Gericht | VG Potsdam 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 07.06.2023 | |
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Aktenzeichen | 3 L 66/23 | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2023:0607.3L66.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 4 Abs 1 Nr 2 WaffG, § 41 Abs 1 WaffG, § 41 Abs 2 WaffG, § 45 Abs 1 WaffG, § 45 Abs 2 WaffG, § 5 Abs 1 Nr 3 lit b WaffG |
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 11.750 Euro festgesetzt.
1. Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage VG 3 K 2715/22 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Mai 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Januar 2023 hinsichtlich der Anordnung zu Ziffer 1. anzuordnen und hinsichtlich der Anordnung zu Ziffer 2. wiederherzustellen,
bleibt ohne Erfolg.
Der Antrag ist wegen des in § 45 Abs. 5 WaffG gesetzlich bestimmten Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen den in der Anordnung zu 1. ausgesprochenen Widerruf von vier Waffenbesitzkarten gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO und wegen der vom Antragsgegner zu 3. gesondert ausgesprochenen Anordnung der sofortigen Vollziehung des in Ziffer 2. verfügten Verbots des Besitzes und Erwerbs von Waffen gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO zulässig, aber unbegründet.
Im Rahmen der vom Gericht zu treffenden Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt deren Prüfung, dass sich der Rechtsbehelf in der Hauptsache als offensichtlich erfolglos erweisen wird, tritt das private Interesse des Antragstellers vom Vollzug der Maßnahme vorläufig verschont zu bleiben regelmäßig zurück. Sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs als offen anzusehen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
a) In Anwendung dessen ist der auf § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO gestützte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse des Antragstellers unbegründet. Es sprechen bereits überwiegende Anhaltspunkte dafür, dass die Anordnung zu 1. des Bescheids rechtmäßig ist. Selbst wenn jedoch der Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache als offen anzusehen ist, ist bei Abwägung der entgegenstehenden Interessen dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung der Anordnung der Vorrang gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers, insoweit vorläufig vom Vollzug dieser Maßnahme verschont zu bleiben, einzuräumen.
aa) Der Widerruf der am 1. April 2016 erteilten Waffenbesitzkarte Nr. 3... und der am 6. März 2017 erteilten Waffenbesitzkarte Nr. 1... findet seine Rechtsgrundlage in § 45 Abs. 2 WaffG. Danach ist eine Erlaubnis nach dem WaffG zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Hinsichtlich der beiden weiteren am 6. Juni 2019 (Nr. 2...) bzw. am 14. Januar 2021 (Nr. 6...erteilten Waffenbesitzkarten beruht der Widerruf auf § 45 Abs. 1 WaffG. Denn insoweit stehen keine nachträglichen, d.h. nach Erteilung der waffenrechtlichen Erlaubnis, eingetretenen Tatsachen in Rede. Der Antragsgegner stützt seine Anordnung diesbezüglich vielmehr auf Umstände aus dem Zeitraum vor ihrer Erteilung, von denen er jedoch erst danach Kenntnis erlangt hat. Daher ist § 45 Abs. 1 WaffG einschlägig, der die Rücknahme einer waffenrechtlichen Erlaubnis vorsieht, wenn nachträglich bekannt wird, dass sie ursprünglich hätte versagt werden müssen. Der Kammer ist es nicht verwehrt, statt der vom Antragsgegner benannten eine andere Rechtsgrundlage zu berücksichtigen. Denn sie hat von Amts wegen zu prüfen, ob der angefochtene Verwaltungsakt mit dem objektiven Recht im Einklang steht und im Rahmen dieser Prüfung alle einschlägigen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen, ohne dass es darauf ankommt, ob diese von der den Bescheid erlassenden Behörde zur Begründung des Verwaltungsakts angeführt worden sind oder nicht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. November 2014 - OVG 3 B 14.12 -, juris, Rn. 29; zur Möglichkeit einer Umdeutung eines Widerrufs waffenrechtlicher Erlaubnisse in eine Rücknahme auch VGH München, Beschluss vom 28. April 2021 - 24 CS 21.494 -, juris, Rn. 15).
bb) Ein Grund für die Versagung der Erlaubnis im Sinne des § 45 Abs. 1, Abs. 2 WaffG kann sich daraus ergeben, dass der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt, § 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 WaffG. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b) WaffG besitzen Personen in der Regel die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren Mitglied in einer Vereinigung waren, die Bestrebungen im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) WaffG verfolgt oder verfolgt hat.
