Gericht | OLG Brandenburg 11. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 17.05.2023 | |
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Aktenzeichen | 11 U 103/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0517.11U103.22.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 30.03.2022, Az. 6 O 352/20, unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer KV ...0 unwirksam sind:
a) im Tarif B. die Erhöhung zum 01.04.2014 in Höhe von 34,90 EUR
b) im Tarif B. die Erhöhung zum 01.04.2016 in Höhe von 129,90 EUR
und die Klägerseite im Zeitraum 01.01.2017 bis 31.03.2017 nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet war,
sowie
bis zum 28.02.2021 unwirksam war
c) im Tarif B. die Erhöhung zum 01.04.2017 in Höhe von 61,92 EUR
und der Kläger nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet war.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.928,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 18.02.2021 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum 17.02.2021 aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger auf die unter 1 a) und 1 b) aufgeführten Beitragserhöhungen vom 01.01.2017 bis 31.03.2017, sowie auf die unter 1 c) aufgeführte Beitragserhöhung vom 01.04.2017 bis 28.02.2021 gezahlt hat.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 90 % und die Beklagte zu 10 %.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 66 % und die Beklagte zu 34 %.
6. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
7. Die Revision wird nicht zugelassen.
8. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 11.909,40 EUR festgesetzt.
Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird unter Abänderung des Streitwertbeschlusses des Landgerichts vom 30.03.2022 auf 31.234,71 EUR festgesetzt.
I.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Prämienanpassungen im Rahmen einer privaten Krankenversicherung und sich daraus ergebende Ansprüche auf Rückerstattung sowie Herausgabe von Nutzungen.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet.
Denn das Landgericht hat zu Unrecht festgestellt, dass die Mitteilung zu der Beitragsanpassung der Beklagten in dem Jahr 2017 - soweit für die Berufung noch relevant - den gesetzlichen Vorgaben des § 203 Abs. 2 und 5 VVG genügte.
Im Einzelnen:
1.
a)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGH, Urt. v. 16.12.2020 - IV ZR 294/19 - juris) erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Der Versicherer muss dabei zwar nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. den Rechnungszins, angeben. Der Versicherungsnehmer muss den Mitteilungen aber mit der gebotenen Klarheit entnehmen können, dass eine Veränderung der genannten Rechnungsgrundlagen über dem geltenden Schwellenwert die konkrete Beitragserhöhung ausgelöst hat (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.2022 - IV ZR 329/20; Urt. v. 09.02.2022 - IV ZR 337/20; Urt. v. 21.07.2021 - IV ZR 191/20; Urt. v. 20.10.2021 - IV ZR 148/20; Urt. v. 17.11.2021 - IV ZR 113/20 - jeweils zitiert nach juris). Ihm muss dabei grundsätzlich verdeutlicht werden, dass es einen vorab festgelegten Schwellenwert für eine Veränderung der betreffenden Rechnungsgrundlage gibt, dessen Überschreitung die in Rede stehende Prämienanpassung ausgelöst hat (vgl. insbesondere BGH, Urt. v. 09.02.2022 - IV ZR 337/20; Urt. v. 21.07.2021 - IV ZR 191/20 - zitiert jeweils nach juris). Nicht erforderlich ist es hingegen, dem Versicherungsnehmer die Rechtsgrundlage des geltenden Schwellenwerts oder die genaue Höhe der Veränderung der Rechnungsgrundlage mitzuteilen (BGH, Urt. v. 16.12.2020 – IV ZR 314/19, a.a.O., Rn. 95 und IV ZR 294/19, VersR 2021, 240; OLG Hamm, Beschl. v. 23.06.2022 - 20 U 128/22; Senat, Beschl. v. 10.08.2022 – 11 U 224/21; Beschl. v. 18.01.2023 - 11 U 209/22, m.w.N.).
Ob eine Mitteilung des Versicherers den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt, hat grundsätzlich der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu befinden (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.2022 - IV ZR 302/22, Rn. 15; Urt. v. 16.12.2020 - IV ZR 294/19, Rn. 38, juris).
