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Entscheidung 2 L 384/22


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 2. Kammer Entscheidungsdatum 12.06.2023
Aktenzeichen 2 L 384/22 ECLI ECLI:DE:VGFRANK:2023:0612.2L384.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, eine der für die Beförderung von Polizeihauptkommissaren in der Polizeidirektion B... vorgesehenen Planstellen der Besoldungsgruppe A 12 BbgBesO zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers auf diese Planstellen respektive über einen Widerspruch gegen die Ablehnung seiner Bewerbung rechtskräftig entschieden worden und eine Rechtsschutzfrist von wenigstens vierzehn Tagen abgelaufen ist oder aber der 7. Dezember 2023 verstrichen ist, ohne dass der Antragsteller gegen die Auswahlentscheidung Widerspruch eingelegt hat.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selber tragen.

2. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgelegt.

Gründe

I.

Der Antragsteller und die Beigeladenen stehen als Polizeibeamte im Dienst des Antragsgegners und sind aktuell in der Direktion B... tätig. Sie bewarben sich zum 8... auf eine Beförderungsstelle mit der Besoldungsgruppe A 12 der Brandenburgischen Besoldungsordnung (BbgBesO). Insgesamt sind für die Direktion B... 4 Zuweisungen in Planstellen der Besoldungsgruppe A 12 BbgBesO vorgesehen.

Der 1... geborene Antragsteller ist Polizeihauptkommissar mit der Besoldungsgruppe A 11 BbgBesO und als P... in der P... des Beklagten tätig. Die aus Anlass der angestrebten Beförderung durch Herrn H... (Leiter der P...) als Beurteiler und von Herrn D... (Leiter F...) als Entwerfer erstellte Beurteilung vom 1... schließt für die aktuelle Tätigkeit für den Zeitraum 1...mit dem Gesamturteil „5 Punkte“ (arithmetisches Mittel 5,38 Punkte) ab.

Der 1... geborene Beigeladene zu 1. ist Polizeihauptkommissar mit der Besoldungsgruppe A 11 BbgBesO und als G... in der D... tätig. Die aus Anlass der angestrebten Beförderung erstellte Beurteilung vom 2... schließt für die aktuelle Tätigkeit für den Zeitraum 1... mit dem Gesamturteil „7 Punkte“ (arithmetisches Mittel 7,46 Punkte) ab.

Der 1... geborene Beigeladene zu 2. ist Polizeihauptkommissar mit der Besoldungsgruppe A 11 BbgBesO und als Z... tätig. Die aus Anlass der angestrebten Beförderung erstellte Beurteilung vom 2... schließt für die aktuelle Tätigkeit für den Zeitraum 1... mit dem Gesamturteil „7 Punkte“ (arithmetisches Mittel 6,96 Punkte) ab.

Der 1... geborene Beigeladene zu 3. ist Polizeihauptkommissar mit der Besoldungsgruppe A 11 BbgBesO und als G... tätig. Die aus Anlass der angestrebten Beförderung erstellte Beurteilung vom 2... schließt für die aktuelle Tätigkeit für den Zeitraum 1... mit dem Gesamturteil „7 Punkte“ (arithmetisches Mittel 7,08 Punkte) ab.

Die Beigeladene zu 4. ist Polizeihauptkommissarin mit der Besoldungsgruppe A 11 BbgBesO und als G... tätig. Die aus Anlass der angestrebten Beförderung erstellte Beurteilung vom 24. August 2022 schließt für die aktuelle Tätigkeit für den Zeitraum 1... mit dem Gesamturteil „7 Punkte“ (arithmetisches Mittel 6,687 Punkte) ab.

Grundlage der oben genannten Beurteilungen waren § 19 Landesbeamtengesetz Brandenburg (LBG) i.V.m. den Schreiben des Ministeriums des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg (MIK) vom 26. November 2021 und 20. Dezember 2021 i.V.m. der Verwaltungsvorschrift des MIK über die übergangsweise Anwendung der Beurteilungsrichtlinie im Lichte des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Juli 2021 (Az. 2 C 2.21, 3. Leitsatz des Urteils) zur Bildung eines Gesamturteils bei dienstlichen Beurteilungen vom 4. April 2022 i.V.m. der Beurteilungsrichtlinie vom 16. November 2010.

