Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 14 L 603/22


Metadaten

Gericht VG Potsdam 14. Kammer Entscheidungsdatum 08.05.2023
Aktenzeichen 14 L 603/22 ECLI ECLI:DE:VGPOTSD:2023:0508.14L603.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 11. August 2022 gegen Ziff. 1 des Bescheides vom 11. Juli 2022 wird wiederhergestellt und hinsichtlich der Androhung der Ersatzvornahme angeordnet.

2. Es wird festgestellt, dass der Widerspruch vom 11. August 2022 gegen Ziff. 2 des Bescheides vom 11. Juli 2022 aufschiebende Wirkung hat. Die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 5.250,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der wörtliche Antrag des Antragstellers, „gegen den Bescheid vom 11.07.2022 mit dem Zeichen OwiG 21/424/1432 des Landkreises P..., in stelle ich hiermit einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung“, ist unter Berücksichtigung des Begehrens des Antragstellers, welches sich aus seinem Rechtsschutzziel und der Begründung seines Antrages ergibt, gemäß § 88 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dahingehend auszulegen, dass

der Antragsteller beantragt,

1. die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 11. August 2022 gegen Ziff. 1 des Bescheides vom 11. Juli 2022 wiederherzustellen und hinsichtlich der Androhung der Ersatzvornahme anzuordnen

sowie

2. festzustellen, dass der Widerspruch vom 11. August 2022 gegen Ziff. 2 des Bescheides vom 11. Juli 2022 aufschiebende Wirkung hat und die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung anzuordnen.

Der so verstandene Antrag zu 1. ist zulässig.

Die Anordnung des Antragsgegners,

„Ihren IFA- Lastkraftwagen- Kran (W50- gelb), welchen Sie neben dem Grundstück in der in auf einem öffentlichen Weg illegal abgestellt haben, bis spätestens 3 Wochen nach Zustellung dieses Bescheides, von der öffentlichen Fläche in der Gemarkung Flur Flurstück zu beräumen und ggf. verwerten zu lassen“

mit dem Zusatz

„für den Fall, dass Sie der Forderung nicht oder nicht vollständig nachkommen, drohe ich Ihnen die Ersatzvornahme an“

ist dem Abfallrecht zuzuordnen, so dass trotz des OWiG-Aktenzeichens das Verwaltungsgericht und nicht gemäß § 68 Abs. 1 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) die Amtsgerichte zuständig sind. Sonstige Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrages bestehen nicht. Dass der Antrag schon vor Einlegung des Widerspruchs gestellt wurde, ist unschädlich. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO muss der Anfechtungsrechtsbehelf (Widerspruch oder Klage) spätestens im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erhoben sein (VG Hamburg, Beschluss vom 12. April 2022 – 5 E 1630/22 –, juris, Leitsatz). Das ist hier der Fall. Der Widerspruch war auch nicht verfristet.

Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthafte Antrag ist auch begründet.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Alt. VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen einen belastenden Verwaltungsakt wiederherstellen, wenn bei einer Interessenabwägung das private Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Dies ist dann der Fall, wenn die angefochtene Verfügung offensichtlich rechtswidrig ist – an der Vollziehung einer rechtswidrigen Verfügung kann kein öffentliches Interesse bestehen – oder aus sonstigen Gründen das Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt. Hat der Widerspruch – wie hier bei Androhung der Ersatzvornahme gemäß § 16 Verwaltungsvollstreckungsgesetz Brandenburg (VwVGBbg) – kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung, ordnet das Gericht diese nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt., Abs. 2 Ziff. 3 VwGO an.

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist dem Antrag zu 1. hinsichtlich des Grundverwaltungsaktes und in der Folge auch bezogen auf die Androhung der Ersatzvornahme stattzugeben.

Die Anordnung des Grundverwaltungsaktes des Antragsgegners erweist sich nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung als rechtswidrig, weil es an einer Rechtsnorm fehlt, auf deren Grundlage der Antragsteller zur Beräumung oder Verwertung des Wagens verpflichtet werden konnte.