Eine Bewertung des von der Beklagten verwendeten Beitragsanpassungsschreibens identischen bzw. im Wesentlichen gleichen Inhalts ist durch den Bundesgerichtshof für die Erhöhung zum 01.04.2017 erfolgt (vgl. Urt. v. 30.11.2022 - IV ZR 302/20, Rn. 5, 15 ff., juris). Dieser Bewertung schließt sich der Senat an und hält das verwendete Schreiben nicht für formell hinreichend.
Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang auf die ständige Rechtsprechung des OLG Dresden verweist, hat dies für den Senat bereits keine Bindungswirkung. Im Übrigen gibt das OLG Dresden in ständiger Rechtsprechung selbst zu erkennen, dass es den Bewertungen des BGH etwa in den Entscheidungen IV ZR 191/20 und IV ZR 250/20, denen vergleichbare Beitragsanpassungsschreiben zugrunde lagen, nicht folgt, sondern jeweils auf Basis einer eigenen tatrichterlichen Einzelfallwürdigung zu einer anderen Bewertung kommt (vgl. z.B. OLG Dresden, Beschl. v. 23.08.2022 - 4 U 1176/22, Rn. 16, juris). Auch die angeführte Entscheidung des OLG Stuttgart vom 18.11.2021 bietet schon deshalb keinen Anlass für eine abweichende Einschätzung, weil sie zeitlich vor dem o.g. Judikat des Bundesgerichtshofs ergangen ist, mit dem er die hier in Rede stehende Mitteilung für formell unzureichend erachtet hat.
Demgemäß ergibt sich anhand des streitgegenständlichen Beitragsanpassungsschreibens der Beklagten für den Kläger als Versicherungsnehmer nicht mit der gebotenen Klarheit, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage „Versicherungsleistungen“ über dem geltenden Schwellenwert die konkrete Beitragserhöhung ausgelöst hat.
In dem Schreiben aus Februar 2017 wird zwar darauf hingewiesen, dass der wichtigste Grund die gestiegenen Gesundheitskosten sind. Es fehlt indes eine Bezugnahme auf die vorgenommenen konkreten Tariferhöhungen in dem Sinne, dass sich hieraus nicht die Überschreitung einer bestimmten Rechnungsgrundlage im festgelegten Umfang als Voraussetzung der Prämienanpassung ergibt (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.2022 - IV ZR 302/20, Rn. 17, juris). Aus den jeweiligen Nachträgen (Anlage KGR 1) kann nur der erhöhte Tarif und der Erhöhungsbetrag entnommen werden, Gründe für die Prämienerhöhungen werden darin nicht mitgeteilt. Die beigefügten Informationsunterlagen enthalten nur allgemeine Informationen zur Beitragsanpassung ebenfalls ohne Bezug zur konkret vorgenommenen Prämienerhöhung in den einschlägigen Tarifen, ferner die bloße Wiedergabe der für die Prämienerhöhung maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften, weitere Informationen sowie ein Praxisbeispiel zur Erläuterung der gestiegenen Gesundheitskosten.
Da die Prämienanpassungen in dem hier maßgeblichen Zeitraum formell unwirksam waren, kommt es auf die Frage der materiellen Wirksamkeit für die Höhe des Zahlungsanspruchs ebenso wenig an, wie für den Feststellungsantrag, der in der Berufungsinstanz nur noch zeitlich begrenzt (“unwirksam waren“) weiterverfolgt wird (vgl. hierzu auch BGH, Urt. v. 30.11.2022 - IV ZR 302/20, Rn. 23, juris).
