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Entscheidung DG 1/22


Metadaten

Gericht Dienstgericht Cottbus Entscheidungsdatum 04.07.2022
Aktenzeichen DG 1/22 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist Richter am Sozialgericht in ... und wendet sich gegen das „Corona-Regime“ am Sozialgericht ..., ein „Betretungsverbot“, eine „faktische Zurruhesetzung“, eine „faktische Freistellung“ und die Nichtermöglichung von Heimarbeit in nennenswerten Umfang.

Der Antragsteller befand sich am 07. Dezember 2021 im Sozialgericht .... Er legte beim Betreten des Gerichtes keinen Impf-, Genesen- oder Testnachweis vor und hatte einen solchen auch nicht hinterlegt. Daraufhin bat ihn der Präsident des Sozialgerichts ..., in einem Beratungsraum zu erscheinen. Der Antragsteller wurde aufgefordert, einen entsprechenden Nachweis vorzulegen. Dem kam er nicht nach. Nachdem der Präsident des Sozialgerichts ... ihn darauf hingewiesen hatte, dass der Antragsteller wenn er einen solchen Nachweis nicht vorlege, das Gebäude verlassen müsse, erklärte sich der Antragsteller bereit einen Test vor Ort durchzuführen.

Unter dem 15. Dezember 2021 legte der Antragsteller Widerspruch gegen das „Corona-Regime“ ein, soweit es ihn außerhalb von Sitzungen o.ä. betrifft und von der Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben abhält bzw. ebendies mehr als nur unerheblich erschwert oder verzögert. Er begründete dies damit, dass der Impfstatus eines „unabhängigen“ Richters Privatsache sei und die Intimsphäre betreffe, an deren Offenbarung der Dienstherr kein berechtigtes Interesse habe. Eine dem zuwiderlaufende unterschiedslose pauschale gesetzliche Vorgabe dürfte insoweit jedenfalls nach rund zwei Pandemiejahren zudem unverhältnismäßig, gleichheitssatz- und rangwidrig sein. Es dürften zudem mildere Mittel zur Verfügung stehen, wie bspw. die Aufwertung des Heimarbeitsplatzes, die in seinem Fall schon aus gesundheitlichen Gründen notwendig sei und ihm verweigert werde.

Die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2022 zurück. Dass Beschäftigte nur Zutritt zum Sozialgericht ... haben, wenn sie einen entsprechenden Nachweis vorlegen, ergebe sich unmittelbar aus § 28b Abs. 1 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (IfSG). Die verfassungsrechtlich gesicherte Unabhängigkeit von Richtern werde hierdurch nicht berührt.

Mit Schreiben vom 27. Dezember 2021 leitete der Präsident des Sozialgerichts ... aufgrund des Vorfalls vom 07. Dezember 2021 ein Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller ein.

Mit Schreiben vom 12. Januar 2022 führte der Antragsteller aus, von einem Betretungsverbot bisher keine Kenntnis gehabt zu haben. Er gehe vorsorglich neuerlich gegen das angebliche „Betretungsverbot“, nebst der damit offenbar verbundenen faktischen Zurruhesetzung, faktischen Freistellung bei Nichtermöglichung von Heimarbeit in nennenswertem Umfang in Widerspruch. Ein „Betretungsverbot“ sei auch insbesondere nicht während des irregulären Personalgespräches kundgetan worden. Sollte ein solches vorliegen, dürfte er zur Berufstätigkeit nur noch eingeschränkt im Stande sein und es dürften mannigfaltige Verletzungen der richterlichen Unabhängigkeit vorliegen. Dies resultiere nicht zuletzt aus der bereits zuvor gleichheitssatzwidrigen sowie der Treue-, Schutz und Fürsorgepflicht zuwider erfolgten Ablehnung einer nennenswerten Aufwertung des Heimarbeitsplatzes. Ein „Betretungsverbot“ dürfte aber auch sonst rang- und verfassungswidrig, also nichtig sein. Die Datenbasis für derart weitreichende Verletzungen der richterlichen Unabhängigkeit sei indes unzureichend, die Maßnahme ungeeignet und völlig überzogen. Die evidente Ungleichbehandlung gegenüber wesentlich exponierteren indes wesentlich weniger inkriminierten „Kontakten“ wie etwa im netto-Marken-discount bei mehr oder weniger gleichermaßen existentieller Bedeutung dürfte ins Auge fallen. Er sei umgekehrt nicht als Pflegekraft o.Ä. tätig. Er beantrage die Beteiligung des Richterrats.

Mit Schreiben vom 18. Januar 2022 wies der Präsident des Sozialgerichts ... den Antragsteller darauf hin, dass sich die Betretungsregeln unmittelbar aus § 28b IfSG ergeben und die Dienstpflicht des Antragstellers hierdurch nicht berührt werde und uneingeschränkt fortbestehe.

Der Antragsteller hat unter dem 12. Januar 2022 Eilrechtsschutz beantragt.

