mehreren Immissionsorten, um weniger als 15 dB (A) unterschreitet - der Nachtbetrieb der Anlage erst aufzunehmen, wenn durch die Vorlage eines Berichtes über eine Typvermessung gezeigt wird, dass der in der Geräuschimmissionsprognose angenommene Emissionswert nicht überschritten wird. Beruht der zur Aufnahme des Nachtbetriebs eingereichte Nachweis auf Messungen an einer anderen als der genehmigten Anlage - insoweit ist entgegen der Rüge der Klägerin die Vorlage eines Berichts über eine Messung an einer anderen Anlage durchaus möglich -, sind hierbei die möglichen Auswirkungen der Serienstreuung sowie der Messunsicherheit zu Lasten des Betreibers zu berücksichtigen. Diese Vorgaben hat der Beklagte mit den Nebenbestimmungen IV. 2.1 und IV. 2.2 Satz 2 und 3 umgesetzt.

(b) Zweifel an der Bestimmtheit dieser Nebenbestimmungen oder an der Erforderlichkeit der Vorlage einer Typvermessung vor Aufnahme des Nachtbetriebs bestehen nicht. Die für die Geräuschimmissionsprognose im Genehmigungsverfahren verwendete Herstellerangabe ist mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Sie ist bisher noch in keiner Weise überprüft worden. Angesichts dessen genügt die auf der Grundlage dieser Angabe erstellte Prognose nicht den Anforderungen an ein Ergebnis, das „auf der sicheren Seite“ liegt (vgl. Nr. 3 Buchst. a des Anhangs zum WKA-Geräuschimmissionserlass). Sofern eine andere als die genehmigte Anlage vermessen wird, sind zusätzlich die Unsicherheiten der Serienstreuung sowie die Messunsicherheit (vgl. Nr. 3 Buchst. b und c des Anhangs zum WKA-Geräuschimmissionserlass) zu berücksichtigen.

(c) Die Einwendungen der Klägerin, die fraglichen Nebenbestimmungen seien nicht erforderlich, weil die in die Berechnung einfließenden Zuschläge bereits eine ausreichende Sicherheit böten, weil die Gesamtbelastung durch die Zusatzbelastung nicht wesentlich erhöht werde und weil außerdem eine ausreichende Unterschreitung des Immissionsrichtwertes an den maßgeblichen Immissionsorten vorliege (vgl. Nr. 2.2 der TA-Lärm), greifen nicht durch. Die Klägerin berücksichtigt nicht, dass die fraglichen Zuschläge nur dann eine ausreichende Sicherheit bieten, wenn mit dem zutreffenden Schallleistungspegel gerechnet wird. Dies soll durch die angeordnete Typvermessung gerade überprüft werden. Dabei ist eine erhebliche Erhöhung der Gesamtbelastung nach der nicht zu beanstandenden Auffassung des Beklagten nur dann verlässlich ausgeschlossen, wenn der Beurteilungspegel der fraglichen Windenergieanlage den zulässigen Immissionsrichtwert an den maßgeblichen Immissionsorten um weniger als 15 dB(A) unterschreitet. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Davon kann auf der Grundlage der von der Klägerin eingereichten Gutachten nicht ausgegangen werden. Eine ausreichende Unterschreitung des Immissionsrichtwertes an den maßgeblichen Immissionsorten liegt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht vor.

Daran vermag der Hinweis auf Nr. 3.2.1 der TA Lärm nichts zu ändern. Soweit danach die Genehmigung für die zu beurteilende Anlage bei einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte aufgrund der Vorbelastung aus Gründen des Lärmschutzes nicht versagt werden darf, wenn der von der Anlage verursachte Immissionsbeitrag im Hinblick auf den Gesetzeszweck als nicht relevant anzusehen ist, was in der Regel dann der Fall ist, wenn die von der zu beurteilenden Anlage ausgehende Zusatzbelastung die Immissionsrichtwerte nach Nummer 6 am maßgeblichen Immissionsort um mindestens 6 dB(A) unterschreitet, bezieht sich dies auf Prognosen, denen verlässliche Ausgangswerte zugrunde liegen. Fälle, in denen es - wie hier - um die Ungewissheit der Berechnung aufgrund der Unsicherheit der ungeprüften Herstellerangabe geht, fallen nicht unter diese Bestimmung.

Dass der Beklagte keine Feststellungen zu einem Verschleiß der Anlage der Klägerin getroffen hat, ist ebenfalls unerheblich. Hier geht es nicht um eine Überprüfungsmessung nach § 26 BImSchG, bei der die Frage geklärt werden soll, ob die Genehmigungsvoraussetzungen nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne weiter vorliegen. Gefordert wird vom Beklagten eine Typvermessung, durch die festgestellt werden soll, ob der der Berechnung zugrunde gelegte Emissionswert zutrifft.

