Gericht | Dienstgericht Cottbus | Entscheidungsdatum | 16.12.2022 | |
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Aktenzeichen | DG 5/22 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Antragsteller darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Antragsteller ist Richter am Sozialgericht in ... und begehrt vorbeugenden Rechtsschutz dagegen, dass ihn der Präsident dieses Gerichtes aufgrund eines zukünftigen „Corona-Regimes“ oder in vergleichbarer Weise von der Bearbeitung seiner Akten fernhält.
Der Antragsteller befand sich am 7. Dezember 2021 im Sozialgericht .... Er legte beim Betreten des Gerichtes keinen Impf-, Genesenen- oder Testnachweis vor und hatte einen solchen auch nicht hinterlegt. Daraufhin bat ihn der Präsident des Sozialgerichts ..., in einem Beratungsraum zu erscheinen. Der Antragsteller wurde aufgefordert, einen entsprechenden Nachweis vorzulegen. Dem kam er nicht nach. Nachdem der Präsident des Sozialgerichts ... ihn darauf hingewiesen hatte, dass der Antragsteller wenn er einen solchen Nachweis nicht vorlege, das Gebäude verlassen müsse, erklärte sich der Antragsteller bereit einen Test vor Ort durchzuführen. Im Hinblick auf diesen Sachverhalt hat der Antragsteller beim erkennenden Gericht einen Eilantrag gestellt (DG 1/22), den das Gericht mit Beschluss vom 4. Juli 2022 abgelehnt hat. Über die hiergegen erhobene Beschwerde ist noch nicht entschieden.
Der Antragsteller hat am 5. August 2022 seinen Antrag gestellt.
Zur Begründung verweist er zunächst auf seine Dienstaufsichtsbeschwerden und seine Antragsschrift im Verfahren DG 1/22 sowie die Klageschrift zum Verfahren VG 9 K 208/22 zum Verwaltungsgericht ..., sowie seine Beschwerdeschrift gegen den Beschluss des Dienstgerichtes im Verfahren DG 1/22. Es stehe zu befürchten, dass der Antragsgegner ihn aufgrund der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes mit denselben oder ähnlichen landes- bzw. sozialgerichtsspezifischen Corona-Regeln, wie sie Gegenstand des Verfahrens DG 1/22 gewesen sind, oder auf vergleichbare Weise von dem Zugang zu seinen Akten durch nebulöse „Betretensverbote“ fernhalten werde. Die Verweigerung des Zugangs zu den einem Richter zur Bearbeitung übertragenen Vorgängen sei eine massive Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit. Hinzu komme ein nicht gerechtfertigter, erheblicher Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit in psychologischer Hinsicht. Der Antragsgegner habe sich zu keinem Zeitpunkt von den vormaligen „Corona-Regimes“, Betretensverboten etc. distanziert.
Der Antragsteller beantragt,
dem Präsidenten des Sozialgerichts zu verwehren, unter Berufung auf die Neufassung des Infektionsschutzgesetzes bzw. diesbzgl. landes- bzw. SGspezifische Corona-Regimes ähnlich dem Gegenstand lt. Antragsschrift vom 12. Januar 2022 zum Aktenzeichen DG 1/22 oder auf vergleichbare Weise ihn als Vorsitzenden Richter von dem Zugang zu den ihm zur Bearbeitung obliegenden Akten außerhalb von Sitzungen o.Ä., insbesondere durch ein „Betretensverbot“. o.Ä. fernzuhalten, soweit Aerosolschutz, Abstandsgebot, Maskentragungspflicht respektiert werden.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er führt aus, der Antrag sei unzulässig. Es handele sich um eine vorbeugende Unterlassungsklage, die unzulässig sei. Das Dienstgericht entscheide nach dem Gesetz über die Anfechtung einer Maßnahme der Dienstaufsicht. Eine Unterlassungsklage sei insoweit nicht vorgesehen. Selbst wenn man von der Zuständigkeit des Dienstgerichtes insoweit ausgehen wollte, seien die Voraussetzungen einer vorbeugenden Unterlassungsklage nicht erfüllt. Es stünden gegenwärtig noch nicht einmal die gesetzlichen Grundlagen für künftige Maßnahmen fest, zumal § 28b Abs. 1 IfSG a.F. außer Kraft getreten sei. Dem Antragsteller sei jedenfalls eine nachträgliche Anfechtung einer gegenwärtig hypothetischen Maßnahme zumutbar. Im Übrigen sei der Antrag auch mangels Bestimmtheit unzulässig und es sei kein Vorverfahren durchgeführt worden.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Der Antrag bleibt erfolglos.
Der Rechtsweg zu den Richterdienstgerichten ist nicht eröffnet. Gegen eine Maßnahme der Dienstaufsicht im Sinne des § 26 Abs. 3 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) kann mit der - nachvollziehbaren - Behauptung, sie verletze die richterliche Unabhängigkeit, das Richterdienstgericht angerufen werden, das darüber im Prüfungsverfahren (§ 65 Nr. 4 lit. f des Richtergesetzes des Landes Brandenburg (BbgRiG)) entscheidet. Der Begriff „Maßnahme der Dienstaufsicht" im Sinne des § 26 Abs. 3 DRiG ist nach ständiger Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes im Interesse eines wirkungsvollen Schutzes der richterlichen Unabhängigkeit weit zu fassen. Es genügt jede Einflussnahme der Dienstaufsicht führenden Stelle, die sich auch nur mittelbar auf die Tätigkeit des Richters auswirkt. Erforderlich ist lediglich, dass ein konkreter Bezug zu der Tätigkeit des Richters besteht (BGH, Urteil vom 25. September 2002, RiZ(R) 2/01, NJW 2003, 282; Urteil vom 24. November 1994 - RiZ(R) 4/94, NJW 1995, 731; Urteil vom 16. November 1990 - RiZ(R) 2/90, BGHZ 113, 36, 38 f.; Urteil vom 10. Januar 1985 - RiZ(R) 7/84, BGHZ 93, 238, 241).
Eine solche Maßnahme liegt hier bereits nicht vor. Denn der Antragsteller begehrt ausdrücklich vorbeugenden Rechtsschutz gegen eine derzeit rein hypothetische Maßnahme des Präsidenten des Sozialgerichts. Dass eine solche je erfolgen würde, ist nicht ersichtlich.
Soweit der Antragsteller sich im Verfahren DG 1/22 gegen das „Corona-Regime“ am Sozialgericht ..., das „Betretensverbot“, die faktische Zurruhesetzung und die faktische Freistellung gewendet hat, waren diese „Maßnahmen“ allesamt auf denselben Lebenssachverhalt zurückzuführen, namentlich, dass der Antragsteller aufgefordert wurde, sich den Vorgaben des – inzwischen außer Kraft getretenen - § 28b Abs. 1 IfSG a.F. entsprechend zu verhalten.
Hiernach durften Arbeitgeber und Beschäftigte Arbeitsstätten, in denen physische Kontakte von Arbeitgebern und Beschäftigten untereinander oder zu Dritten nicht ausgeschlossen werden können, nur betreten und Arbeitgeber durften Transporte von mehreren Beschäftigten zur Arbeitsstätte oder von der Arbeitsstätte nur durchführen, wenn sie geimpfte Personen, genesene Personen oder getestete Personen im Sinne des § 2 Nummer 2, Nummer 4 oder Nummer 6 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung in der jeweils geltenden Fassung waren und einen Impfnachweis, einen Genesenennachweis oder einen Testnachweis im Sinne des § 2 Nummer 3, Nummer 5 oder Nummer 7 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung in der jeweils geltenden Fassung mit sich führten, zur Kontrolle verfügbar hielten oder bei dem Arbeitgeber hinterlegt hatten. Abweichend von Satz 1 war Arbeitgebern und Beschäftigten ein Betreten der Arbeitsstätte erlaubt, um 1. unmittelbar vor der Arbeitsaufnahme ein Testangebot des Arbeitgebers zur Erlangung eines Nachweises im Sinne des § 4 Absatz 1 der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 25. Juni 2021 (BAnz AT 28.06.2021 V1), die durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. September 2021 (BAnz AT 09.09.2021 V1) geändert worden ist, wahrzunehmen oder 2. ein Impfangebot des Arbeitgebers wahrzunehmen.
Das für den Antragsteller relevante „Corona-Regime“ des Sozialgerichts ... und das „Betretensverbot“ folgten damit unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung des § 28b Abs. 1 IfSG und stellten schon deshalb keine Maßnahme der Dienstaufsicht dar, sondern eine Maßnahme des Gesetzgebers. Selbst wenn man dieses anders sehen wollte, war der Antragsteller hierdurch nicht in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt. Diese ist kein Standesprivileg, das den Richter von der Einhaltung der allgemeinen Gesetze entbindet, die für alle Geltung beanspruchen, die der Hoheitsgewalt der Bundesrepublik Deutschland unterworfen sind. So wenig wie der Antragsteller kraft richterlicher Unabhängigkeit rote Ampeln ignorieren darf, um (rechtzeitig) zu seiner Wirkungsstätte zu gelangen, darf er die dem Seuchenschutz dienenden Gesetze ignorieren, um das Gerichtsgebäude zu betreten.
Desungeachtet, steht eine entsprechende neuerliche „Maßnahme“ des Präsidenten des Sozialgerichts ... weder fest, noch ist sie auch nur irgendwie absehbar. Da es nach der Änderung des § 28b Abs. 1 IfSG an einer Rechtsgrundlage hierfür fehlt, spricht derzeit auch nichts dafür, dass eine solche Maßnahme in absehbarer Zeit erlassen werden würde. Vielmehr spekuliert der Antragsteller insoweit lediglich. Das gilt erst recht für ein „Betretensverbot“ in „vergleichbarer Weise“, d.h. etwaig unabhängig von einem „Corona-Regime“.
Auch im Übrigen ist der Antrag unzulässig. Für einen vorbeugenden Rechtsschutz ist kein Raum, wenn es dem Betroffenen zuzumuten ist, die befürchteten Maßnahmen der Verwaltung abzuwarten und er auf einen als ausreichend anzusehenden nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann (BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1987 – 3 C 53/85 –, BVerwGE 77, 207-214, Rn. 25). Das ist vorliegend offensichtlich der Fall.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 80 BbgRiG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 80 BbgRiG i.V.m. § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.