Auf Grundlage dieser Beurteilungen erstellte der Antragsgegner eine Rangliste der Bewerber. Er verzichtete dabei auf eine Differenzierung zwischen den Beigeladenen, die allesamt in den herangezogenen Beurteilungen das Gesamturteil „7 Punkte“ erreicht haben.

Mit Schreiben vom 1... teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass er bei der anstehenden Beförderungsrunde nicht berücksichtigt werden würde. Dem Schreiben war keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt und wies einen Fehler hinsichtlich der Adresse des Antragstellers auf.

Am 5...hat der Antragsteller das Gericht um die Gewährung von einstweiligen Rechtsschutz ersucht. und beantragt,

dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, die Beförderungsstellen für Statusämter der Besoldungsgruppe A 12 BbgBesO im Polizeipräsidium, F..., zu besetzen, bis über seine Bewerbung erneut und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts entschieden wurde und eine weitere Rechtsschutzfrist von zwei Wochen abgelaufen ist.

Er begründet diesen Antrag dahingehend, dass er durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung in seinen subjektiven Rechten aus Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) verletzt wird. So fehle es schon an einer tauglichen Rechtsgrundlage für die der Auswahlentscheidung zugrundeliegenden dienstlichen Beurteilungen. Art. 33 Abs. 2 GG gebiete es, dass die grundlegenden Vorgaben für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen aufgrund ihrer entscheidenden Bedeutung für die Auswahlentscheidung in Rechtsnormen und nicht, wie hier geschehen, in bloßen Verwaltungsvorschriften geregelt werden müssen.

Zudem macht der geltend, dass der im Beurteilungsbeitrag des mittlerweile pensionierten ehemaligen Vorgesetzten des Antragstellers, Herr E..., eine Bewertung mit mehr als 5 Punkten als Gesamturteil vorgeschlagen worden sei. Der Beurteiler habe diesen Beurteilungsbeitrag bei der Erstellung der Beurteilung des Antragstellers vom 1... nicht fehlerfrei einbezogen. Es fehle an einer Auseinandersetzung mit dem Beurteilungsbeitrag von Herrn E... und an einer nachvollziehbaren Begründung für die Abweichung von diesem, weshalb der dem Dienstherrn zustehende Beurteilungsspielraum überdehnt worden sei. Die nachträgliche Begründung der Abweichungen vom Beurteilungsbeitrag des Herrn E... im Gerichtsverfahren sei nicht statthaft. Zudem rechtfertige die abgegebene Begründung, wonach der Antragsteller mehrfach und wiederholt zur Absolvierung von verschiedenen Lehrgängen und Fortbildungen erinnert werden musste sowie die Meinungsverschiedenheit bezüglich des vom Antragstellers beantragten Sonderurlaubs zur Betreuung seiner positiv auf das Corona-Virus getesteten minderjährigen Tochter nicht eine Herabstufung des Antragstellers beim Leistungsmerkmal „10 Sozialverhalten“ auf 4 Punkten im Vergleich zu den 6 Punkten, die Herr E... in seinem Beurteilungsbeitrag vorgeschlagen hat.

Außerdem sei die Tatsachengrundlage für die Beurteilung des Antragstellers fehlerbehaftet. Sowohl Herr H... als Herr D... hätten keine eigenen Eindrücke von den Leistungen des Antragstellers als verantwortlicher L... im Beurteilungszeitraum sammeln können. Herr H... sei kein l... und habe in einem Mitarbeitergespräch mit dem Antragsteller am 5. Dezember 2022 selbst eingeräumt, dass er bezüglich der Bewertung der Leistungen als L... auf die Zuarbeit des Entwerfers Herrn D... angewiesen sei. Dieser verfüge jedoch auch nicht über eigene Erkenntnisse bezüglich der Leistungen des Antragstellers als v... im Beurteilungszeitraum, da er keine gemeinsamen Einsätze mit dem Antragsteller geflogen sei.