Die Beurteilung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit erfordert von der Behörde regelmäßig eine Prognoseentscheidung, die gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar ist. Die erforderliche Prognose hat sich am Zweck des Gesetzes zu orientieren, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 - 6 C 36.15 -, juris, Rn. 15). Dabei ist kein Nachweis erforderlich, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen Unzuverlässigkeitstatbestand verwirklichen wird. Ausreichend ist vielmehr, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit hierfür besteht, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2015 - 6 C 1.14 -, juris, Rn. 17; VGH München, Beschluss vom 8. Dezember 2021 - 24 ZB 20.1495 -, juris, Rn. 13 jeweils m.w.N.).
Angesichts dessen spricht Überwiegendes dafür, dass der Antragsgegner zu Recht davon ausgegangen ist, dass in der Person des Antragstellers der Regelunzuverlässigkeitstatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b) WaffG erfüllt ist, weil er nach den Erkenntnissen der brandenburgischen Verfassungsschutzbehörde zumindest noch im Mai 2019 Mitglied in der als rechtsextremistisch eingestuften sogenannten „Prepper“-Gruppierung „...“ gewesen ist.
Die Verfassungsschutzbehörde des Landes Mecklenburg-Vorpommern führt in ihrem Jahresbericht 2021 zu dieser Gruppierung das Folgende aus (S. 21 f.):
„Der als Fallkomplex „...“ bekannt gewordene Sachverhalt ist seit Jahren im Fokus der Sicherheitsbehörden auf Bundes- und Länderebene. Neben anderen Gruppierungen innerhalb dieses Komplexes hat sich besonders für Mecklenburg ein rechtsextremistischer Personenzusammenschluss („Gruppe G.“) herauskristallisiert, der einen herausragenden Arbeitsschwerpunkt für den Verfassungsschutz im Land bildet. Die im Rahmen der geführten Ermittlungsverfahren gewonnen Erkenntnisse legten dabei ein ideologisches Fundament der „Gruppe G.“ offen, welches auf einem klaren rechtsextremistischen Weltbild und einer ausgeprägten Ausländer- und Muslimfeindlichkeit fußt. Das von Akteuren der „Gruppe G.“ propagierte, stark rassistisch geprägte und zugleich gewaltbefürwortende „Gut-Böse-Wertebild“ orientiert sich unmittelbar an deren identifizierten Feindbildern, [...].
Getragen von einer verschwörungsideologischen Weltsicht und einer offenen Verherrlichung des historischen Nationalsozialismus formierte sich ein waffenaffiner Personenzusammenschluss, welcher sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richtet.
Wenngleich die Ermittlungen des GBA den Anfangsverdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nicht bestätigten, handelt es sich aus Sicht des Verfassungsschutzes Mecklenburg-Vorpommern weiterhin um eine rechtsextremistische Bestrebung. Eine besondere Bedeutung hat der Fallkomplex „...“ dadurch, dass extremistische Akteure auch in (Sicherheits-)Behörden aktiv sind.