In der Rechtsfolge der Unwirksamkeit besteht gemäß der §§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., 818 BGB eine Rückzahlungspflicht zu Unrecht geleisteter Prämienerhöhungen (vgl. BGH, Urt. v. 21.09.2022 - IV ZR 2/21, Rn. 24 ff., juris). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Landgericht bezüglich der Beitragsanpassungen zum 01.04.2014 (mit höherer Beitragspflicht ab 01.04.2015) und 01.04.2016 lediglich für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis 31.03.2017 festgestellt hat, dass der Kläger nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet war und die Klage im Übrigen abgewiesen hat. Daran ist der Senat gebunden, da der Kläger das Urteil insoweit nicht angegriffen hat. Zwar fordert er in dem Berufungsantrag zu 2. einen Zahlungsbetrag, der sich u.a. auch aus den Rückforderungsansprüchen bezüglich der Beitragsanpassungen zum 01.04.2014 und 01.04.2016 ergibt. In der Berufungsschrift hat er jedoch ausdrücklich klargestellt, dass das Urteil nicht vollumfänglich angegriffen werde, sondern sich der Umfang der Berufung aus den Anträgen ergebe; soweit diese hinter den im erstinstanzlichen Verfahren zurückbleiben, werde das Urteil nicht angegriffen. Diese unmissverständlichen Ausführungen lassen keinen Raum für Auslegungen. Demnach ist die erstinstanzliche Zwischenfeststellung, wonach der Kläger bezüglich der Beitragsanpassungen in 2014 und 2016 (nur) bis zum 31.03.2017 nicht zur Zahlung des erhöhten Beitrags verpflichtet war, in Rechtskraft erwachsen.
Die berechtigten Erstattungsansprüche sind zudem nur für den Zeitraum ab Januar 2017 durchsetzbar. Aufgrund der Klageerhebung am 17.02.2021 war die Verjährung sämtlicher Ansprüche, die ab dem 01.01.2017 entstanden sind, gehemmt, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Zuvor entstandene Ansprüche sind verjährt. Die Klagezustellung am 17.02.2021 wirkte gemäß § 167 ZPO auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung am 17.11.2020 zurück. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen werden.
Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang zumindest erstinstanzlich die Ansicht vertrat, dass ein Rückforderungsanspruch bezüglich in unverjährter Zeit erfolgter Zahlungen auf eine unwirksame Beitragsanpassung auch dann nicht mehr durchsetzbar sei, wenn infolge der Verjährungseinrede die Beitragsanpassung selbst nicht mehr zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden kann, greift dies nicht durch. Der Senat hat bereits wiederholt ausgeführt, dass die für die private Unfallversicherung bzw. Berufsunfähigkeitsversicherung aufgestellten Grundsätze zur Verjährung des Stammrechts auf die hiesigen Fallkonstellationen nicht übertragbar sind (vgl. Senat, Urt. v. 07.09.2022 - 11 U 264/21, Rn. 9; Urt. v. 21.09.2022 - 11 U 251/21; s.a. OLG Dresden, Beschl. v. 23.06.2022 - 4 U 687/22; OLG Stuttgart, Urt. v. 10.02.2022 - 7 U 183/21, Rn. 51, zitiert nach juris). Im Übrigen wendet auch der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Stammrechtstheorie nicht an (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 22.06.2022 - IV ZR 193/20, Rn. 56, zitiert nach juris), sondern betont in inzwischen gefestigter Rechtsprechung, dass eine spätere wirksame Prämienanpassung fortan die Rechtsgrundlage für den Prämienanspruch in seiner Gesamthöhe bildet (vg. z.B. BGH, Urt. v. 30.11.2022 - IV ZR 329/20, Rn. 20 f.).
Die formelle Unwirksamkeit der Beitragsanpassung in dem Tarif B. zum 01.04.2017 endete erst durch die mit dem außergerichtlichen Schreiben der Beklagten vom 21.01.2021 (Anlage BLD 7, letzte Seite) nachgeholten Informationen mit Wirkung zum 01.03.2021 (vgl. § 203 Abs. 5 VVG).
