Gericht | OLG Brandenburg 3. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 28.06.2022 | |
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Aktenzeichen | 3 U 88/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:0628.3U88.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 23.07.2021 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam, Az. 4 O 106/20, abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
3. Der Berufungsstreitwert beträgt 11.900 €.
I.
Die Parteien streiten in zweiter Instanz nur noch um die satzungsrechtliche Umlagefähigkeit bestimmter Kosten zur Deckung des Haushalts bzw. eines außergewöhnlichen Aufwands auf vereinsrechtlicher Grundlage.
Der Kläger ist ein Dachverband der Kleingärtner, dessen Mitglieder Kleingartenvereine sind. Der Beklagte ist Mitglied des Klägers.
Die Einzelparzellen und Gemeinschaftsanlagen des Beklagten befinden sich auf den Grundstücken Gemarkung P..., Grundbuch Blatt P..., Flur ..., Flurstücke „A“, „B“, „C“, „D“, „E“, „F“, „G“, „H“, „I“ und „J“ mit einer Gesamtgröße von 94.224 qm.
Über die genannten Grundstücke schlossen der Kläger und die Stadt P... - als Eigentümerin der Grundstücke - in den Jahren 2003/2004 einen Zwischenpachtvertrag ab. Im Auftrag der Stadt P... schließt der Kläger auf dieser Grundlage im eigenen Namen Unterpachtverträge mit den einzelnen Parzellennutzern ab. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten besteht kein Pachtverhältnis.
Gemäß § 6 Abs. 3 und 4 der Satzung des Klägers (Anlage K5, Bl. 23 ff GA) können „Umlagen ... zur Deckung eines außergewöhnlichen Aufwandes und erforderlichenfalls zur Deckung des Haushalts beschlossen werden“, dürfen pro Jahr je Kleingärten jedoch einen Betrag von 100 € nicht überschreiten.
Im Rahmen einer Mitgliederversammlung des Klägers vom 27.03.2019, an der auch der Beklagte, vertreten durch seinen Vorstand, teilnahm, beschlossen die Mitglieder mit Umlagebeschluss Nr. 04/19 die Erhebung einer einmaligen Umlage in Höhe von 50 € pro Kleingarten.
Mit der Einladung zur Mitgliederversammlung vom 22.02.2019 (Anlage K 6, Bl. 25 GA) hatte der Kläger seinen Mitgliedern die Tagesordnung für die Mitgliederversammlung sowie die einzelnen Beschlussvorlagen, neben der Beschlussvorlage Nr. 04/19 die Beschlussvorschläge 07 A/19 (“Finanzplan 2019 mit Umlage“), Anlage K 16, Bl. 161 ff GA) und 07 B/19 (“Finanzplan 2019“ - ohne Umlage, Bl. 163 f GA) übersandt. Zum Beschlussvorschlag Nr. 04/19 hieß es u.a.: [Die Umlage] ist zu zahlen bis zum 31.07.2019 durch die Mitglieder. ... Begründung: Die Mittel werden benötigt, um
- den Verlust des Vorjahres auszugleichen (Deckung des Haushalts), die möglichen Forderungen aus dem zu schließenden Vergleich mit der LH P... begleichen zu können,
- Rücklagen zu bilden für mögliche Schadenersatzansprüche gegen den KV P... aufgrund von Weiterverpachtung trotz fehlender Rechtsnachfolge,
- Rücklagen zu bilden für den Erwerb von Kleingartenflächen, um diese dauerhaft zu sichern, wo Eigentümer trotz intensiver Bemühungen keine Zwischenpachtverträge abschließen wollen,
- eine Rücklage zu bilden für die Neuerschließung zu gründender Kleingartenanlagen vorfinanzieren zu können. Die vorfinanzierten Kosten werden dem Kreisverband in dem Zeitraum von längstens 3 Jahren erstattet durch den Kleingartenverein / die Neupächter“.
Mit Schreiben vom 02.05.2019 stellte der Kläger dem Beklagten die beschlossene Einmalumlage für 238 Parzellen in Höhe von 11.900 € unter Zahlungsaufforderung bis zum 31.07.2019 in Rechnung (Anlage K 8, Bl. 30 GA). Der Beklagte lehnte die Zahlung mit Schreiben vom 25.05.2019 (Anlage K 9, Bl. 31 GA) ab und rügte die Einmalumlage als rechtswidrig. Der Kläger wies diese Rüge mit Schreiben vom 07.06.2019 (Anlage K 10, Bl. 34 GA) zurück.