In der Aufklärung von „.../der Gruppe G.“ stand der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern auch im Jahr 2021 in engem Kontakt mit anderen Sicherheitsbehörden, um die gewonnenen Erkenntnisse zu verdichten. Den Schwerpunkt bildete eine Vielzahl waffenrechtlicher Entzugsverfahren. Zur „Gruppe G.“ ist abschließend für das Jahr 2021 zu konstatieren, dass diese weiterhin aktiv ist und klandestin agiert.“
Der Antragsteller ist nach den Erkenntnissen des brandenburgischen Verfassungsschutzes Mitglied dieser Gruppierung gewesen. Ausweislich des Behördenzeugnisses vom 30. April 2021 (VV Bl. 40 ff.) gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Chatgruppe „...“ um Marko ... im Januar 2016 und war durch persönliche Bekanntschaft zu diesem in die Aktivitäten des Personenzusammenschlusses eingebunden. Er hat die Chatgruppe nach Maßnahmen des Bundeskriminalamts (BKA) am 28. August 2017 verlassen, wurde jedoch vom Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern erneut am 24. Mai 2019 als Mitglied festgestellt. Mit Marko ... stand der Antragsteller mindestens vom 5. Februar 2016 bis zum 11. Juni 2019 in bilateralem Kontakt, der neben dem Austausch über Schießsportaktivitäten insbesondere vom Teilen rechtsextremistischer Inhalte geprägt war. Darüber hinaus war der Antragsteller Mitglied einer weiteren Chatgruppe („Reisegruppe DD“) des Führungszirkels um Marko .... In dieser am 6. Januar 2017 gegründeten Gruppe wurden nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes menschenverachtende, den Nationalsozialismus verherrlichende, rechtsextremistische Inhalte ausgetauscht und gewaltbereite Einstellungen gegenüber Ausländern geäußert. Hinsichtlich der im Einzelnen vorliegenden Erkenntnisse über den Antragsteller, insbesondere seiner versendeten Nachrichten, wird im Übrigen auf das Behördenzeugnis vom 30. April 2021 Bezug genommen.
Angesichts der Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden spricht Überwiegendes dafür, dass es sich bei der Gruppierung „...“ um eine Vereinigung handelt, die Bestrebungen verfolgt, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind. Zur Bestimmung des im WaffG nicht definierten Begriffs der verfassungsmäßigen Ordnung kann § 4 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) BVerfSchG herangezogen werden kann (vgl. Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 5 Rn. 29a) Danach liegen Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vor, wenn sie darauf gerichtet sind, Verfassungsgrundsätze im Sinne des § 4 Abs. 2 BVerfSchG zu beseitigen oder außer Gang zu setzen. Das Bundesverwaltungsgericht greift auf die zu Art. 9 Abs. 2 GG ergangene Rspr. des Bundesverfassungsgerichts zurück. Das Schutzgut der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 GG umfasst nach dieser – wie die freiheitliche demokratische Grundordnung in Art. 21 Abs. 2 GG – die elementaren Grundsätze der Verfassung, namentlich die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG, das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2019 - 6 C 9.18 -, juris, Rn. 23). Die Bestrebungen sind dann gegen diese elementaren Grundsätze „gerichtet“, wenn die Vereinigung als solche nach außen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsätzen der Verfassung einnimmt. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Sie muss ihre Ziele hingegen nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen (BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2019 - 6 C 9.18 -, juris, Rn. 23). Wenn Äußerungen Bestrebungen zur Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bzw. gegen den Gedanken der Völkerverständigung erkennen lassen, darf die Sicherheitsbehörde das zum Anlass nehmen, Schutzmaßnahmen zu ergreifen (BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 – juris, Rn. 72; VG Cottbus, Beschluss vom 28. Oktober 2021 - 3 L 306/21 -, juris, Rn. 25).