Ferner macht der Antragsteller Zweifel an der Objektivität von Herr H... und Herrn D... geltend. Er verweist auf mehrere Vorfälle zwischen ihm und Herrn H..., die dessen fehlende Objektivität belegen sollen.

Bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung hat der Antragsteller nach Aktenlage keinen Widerspruch gegen die Auswahlentscheidung erhoben. Die Beigeladenen haben keine eigenen Anträge gestellt und auch nicht zur Sache vorgetragen.

II.

Der Antrag ist zulässig und begründet.

Nach § 123 Abs. 1 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Verwaltungsgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, wobei ein Anordnungsgrund und ein Anordnungsanspruch in rechtlicher Hinsicht gegeben sein müssen und die dem Anordnungsgrund und dem Anordnungsanspruch zugrunde liegenden Tatsachen von dem Antragsteller glaubhaft zu machen sind, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO).

Ein Anordnungsgrund ist gegeben. Er liegt im vorliegenden Fall darin, dass die Gefahr der Vereitelung des Primärrechtschutzes durch die Beförderung der Beigeladenen besteht. Die hier fehlende Anfechtung der Auswahlentscheidung durch Einlegung eines Widerspruchs gegen die Auswahlentscheidung (vgl. § 54 Abs. 2 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG –) steht dem Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht entgegen. Die Auswahlentscheidung und ihre Bekanntgabe stellen keine Verwaltungsakte dar, die der Bestandskraft fähig sind. Die Mitteilung an die nicht ausgewählten Bewerber kündigt lediglich Erlass eines Verwaltungsaktes in Gestalt der Ernennung des ausgewählten Bewerbers für den Fall an, dass kein gerichtlicher Rechtsschutz in Anspruch genommen wird oder dieser erfolglos bleibt. Die Mitteilung dient lediglich zur Ermöglichung der Inanspruchnahme von Eilrechtsschutz (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 26. März 2019 – 4 S 177/19 –, juris, Rn. 2). Die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 10. Januar 2018 - OVG 4 S 33/17 -, juris, Rn. 6-8), wonach die Mitteilung der Auswahlentscheidung an die unterlegenen Bewerber ein Verwaltungsakt darstellt, ist mangels Vorliegen einer mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Mitteilung an den Antragsteller nicht einschlägig.

Es besteht auch ein Anordnungsanspruch. Ein Anordnungsanspruch ist in beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren gegeben, wenn der unterlegene Bewerber in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) verletzt ist und seine Aussichten, bei erneuter Auswahlentscheidung ausgewählt zu werden, zumindest offen sind, seine Auswahl mithin ernstlich möglich erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2016 - 2 BvR 2223/15 -, juris, Rn. 83).

Art. 33 Abs. 2 GG gewährt ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Dementsprechend hat jeder Bewerber Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über sein Beförderungsbegehren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 -, juris, Rn. 13).

Bei der Überprüfung einer Auswahlentscheidung kann der unterlegene Bewerber sowohl geltend machen, selbst in rechtswidriger Weise benachteiligt worden zu sein, als auch eine auf sachfremden Erwägungen beruhende unzulässige Bevorzugung des ausgewählten Konkurrenten rügen. Der Fehler kann daher sowohl in der Qualifikationsbeurteilung des Beamten als auch in derjenigen des erfolgreichen Bewerbers oder im Leistungsvergleich zwischen den Bewerbern liegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. November 2011 - 2 BvR 2305/11 -, juris, Rn. 16).

Der von Art. 33 Abs. 2 GG geforderte Leistungsvergleich der Bewerber um einen Be-förderungsdienstposten muss anhand aussagekräftiger, d.h. aktueller, hinreichend differenzierter und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhender dienstlicher Beurteilungen vorgenommen werden. Maßgebend ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil der Beurteilung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. November 2012 - 2 VR 5/12 -, juris, Rn. 24f.).