Auch der Einwand der Klägerin, es stünde dem Beklagten ein milderes Mittel als die vorläufige Untersagung des Nachtbetriebes zur Verfügung, nämlich die - vorübergehende - Genehmigung des Nachtbetriebes in einem lärmreduzierten Betriebsmodus, verhilft der Klage nicht zum Erfolg. Die Klägerin hat Immissionsberechnungen lediglich für den lärmgeminderten Betriebsmodus SO4 eingereicht, auf den sie den Nachtbetrieb mit ihrem Genehmigungsantrag von vornherein beschränkt hatte. Berechnungen für eine noch weiter lärmgeminderte Betriebsweise hat sie nicht eingereicht. Für eine vorübergehende weitere Beschränkung der beantragten Nachtbetriebsweise als milderes Mittel fehlte es dem Beklagten insoweit sowohl an einem Antrag als auch an den erforderlichen Informationen. Es ist grundsätzlich Sache des jeweiligen Genehmigungsantragstellers, die beabsichtigte Betriebsweise der jeweiligen Windenergieanlage festzulegen und zur Genehmigung zu stellen. Insoweit obliegt es dem Betreiber, Lärmgutachten auch für in Aussicht genommene lärmärmere Betriebsweisen einzureichen, wenn er eine solche Betriebsweise (hilfsweise) erstrebt. Genehmigungsbedürftig ist nach § 4 Abs. 1 BImSchG nicht nur die Errichtung, sondern gerade auch der - jeweils in Aussicht genommene - Betrieb der Anlage. Dementsprechend sind im Genehmigungsverfahren die zur Prüfung nach § 6 BImSchG erforderlichen Unterlagen einzureichen (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 2 BImSchG). An solchen Gutachten fehlt es hier für (weiter) geräuschreduzierte Betriebsweisen. Es ist nicht Aufgabe des Beklagten, bei einem fehlenden Nachweis für einen ordnungsgemäßen und von der Nachbarschaft nach immissionsschutzrechtlichen Maßstäben hinzunehmenden Nachtbetrieb in eine eigenständige Überprüfung einzutreten, ob und in welcher Form das Gesamtvorhaben in einer diesen materiellen Anforderungen Rechnung tragenden Weise „umgestaltet“ werden könnte. Einen - ggf. vorübergehenden - weiter schallreduzierten Nachtbetrieb könnte die Klägerin als Trägerin des Vorhabens beim Beklagten - unter Vorlage entsprechender Nachweise - jederzeit beantragen (vgl. OVG Saarlouis, Beschluss vom 22. Mai 2013 - 2 A 455/11 - juris Rn. 27).

(2) Danach ist auch gegen die geforderte Anzeige der Aufnahme des Nachtbetriebes (Nebenbestimmung IV. 2.2 Satz 2) und gegen die Nebenbestimmung zur Anzeige der Einstellung der genehmigten Lastkurve im - hier nur schallreduziert in Aussicht genommenen - Nachtbetrieb (Nr. IV. 2.3) nichts einzuwenden. Mit diesen Nebenbestimmungen stellt der Beklagte sicher, dass die Vorgaben für den Nachtbetrieb eingehalten und die Nachbarschaft keinen schädlichen Umwelteinwirkungen durch Lärm ausgesetzt werden.

b. Ermessenfehler bei Erlass der fraglichen Nebenbestimmungen sind weder gerügt worden noch sonst ersichtlich.

2. Es kann offenbleiben, ob Rechtsgrundlage der Nebenbestimmungen IV.2.4, IV.2.5, IV.2.6 und IV.2.7, die sich auf eine nachtbetriebsunabhängige Abnahme- bzw. Nachweismessung beziehen, ebenfalls § 12 Abs. 1 Satz 1 BImSchG oder § 28 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ist. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG kann die zuständige Behörde bei genehmigungsbedürftigen Anlagen Anordnungen nach § 26 BImSchG (Messungen) auch ohne die dort genannten Voraussetzungen treffen, wenn die Ermittlungen dem Nachweis von Emissionsgrenzen in einer Genehmigung dienen. Solche Anordnungen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 BImSchG können - in Form einer Nebenbestimmung - bereits in den Genehmigungsbescheid aufgenommen werden (vgl. Jarass, BImSchG, 14. Aufl. 2022, Rn. 1a zu § 28 und Rn. 6 zu § 26; vgl. ferner OVG Münster, Urteil vom 3. September 2007 - 8 A 2264/05 - juris Rn. 32 ff.).

a. Die Voraussetzungen von § 12 Abs. 1 Satz 1 BImSchG und des § 28 Abs. 1 Satz 1 BImSchG liegen vor. Es ist aufgrund der im Anhang zum WKA-Geräuschimmissionserlass genannten Umstände (vgl. dort Nr. 3) und im Hinblick darauf, dass das Immissionsprognoseverfahren nach dem alternativen Verfahren der TA Lärm die Wirklichkeit bei hohen Windkraftanlagen nicht zutreffend abbildet (vgl. dazu die obigen Ausführungen), zu befürchten, dass die genehmigte Windenergieanlage zu große Lärmimmissionen verursacht. Die in Nr. 4.2 des Anhangs zum WKA-Geräuschimmissionserlass genannte Voraussetzung, dass der Beurteilungspegel der Windkraftanlage an den maßgeblichen Immissionsorten den zulässigen Immissionsrichtwert um weniger als 15 dB(A) unterschreitet, ist gegeben.