In Anwendung dessen spricht Vieles dafür, dass die Gruppierung „...“ Bestrebungen verfolgt, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten (so auch VG Schwerin, Beschluss vom 28. Januar 2022 - 3 B 1600/21 SN -, juris, Rn. 44 ff.; differenzierter VG Schwerin, Beschluss vom 31. Januar 2022 - 3 B 1708/21 SN -, juris Rn. 30 ff.; vgl. auch VG Berlin, Urteil vom 9. Januar 2023 - 4 K 292/21 -, juris, Rn. 36 ff., das vor dem Hintergrund von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SÜG in der Mitgliedschaft in der Gruppierung „...“ Zweifel am Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung begründet sieht). Die Erkenntnisse und Einschätzungen der Verfassungsschutzbehörden der Länder Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg bieten hierfür hinreichende Anhaltspunkte, auf die der Antragsgegner seine streitbefangene Anordnung stützen konnte. Entgegen dem Einwand des Antragstellers hat das Landgericht Schwerin im Strafurteil gegen Marko ... (34 KLs 15/19) gerade nichts Gegenteiliges festgestellt. Das Landgericht sah lediglich keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte tatsächlich auf einen „Tag X“ hingearbeitet habe, um die bei ihm sichergestellten Waffen dann tatsächlich in nicht rechtskonformer Weise zu nutzen (vgl. S. 59 f. des Urteils). Es hat die Kommunikation zwischen den Beteiligten an anderer Stelle jedoch beschrieben als „[…] eindeutig fremdenfeindlichen, rechtsradikalen, klar außerhalb der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehenden Inhalts“ (vgl. S. 9 des Urteils). Dies ist angesichts des genannten Maßstabs hinreichend für die Annahme, dass Bestrebungen vorliegen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten.
Nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnis bestehen bei summarischer Prüfung zudem Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Chat-Gruppierung „...“ um eine Vereinigung im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b) WaffG handelt. Hierunter fallen Vereine im Sinne des VereinsG und Parteien im Sinne des ParteienG (vgl. Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 5 Rn. 29a). Verein im Sinne des VereinsG ist nach dessen § 2 Abs. 1 ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat. Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers mangelt es der sich freiwillig zusammengeschlossenen Gruppierung nach summarischer Prüfung insbesondere nicht an einer organisierten Willensbildung. Ausreichend ist eine Organisationsstruktur, die faktisch auf eine organisierte Willensbildung schließen lässt (BVerwG, Beschluss vom 4. Mai 2017 - 1 VR 6.16 -, juris, Rn. 21 m.w.N.). Die Vereinigung muss aufgrund ihrer inneren Organisation imstande sein, einen Gesamtwillen zu bilden, der losgelöst ist vom Willen jeden einzelnen Mitglieds und dem das einzelne Mitglied kraft der Verbandsdisziplin unterworfen ist (BVerwG, Beschluss vom 6. Januar 2014 - 6 B 60.13 -, juris, Rn. 11).
Für eine organisierte Willensbildung sprechen die Feststellungen des Landgerichts Schwerin im Strafurteil gegen Marko ... (34 KLs 15/19) zu den Chatgruppen „...“ und „Nord Com“ (S. 7 f. des Urteils):
„An einige Mitglieder der Chatgruppe NORD KREUZ versandte der Angeklagte sog. SOP-Kurzfassungen (SOP = standard operating procedure) des Chats; den Text hatte er zuvor vom Zeugen G. erhalten. Die SOP-Kurzfassung lautete: „dieser Chat wurde ins Leben gerufen, um die aktuelle Lage, den aktuellen Sachstand, sowie weiteres Vorgehen, an alle Eingeweihten zu übermitteln. Dabei ist ein Aspekt von höchster Bedeutung. Desto besser die Kommunikation, umso einfacher ist die Organisation und das Sammeln untereinander am Tag X. Doch bis dahin gilt es für jeden von UNS, so wenig wie möglich aufzufallen. Ziel ist es, diesen Chat, mit so viel vertrauenswürdigen Personen wie nur möglich, zu befüllen und somit ein starkes Fundament zu schaffen. Dafür gelten folgende Regeln: Empfangsbereitschaft - Sendeverbot Keine Untergruppen bilden Hinzufügen von neuen Chatmitgliedern, erfolgt nur durch PERSÖNLICHE Absprache mit dem Chat-Admin Antrag (bei Chat-Admin) Prüfung des Kontakt auf Empfehlung (durch Chat-Admin) Hinzufügen des Kontakt (durch Chat-Admin) Keinerlei Austausch von Insiderinformationen oder Abläufen innerhalb des Chats Austausch nur persönlich untereinander bzw. mit den Bezirksverantwortlichen Fragen, Wünsche, Anträge oder Optimierungsvorschläge nur persönlich über Chat-Admin Diese werden dann vom Chat-Admin weitergeleitet Bei Veränderungen wie z.B. neue Nummer etc ... Meldung an Chat- Admin".