Mit Schreiben vom 06.08.2019 mahnte der Kläger den Beklagten zur Zahlung des abgerechneten sowie weiterer, erstinstanzlich streitgegenständlicher, Zahlungen in einer Gesamthöhe von 13.624 € nebst 5 € Mahngebühren und 3 € Portokosten unter Fristsetzung bis zum 16.08.2019.
Der Kläger hat bereits erstinstanzlich, soweit für das Berufungsverfahren relevant, die Auffassung vertreten, der Beklagte sei an den wirksam beschlossenen Umlagebeschluss 04/19 gebunden; die Haushaltsunterdeckung für 2019 sei auf erhebliche Schadenersatzforderungen von Kleingärtnern zurückzuführen, hinsichtlich derer weitere in erheblichem, nicht näher bezifferbaren, Umfang zu erwarten gewesen seien und sich schließlich auch realisiert hätten; hinzu gekommen sei eine zu erwartende fünfstellige Klageforderung aus dem Rechtsstreit Az. 11 O 142/14 des Landgerichts Potsdam, wofür Rücklagen zu bilden gewesen seien; auf diese Umstände sei in der mit der Einladung übersandten Beschlussvorlage umfassend hingewiesen worden; die gegen den Beschluss der Mitgliederversammlung später erhobene Rüge sei verwirkt gewesen.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
1. an ihn 1.716 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %punkten über dem Basiszinssatz ab 17.08.2019 sowie 5 € Mahnkosten und 3 € Portokosten zu zahlen;
2. an ihn 11.900 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2019 zu zahlen,
3. an ihn 5 € Mahnkosten und 3 € Portokosten zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat gemeint, der Umlagebeschluss 04/19 sei nichtig; die Begründung der Beschlussvorlage sei nicht von der Satzung des Klägers gedeckt; außergewöhnlich im Sinne von § 6 Abs. 3 der Satzung sei nach dem Normzweck nur ein bereits entstandener oder unmittelbar bevorstehender, im Zusammenhang mit den Vereinszwecken stehender, Zahlungsverpflichtungen auslösender Aufwand; unzulässig seien hingegen Umlagen für möglicherweise bestehende Forderungen, die noch gar nicht geltend gemacht worden seien, für den Erwerb von Kleingartenflächen und für die Vorfinanzierung der Neuerschließung noch zu gründender Kleingartenanlagen; auch habe es der Erhebung der Umlage nicht zur Deckung eines Haushaltsdefizits des Klägers bedurft, wie dessen Vermögensüberblick vom 21.03.2019 (Anlage B 4, Bl. 83 GA) belege; der Beschluss widerspreche schließlich dem Bestimmtheitsgebot, da aus ihm nicht hervorgehe, in welcher Höhe welcher Teil der Umlage auf den jeweiligen Zweck entfalle; die gegen den Beschluss erhobene Rüge sei nicht verwirkt, da die Satzung des Klägers hierzu keine Regelung enthalte und die Nichtigkeit von Beschlüssen der Mitgliedervollversammlung grundsätzlich unbegrenzt geltend gemacht werden könne.
Das Landgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 23.07.2021 (Bl. 181 ff GA) unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von 11.900 € nebst anteiliger Zinsen seit dem 17.08.2019 sowie von 5 € Mahn- und 3 € Portokosten verurteilt.