Der im Bescheid benannte § 15 Abs. 2 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) betrifft die gegenüber der mit dem Zusatz „ggf.“ angeordneten Verwertung subsidiäre Beseitigung von Abfall (vgl. zur Abfallhierarchie § 6 Abs. 1 KrWG). Die „Beräumung“, die der Antragsgegner in seiner Funktion als untere Abfallwirtschaftsbehörde aufgibt, ist schon kein Begriff aus dem Abfallrecht. Die Anordnung unter Nr. 1 ist damit schon nicht vom Wortlaut der vom Antragsgegner herangezogenen Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Selbst für den Fall, dass mit „beräumen“ die Abfallbeseitigung im Sinne des § 15 KrWG gemeint ist, spricht in Zusammenschau mit Nr. 2 des Bescheidtenors, in dem von „Beräumung/Veräußerung/Entsorgung“ die Rede ist, einiges dafür, dass die Anordnung insgesamt unbestimmt und damit bereits deswegen rechtswidrig ist. Ob mit Veräußerung von Abfall den Zielen der Kreislaufwirtschaft Rechnung getragen wird, sei einmal dahingestellt. Abgesehen davon liegen die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 KrWG aber auch nicht vor, weil die Pflicht zur Abfallbeseitigung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 KrWG nur den Erzeuger oder den Besitzer des Abfalls trifft und dies auch nur dann, wenn § 17 KrWG nichts anderes bestimmt (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 KrWG). Der Antragsteller ist keinesfalls Erzeuger des Abfalls, sondern gemeinsam mit dem Träger der Straßenbaulast Abfallbesitzer, den eine Überlassungspflicht gemäß § 17 KrWG trifft.

Im Einzelnen:

Gemäß § 3 Abs. 9 KrWG ist Besitzer von Abfällen jede natürliche oder juristische Person, die die tatsächliche Sachherrschaft über Abfälle hat. Grundsätzlich vermittelt das Eigentum oder der Besitz an Grundstücken nach der Verkehrsauffassung gleichzeitig die tatsächliche Gewalt über die darauf befindlichen Abfälle (Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Auflage 2019, § 3 Rn. 67). Unstreitig ist das Fahrzeug hinter dem Firmengrundstück auf dem Wegegrundstück Gemarkung Flur, Flurstück abgestellt. Dieses steht den Angaben der Akte nach im Eigentum der Stadt Vgl. Bl. 10 der BA. Demgegenüber kann der Antragsteller mit dem Vortrag, die Behauptungen zu den Eigentumsverhältnissen des Weges entsprächen nicht den Tatsachen, nicht durchdringen. Die Feststellungen zu den Eigentumsverhältnissen lassen sich durch einfaches, unsubstantiiertes Bestreiten nicht entkräften. Das Fahrzeug steht mithin im öffentlichen Straßenraum. Abfallbesitzer ist damit die Gemeinde, die gemäß § 9a Abs. 1 Satz 3 Brandenburgisches Straßengesetz (BbgStrG) Trägerin der Straßenbaulast ist. Hierzu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 5. April 2004 – 4 B 99.2146 –, juris Rn. 23 f.):

„(…) Abfallbesitzer ist jede natürliche oder juristische Person, die die tatsächliche Sachherrschaft über Abfälle hat (§ 3 Abs. 6 KrW-/AbfG). Die tatsächliche Sachherrschaft des Klägers ergibt sich hinsichtlich der Staatsstraßen aus seiner Stellung als Träger der Straßenbaulast - und damit regelmäßig auch als Eigentümer - (vgl. Art 41 Satz 1 Nr. 1, Art. 11 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG), hinsichtlich der Bundesstraßen aus deren Verwaltung im Auftrag des Bundes (Art. 90 Abs. 2 GG). Beide Umstände vermitteln dem Kläger nach der Verkehrsauffassung jedenfalls eine dem Eigentümer sonstiger Grundstücke vergleichbare Zugriffsmöglichkeit auf den im Straßenbereich befindlichen Müll, die ihn rechtlich und tatsächlich in die Lage versetzt, diese Abfälle der öffentlichen Entsorgung zuzuführen. Der Abfallbesitz setzt keinen Besitzbegründungswillen voraus. Deshalb ist es unerheblich, dass der Müll von Dritten unerlaubt weggeworfen und der Kläger ohne oder gegen seinen Willen Besitzer geworden ist (BVerwG vom 11.12.1997 BVerwGE 106, 43/45f., 49).
Die tatsächliche Sachherrschaft des Klägers entfällt auch nicht mit Blick auf den straßenrechtlichen Gemeingebrauch (für Staatsstraßen: Art. 14 BayStrWG, für Bundesstraßen: § 7 FStrG). Nach ständiger Rechtsprechung ist das erforderliche Mindestmaß an tatsächlicher Sachherrschaft allerdings für den Eigentümer eines Grundstücks ausgeschlossen, “wenn er mit seinem Grundstück durch Betretungsrechte der Allgemeinheit in Pflicht genommen wird” (BVerwG vom 8.5.2003 BayVBl 2004, 151) oder - verallgemeinernd - “wenn sich die tatsächliche Herrschaftsbeziehung dieser Person zu den Abfällen nicht von derjenigen beliebiger anderer Personen unterscheidet” (BVerwG vom 11.12.1997 BVerwGE 106, 43/46). Aus diesem Grund ist anerkannt, dass das Zusammentragen von in Wald und Flur fortgeworfenen Abfällen wegen der gesetzlich gewährleisteten freien Zugänglichkeit dieser Grundstücke mangels Abfallbesitzes nicht Sache der Land- und Forstwirte ist, sondern zu der den öffentlich-rechtlichen Körperschaften obliegenden Entsorgungspflicht gehört. Ein vergleichbares allgemeines Betretungsrecht, das den Abfallbesitz des Klägers entfallen ließe, besteht an den Straßen indes nicht (in diese Richtung BVerwG vom 21.12.1998 BayVBl 1999, 281; aA wohl OVG SH vom 9.7.1996 Az. 4 L 17/96 <juris>) (…).“