Soweit der Kläger mit seiner Berufung - über seine erstinstanzlichen Anträge hinaus - Kondiktionsansprüche aus Beitragszahlungen auf die Beitragsanpassung zum 01.04.2017 nach Klageeinreichung geltend macht, handelt es sich insoweit um eine privilegierte Klageänderung, die unabhängig von den Voraussetzungen des § 533 ZPO ist (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.03.2023 - 25 U 227/22, Rn. 14; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 09.11.2022 - 1 U 55/22, Rn. 15, juris). Der hier in Rede stehende Zeitraum bis Februar 2021 war bereits durch den negativen Feststellungsantrag zu 1. in der Klageschrift vom 30.10.2020 erfasst.
Da der Kläger seine Rückzahlungsansprüche für den Zeitraum bis Februar 2021 verfolgt, ergeben sich folgende durchsetzbare Ansprüche:
Tarif | Erhöhung zum | Erhöhungsbetrag | Zeitraum | gesamt |
B. | 01.04.2014 (mit höherer Beitragspflicht ab 01.04.2015) | 34,90 EUR | 01/17 - 03/17 | 104,70 EUR |
01.04.2016 | 129,90 EUR | 01/17 - 03/17 | 389,70 EUR | |
01.04.2017 | 61,92 EUR | 04/17 - 02/21 | 2.910,24 EUR | |
Summe: | 3.404,64 EUR |
b)
Hiervon abzuziehen ist die zur Verrechnung gestellte Gegenforderung aus den überhöhten Beitragsrückerstattungen für die Jahre 2017 bis 2020 in Höhe von insgesamt 476,10 EUR (vgl. Klageerwiderung S. 21: Auszahlung in 2018 für das 2017: 0,00 EUR, Auszahlung in 2019 für das Jahr 2018: 158,70 EUR; Auszahlung in 2020 für das Jahr 2019: 317,40 EUR).
Denn die Verpflichtung der Beklagten zum Wertersatz ist gemäß § 818 Abs. 3 BGB von vornherein ausgeschlossen, soweit sie nicht mehr bereichert ist. Hieraus folgt zugleich, dass der Einwand der Überzahlung von Beitragsrückerstattungen nur insoweit greift, als die Beklagte ihrerseits zur Rückzahlung aufgrund unwirksamer Beitragsanpassungen verpflichtet ist, sie mithin in unverjährter Zeit bis zur Heilung der unwirksamen Beitragsanpassung zu Unrecht vereinnahmte Prämienbestandteile zu erstatten hat (in diesem Sinne wohl BGH, Urt. v. 21.07.2021 - IV ZR 191/20, Rn. 33 und Urt. v. 15.03.2023 - IV ZR 318/21, Rn. 19, juris), vorliegend für die Zeit vom 01.01.2017 bis zum 28.02.2021. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich bei den zu saldierenden Gegenforderungen der Beklagten aus den überhöhten Beitragsrückerstattungen um das bereicherungsrechtliche Spiegelbild zu den Erstattungsforderungen des Klägers handelt, die in einem faktischen Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen.
Der Kläger wendet sich in diesem Zusammenhang gegen die Berechnung der Beklagten, die auch aus Sicht des Senats nicht zu beanstanden ist, nicht, sondern behauptet lediglich, dass die Berechnung der Beitragsrückerstattung unabhängig von der gezahlten Prämie sei und dass die erfolgsabhängige Beitragsrückerstattung u.a. von dem persönlichen Verhalten des Versicherungsnehmers abhängt. Letzteres mag zutreffen (vgl. LG Nürnberg-Fürth, a.a.O., Rn. 163, juris; MüKoVVG/Boetius, 2. Aufl., § 203 Rn. 402 ff.), ändert jedoch nichts an der Abhängigkeit der Beitragsrückerstattung von der Höhe des einschlägigen Monatsbeitrags. Denn die Verwendung der Mittel aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattungen ist in systematischer Hinsicht Teil der Prämienberechnung (BGH, Urt. v. 01.07.1992 - IV ZR 191/91, Rn. 13, juris; MüKo VVG/Boetius, 2. Aufl., § 203 Rn. 408). Die Feststellung, ob die im Rahmen einer Nachkalkulation errechneten Anpassungen limitiert werden müssen und inwieweit dem Versicherer dafür Mittel aus den Rückstellungen für Beitragsrückerstattung zur Verfügung stehen, ist Bestandteil der Neukalkulation der Prämie (BGH, Urt. v. 19.12.2018 - IV ZR 255/17, Rn. 51 juris).