Soweit für den Berufungsrechtszug von Belang, hat es seine Entscheidung damit begründet, eine Haushaltsunterdeckung habe im Zeitpunkt der Beschlussfassung vorgelegen und die beschlossenen Zahlungen seien im Satzungssinne zur Deckung eines außergewöhnlichen Aufwands erforderlich gewesen; aus den Vergleichsbeträgen der Beschlussvorlagen 7A und 7B/2019 ergebe sich, dass ohne Erhebung der Umlage für 2019 eine Unterdeckung vorgelegen hätte, wobei erhebliche Schadenersatzforderungen bedient und weitere zu erwarten gewesen seien; dabei habe der Kläger substantiiert dargelegt, dass aufgrund nichtiger Kleingartenpachtverträge weitere Schadenersatzforderungen in 6stelliger Höhe angekündigt worden seien, und es einer Rücklagenbildung mit Blick auf die beim LG Potsdam eingeklagte Forderung bedurft habe;
dass nur zeitlich unmittelbar bevorstehende Umstände einen „außergewöhnlichen Aufwand“ begründen sollen, sei nicht nachvollziehbar; umgekehrt entspreche es gerade dem Zweck einmaliger Umlagen, absehbare künftige Forderungen abzusichern;
die Bildung von Rücklagen für den Erwerb und die Erschließung von Grundstücken entspreche den Satzungszwecken und stelle deshalb einen erwartbaren Aufwand dar;
Der Beschluss der Mitgliederversammlung sei auch hinreichend bestimmt, denn in der Gesamtschau mit dem Beschluss 07A/2019 werde deutlich, welche Positionen die Umlage habe erfassen sollen; auf eine Verwirkung der vom Beklagten erhobenen Rüge komme es danach nicht an;
Mahngebühren und Portokosten insoweit zu verlangen, sei der Kläger gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB berechtigt; mit der Rechnung vom 02.05.2019 (K8, Bl. 30 GA) sei die Forderung zum 31.07.2019 fällig geworden, so dass sich der Beklagte im Zeitpunkt der Mahnung bereits in Verzug befunden habe.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte, soweit ihm rechtsnachteilig, mit der Berufung. Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt er vor,
- das angefochtene Urteil verkenne den Begriff der Haushaltsdeckung; insofern komme es auf die Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben an, Rücklagen fielen nicht unter die Ausgabenpositionen; dementsprechend seien die Rücklagen in den Beschlussvorschlägen 7A und 7B auch nicht als Ausgabenpositionen ausgewiesen, sondern als Mittel zur Verwendung des Ergebnisses; den Vorschlägen lasse sich vielmehr entnehmen, dass der Kläger auch im Fall der Nichterhebung der Umlage noch einen Überschuss hätte ausweisen können;
soweit in 2019 zu erwartende Schadenersatzforderungen gegen den Kläger erstinstanzlich streitig geblieben seien und der Kläger hierzu nicht näher vorgetragen habe, habe das Landgericht diese nicht zur Begründung einer Haushaltslücke bzw. eines außergewöhnlichen Aufwands heranziehen dürfen;
mit Blick auf die angeblich fünfstellige Klageforderung aus dem Verfahren Az. 11 O 142/14 sei das Klagevorbringen ebenfalls unzureichend gewesen und habe die erhobene Umlage, die sich auf insgesamt 331.450 € belaufen habe, nicht begründen können; im Übrigen habe insoweit kein größeres Risiko für den Kläger bestanden, hätte er doch anderenfalls bereits in den Vorjahren eine entsprechende Rücklage gebildet;
künftige Investitionen wie für den Grunderwerb und die Erschließung von Kleingartenflächen stellten zudem keine laufenden Ausgaben dar, so dass hierfür keine Sonderumlagen, schon gar nicht in o.a. Gesamthöhe, erhoben werden dürften; dies gelte umso mehr, als zwar die Schaffung und Sicherung von Kleingartenanlagen zu den in § 2 der Satzung dem Kläger obliegenden Aufgaben gehöre, nicht aber eine entsprechende Rücklagenbildung, die nach § 62 AO nur in sehr eingeschränktem Umfang zulässig sei;
lediglich künftig drohende Zahlungsverpflichtungen stellten nach allgemeinen buchhalterischen Regeln schließlich keinen „außergewöhnlichen Aufwand“ dar; diese seien vielmehr in § 277 Abs. 4 HGB als „Aufwendungen, die außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit anfallen“, definiert, d.h. bereits entstanden sein müssten.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 23.07.2021 zum Az. 4 O 106/20 die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er stützt die landgerichtliche Entscheidung.