Hierzu das BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 1998 – 7 B 211/98 –, juris Rn. 3:

„(…) Abgesehen davon ist es zudem äußerst zweifelhaft, ob die Rechtsprechung zur fehlenden tatsächlichen Sachherrschaft über Abfälle auf Grundstücken, die der Allgemeinheit rechtlich und tatsächlich frei zugänglich sind (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1997 - BVerwG 7 C 58.96 - DVBl 1998, 336 = Buchholz 451.22 § 3 AbfG Nr. 2 m.w.N.), auf den hier gegebenen Sachverhalt eines zu einer Bundesfernstraße gehörenden Parkplatzes übertragbar ist. Die genannte Rechtsprechung will solchen Fallgestaltungen Rechnung tragen, in denen die Rechtsordnung im öffentlichen Interesse dem Eigentümer die freie Zugänglichkeit eines Grundstücks auferlegt, so daß es nach den grundlegenden Wertungen des Abfallrechts unangemessen wäre, den Eigentümer mit den aus dem Abfallbesitz verbundenen Pflichten zu belasten. Damit ist der in Rede stehende Fall, in dem ein Träger öffentlicher Verwaltung gezielt ein Grundstück dem allgemeinen Straßenverkehr widmet, nur schwer vergleichbar. Hier liegt stattdessen die Annahme nahe, daß das Eigentum oder der Besitz des Verwaltungsträgers an dem im Gemeingebrauch stehenden Grundstück nach der maßgebenden Verkehrsauffassung einen Herrschaftsbereich vermittelt, der zugleich auch die tatsächliche Gewalt über die darauf befindlichen Gegenstände und damit auch den Besitz an dort lagernden Abfällen begründet. (…).“

Umgekehrt ist nicht davon auszugehen, dass der Eigentümer eines Fahrzeugs, das auf gemeindeeigenem Straßenraum steht, abfallrechtlich die tatsächliche Sachherrschaft verliert und damit nicht mehr Abfallbesitzer ist. Damit ist der Antragsteller zwar neben der Gemeinde Abfallbesitzer; dies begründet für ihn jedoch nicht die im streitgegenständlichen Bescheid angeordnete Pflicht zur Beräumung und Verwertung, sondern lediglich eine Pflicht zur Überlassung des Mobilkrans an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger. Hierzu BeckOK UmweltR/Dippel KrWG § 20 Rn. 7:

„(…) Für verbotswidrig auf Straßen in geschlossenen Ortslagen verbrachten Abfall ist der Träger der Straßenbaulast gleichrangig mit dem Verursacher der verbotswidrigen Abfallverbringung überlassungspflichtig gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (…).“

Die Entsorgungspflicht trifft nach Ansicht der zur Entscheidung berufenen Kammer den Antragsgegner in seiner Funktion als öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 KrWG in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satz 2 KrWG. § 20 Abs. 1 KrWG geht seinem Wortlaut nach, wie auch § 17 KrWG, der Regelung zur Abfallbeseitigung des Besitzers in § 15 Abs. 1 KrWG vor.

Öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger sind nach der Legaldefinition in § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG die nach Landesrecht zur Entsorgung verpflichteten juristischen Personen. Dies sind in Brandenburg gemäß § 2 Abs. 1 des Brandenburgischen Abfall- und Bodenschutzgesetzes (BbgAbfBodG) die Landkreise und kreisfreien Städte, hier somit der Antragsgegner.

Der für Kraftfahrzeuge speziellere Absatz 4 des § 20 der Vorschrift ist vorliegend nicht einschlägig, da es sich bei dem IFA W50 Mobilkran nicht um ein Kraftfahrzeug im Sinne der Norm handelt. Der Tatbestand verlangt, dass es sich um ein gemäß § 3 Abs. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) zulassungspflichtiges Kraftfahrzeug handelt (BeckOK UmweltR/Dippel KrWG § 20 Rn. 42). Gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1a) FZV sind von den Vorschriften über das Zulassungsverfahren unter anderem ausgenommen: selbstfahrende Arbeitsmaschinen. Gemäß § 2 Nr. 17 FZV sind hierunter Kraftfahrzeuge zu verstehen, die nach ihrer Bauart und ihren besonderen, mit dem Fahrzeug fest verbundenen Einrichtungen zur Verrichtung von Arbeiten, jedoch nicht zur Beförderung von Personen oder Gütern bestimmt und geeignet sind. Nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes zählt hierzu auch der Mobilkran (Kraftfahrt-Bundesamt - Glossar - Selbstfahrende Arbeitsmaschinen (kba.de), zuletzt abgerufen am 2. Mai 2023). Selbstfahrende Arbeitsmaschinen erhalten ein Kennzeichen nur unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Nr. 1 FZV, der nach seiner Überschrift für die Inbetriebsetzung zulassungsfreier Fahrzeuge gilt.

Folgt man dem nicht und geht davon aus, dass es sich bei dem Mobilkran um ein Kraftfahrzeug im Sinne des § 20 Abs. 4 KrWG handelt, so wäre der Bescheid ebenso rechtswidrig, weil Absatz 4 für diese Fahrzeuge nur auf die Entsorgungspflicht des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nach Absatz 1 verweist und damit jedenfalls keine Entsorgungspflicht des Abfallbesitzers besteht (vgl. den Beschluss des hiesigen Verwaltungsgerichts vom 30. September 2022 zu einem gleichlautenden Bescheid gegen den Antragsgegner im Verfahren VG 14 L 811/21; zit. nach juris).

Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 KrWG haben die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger die in ihrem Gebiet angefallenen und überlassenen Abfälle aus privaten Haushaltungen und Abfälle zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen nach Maßgabe der §§ 6 bis 11 KrWG zu verwerten oder nach Maßgabe der §§ 15 und 16 KrWG zu beseitigen. Bei dem Mobilkran handelt es sich um Abfall zur Beseitigung aus einem anderen Herkunftsbereich, für den eine Überlassungspflicht besteht.

Im Einzelnen:

Abfälle sind gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG Stoffe, deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Aus Sicht der Gemeinde handelt es sich bei dem Mobilkran um Abfall. Die Gemeinde, die wie oben gezeigt zweifellos Abfallbesitzerin ist, will sich des Mobilkrans entledigen. Dies hat sie unmissverständlich durch Anbringen des roten Aufklebers zum Ausdruck gebracht, mit dem sie zur Entfernung des Fahrzeugs aufforderte. Aber auch für den Antragsteller ist die Abfalleigenschaft des Mobilkrans gegeben, weil das Gesetz in diesem Fall den Entledigungswillen annimmt. Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 KrWG ist der Wille zur Entledigung hinsichtlich solcher Gegenstände anzunehmen, deren ursprüngliche Zweckbestimmung entfällt oder aufgegeben wird, ohne dass ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an deren Stelle tritt. Für die Beurteilung der Zweckbestimmung ist die Auffassung des Besitzers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zugrunde zu legen. Danach ist nach den summarisch zu prüfenden Umständen des Einzelfalls insbesondere unter Betrachtung der für den Bescheiderlass maßgeglichen Fotos von einem Abfallfahrzeug auszugehen. Das ergibt sich zunächst daraus, dass das Fahrzeug nicht die Voraussetzungen erfüllt, die das Gesetz für selbstfahrende Arbeitsmaschinen zum Betrieb auf öffentlichen Straßen vorsieht. Sollte der Kran eine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit von mehr als 20 km/h haben, wofür nach Recherche der technischen Daten einiges spricht (70 km/h laut Wikipedia für den Autodrehkran 70 auf Basis des IFA W50, zuletzt abgerufen am 3. Mai 2023), so benötigt das Fahrzeug Kennzeichen nach § 8 FZV (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 1 FZV und siehe oben). Aber selbst, wenn das Fahrzeug eine Geschwindigkeit von 20 km/h nicht überschreiten könnte, wofür der runde Aufkleber am Heck spricht, so müsste der Halter den Mobilkran zum Betrieb auf öffentlichen Straßen mit seinem Vornamen, Namen und Wohnort oder der Bezeichnung seiner Firma und deren Sitz kennzeichnen. Die Angaben sind dauerhaft und deutlich lesbar auf der linken Seite des Fahrzeugs anzubringen (vgl. § 4 Abs. 4 Satz 1 FZV). Der Mobilkran verfügt weder über Kennzeichen, noch über die soeben beschriebene Bezeichnung. Das spricht dafür, dass die ursprüngliche Zweckbestimmung des Wagens, nämlich die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr, aufgegeben wurde. Dieser Eindruck entsteht auch dadurch, dass jedenfalls am 11. Juni 2021 und auf allen folgenden Bildern das linke Hinterrad fehlt. Soweit der Antragsteller insoweit erklärt, der Mobilkran sei zwischenzeitlich immer wieder benutzt worden, wodurch es des Öfteren zu Reifenschäden gekommen sei, so überzeugt dies nicht. Wäre der Kran häufig im Einsatz, würde man zeitnah für ein Ersatzrad sorgen. Dann stünde er an fünf unterschiedlichen Kontrollterminen der Behörde nicht jedes Mal auf drei Rädern. Außerdem ist laut Fotos am 19. August 2021 der rechte Rückscheinwerfer defekt. Der Schaden bestand auch noch am 28. Juni 2022. Am 19. August 2021 fehlte auch der rechte Blinker. Es sind damit wesentliche Bauteile schadhaft, die Voraussetzung für die Verkehrstüchtigkeit eines Fahrzeugs sind. Soweit der Antragsteller vorträgt, er nutze das Fahrzeug bisweilen nur in seiner Kranfunktion, wird nicht vorgetragen, was konkret an diesem Standort gekrant werden musste. Abgesehen davon lässt sich die Zweckbestimmung eines Mobilkrans nicht nur auf die Kranfunktion reduzieren. Gemäß § 3 Abs. 4 KrWG muss sich der Besitzer Gegenständen entledigen, wenn diese nicht mehr entsprechend ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung verwendet werden, auf Grund ihres konkreten Zustands geeignet sind, gegenwärtig oder künftig das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die Umwelt, zu gefährden und deren Gefährdungspotenzial nur durch eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung oder gemeinwohlverträgliche Beseitigung nach den Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ausgeschlossen werden kann. Ob diese Voraussetzungen hier ebenfalls vorliegen, kann offenbleiben. Eine Gefahr für die Umwelt ist angesichts der Tatsache, dass der Mobilkran unstreitig nicht trockengelegt und seit Monaten unter freiem Himmel dem Zerfall ausgesetzt ist, jedoch naheliegend.

Der Mobilkran ist auch Abfall zur Beseitigung. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2, 2. HS KrWG sind Abfälle zur Beseitigung diejenigen Abfälle, die nicht verwertet werden. Abfälle zur Verwertung sind Abfälle, die verwertet werden (§ 3 Abs. 1 Satz 2, 1. HS KrWG). Dieser sog. duale Abfallbegriff ist dynamisch zu verstehen. Abfälle, die aufgrund einer Wiederverwendung oder einer sonstigen Nutzung als sog. Sekundärrohstoff (vgl. dazu BTDrucks 12/5672 S. 35 ff., 59) im Wirtschaftskreislauf verwertbar sind, wie dies auf den Mobilkran zutreffen mag, sind allein deswegen noch keine Abfälle zur Verwertung (BVerwG, Beschluss vom 23. April 2008 – 9 BN 4/07 –, juris Rn. 12). Um sich die Verwertungsoption zu erhalten und sich der Überlassungspflicht gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu entziehen, reicht es nicht aus, dass lediglich die Berechtigung besteht, den Abfall einem Verwertungsverfahren zuzuführen (BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 2005 – 10 C 4/04 –, juris Rn. 39). Die Frage, ob Stoffe Abfall zur Verwertung sind, entscheidet sich erst dann, wenn der Abfallbesitzer für sie einen konkreten Verwertungsweg sichergestellt hat (BeckOK UmweltR/Giesberts KrWG § 17 Rn. 19). Das war hier nicht der Fall. Im Gegenteil war die Verwertung des Autokrans weder vom Antragsteller noch von der Gemeinde beabsichtigt.