Innerhalb der Chatgruppe NORD Com wurden gemeinsame Überlegungen zur Vorbereitung auf den Krisenfall angestellt und Treffen von Gruppenmitgliedern organisiert. Über diese Treffen führte der Angeklagte auch Protokoll. Es wurden dabei auch von insgesamt ca. 25 Personen jeweils ca. 500 EUR für gemeinsame Anschaffungen eingesammelt.
Dieses Geld wurde in Umsetzung der Überlegungen jedoch nicht nur für Gegenstände der vorstehend genannten Arten genutzt, sondern auch zur Beschaffung von etwa 30.000 Schuss Munition für insgesamt ca. 7.500 EUR. Geplant war, dass im Krisenfall auch für Berechtigte ausreichend (legale) Waffen und ca. 40.000 Schuss Munition zur Verfügung stehen sollten. Über die Einnahmen und Ausgaben für Beschaffungen und diese selbst sowie bei den Mitgliedern vorhandene Waffen und Munition führte der Angeklagte ebenfalls Buch.“
Diese Feststellungen lassen auf das Bestehen einer gewissen Organisationsstruktur innerhalb der Gruppierung schließen, durch die der konspirative Charakter der Gruppierung gewahrt werden sollte. Im Zentrum der Organisation steht augenscheinlich der Administrator des Chats. Dieser legt durch „standard operating procedures“ die grundlegenden Regeln der Kommunikation und des Vorgehens fest. Er allein kann neue Mitglieder zulassen und leitet Anregungen der Mitglieder an alle weiter. Auch belegt die Existenz von „Bezirksverantwortlichen“, dass innerhalb der Gruppierung eine Form der örtlichen Organisation besteht. Das Sammeln von Geld für gemeinsame Anschaffungen ist ein weiteres Indiz für eine einheitliche Willensbildung innerhalb der Gruppierung.
Atypische Umstände, die geeignet sind, die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG zu widerlegen, sind vom Antragsteller nicht dargelegt worden und auch sonst nicht ersichtlich (vgl. zu den dahingehenden Anforderungen BVerwG, Beschluss vom 23. November 2020 - 6 B 33.20 -, juris, Rn. 10; Urteil vom 19. Juni 2019 - 6 C 9.18 -, juris, Rn. 36). Er hat seine Mitgliedschaft in der Gruppierung nicht bestritten und sein Vorbringen im Klage- und im hiesigen Eilverfahren lässt keine Distanzierung zu den im Chat ausgetauschten Inhalten erkennen. Vielmehr relativiert er die Bedeutung seiner am 20. April 2019 an Marko ... gesendeten Nachricht als „satirische Blödelei“, was angesichts einer Zusammenschau seiner weiteren in Vielzahl festgestellten rassistischen und fremdenfeindlichen Nachrichten widerlegt sein dürfte.
cc) Selbst wenn man es aktuell als offen ansieht, ob die Gruppierung „...“ eine Vereinigung im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b) WaffG darstellt (so VG Schwerin, Beschluss vom 19. Januar 2022 - 3 B 1182/21 SN -, juris, Rn. 64) und somit von bislang noch offenen Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers in der Hauptsache ausgeht, überwiegt im Rahmen der dann vorzunehmenden Interessenabwägung das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des Widerrufs seiner Erlaubnisse.
Im Falle eines gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges, so wie hier gemäß § 45 Abs. 5 WaffG, ist im Rahmen der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses bedeutsam. Es bedarf deshalb besonderer Umstände, um eine von dieser Grundsatzentscheidung abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Hat sich bereits der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, kann ein überwiegendes Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage daher nur bei Vorliegen besonderer, von den Beteiligten vorzutragenden Umstände des Einzelfalles angenommen werden (vgl. VGH München, Beschluss vom 2. Dezember 2020 - 24 CS 20.2211 -, juris, Rn. 26). In Anwendung dessen hat der Antragsteller keine Gründe vorgetragen, aufgrund derer eine Abwägung vor dem Hintergrund der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung zu seinen Gunsten ausfallen müsste. Gegen das Vorliegen solcher Gründe dürfte der zeitliche Hintergrund des hiesigen Eilverfahrens sprechen, nachdem der Antragsgegner seine Anordnungen vom 18. Mai 2021 bereits am selben Tag vollzogen hat, der Antragsteller seinen am 16. Juni 2021 erhobenen Widerspruch nicht weiter begründet und erst am 16. Dezember 2022 (Untätigkeits-) Klage erhoben hat. Sein rein privates Interesse am weiteren Waffenbesitz als Jäger hat angesichts des sich in dem gesetzlichen Sofortvollzug wiederspiegelnden besonderen Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit an einem sicheren und zuverlässigen Umgang mit Schusswaffen daher zurückzustehen.
b) Der auf § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO gestützte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen das in Ziffer 2. angeordnete Verbot des Erwerbs und Besitzes von erlaubnisfreien und erlaubnispflichtigen Waffen ist ebenfalls unbegründet. Auch insoweit überwiegt das Interesse der Allgemeinheit am Vollzug dieser Maßnahmen das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
aa) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziffer 3. des Bescheids ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung seines angeordneten Waffenverbots in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise schriftlich begründet. Er hat hinreichend deutlich und einzelfallbezogen zu erkennen gegeben, dass er sich des Ausnahmecharakters der Anordnung der sofortigen Vollziehung bewusst war.
bb) Das angeordnete Verbot des Besitzes und Erwerbs von Waffen ist sowohl in Bezug auf erlaubnisfreie, als auch in Bezug auf erlaubnispflichtige Waffen und Munition nach summarischer Prüfung rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für das Verbot des Besitzes und Erwerbs erlaubnisfreier Waffen und Munition ist § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG. Danach kann der Erwerb und Besitz dann untersagt werden, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass dem Betroffenen die für den Erwerb oder Besitz dieser Gegenstände erforderliche Zuverlässigkeit fehlt. Insoweit darf, auch soweit erlaubnisfreie Waffen oder Munition betroffen sind, auf die allgemeine Vorschrift des § 5 WaffG zurückgegriffen werden, denn sie konkretisiert den Begriff der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit für den gesamten Geltungsbereich des Waffengesetzes (statt vieler: VGH München, Beschluss vom 24. Januar 2019 - 21 CS 18.1579 -, juris, Rn. 10; Beschluss vom 8. Januar 2019 - 21 CS 18.657 -, juris, Rn. 15). Der Antragsteller verfügt nach den obigen Ausführungen nach summarischer Prüfung nicht über die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b) WaffG.
Das Verbot des Besitzes und Erwerbs erlaubnispflichtiger Waffen und Munition ist auf § 41 Abs. 2 WaffG gestützt. Danach kann die zuständige Behörde jemandem den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb der Erlaubnis bedarf, untersagen, soweit es zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit oder Kontrolle des Umgangs mit diesen Gegenständen geboten ist. Der Erwerb ist zwar nicht ausdrücklich in § 41 Abs. 2 WaffG genannt. Das Waffenbesitzverbot schließt aber das Verbot ein, die dort genannten Waffen und Munition zu erwerben (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 12. Oktober 2017 - 4 A 626/17 -, juris, Rn. 59).
Die Voraussetzungen von § 41 Abs. 2 WaffG liegen im Fall des Antragstellers vor. Anknüpfungspunkt für die Regelung in § 41 Abs. 2 WaffG ist eine Gefährlichkeit des Waffenbesitzers, wobei im Rahmen der auf Tatsachen gestützten Gefahren-prognose derselbe Maßstab anzulegen ist, der auch im Zuge eines Erwerbs- und Besitzverbotes nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG zur Anwendung kommt. Das Verbot für erlaubnispflichtige Waffen und Munition nach § 41 Abs. 2 WaffG ist daher auch (schon dann) geboten, wenn der Betroffene mangels waffenrechtlicher Zuverlässigkeit im Sinne des § 5 WaffG bereits nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis erfüllt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2012 - 6 C 30.11 -, juris, Rn. 33 ff.; VGH München, Beschluss vom 8. Januar 2019 - 21 CS 18.657 -, juris, Rn. 15; VGH Kassel, Urteil vom 12. Oktober 2017 - 4 A 626/17 -, juris, Rn. 60). Das ist hier nach dem oben Gesagten der Fall.
Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, § 114 Satz 1 VwGO. Der Antragsgegner hat erkannt, dass ihm gesetzlich ein Ermessen eingeräumt war. Er hat dieses Ermessen ausgeübt und mit zutreffenden Erwägungen dargelegt, dass das Waffenverbot sowohl für erlaubnisfreie als auch erlaubnispflichtige Waffen und Munition erforderlich und angemessen ist. Insbesondere hat er ausgeführt, dass zur Beseitigung der Gefahr, die von Waffen im (zukünftigen) Besitz des nicht zuverlässigen Antragstellers ausgehen, kein milderes Mittel zur Verfügung steht. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Waffenverbot mit dem sich aus der fehlenden waffenrechtlichen Zuverlässigkeit ergebenden Sicherheitsrisiko begründet worden ist. Der Geeignetheit und Erforderlichkeit eines Waffenverbots für erlaubnispflichtige Waffen und Munition steht nicht entgegen, dass für diese Waffen die Erteilung einer Erlaubnis grundsätzlich notwendig und dem Antragsteller zugleich die Erlaubnis widerrufen worden ist (zur Anwendbarkeit von § 41 Abs. 2 WaffG vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2012 - 6 C 30.11 -, juris, Rn. 20 und 28; OVG Koblenz, Beschluss vom 3. Dezember 2018 - 7 B 11152/18 -, juris, Rn. 67 f.; strenger: OVG Bautzen, Beschluss vom 20. März 2015 - 3 A 268/14 -, juris, Rn. 7). Denn das Waffenverbot umfasst auch die Ausnahmetatbestände von der Erlaubnispflicht wie die im Bescheid genannte Vorschrift des § 12 Abs. 1 Nr. 5 WaffG (vgl. Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 41 Rn. 9 f.) und geht damit über den Widerruf der Waffenbesitzkarten hinaus.
cc) Es liegt auch ein besonderes Vollzugsinteresse im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO hinsichtlich des auf Grundlage von § 41 WaffG verfügten Waffenverbots vor. Es besteht ein überwiegendes Interesse daran, Inhaber von waffenrechtlichen Erlaubnissen, die sich als unzuverlässig erwiesen haben, mit sofortiger Wirkung vom weiteren Umgang mit Waffen und Munition auszuschließen.
c) Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
2. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG. In einem Hauptsacheverfahren wäre zur Bewertung der Bedeutung der Sache für den Antragsteller hinsichtlich des Widerrufs seiner vier Waffenbesitzkarten in Ermangelung näherer Anhaltspunkte zunächst vom Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG (5.000 Euro) auszugehen (vgl. Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs 2013). Letzterer ist nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (vgl. Beschluss vom 8. Oktober 2021 - VG 3 L 469/21 -, juris, Rn. 21, im Anschluss an OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. Juni 2010 - OVG 11 S 5.09 -, Rn. 7, juris) wegen des einheitlichen Lebenssachverhalts nur einmalig für den Widerruf aller Waffenbesitzkarten einschließlich einer Waffe anzusetzen. Unter Hinzurechnung von jeweils 750 Euro für jede der 18 weiteren vom Bescheid erfassten Schusswaffen (vgl. Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs 2013), also eines Betrags von insgesamt 13.500 Euro, ergibt sich eine Summe von 18.500 Euro für den Widerruf. Das Interesse des Antragstellers, vom Waffenverbot verschont zu bleiben, bewertet die Kammer in Höhe des gesetzlichen Auffangstreitwerts. Der Gesamtbetrag in Höhe von 23.500 Euro ist wegen der Vorläufigkeit der Entscheidung im vorliegenden Verfahren um die Hälfte auf 11.750 Euro zu kürzen (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013).