Ergänzend führt er aus, als gemeinnützigem Rechtsträger sei er zum Verlustausgleich nur in Ausnahmefällen berechtigt, weshalb seine Satzung unter bestimmten Voraussetzungen die Erhebung von Sonderumlagen gestatte; die Rücklagenbildung diene dabei der Vorhaltung liquider Mittel, die bei rechtskräftiger Zahlungsaufforderung durch Dritte seine Liquidität erheblich gefährden würden; unstreitig hätten solche Forderungen aus 2018 bestanden, und die vorhandenen Mittel hätten zur Begleichung der zu erwartenden Forderungen nicht ausgereicht (Tabelle Bl. 246 GA);
es bleibe des Weiteren dabei, dass der Beklagte seine Rüge der Unwirksamkeit des Umlagebeschlusses verwirkt habe, und in dem die Umlage beschließenden Mitgliederentscheid sei zugleich ein Anerkenntnis zur Zahlung der Umlage durch die Mitgliedsvereine zu erblicken.
II.
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Der Kläger ist nicht berechtigt, vom Beklagten die Zahlung der in der Mitgliederversammlung vom 27.03.2019 beschlossenen streitgegenständlichen Umlage zu verlangen.
1. Der in der Mitgliederversammlung des Klägers vom 27.03.2019 gefasste entsprechende Beschluss Nr. 04/19 über die Erhebung einer Umlage in Höhe von 50 € pro Parzelle jedes Mitgliedsvereins ist materiell unwirksam und insgesamt nichtig. Eine rechtliche Grundlage für die Erhebung der Umlage besteht danach nicht.
Eine wirksame Beschlussfassung setzt die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und die Beachtung der Satzungsbestimmungen des Vereins voraus. Beschlüsse, die unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften oder zwingende Satzungsbestimmungen gefasst sind, sind nichtig (OLG Hamm, Urteil vom 24.6.2013, 8 U 125/12, juris, Rn. 61; OLG Hamm, Urteil vom 9.5.2016, 8 U 141/12; Wagner in: Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, 14. Aufl., Kap. 2 Rn. 1922 ff.). Die Beweislast für die formelle und materielle Wirksamkeit von Vereinsbeschlüssen liegt bei dem beschlussfassenden Verein, weil dieser aus der Beschlussfassung Rechte für sich herleitet.
Nach diesen Maßstäben ist der in der Mitgliederversammlung des Klägers vom 27.03.2019 gefasste, formell wirksame, Beschluss Nr. 04/19 nichtig, denn er leidet an durchgreifenden materiellen Fehlern. Für die Erhebung der beschlossenen Umlage besteht keine tragfähige rechtliche Grundlage.
Zwar können Vereinsmitglieder durch Umlagen grundsätzlich anstelle von laufenden Mitgliedsbeiträgen oder zusätzlich zu diesen dann herangezogen werden, wenn eine satzungsmäßige Grundlage besteht (Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht, 7. Aufl. 1997, Rn. 213). Jedoch können Umlagen als außerordentliche Vereinsbeiträge nur zur Befriedigung eines außergewöhnlichen Bedarfs begründet werden, der mit den regelmäßigen Beiträgen nicht erfüllt werden kann (OLG Stuttgart, Urteil vom 15.12.2011 - 3 U 149/11 -, BeckRS 2012, 671; OLG München NJW-RR 1998, 966; Schöpflin in Bamberger/Roth/Beck’scher Online-Kommentar zum BGB, Stand 01.03.2011, § 58 Rn. 4). Auch Umlagen als außerordentliche Vereinsbeiträge zur Befriedigung eines außergewöhnlichen Bedarfs bedürfen mithin einer satzungsmäßigen Grundlage (vgl. auch Beuthien BB 1987, 6 (10); Müller MDR 1992, 924). Eine „Sonderumlage“, die nicht der Befriedigung eines außergewöhnlichen Bedarfs dient, sondern regelmäßig anfällt, regelt in Wahrheit die reguläre Beitragspflicht (OLG Stuttgart aaO). Die Erhebung einer einmaligen Umlage setzt die Zulassung in der Satzung nicht nur dem Grunde nach voraus, sondern auch zumindest in Gestalt der Angabe einer Obergrenze der Höhe nach (BGH NJW-RR 2008, 194 (195); dazu Schöpflin WuB II N § 58 BGB 1.08; Schubert WM 2008, 1197; OLG Stuttgart NZG 2012, 317 (318)). Dem entsprechend bestimmen § 6 Abs. 3 und 4 der Satzung des Klägers, dass Umlagen bis zur Höhe von 100 € pro Parzelle zur Deckung eines außergewöhnlichen Aufwands oder erforderlichenfalls zur Deckung des Haushalts beschlossen werden können.