Mithin greift der Verrechnungseinwand der Beklagten bezüglich der überhöhten Beitragsrückerstattungen jeweils auch nur für jenen Zeitraum, für den Kläger Rückerstattungsansprüche geltend macht und auch durchsetzen kann. Soweit die Beklagte demnach auch die überhöhten Beitragsrückerstattungen für die Jahre 2011 bis 2016 verrechnet wissen will, geht dies mangels Bestehen einer Gegenforderung ins Leere, da etwaige Rückforderungsansprüche aus diesem Zeitraum unabhängig von einer Verjährungseinrede des Klägers nunmehr zu dessen Gunsten nach § 818 Abs. 3 BGB auf eine etwaig bei diesem verbliebene Bereicherung beschränkt sind. Vorliegend übersteigen jedoch die für den Zeitraum 2011 bis 2016 klägerseits geltend gemachten Erstattungsansprüche jeweils die geltend gemachten Erstattungsansprüche der Beklagten. Dies gilt auch, soweit die Beklagte hilfsweise in Bezug auf die Beitragsrückerstattungen für 2011 bis 2016 die Aufrechnung erklärte.
Der Umstand, dass das Landgericht lediglich einen Teilbetrag von 98,88 EUR verrechnet hat, ohne zugleich klarzustellen, weshalb es die restliche Summe nicht berücksichtigt (vgl. LGU S. 9), ist unschädlich, da es sich bei dem Verrechnungseinwand um ein bloßes Verteidigungsmittel der Beklagten im Sinne des § 282 Abs. 1 ZPO handelt, das die Beklagte nach allgemeinen Grundsätzen im zweiten Rechtszug weiterhin geltend machen kann. Eine Besonderheit ergibt sich aus § 322 Abs. 2 ZPO nur dann, wenn die Entscheidung, dass die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nicht besteht, der Rechtskraft fähig ist, weil das Berufungsgericht über eine rechtskräftig aberkannte Gegenforderung nicht erneut erkennen kann (vgl. hierzu Senat, Beschl. v. 08.03.2023 - 11 U 209/22 - den Parteivertretern bekannt). Da das Landgericht aber nicht das Bestehen der Gegenforderung verneint hat, musste die Beklagte die Entscheidung insoweit über die Berufung nicht gesondert anfechten (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 10.04.2014 - 10 U 35/13, Rn. 275, juris).
c)
Der demnach verbliebene Rückforderungsanspruch in Höhe von 2.928,54 EUR (3.404,64 EUR - 476,10 EUR) ist antragsgemäß nach den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zu verzinsen, in entsprechender Anwendung des § 187 Abs. 1 BGB jedoch erst ab dem auf die Rechtshängigkeit folgenden Tag (vgl. BGH, Urt. v. 23.06.2021 - IV ZR 250/20, Rn. 24, juris).
2.
Antragsgemäß ist weiterhin die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Beitragserhöhungen festzustellen.
Die begehrte Feststellung der Unwirksamkeit der Prämienerhöhung ist eine Vorfrage für den Leistungsantrag und geht zugleich über das dort erfasste Rechtsschutzziel des Klägers hinaus; sie ist deshalb jedenfalls als Zwischenfeststellungsklage im Sinne von § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Bei der Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO macht die Vorgreiflichkeit das sonst für die Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse entbehrlich (vgl. BGH, Urt. v. 20.10.2021 - IV ZR 148/20, Rn. 20; Urt. v. 19.12.2018 - IV ZR 255/17, Rn. 17, juris).
Jedoch ist die Feststellung der Unwirksamkeit lediglich bis zu dem Zeitpunkt der Heilung des ursprünglichen Begründungsmangels - hier aufgrund des außergerichtlichen Schreibens der Beklagten vom 21.01.2021 mit Wirkung zum 01.03.2021 - zu begrenzen. Dies gilt jedoch nur für die Feststellung der Unwirksamkeit in Bezug auf die Erhöhung zum 01.04.2017; soweit erstinstanzlich eine weitergehende Feststellung bezüglich der Beitragsanpassung zum 01.04.2014 und 01.04.2016 getroffen wurde (“unwirksam sind“), ist der Senat nach § 528 ZPO gehindert, das Urteil zulasten des Klägers abzuändern (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.2012 - V ZR 245/11, Rn. 17, juris).
Als bloßer Schreibfehler (§ 319 ZPO) war darüber hinaus die Versicherungsnummer innerhalb des Feststellungstenors zu korrigieren, welche unstreitig KV ...0 lautet, ebenso wie der unstreitige Umstand, dass die Beitragsanpassung, die der Kläger ursprünglich zum 01.04.2015 verortete, tatsächlich bereits zum 01.04.2014 erfolgte und lediglich aufgrund der limitierenden Maßnahmen der Beklagten zu einer erhöhten Beitragszahlung erst ab 01.04.2015 führte (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 04.08.2021).
3.
Ferner ist antragsgemäß festzustellen, dass die Beklagte zur Herausgabe gezogener Nutzungen verpflichtet ist (vgl. hierzu grundlegend BGH, Urt. v. 16.12.2020 – IV ZR 294/19, Rn. 57 f., juris). Allerdings ist diese bis zu dem Eintritt der Rechtshängigkeit im vorliegenden Fall zu begrenzen. Prozess- und Verzugszinsen sollen den Nachteil ausgleichen, den der Gläubiger dadurch erleidet, dass er infolge nicht rechtzeitiger Zahlung des Schuldners daran gehindert ist, einen ihm zustehenden Geldbetrag zu nutzen. Dieser Nachteil wird durch einen Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen vollkommen ausgeglichen. Daher besteht neben dem Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen kein Anspruch auf Prozess- oder Verzugszinsen (BGH, Urt. v. 16.12.2020 – IV ZR 294/19, Rn. 58, juris).
Darüber hinaus verjährte der Anspruch auf Nutzungen aus den zuvor gezahlten Erhöhungsbeträgen mit dem jeweils zugrundeliegenden Rückzahlungsanspruch, § 217 BGB, sodass der Anspruch nur bezüglich der in dem Zeitraum vom 01.01.2017 bis zur Wirksamkeit bzw. Heilung der Beitragsanpassung bestand (vgl. BGH, Urt. v. 11.01.2023 - IV ZR 293/20, Rn. 31, juris).
Insoweit war allerdings zu berücksichtigen, dass der Senat nach § 308 ZPO nicht berechtigt ist, einer Partei mehr zuzusprechen als beantragt, sodass es hinsichtlich der Nutzungen aus den Beitragsanpassungen zum 01.04.2015 und 01.04.2016 bei der erstinstanzlichen Verurteilung verbleibt.
Daneben hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung, dass die herauszugebenden Nutzungen zu verzinsen sind. Eine solche Feststellung soll nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zwar prinzipiell in Betracht kommen (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.2022 - IV ZR 307/21, Rn. 27; anders wohl noch BGH, Urt. v. 13.02.2013 - IV ZR 17/12, Rn. 29, juris - „Zinseszinsverbot“). § 291 BGB als Anspruchsgrundlage für Prozesszinsen greift bei einer Klage, die auf die Feststellung einer Verbindlichkeit gerichtet ist, jedoch nicht ein (BGH, Urt. v. 20.07.2022 - IV ZR 295/20, Rn. 25, juris). Auch ein Verzugszinsanspruch aufgrund einer Mahnung des Klägers kommt nicht in Betracht. Zwar hat er mit Schreiben vom 14.10.2020 neben den Prämienanteilen auch die daraus gezogenen Nutzungen von der Beklagten gefordert. Dies war hier aber nicht Verzug begründend. Denn es lässt sich dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen, dass die Beklagte die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert hätte und dadurch in Verzug geraten wäre, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Der Wortlaut ihrer Antwort auf die Forderung des Klägers ist nicht vorgetragen. Überdies kann nicht festgestellt werden, dass die darin geforderten Nutzungen beziffert wurden; dies wäre aber Voraussetzung für die erforderliche Bestimmtheit einer Mahnung (BGH, Urt. v. 20.07.2022 - IV ZR 295/20, Rn. 25, juris). Aus diesem Grunde liegt insoweit auch kein Verzug durch die Klageerhebung, vgl. § 286 Abs. 1 Satz 2 BGB, vor.