Zur Begründung verweist er zunächst auf seine Dienstaufsichtsbeschwerden und Widersprüche in der Sache. Hieraus ergebe sich die Begründetheit des Antrages schon aus formellen Gründen, da ein Betretungsverbot nicht ausgesprochen wurde und seine Widersprüche nicht berücksichtigt wurden. Auch aus materiellen Gründen sei sein Antrag begründet, da kaum eine schwerwiegendere Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit vorstellbar sei.

Der Antragsgegner gehe von einem falschen Sachverhalt aus, denn es habe keine (Vorab-)Information gegeben, auch eine Einlasskontrolle sei nicht erfolgt. Er sei nicht gebeten worden, einen Nachweis mitzuführen und ihm sei auch keine „befreiende“ Testung ermöglicht worden. Eine solche Testung sei ihm erstmals beim irregulären Personalgespräch angeboten worden.

Es seien bereits schwerwiegende Verletzungen der richterlichen Unabhängigkeit eingetreten. Das angebliche Betretungsverbot sei bis zum heutigen Tage ihm gegenüber mitnichten aufgehoben oder zurückgenommen worden. Es sei auch sicher davon auszugehen, dass bei scheinbaren oder tatsächlichen Veränderungen aussagekräftiger oder weniger aussagekräftiger „Werte“ dieselben (schwerwiegenden) Verletzungen der richterlichen Unabhängigkeit unverzüglich wiederholt werden würden.

Der Antragsteller beantragt,

das Corona-Regime am Sozialgericht ..., des „Betretungsverbot“, die faktische Zurruhesetzung, die faktische Freistellung und die Nichtermöglichung von Heimarbeit in nennenswertem Umfang, insbesondere laut Schreiben des Antragsgegners vom 27.12.2021, 18.01.2022 und 24.01.2022 sowie laut des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2022, vorläufig – bis auf weiteres – bzw. endgültig aufzuheben und festzustellen, dass das „Betretungsverbot“, die faktische Zurruhesetzung, die faktische Freistellung und die Nichtermöglichung von Heimarbeit in nennenswertem Umfang seine richterliche Unabhängigkeit sowohl vorläufig – bis auf weiteres – als auch endgültig verletzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er führt aus, aufgrund des § 28b Abs. 1 IfSG dürften Beschäftigte Arbeitsstätten nur betreten, wenn sie geimpft, genesen oder getestet seien. In Umsetzung dieser gesetzlichen Verpflichtung seien die Beschäftigten des Sozialgerichts ... über die damit verbundenen Zugangsregelungen informiert worden. Dies sei durch E-Mail und Bekanntgabe im Intranet erfolgt. Die Beachtung und Einhaltung der Zugangsregelungen entbinden den Richter nicht von seinen Dienstpflichten. Ihre Nichteinhaltung führe jedoch dazu, dass dem Richter der Zugang zum Gericht ggf. zu verwehren sei bzw. er das Gebäude zu verlassen habe. Der Antragsteller sei zu keiner Zeit an der Ausübung einer dienstlichen Tätigkeit gehindert worden.

Die Betretensanordnung des Präsidenten des Sozialgerichts ... habe sich erledigt, da diese bis längstens 19. März 2022 befristet gewesen sei.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

II.

Der Antrag ist unzulässig.

Dem Antragsteller fehlen zwischenzeitlich Antragsbefugnis und Rechtsschutzbedürfnis. Sowohl § 28b IfSG in der Fassung vom 10. Dezember 2021, der in seinem Absatz 1 das bedingte Betretensverbot von Arbeitsstätten vorsah als auch die Betretensanordnung des Präsidenten des Sozialgerichts ... sind mit dem Ablauf des 19. März 2022 außer Kraft getreten. Daher ist der Antragsteller nicht mehr beschwert, da er nunmehr frei von einer etwaigen Testpflicht oder der Verpflichtung des Nachweises seines Impf- oder Genesenenstatus das Gericht betreten darf. Insoweit ist es ihm dann auch möglich, unbeschadet der aus seiner Sicht nicht hinreichenden technischen Ausstattung für eine Arbeit außerhalb des Gerichtsgebäudes, seine Arbeit wieder im Gerichtsgebäude aufzunehmen. Soweit er mitteilt, das angebliche Betretensverbot sei ihm gegenüber mitnichten aufgehoben oder zurückgenommen worden, hilft dies nicht weiter. Der Antragsgegner selbst hat klargestellt, dass es eine Betretensanordnung nicht mehr gebe, sodass auch kein Betretensverbot gegenüber dem Antragsteller besteht.

Soweit der Antragsteller eine etwaige spätere erneute Inkraftsetzung eines Betretensverbotes in den Raum stellt, spricht er damit entweder eine Frage vorbeugenden Rechtsschutzes oder eine Fortsetzungsfeststellungsklage in Gestalt eines Eilrechtsschutzantrages an. Beides wäre unzulässig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 80 BbgRiG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.