Die vom Kläger zur Begründung der streitgegenständlichen Umlage angeführten Gesichtspunkte tragen deren Erhebung indes weitgehend nicht. Insbesondere ist das Vorliegen eines außergewöhnlichen Bedarfs nur in Ansätzen ersichtlich.
In Anlehnung an § 277 Abs. 4 Satz 1 HGB a.F. stellen sich außerordentliche Aufwendungen als außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit anfallende Kosten dar. Der Begriff der Geschäftstätigkeit ist dabei nicht nur auf den in der Satzung genannten Vereinszweck zu beziehen, sondern im Gegenteil sehr weit, d.h. die gesamte Vereinstätigkeit umfassend, auszulegen (vgl. Münch.Komm.BilanzR/Kessler/Freisleben, 2013, HGB § 277 Rn. 89 ff). Zur Beurteilung, ob ein Sachverhalt als außerordentlich einzustufen ist, muss im Einzelfall jeweils auf die nach dem jeweiligen Haushaltsplan herrschenden individuellen Begleitumstände abgestellt werden.
Zu den generellen Wesensmerkmalen von außerordentlichen (Erträgen und) Aufwendungen gemäß § 277 Abs. 4 Satz 1 HGB gehör(t)en, dass sie
•selten bzw. unregelmäßig, d.h. sich in der absehbaren Zukunft vermutlich nicht wiederholend,
•in hohem Maße von ungewöhnlicher Art und
•für die betroffene Gesellschaft materiell bedeutsam bzw. wesentlich sind.
In der Konsequenz handelt es sich folglich immer dann um außerordentliche Aufwendungen, wenn das sie verursachende Ereignis sowohl untypisch als auch unregelmäßig bzw. selten ist.
Vor diesem Hintergrund stellen sich die von der Klägerin zur Begründung ihrer Beschlussvorlage Nr. 04/2019 angeführten Finanzierungsbedarfe weder als solche zur Deckung des Haushalts, noch weitgehend als außerordentliche Aufwendungen dar.
Die nämlichen Kosten führen aus den Gründen des Berufungsvortrags des Beklagten nicht zu einer Unterdeckung des Vereinshaushalts des Klägers, da sie - in den Beschlussvorlagen Nr. 07A und 07B/2019 zu Recht - weder als Einnahme- noch Ausgabenpositionen ausgewiesen worden sind, und auch der „Finanzplan 2019 ohne Umlage“ noch einen Einnahmenüberschuss in Höhe von 55.643,72 € ausweist (Bl. 164 GA).
Mit Ausnahme des zwischen den Parteien unstreitigen „Verlusts aus 2018“ des Klägers aufgrund bestehender Schadenersatzforderungen, in dem Finanzplan für 2019 in Höhe von 65.263,72 € ausgewiesen, sind vom Kläger aber keine weiteren konkreten Aufwendungen dargelegt und nachgewiesen worden, die zur Deckung des dadurch begründeten Finanzbedarfs eine Rücklagenbildung für das Geschäftsjahr 2019 gerechtfertigt hätten.
Dies gilt namentlich, soweit die Umlage zur Bildung von Rücklagen für den Erwerb von Kleingartenflächen und die Neuerschließung zu gründender Kleingartenanlagen dienen sollte. Insofern ist bereits nicht erkennbar, inwieweit entsprechende Planungen für das Geschäftsjahr 2019 existierten und deshalb ein entsprechender konkreter Bedarf bestand. Allgemein zur anlasslosen Rücklagenbildung darf die Erhebung von Sonderumlagen allerdings bereits qua definitionem nicht erfolgen, ist doch diesbezüglich, wie ausgeführt, das Vorliegen eines genau zu umreißenden Finanzierungsbedarfs auf der Grundlage eines ungeplanten außergewöhnlichen Ereignisses voraussetzen.