Inhaltlich decken sich die angefochtenen Nebenbestimmungen zur Abnahme- bzw. Nachweismessung mit den Vorgaben des WKA-Geräuschimmissionserlasses. Nach Nr. 4.2 des Anhangs ist für den Fall, dass die Planung auf der Basis von Angaben des Herstellers beruht und der Beurteilungspegel dieser Windkraftanlage an den maßgeblichen Immissionsorten den zulässigen Immissionsrichtwert um weniger als 15 dB(A) unterschreitet, durch eine Nebenbestimmung im Genehmigungsbescheid sicherzustellen, dass der Betreiber innerhalb eines Jahres nach Inbetriebnahme der Windkraftanlage die Einhaltung des festgelegten Emissionswertes durch Messung nachweist. Nähere Bestimmungen zu diesen Messungen finden sich in Nr. 4.1 des Anhangs zum WKA-Geräuschimmissionserlass. Danach soll vorgegeben werden, in welchem Betriebsbereich das Geräuschverhalten der Anlage untersucht werden soll, wobei der Betriebsbereich mindestens so zu wählen ist, dass die Windgeschwindigkeit erfasst wird, in der der maximale Schallleistungspegel erwartet wird. Es soll die Vorlage einer Bestätigung der Messstelle über die Annahme der Beauftragung der Messung innerhalb einer Frist von einem Monat nach Inbetriebnahme gefordert werden. Die Vorlage der Messergebnisse hat dann innerhalb einer Frist von zwölf Monaten nach Inbetriebnahme zu erfolgen. Nr. 5.2 bestimmt sodann zu „Emissionsseitige(n) Abnahmemessungen“, dass insoweit bekanntgegebene Messstellen gemäß § 26 i.V.m. § 29b BImSchG heranzuziehen und die Abnahmemessungen in der Regel nachts (eine Stunde vor Sonnenuntergang bis eine Stunde nach Sonnenaufgang) durchzuführen seien. Die angefochtenen Nebenbestimmungen setzen diese Vorgaben des Interimsverfahrens in nicht zu beanstandender Weise um.

Gründe, an der Bestimmtheit der getroffenen Nebenbestimmungen zu zweifeln, sind nicht ersichtlich. Es bestehen auch keine durchgreifenden Zweifel an der Erforderlichkeit der fraglichen Nebenbestimmungen. Die im Genehmigungsverfahren erstellte Prognose beruht ausschließlich auf den Herstellerangaben, die die o.g. Unsicherheiten aufweist. Vor diesem Hintergrund stellt es sich nicht als unverhältnismäßig dar, wenn zusätzlich zu einer vorläufigen Untersagung des Nachtbetriebs eine Abnahme- bzw. Nachweismessung gefordert wird, mit der geklärt wird, ob die Herstellerangaben jedenfalls annähernd zutreffen, zumal der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt worden ist, ggf. eine Referenz-Dreifachvermessungen einzureichen, um die Kosten einer Abnahme- bzw. Nachweismessung an der konkret geplanten Anlage zu vermeiden.

Die Vorgaben zum Verfahren, zur Form der Einreichung der Belege und die Festlegung einer Frist für die Abnahme- bzw. Nachweismessung sind in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie halten sich im Rahmen des Verfahrensermessens des Beklagten (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfGBbg i.V.m. § 10 VwVfG; vgl. auch § 26 Satz 2 BImSchG).

Die Forderung einer erneuten Schallausbreitungsberechnung auf der Grundlage der Abnahme- bzw. Nachweismessung entspricht Nr. 5.2 des Anhangs zum WKA-Geräuschimmissionserlass. Auch hiergegen bestehen keine Einwände.

b. Ermessensfehler sind auch in Bezug auf die Nebenbestimmungen zur Abnahme- bzw. Nachweismessung nicht zu erkennen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Bei der Frage, ob die Bindungswirkung der TA Lärm, soweit es um das Prognoseverfahren zur Ermittlung der Belastung durch Lärm von Windenergieanlagen an einzelnen Immissionsorten geht, teilweise entfallen ist, weil sie durch gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse teilweise überholt ist, handelt es sich nicht um eine grundsätzliche Rechts-, sondern um eine Tatsachenfrage.