Der Mobilkran ist Abfall aus einem anderen Herkunftsbereich im Sinne des Gesetzes. Zwar handelt es sich nicht um haushaltsabfallähnlichen Abfall (Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Auflage 2019, §17 Rn. 26). Jedoch wird für § 20 KrWG davon ausgegangen, dass dessen Absatz 1 grundsätzlich auch einschlägig ist, wenn es sich bei dem Abfall um ein Kraftfahrzeug handelt (vgl. zum Verhältnis zwischen Absatz 1 und Absatz 4, der insoweit lediglich eine Interpretationshilfe darstellt: BeckOK UmweltR/Dippel KrWG § 20 Rn. 36).

Ob eine Überlassungspflicht besteht, richtet sich nach § 17 Abs. 1 Satz 2 KrWG. Danach sind Besitzer von Abfällen zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen verpflichtet, diese Abfälle den nach Landesrecht zur Entsorgung verpflichteten juristischen Personen (öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger) zu überlassen, soweit sie diese nicht in eigenen Anlagen beseitigen. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 KrWG besteht die Befugnis zur Beseitigung in eigenen Anlagen nicht, soweit die Überlassung der Abfälle an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger aufgrund überwiegender öffentlicher Interessen erforderlich ist. Das öffentliche Interesse hat sich in erster Linie an den Zwecken und Zielvorgaben zu orientieren, wie sie in § 1 KrWG, aber auch in den Grundpflichten des § 15 Abs. 2 KrWG niedergelegt sind (Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Auflage 2019, § 17 Rn. 29). Danach liegt es im öffentlichen Interesse, die Kreislaufwirtschaft zur Schonung der natürlichen Ressourcen zu fördern. Das gelingt am besten durch Überlassung des Mobilkrans an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, der gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 KrWG nach Maßgabe des Gesetzes die Entscheidung für Verwertung oder Beseitigung trifft.

Ein Ausschluss der Überlassungspflicht nach § 20 Abs. 3 Satz 1 KrWG kommt nicht in Betracht. Danach können die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger mit Zustimmung der zuständigen Behörde Abfälle von der Entsorgung ausschließen, soweit diese der Rücknahmepflicht auf Grund einer nach § 25 KrWG erlassenen Rechtsverordnung unterliegen und entsprechende Rücknahmeeinrichtungen tatsächlich zur Verfügung stehen. Zwar ist die Verordnung über die Überlassung, Rücknahme und umweltverträgliche Entsorgung von Altfahrzeugen (AltfahrzeugV) eine Verordnung im Sinne des § 25 KrWG (Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Auflage 2019, § 25 Rn. 27). Der Mobilkran ist jedoch kein Fahrzeug im Sinne des § 4 AltfahrzeugV, so dass die dort geregelten Überlassungspflichten für Abfallbesitzer nicht greifen. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 AltfahrzeugV bezeichnet der Begriff Fahrzeug unter anderem solche der Klasse M1 (Fahrzeuge zur Personenbeförderung mit höchstens acht Sitzplätzen außer dem Fahrersitz) oder N1 (Fahrzeuge zur Güterbeförderung mit einem Höchstgewicht bis zu 3,5 Tonnen). Der Autokran hat ein Dienstgewicht von 11,1 Tonnen (Autodrehkran 70 – Wikipedia).

Soweit der Antragsgegner im streitgegenständlichen Bescheid darauf abstellt, dass das Fahrzeug eine Beeinträchtigung des öffentlichen Verkehrs darstelle, da die Gartenanlieger der Langgärten und der Marktgärten nur wenig Abstell- bzw. Park- Rangiermöglichkeiten vor Ort hätten, kommt allenfalls eine Anordnung gemäß § 32 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) in Betracht. Sachlich zuständig wäre dann jedoch gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 StVO die Straßenverkehrsbehörde und nicht der Antragsgegner als Untere Abfallwirtschaftsbehörde.

Der angefochtene Bescheid findet auch in § 62 KrWG (in Verbindung mit § 4 Abs. 1 AltfahrzeugV), der zentralen Ermächtigungsgrundlage für den Vollzug des gesamten KrWG (BR-Drucks. 216/11, 244), keine tragfähige Grundlage. Nach dem Grundsatz der Spezialität dient § 62 immer nur als Auffangtatbestand im Verhältnis zu den Vorschriften, die spezielle Anordnungsbefugnisse beinhalten (Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Auflage 2019, § 62 Rn. 3). Abgesehen davon ist die AltfahrzeugV – wie gezeigt – nicht anwendbar.

Die Entsorgungspflicht bleibt so lange bestehen, bis die Entsorgung des Abfalls endgültig und ordnungsgemäß abgeschlossen ist. Dies ist in § 22 Satz 2 KrWG gesetzlich geregelt für den Fall, dass mit der ordnungsgemäßen Entsorgung ein Dritter beauftragt wird und muss erst recht gelten, wenn es an der Einschaltung eines Dritten fehlt. In diesem Zusammenhang das BVerwG:

„Die Entsorgungspflicht ist also eine erfolgsgerichtete Leistungspflicht, für deren Erfolg der Erzeuger und jeder Besitzer in der Entsorgungskette haftet. Sie kann nur in den gesetzlich geregelten Fällen mit befreiender Wirkung auf einen Dritten übertragen werden“ (BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2007 - 7 C 5/07 -, BVerwGE 129, 93-100, juris Rn. 19).

Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gegen die Anordnung unter
Ziff. 1 des streitgegenständlichen Bescheides hat zur Folge, dass diese nicht vollstreckbar ist (vgl. § 3 Nr. 2 VwVGBbg). Damit erweist sich die Androhung der Ersatzvornahme vorläufig als rechtswidrig.

Der Antrag zu 2. ist ebenfalls zulässig. Der Antrag ist analog § 80 Absatz 5 VwGO statthaft, weil ein Fall der faktischen Vollziehung vorliegt.

Die Befugnis des Gerichts, die aufschiebende Wirkung anzuordnen oder wiederherzustellen, beinhaltet als Minus auch die Möglichkeit, den gemäß § 80
Absatz 1 VwGO eingetretenen Suspensiveffekt gegenüber (drohenden) Vollziehungsmaßnahmen festzustellen. Eine Abwägung zwischen öffentlichem Vollzugsinteresse und dem individuellen Aussetzungsinteresse findet in diesem Fall nicht statt (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Februar 2010
– 10 S 2702/09 –, juris Rn. 5).

Der Antrag zu 2. ist auch begründet. Dem Widerspruch des Antragstellers vom 11. August 2022 kommt gemäß § 80 Absatz 1 VwGO aufschiebende Wirkung zu, weil sich der Widerspruch gegen einen belastenden Verwaltungsakt richtet, kein Fall des § 80 Absatz 2 VwGO vorliegt und ein Widerspruchsbescheid nicht ergangen ist. Die Vollziehung droht in Form eines Zwangsgeldes in Höhe von 250,00 Euro.

Aufgrund der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich Ziff. 2 des streitgegenständlichen Bescheides erweist sich die Androhung des Zwangsgeldes als Maßnahme der Vollstreckung als vorläufig rechtswidrig, so dass gemäß § 80
Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 16 VwVGBbg auch diesbezüglich die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Maßgeblich für die Streitwertfestsetzung sind zunächst die §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 39 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Gegenstand des Verfahrens sind zwei Anordnungen mit jeweils selbständigem materiellem Gehalt. Daher ist der gemäß Ziff. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs halbierte Regelstreitwert gemäß Ziff. 1.1.1 des Streitwertkatalogs wieder zu verdoppeln und beläuft sich auf 5.000 Euro. Da jedoch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes zuzüglich der für die Ersatzvornahme in Aussicht gestellten Kosten mit 5.250,00 Euro noch darüber liegen, war gemäß Ziff. 1.7.2 des Streitwertkatalogs der höhere Wert festzusetzen.