Aber auch, soweit die Umlage der Bildung von Rücklagen für einen Vergleichsschluss mit der Stadt Potsdam und „weitere mögliche Schadenersatzansprüche gegen den KV Potsdam auf Grund von Weiterverpachtung trotz fehlender Rechtsnachfolge“ dienen sollte, ist weder anhand dieser, der Beschlussvorlage beigegebenen, Begründung, noch dem weiteren, im Übrigen streitigen, Sachvortrag des Klägers zu ersehen, dass und in welcher Höhe entsprechende Forderungen im Zeitpunkt der Beschlussfassung konkret drohten, da anderenfalls kein entsprechender außerordentlicher Bedarf bestanden hätte. Soweit in die Finanzplanung 2019 gemäß Beschlussvorschlägen 07A und 7B/2019 zur Mitgliederversammlung vom 27.03.2019 diesbezügliche Rücklagen in Höhe von 105.000 € und 100.000 € eingestellt wurden, ist nach dem Klägervortrag offen geblieben, ob diesen nachvollziehbare Schätzungen zugrunde lagen; abgesehen davon sind die Hintergründe der angeblich absehbaren, einen momentaren außergewöhnlichen Bedarf begründenden, Schadenersatzforderungen im Dunkeln geblieben.
Angesichts dessen konnte die Erhebung der Umlage (vorbehaltlich weiterführender Erkenntnisse) rechtlich tragfähig allein auf den Verlustausgleich des Jahres 2018 in Höhe von 65.263,72 € gestützt werden, war jedoch im erhobenen, für den Kläger Einnahmen in einer Gesamthöhe von 331.450 € generierenden, Umfang insgesamt unangemessen.
Diese Gesichtspunkte führen mangels Aufteilbarkeit in einen wirksamen und unwirksamen Teil zur Gesamtnichtigkeit des vom Beklagten angegriffenen Beschlusses Nr. 04/19 der Mitgliederversammlung des Klägers, § 139 BGB (BGH, Urteil vom 25.01.1988 - II ZR 148/87, NJW 1988, 1214).
2. Der Beklagte hat seine Gegenrechte gegen den Beschluss vom 27.03.2019 auch nicht verwirkt.
Allerdings geht der Senat in Übereinstimmung mit Literatur und Rechtsprechung davon aus, dass das Beanstandungsrecht des durch die mitgliedschaftliche Treuepflicht gebundenen Vereinsmitglieds nach § 242 BGB verwirkt sein kann, wenn er dieses nicht innerhalb eines gewissen Zeitraums ausübt (zur Erhebung einer auf Feststellung der Nichtigkeit gerichteten Klage vgl. Behler in: Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, 14. Aufl., Kap. 2 Rn. 3125; BeckOGK/Notz, 15.9.2018, BGB § 32 Rn. 244; Palandt-Ellenberger, BGB, 80. Aufl., § 32 Rn. 11; Leuschner in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., § 32 Rn. 57; Schmidt in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 7, 6. Aufl., § 95 Rn. 31; OLG Hamm, Urteil vom 01.03.2021 - 8 U 61/20 -, npoR 2022, 23; OLG Hamm, Urteil vom 10.6.1996, 8 U 150/95, juris; OLG Saarbrücken, Urteil vom 2.4.2008, 1 U 450/07, NZG 2008, 677; KG, Beschluss vom 3.3.2014, 12 W 73/13, NJW-RR 2014, 1185, 1187). Es gibt kein anerkennenswertes Bedürfnis, den potenziellen Kläger zu schützen und die Klärung der Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen gleichsam in der Schwebe zu halten, wenn er seine Rechte unangemessen lange nicht ausgeübt hat. Vielmehr legt das legitime Interesse des Vereins an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, das für jedes Mitglied erkennbar ist und aufgrund der vereinsrechtlich gebotenen Treuepflicht von ihm berücksichtigt werden muss, nahe, dass eine mögliche Klage begründende Einwände gegen einen Mitgliederbeschluss mit zumutbarer Beschleunigung zu verlautbaren sind (vgl. BGH, Urteil vom 27.5.1982, III ZR 1157/80, juris; OLG Hamm Urteil vom 10.6.1996, 8 U 150/90, juris, Rn. 22; KG, Beschluss vom 3.3.2014, 12 W 73/13, NJW-RR 2014, 1185, 1187).
Im vorliegenden Fall sieht der Senat aber weder das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment, noch ein Umstandsmoment als erfüllt an. Auch führt die umfassende Abwägung der zu berücksichtigenden Interessen der Parteien zu dem Ergebnis, dass die Kläger die Klage nicht verspätet eingereicht haben.