4.
Die Kostengrundentscheidung für das Berufungsverfahren und den Rechtsstreit erster Instanz folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
5.
Die Revision war in Ermangelung der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 133 GVG nicht zuzulassen. Die entscheidenden Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt; die Bewertung, ob die Mitteilungen der Beklagten zu den jeweiligen Beitragsanpassungen den Vorgaben des § 203 VVG genügen, obliegt - wie ausgeführt - dem Tatrichter.
6.
Für den Streitwert des Berufungsverfahrens war zunächst auf den Zahlungsantrag zu 2. in Höhe von 10.754,72 EUR abzustellen. Daneben erhöht der wirtschaftlich identische Antrag auf die zeitlich begrenzte Feststellung der Unwirksamkeit (“...unwirksam waren“; ähnlich z.B. OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.01.2023 - 12 U 304/21, Rn. 115, juris) der Prämienerhöhung zum 01.04.2017 den Streitwert nicht, da sie sich auf denselben Zeitraum wie der Zahlungsantrag bezieht (vgl. BGH, Urt. v. 10.03.2021 - IV ZR 353/19, Rn. 37, juris). Hinzuzurechnen (§ 45 Abs. 3 GKG) waren jedoch die hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Überzahlungen der Beitragsrückerstattungen in Höhe von insgesamt 1.154,68 EUR (2012: 213,92 EUR, 2013: 213,92 EUR, 2014: 283,08 EUR, 2015: 0,00 EUR, 2016: 73,28 EUR, 2017: 370,48). Die Überzahlungen der Beitragsrückerstattungen ab 2018 für das jeweilige Vorjahr unterlagen der Verrechnung, nicht der Aufrechnung.
Der Senat hat ferner von der Möglichkeit des § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG Gebrauch gemacht und den erstinstanzlichen Streitwert von Amts wegen abgeändert.
Hier war zunächst der ursprüngliche Klageantrag zu 2, der auf Rückzahlung in Höhe von 16.068,09 EUR gerichtet war, maßgeblich. Für die Feststellung der künftigen Nichtleistungspflicht ist grundsätzlich gemäß § 9 ZPO analog ein Zeitraum von 3,5 Jahren ab Anhängigkeit des Feststellungsantrags am 17.11.2020 zugrunde zu legen; eine Kürzung ist nicht vorzunehmen, da sich der Feststellungsantrag nicht mit dem Antrag auf Rückzahlung der Prämienanteile überschnitt (vgl. BGH, Urt. v. 10.03.2021 - IV ZR 353/19, Rn. 37). Der ursprüngliche Streitwert erhöhte sich damit um insgesamt 15.166,62 EUR. Die Hilfsaufrechnung der Beklagten wirkte nicht streitwerterhöhend, da insoweit keine der Rechtskraft fähige Entscheidung durch das Landgericht ergangen ist, das lediglich 98,88 EUR verrechnete und die Aufrechnungserklärung im Übrigen unbeachtet ließ (vgl. hierzu: Saarländisches OLG, Beschl. v. 20.12.1979 - 4 W 16/79 = MDR 1980, 411; Schneider/Kurpat, Streitwertkommentar, 15. Aufl., Stichwort „Aufrechnung“, Rn. 2.422, m.w.N.).