Auch bei der im Rahmen eines Streits um die Rechtmäßigkeit einer Auswahlentscheidung gegebenenfalls inzident vorzunehmenden Kontrolle dienstlicher Beurteilungen (vgl. zur Inzidentkontrolle: BVerwG, Beschluss vom 4. Juni 2014 - 2 B 108/13 -, juris, Rn. 11) sind diese aber verwaltungsgerichtlich nur beschränkt überprüfbar. Die Entscheidung des Dienstherrn darüber, ob und in welchem Grad ein Beamter die für sein Amt und für seine Laufbahn erforderliche Befähigung und fachliche Leistung aufweist, ist ein von der Rechtsordnung dem Dienstherrn vorbehaltener Akt wertender Erkenntnis. Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung hat sich deshalb darauf zu beschränken, ob der Dienstherr den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich bewegen kann, verkannt, ob er einen unrichtigen Sachverhalt zu Grunde gelegt, allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat. Hat der Dienstherr Richtlinien über die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen, sind die Beurteiler auf Grund des Gleichheitssatzes hinsichtlich des anzuwendenden Verfahrens und der anzulegenden Maßstäbe an diese Richtlinien gebunden. Das Gericht kann folglich kontrollieren, ob die Richtlinien eingehalten sind, ob sie im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung verbleiben und ob sie auch sonst mit den gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 2 A 10/13 -, juris, Rn. 14).

Im vorliegenden Fall fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage für die der vom Antragsteller angegriffenen Auswahlentscheidung zugrundeliegenden Beurteilungen der Bewerber.

Angesichts dieser Bedeutung von dienstlichen Beurteilungen für die allein nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG zu treffende Auswahlentscheidung können die Vorgaben für die Erstellung von Beurteilungen nicht allein Verwaltungsvorschriften überlassen bleiben. Die grundlegenden Vorgaben für ihre Erstellung müssen in Rechtsnormen geregelt werden. Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichten den Gesetzgeber, die für die Verwirklichung eines Grundrechts oder - wie hier - eines grundrechtsgleichen Rechts maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen. Wesentlich in diesem Sinne sind alle Regelungen, die für die Verwirklichung dieses Rechts erhebliche Bedeutung haben und sie besonders intensiv betreffen. Für eine dienstliche Beurteilung wesentlich in diesem Sinne sind die Entscheidung über das Beurteilungssystem (Regelbeurteilungen oder bloße Anlassbeurteilungen, ggf. Letztere als Ausnahme der Erstgenannten) und die Vorgabe der Bildung des abschließenden Gesamturteils unter Würdigung aller Einzelmerkmale (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2021 – 2 C 2/21 –, juris, Rn. 33; a.A. VG Cottbus, Urteil vom 17. Dezember 2021 – 4 K 448/21 –, juris, Rn. 19 ff.).

§ 19 LBG erfüllt diesen verfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalt nicht (a.A. VG Cottbus, aaO, Rn. 27). In Satz 1 wiederholt die Norm die in Art 33 Abs. 2 GG aufgeführten Auswahlkriterien Eignung Befähigung und Leistung. In Satz 2 verweist die Norm jedoch zur Regelung der weiteren Einzelheiten lediglich auf Verwaltungsvorschriften. Dies hat der Antragsgegner auch erkannt, da er im Begleitschreiben des MIK vom 22. April 2022 zur Verwaltungsvorschrift des MIK über die übergangsweise Anwendung der Beurteilungsrichtlinie im Lichte des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Juli 2021 (Az. 2 C 2.21, 3. Leitsatz des Urteils) zur Bildung eines Gesamturteils bei dienstlichen Beurteilungen vom 4. April 2022 die Verwaltungsvorschrift als Übergangslösung bis zur Umsetzung der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Vorgaben durch Schaffung einer neuen gesetzlichen Grundlage durch des Landesgesetzgeber bezeichnet.

Es kann im vorliegenden Verfahren offenbleiben, ob die vom Bundesverwaltungsgericht eingeräumte Möglichkeit, Auswahlentscheidungen für einen Übergangszeitraum weiterhin auf verfassungswidrige gesetzliche Grundlagen zu treffen, über ein Jahr nach dem Urteil überhaupt noch greift (kritisch hierzu VG Cottbus, aaO., Rn. 37 ff.). Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise hinzunehmenden Zustand der unzureichenden normativen Vorgaben für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen für einen Übergangszeitraum nicht vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat dies ausdrücklich nur gestattet, um einen der verfassungsmäßigen Ordnung noch ferneren Zustand zu vermeiden. Ohne die vorübergehende Weitergeltung der aufgrund der verfassungsrechtlich defizitären landesrechtlichen Regelungen erlassenen Verwaltungsvorschriften könnten die für die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung wichtigen Auswahlentscheidungen nicht getroffen werden (vgl. BVerwG, aaO., Rn. 40, OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Dezember 2022 – 4 S 33/22 –, juris, Rn. 6).

Im verfahrensgegenständlichen Fall ist die Auswahlentscheidung nicht für die Sicherung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung notwendig. Bei der Beförderung in die Besoldungsgruppe A 12 BbgBesO handelt es sich für die Bewerber lediglich um eine Änderung des innehabenden Amtes im statusrechtlichen Sinne. Der Aufgabenkreis, also das ausgeübte Amt im konkret-funktionalen Sinne, als auch ihre Zuordnung zu einer Behörde, also das ausgeübte Amt im abstrakt-funktionalem Sinne, der ausgewählten Bewerber ändert sich durch die vom Antragsgegner beabsichtigte Einweisung in Planstellen der Besoldungsgruppe A 12 BbgBesO nicht. Der Antragsteller und die Beigeladenen üben derzeit ihre Ämter im konkret-funktionalen und abstrakt-funktionalem Sinne als Polizeihauptkommissare bzw. Polizeihauptkommissarin mit der Besoldungsgruppe A 11 Bbg-BesO in der Direktion Besondere Dienste des Polizeipräsidiums des Landes Brandenburg aus. Sie sind aufgrund ihrer Dienstpflicht als Beamte zu vollem persönlichen Einsatz in der Ausübung der ihnen übertragenen Ämter im konkret-funktionalem und abstrakt-funktionalem Sinne verpflichtet (§ 34 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG –). Die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung wird daher nicht durch die vorläufige Untersagung der Einweisung in Planstellen der Besoldungsgruppe A 12 BbgBesO bis zur Schaffung einer verfassungsrechtlich gebotenen gesetzlichen Grundlage durch den Landesgesetzgeber gefährdet.

Das Gericht folgt damit der engen Auslegung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 22 Dezember 2022. Dort stellte es auf die Notwendigkeit der Nachbesetzung der Stellen von Vorsitzenden in gerichtlichen Spruchkörpern aufgrund der gerichtsverfassungsrechtlichen Unzulässigkeit einer längere Vakanzvertretung durch Beisitzer ab (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, aaO, Rn. 4). Daraus folgt, dass für die Anwendung der ausnahmsweise verfassungsrechtlich gebotenen übergangsweisen Fortgeltung der unzureichenden Rechtsgrundlage Voraussetzung ist, dass das ausgeschriebene Amt eine Änderung der Funktion für die Bewerber beinhaltet und die Funktion sonst nicht zeitnah besetzt wird. Dieser Fall liegt hier nicht vor, wie bereits ausgeführt.

Es ist auch zumindest offen, dass der Antragsteller bei einer erneuten Auswahlentscheidung ausgewählt wird.

Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG garantiert einen tatsächlich wirksamen Rechtsschutz. Ein abgelehnter Bewerber, dessen subjektives Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt worden ist, kann eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann beanspruchen, wenn seine Erfolgsaussichten bei einer erneuten Auswahl zumindest offen sind, seine Auswahl also möglich erscheint, mithin nicht vollkommen ausgeschlossen ist. Eine hohe Wahrscheinlichkeit der Auswahl zu Gunsten des abgelehnten Bewerbers ist nach diesem verfassungsrechtlich fundierten Maßstab nicht gefordert; es genügt bereits eine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Eine nur theoretische Chance des erfolglosen Bewerbers, die grundsätzlich immer gegeben sein kann, reicht demgegenüber nicht aus. Die Beurteilung, ob die Auswahl möglich erscheint oder aber vollkommen ausgeschlossen ist, setzt eine wertende

Betrachtung der Umstände des Einzelfalls voraus (vgl. zu alledem: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Februar 2019 - OVG 10 S 67.18 -, juris, Rn. 33, m.w.N.).

Die Ausgestaltung der noch zu schaffenden verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage für die Erstellung von beamtenrechtlichen Beurteilungen obliegt dem Gesetzgeber. Derzeit kann das Ergebnis der jeweils für den Antragsteller und die Beigeladenen aufgrund der noch zu schaffenden gesetzlichen Grundlagen neu zu erstellenden Beurteilungen nicht abgesehen werden. Es bestehen daher mehr als nur theorethische Chancen, dass der Antragsteller bei einer erneuten Beurteilung der Bewerber zumindest gleichziehen könnte mit einem oder mehreren der Mitbewerber. Es kann daher derzeit offenbleiben, ob die materiell-rechtlichen Einwendungen des Antragstellers gegen seine Beurteilung vom 18. Juli 2022 Erfolg haben und eine Anhebung des Gesamturteils auf mindestens 7 Punkte rechtfertigen würden.

Da der Antragsteller nach Aktenklage noch keinen gem. § 54 Abs. 2 BeamtStG zu erhebenden Widerspruch gegen die Auswahlentscheidung erhoben hat, welcher das für die Klagerhebung erforderliche Vorverfahren einleitet, ist die vorläufige Untersagung der aufgrund der mit Schreiben vom 14. November 2022 mitgeteilten Auswahlentscheidung beabsichtigten Besetzung der Statusämter der Besoldungsgruppe A 12 BbgBesG im Polizeipräsidium, F..., zu befristen. Das Rechtschutzbedürfnis des Antragstellers im hiesigen Verfahren entfällt mit Ablauf der Jahresfrist ohne Erhebung des Widerspruchs, da dann die Auswahlentscheidung selbst nicht mehr im Hauptsacheverfahren überprüft werden kann und eine Auswahl des Antragstellers unmöglich ist (vgl. VGH Mannheim, aaO, Rn. 3).

Vorliegend ist die Mitteilung der Auswahlentscheidung an den Antragsteller durch Schreiben vom 14. November 2022 versehentlich an eine falsche Adresse geschickt worden. Nachweislich der im Verwaltungsvorgang enthaltenden E-Mail vom 7. Dezember 2022 wurde die Auswahlentscheidung dem Antragsteller deshalb persönlich ausgehändigt. Da dieser zuvor schon auf andere Weise von der Auswahlentscheidung Kenntnis erlangt hatte und deshalb schon am 5. Dezember 2022 das Gericht um die Gewährung von Eilrechtsschutz ersuchte, ist es interessensgerecht und zweckmäßig, den Beginn der Jahresfrist für die Erhebung des Widerspruchs gemäß der Regelung aus § 57 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. § 222 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) den 8. Dezember 2022 festzulegen. Folglich endet die Widerspruchsfrist gemäß der Regelung des § 188 BGB am 7. Dezember 2023 und die vorläufige Untersagung der Einweisung in Planstellen der Besoldungsgruppe A 12 BbgBesO war dahingehend bis zum 7. Dezember 2023 zu befristen.

Die gerichtliche Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Es entspricht nicht der Billigkeit, sie dem Antragsgegner aufzuerlegen, weil die Beigeladene keine Anträge gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben, vgl. § 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (vgl. etwa Beschluss vom 12. September 2013 - OVG 4 L 23.13 -, juris, Rn. 3), der sich die erkennende Kammer angeschlossen hat, in einem auf Freihalten einer Beförderungsstelle gerichteten beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als Streitwert den vollen Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG anzusetzen.