In Bezug auf das erforderliche Zeitmoment werden in der Rechtsprechung Fristen zwischen einem Monat und mehr als sechs Monaten diskutiert (Überblick bei BeckOGK/Notz, 15.9.2018, BGB § 32 Rn. 242). Der Beklagte hat den Beschluss 04/2019 innerhalb von zwei Monaten nach seiner Fassung beanstandet und insofern direkt auf die an ihn gerichtete Zahlungsaufforderung vom 02.05.2019 reagiert. Dies genügte zur Überzeugung des Senats nach den Umständen des Falles, weil dem Beklagten als mitgliedschaftlich organisiertem Verband unter Einbindung seiner Einzelmitglieder und Gremien eine angemessene Überlegungsfrist einzuräumen war, deren er auch zur möglichen Einholung von Rechtsrat bedurfte und die deshalb zumindest einen Monat betrug. Bei dieser Sachlage und unter Berücksichtigung der anzunehmenden Postlaufzeiten ist die Beanstandung im angemessenen zeitlichen Rahmen erfolgt, zumal die Umsetzung der angegriffenen Entscheidung vereinsrechtlich keiner weitergehenden Beschleunigung bedurfte, insbesondere die Handlungsfähigkeit des Klägers nicht bedrohte.
Ferner fehlt es an dem erforderlichen Umstandsmoment. Außergerichtliche Verhaltensweisen können dazu führen, dass das für den sich aus § 242 BGB ergebenden Verwirkungstatbestand neben dem Zeitmoment maßgebliche Umstandsmoment i. S. eines zurechenbaren vertrauensbildenden Vorverhaltens entfällt (BGH, Urteil vom 26.2.1996, II ZR 77/95, NJW 1996, 1756, 1758; OLG Hamm, Urteil vom 01.03.2021 - 8 U 61/20 - aaO; Behler in: Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, 14. Aufl., Kap. 2 Rn. 3128). Umstände, aufgrund derer der Kläger, der regelmäßig gegenseitige Interessen seiner Mitglieder zu moderieren hat, hier darauf vertrauen durfte, dass der Beklagte, mit dem er nach Aktenlage bereits zuvor schon im Streit stand, die Beschlussfassung zu Nr. 04/2019 widerspruchslos hinnehmen würde, liegen auch angesichts des Abstimmungsergebnisses (75 gegen immerhin 29 Stimmen) nicht vor. Es war auch naheliegend und nach Auffassung des Senats nicht treuwidrig, dass diejenigen Mitglieder, die mit dieser Beschlussfassung offensichtlich nicht einverstanden waren, angesichts der damit für sie verbundenen Kosten zum Zweck der Beseitigung dieses Beschlusses alle denkbaren Nichtigkeitsgründe vorbringen würden.
Die erforderliche Abwägung (KG, Beschluss vom 3.3.2014, 12 W 73/13, NJW-RR 2014, 1185, 1187 und Behler in: Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, 14. Aufl., Kap. 2 Rn. 3129) führt zu keinem anderen Ergebnis. Das Interesse des Klägers an einer zügigen Klärung überwiegt nicht die schutzwürdigen Belange des Beklagten. Der von ihm auf der Basis der beschlossenen Umlage zusätzlich zugunsten des Klägers aufzubringende Geldbetrag erreicht eine nach den Gegebenheiten des Falles bereits erhebliche, fünfstellige, Höhe von 11.900 €. Es ist umgekehrt nicht zu ersehen, dass es dem Kläger nicht zuzumuten gewesen wäre, diesen Betrag etwaigen Gläubigern gegenüber zu verauslagen, zumal im Ergebnis des vorliegenden Rechtsstreits offengeblieben ist, inwieweit sich in Ansatz gebrachten Fremdforderungen tatsächlich realisiert haben. Auch der Umstand, dass es sich bei dem Beklagten um einen der mitgliederstärksten Mitgliedsverbände des Klägers gehandelt hat, erschwerte ihm eine vereinsinterne Abstimmung über eine Klageerhebung und ist bei der Abwägung zu berücksichtigen.
3. Ob mit Blick auf den streitgegenständlichen Beschluss der Bestimmtheitsgrundsatz verletzt worden ist, kann danach offenbleiben.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Festsetzung des Gebührenstreitwerts entspricht dem Berufungsinteresse.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, vielmehr einen Einzelfall betrifft, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (vgl. § 543 Abs. 1, 2 ZPO), denn der Senat weicht mit seiner vorliegenden Entscheidung nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab.